OWi I: Ohne Autopilot schlafend auf der BAB im Tesla, oder: Geltung des allgemeinen Straßenverkehrsrechts

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Heute dann der nächste OWi-Tag mit – zumindest einer – ungewöhnlichen bzw. nicht alltäglichen Entscheidung.

Und hier kommt die dann gleich, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 21.10.2024 – 202 ObOWi 644/24. Die Entscheidung ist schon etwas älter, ich habe sie aber erst vor kurzem erhalten.

Folgender Sachverhalt: Nach den Feststellungen des AG befuhr der Betroffene am 28.12.2022 zwischen 11:30 Uhr und 11:40 Uhr mit seinem Pkw Tesla Model „3 Performance“ die BAB 70 zwischen Eltmann und Bamberg in östlicher Richtung. Das Fahrzeug war mit der „Autopilot 3.0 Hardware“, der „Standard Autopilot Firmware“ und der Option „Autopilot“ ausgestattet, mit der es bestimmungsgemäß möglich ist, dass das Fahrzeug eigenständig die durch die Fahrbahn vorgegebene Spur hält, die dazu nötigen Lenkbewegungen ausführt und die eingestellte Geschwindigkeit einhält sowie diese bei erkannten Hindernissen reduziert bzw. vor solchen anhält. Um sicherzustellen, dass der Fahrzeugführer die Kontrolle über den Wagen behält, ist eine Sicherheitsfunktion eingebaut. Zum einen muss der Fahrer regelmäßig das Lenkrad etwas bewegen oder zumindest eine gewisse Kraft darauf ausüben, zum anderen überwacht eine Innenraumkamera, ob der Fahrer Kontakt zu dem Lenkrad und die Augen geöffnet hat. Diese Kontrollmechanismen wurden von dem Betroffenen dadurch umgangen, dass er sogenannte Lenkradgewichte am Lenkrad anbrachte und das Objektiv der Kamera abdeckte oder abklebte, um ein selbständiges Fahren zu ermöglichen.

In dem Streckenabschnitt ab Viereth bis zur Anschlussstelle 15 (Hallstadt) schlief der Betroffene während einer Strecke von mindestens 8 km (Fahrzeit knapp 5 Minuten) und hatte dadurch keinerlei Kontrolle über das Fahrzeug.

Deswegen hat das AG den Betroffenen wegen des vorsätzlichen Führens eines nicht vorschriftsmäßigen Fahrzeugs, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war, wobei der Betroffene fahrlässig das Fahrzeug trotz körperlicher oder geistiger Mängel geführt hat, ohne in geeigneter Weise Vorsorge getroffen zu haben, dass andere nicht gefährdet werden, zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt. Das BayObLG hat das anders gesehen. Allerdings hat es nur die Rechtsgrundlage für die Verurteilung des Betroffenen „ausgetauscht“ und die Rechtsbeschwerde dann verworfen:

„Ein Verstoß gegen die in §§ 1a, 1b StVG geregelten Pflichten des Fahrzeugführers und Fahrzeuganforderungen bei Nutzung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen liegt – entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft – nicht vor, weil diese Vorschriften hier nicht anwendbar sind. Es gelten vielmehr die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

aa) Die durch das 8. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 16.06.2017 (BGBl. 2017 I 1648) eingeführten §§ 1a-c StVG regeln die Nutzung und den zulässigen Betrieb hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen. Der Gesetzgeber hat dabei an die Klassifikation angeknüpft, die von dem durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten „Runden Tisch automatisiertes Fahren“ zugrundegelegt worden ist (BT-Drs. 18/11300 S. 12 a.E.).

Danach sind folgende Stufen des automatisierten Fahrens zu unterscheiden:

Stufe 1: Fahrassistenzsysteme: Hierbei wird in gewissen Grenzen entweder die Längs- oder die Querführung des Fahrzeugs übernommen, wobei der Fahrer das System dauerhaft überwachen und zum Eingreifen bereit sein muss. Beispiele für solche Assistenzsysteme sind die adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung und der Parkassistent.

Stufe 2: Beim teilautomatisierten Fahren übernimmt das System sowohl die Längs- als auch die Querführung des Fahrzeugs für einen gewissen Zeitraum oder in spezifischen Situationen. Der Fahrer muss das System jedoch nach wie vor dauerhaft überwachen und jederzeit zur vollständigen Übernahme der Fahraufgabe in der Lage sein. Ein Beispiel hierfür ist der Stauassistent.

Stufe 3: Wesentliches Unterscheidungsmerkmal hochautomatisierter Fahrfunktionen im Vergleich zu den vorangegangenen Automatisierungsstufen ist, dass das Fahrzeug die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum oder in spezifischen Situationen übernimmt und der Fahrer das System nicht mehr dauerhaft überwachen muss. Er muss dabei jedoch immer in der Lage sein, die Fahraufgabe nach Aufforderung mit einer angemessenen Zeitreserve wieder vollständig und sicher zu übernehmen.

Stufe 4: Bei vollautomatisierten Fahrfunktionen übernimmt das System die Fahrzeugführung in einem definierten Anwendungsfall vollständig und bewältigt alle damit verbundenen Situationen automatisch.

Stufe 5: Beim autonomen (fahrerlosen) Fahren als höchste Automatisierungsstufe übernimmt das System das Fahrzeug vollständig vom Start bis zum Ziel. Alle im Fahrzeug befindlichen Personen sind in diesem Fall Passagiere (vgl. zum vorgenannten: „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2015; Roshan, NJW-Spezial 2021, 137; Lange, NZV 2017, 345, 346; BeckOK/Will StVR [Stand: 15.04.2024] StVG § 1a vor Rn. 1).

Gegenstand der Bestimmungen der §§ 1a ff. StVG ist nicht der Betrieb eines Kraftfahrzeugs, das mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen ausgestattet ist, im öffentlichen Straßenverkehr an sich, sondern nur der Betrieb mittels dieser technischen Funktionen sowie die Pflichten des Fahrzeugführers bei der Verwendung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen (BT-Drs. 18/11300 S. 20).

bb) Der vom Betroffenen zum Tatzeitpunkt gefahrene Pkw Tesla Model „3 Performance“ ist indes zu einer vollständigen Übergabe der Fahrzeugsteuerung auf die verbauten Assistenzsysteme nicht bestimmt und dazu auch nicht ausgelegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die angebrachten Kontrolleinrichtungen das Abwenden des Fahrers vom Verkehrsgeschehen gerade verhindern sollen. Der vollständigen Verlagerung der Fahrzeugführung auf die Assistenzsysteme wird herstellerseits durch taktile und optische Kontrollen entgegengewirkt.

Das vom Betroffenen geführte Fahrzeug ist somit der Kategorie des „teilautomatisierten Fahrens“ (Stufe 2) zuzuordnen. Nicht entscheidend kann dabei sein, dass das Fahrzeug durch vom Hersteller nicht gewollte Manipulationen auf eine höhere Automatisierungsstufe angehoben wird. Denn die Zuordnung zu einem bestimmten Automatisierungsgrad und damit die Anwendung der §§ 1a ff. StVG ist allgemein und einheitlich zu treffen. Die Entscheidung kann nicht durch das nicht normgemäße Verhalten im Einzelfall, das von den Sicherheitseinrichtungen im Fahrzeug gerade verhindert werden soll, abhängig gemacht werden.

Gehört das vom Betroffenen gefahrene Kraftfahrzeug der Stufe 2 an, fällt sein Betrieb nicht unter die §§ 1a und 1b StVG. Systeme dieser Stufe zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Fahrzeugführer nicht von der Fahrzeugführung abwenden darf und jederzeit selbst eingreifen können muss (vgl. BeckOK/Will a.a.O.; Hentschel/König/Dauer/König Straßenverkehrsrecht 47. Aufl. § 1a StVG Rn. 10).
cc) § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO verpflichtet den Führer eines Kraftfahrzeugs dazu, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Fahrzeug in einem vorschriftsmäßigen und verkehrssicheren Zustand befindet (vgl. OLG Saarbrücken DAR 2021, 566). Dies umfasst die Bau- und Betriebsvorschriften der §§ 32 bis 67 StVZO ebenso wie die Generalklausel des § 30 StVZO. Die Beschaffenheit von Fahrzeugen kann auch vorschriftswidrig sein, wenn Mängel vorhanden sind, die die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigen oder andere Verkehrsteilnehmer belästigen. Vorschriftswidrig ist zudem eine Steigerung der normalen Gefahr des Fahrzeugs. Der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder Belästigung anderer ist nicht erforderlich. Es genügt, dass eine solche wahrscheinlicher wird (OLG Bamberg DAR 2011, 212; NK-GVR/Krenberger 3. Aufl. § 23 StVO Rn. 6 m.w.N.). Grundsätzlich hat der Kraftfahrer alle an seinem Fahrzeug gegen eine mögliche Verkehrsgefahr vorgesehenen Sicherungseinrichtungen zu gebrauchen, auch wenn er deren Notwendigkeit nicht durchschaut (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß StVR 28. Aufl. § 23 StVO Rn. 13).

Durch das Anbringen der Lenkradgewichte und das Abkleben der Innenraumkamera hat der Betroffene den bestehenden Sicherheitsmechanismus gerade in der Absicht außer Kraft gesetzt, sich von der eigenen Verkehrsüberwachung abwenden und einschlafen zu können. Die von seinem Fahrzeug ausgehende normale Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wurde dadurch beträchtlich erhöht. Selbst wenn durch die verbauten Assistenzsysteme eine Spurhaltung sowie eine Abstandskontrolle und Geschwindigkeitsreduktion möglich waren, konnten diese Einrichtungen allein ohne entsprechende Fahrzeugführung durch den Betroffenen möglichen Gefahrenmomenten, etwa durch Ereignisse oder sich entwickelnde Gefahrensituationen seitlich des Fahrzeugs oder außerhalb der Reichweite der Systeme nicht mit der erforderlichen Wirksamkeit begegnen, zumal der Betroffene eine Strecke von mindestens 8 km bzw. eine Fahrzeit von knapp 5 Minuten schlafend zurücklegte.

c) Ohne Rechtsfehler ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass sich der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach § 2 Abs. 1, § 75 Abs. 1 Nr. 1 FeV schuldig gemacht hat.

Übermüdung gehört zu den körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen im Sinne der Vorschrift (Hentschel/König/Dauer/Dauer § 2 FeV Rn. 2; BeckOK/Gail § 2 FeV Rn. 7; MüKo/Hahn/Kalus StVR § 2 FeV Rn. 8).

Aufgrund der vom Betroffenen eingenommenen Position und der Dauer des Schlafs sowie der Auffälligkeiten im Rahmen der anschließenden polizeilichen Kontrolle ist es als ausgeschlossen anzusehen, dass sich die Gefahr des Einschlafens nicht durch deutlich wahrnehmende Ermüdungserscheinungen angekündigt hat, denen bei der Anwendung eines Mindestmaßes an Sorgfalt hätte Rechnung getragen werden können und müssen (OLG Düsseldorf NZV 2001, 81, 82).“

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