Übersendung des Ausdrucks einer elektronischen Akte, oder: Kein Anfall der Aktenversendungspauschale

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Die zweite Entscheidung am „Gebührenfreitag“ befasst sich auch mit der Aktenversendungspauschale. Es handelt sich um den AG Aschersleben, Beschl. v. 09.04.2025 – 6 OWi 31/25, der noch einmal Stellung nimmt zu der Frage, ob die Aktenversendungspauschale auch für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte dann anfällt, wenn die Akte übersandt wird, der Verteidiger die Übersendung eines Papierauszuges aber gar nicht beantragt hatte.

In einem OWi-Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung  hatte sich der Verteidiger mit Schreiben vom 17.12.2024 zur Akte gemeldet und beantragt: „ihm die amtliche Ermittlungsakte zum Zwecke der Einsichtnahme in elektronischer Form zukommen zu lassen„. Die Zentrale Bußgeldstelle führte die Akten zwar elektronisch, entschied sich jedoch, die Akten auszudrucken und an den Verteidiger zu versenden, wofür sie dann die Auslagenpauschale erhoben hat. Zur Begründung meinte sie, die Akten seien auszudrucken und zu versenden gewesen, weil die technischen Voraussetzungen für den elektronischen Versand noch nicht abgeschlossen seien.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der begründet/erfolgreich war:

„Das Gericht teilt zwar nicht die Auffassung des Amtsgericht Daun (Beschluss vom 12.04.2020 Az.: 4c OWi 132120) und des Amtsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.08.2020 Az: 976 OWi 94/20) wonach die elektronische Versendung der gesetzliche Standardfall sei (was er ist) und allein deswegen eine Versendung im Papierformat ohne Auslagenersatz bleibe. Dem (der Annahme eines das Schicksal der Auslagenentscheidung bestimmenden Standardfalles) steht nämlich der Wortlaut des § 107 Abs. 5 OWiG insoweit entgegen, weil er die tatsächlich erfolgte elektronische Versendung zur Voraussetzung hat. Gleichwohl ist der Wortlaut der Auslegung zugänglich. Das Amtsgericht Radolfzell führt im Beschluss vom 09.02.2024 insoweit aus:

„Gemäß § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, der mit Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 seine derzeit geltende Fassung erhielt, wird eine Aktenversendungspauschale nicht erhoben, wenn die Akte elektronisch geführt wird und ihre Übermittlung elektronisch erfolgt. Ersteres ist vorliegend der Fall. Letzteres ist allerdings nicht erfolgt, vielmehr wurden bei der Verwaltungsbehörde – sei es, weil dort die technischen Voraussetzungen für einen elektronischen Aktenversand (noch) gar nicht bestehen, sei es, weil dies vorliegend im Einzelfall für „praktischer“ gehalten wurde – von der elektronisch geführten Akte Papierausdrucke erstellt und dem Verteidiger postalisch übersandt.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Vorschrift des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen ist, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller (der Verteidiger) die Übersendung eines Papierauszuges ausdrücklich beantragt, was vorliegend nicht geschehen ist.

In der Begründung des Gesetzes vom 05.07.2017 (BT-Drucks. 18/9416) heißt es nämlich zur Begründung der Änderungen bei der Regelung zur Erhebung der Dokumentenpauschale im GKG, FamGKG, GNotKG und JVKostG, die jeweils einheitlich dahingehend abgeändert wurden, dass „eine Dokumentenpauschale nur erhoben (wird), wenn auf besonderen Antrag ein Ausdruck einer elektronischen Akte oder ein Datenträger mit dem Inhalt einer elektronischen Akte übermittelt wird: „Eine Dokumentenpauschale soll nur für die Fälle der Übermittlung eines elektronischen Aktenausdrucks oder eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte anfallen, da in diesen Fällen der besondere Aufwand durch einen Antrag des Einsichtnehmenden verursacht wird.“ Demgegenüber soll das elektronische Bereitstellen einer Akte zum Abruf ebenso kostenfrei bleiben, wie die Einsichtnahme einer Akte in den Diensträumen oder die Übergabe zur Mitnahme. In der Begründung heißt es weiter ausdrücklich: „Wählt im Einzelfall die Einsicht gewährende Stelle den Weg der Übermittlung eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte, weil z. B. das Bereitstellen des Inhalts einer Akte zum Abruf nicht möglich ist, soll keine Dokumentenpauschale anfallen.“ Es soll also nach dem Willen des Gesetzgebers für das Entstehen der Gebühr darauf ankommen, in wessen Verantwortungsbereich die Gründe für die den Aufwand verursachende Art der Gewährung von Akteneinsicht liegen. Auf diese Begründung nimmt die mit demselben Gesetz vorgenommene Änderung des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, mit dem die Aktenversendungspauschale bei Einsicht in die elektronische Akte, die bis dahin 5,00 Euro betragen hatte, abgeschafft wurde, ausdrücklich Bezug (s. BT-Drucks. 1819416. S. 75, 80). Die Regelung im OWiG zum Anfall der Aktenversendungspauschale im verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahren sollte daher nach dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich den Regelungen zum Anfall der Dokumentenpauschale bei Einsicht in elektronisch geführte Akten in gerichtlichen Verfahren gleichgestellt werden.“

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht vor dem Hintergrund des die Auslegung maßgeblich bestimmenden Willens des Gesetzgebers (AG Aschersleben Urt. v. 24.9.2024 — 2 Ds 275 Js 34057/22 (69/24), BeckRS 2024, 29884, beck-online, mittlerweile rechtskräftig) an.

Der Verteidiger hat hier ausdrücklich nur die Übersendung in elektronischer Form beantragt. Die Behörde hätte den Verteidiger zuvor auf die beabsichtigte Versendung in Papierform hinweisen müssen.“

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