Als zweite Entscheidung habe ich heute hier den BGH, Beschl. v. 06.11.2024 – 6 StR 589/23. Es geht in der Entscheidung um die Frage der mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einem Wohnungseinbruchsdiebstahl.
Das LG hatte die Angeklagten wegen u.a. schweren Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt. Zur Frage der „Gemeinschaftlichkeit“ hat das LG abgestellt auf ihr Tatinteresse und die von den Angeklagten in der „Vortatphase durch das Auskundschaften des Hauses und das Einklemmen des Nagels“ erbrachten „wesentlichen Tatbeiträge“. Die Revisionen hatten Erfolg, der BGH hat den Schuldspruch abgeändert und die Rechtsfolgenaussprüche aufgehoben:
„b) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen eines mittäterschaftlich begangenen Wohnungseinbruchdiebstahls nicht.
aa) Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2023 – 3 StR 343/22, NStZ-RR 2023, 315, 316; vom 29. Juli 2021 – 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95, 96).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Annahme (mit-)täterschaftlichen Handelns durchgreifenden Bedenken. Dies gilt selbst dann, wenn dem Tatgericht ein revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustünde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1984 – 1 StR 169/84, NStZ 1984, 413; Beschluss vom 7. November 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 72; offengelassen von BGH, Urteile vom 29. Juni 2023 – 3 StR 343/22, NStZ- RR 2023, 315, 316; vom 23. März 2023 – 3 StR 363/22, NStZ-RR 2023, 169; Beschluss vom 12. August 2021 – 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226, 243). Ein solcher wäre hier jedenfalls überschritten. Die Urteilsgründe belegen weder eine Tatherrschaft der Angeklagten noch ihren Willen hierzu. Die gebotene Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lässt allein die Wertung zu, dass die Angeklagten als Gehilfen handelten. Sie selbst haben an der Wegnahme nicht unmittelbar mitgewirkt. Ihre Tatbeiträge beschränkten sich lediglich auf das Auskundschaften und damit auf unterstützende Tätigkeiten, die in erheblichem zeitlichen Abstand zur Tat erbracht worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012 – 4 StR 665/11, StV 2012, 669; Beschluss vom 9. Februar 2016 – 3 StR 538/15, StV 2019, 104). Schließlich belegen die Urteilsgründe kein wesentliches eigenes Tatinteresse der Angeklagten; denn das Landgericht vermochte nicht festzustellen, dass sie an der Tatbeute beteiligt werden sollten.
cc) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme von Mittäterschaft tragen könnten. Er ändert deshalb die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 StPO und erstreckt diese Entscheidung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten H. Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.“