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OWi I: Ohne Autopilot schlafend auf der BAB im Tesla, oder: Geltung des allgemeinen Straßenverkehrsrechts

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Heute dann der nächste OWi-Tag mit – zumindest einer – ungewöhnlichen bzw. nicht alltäglichen Entscheidung.

Und hier kommt die dann gleich, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 21.10.2024 – 202 ObOWi 644/24. Die Entscheidung ist schon etwas älter, ich habe sie aber erst vor kurzem erhalten.

Folgender Sachverhalt: Nach den Feststellungen des AG befuhr der Betroffene am 28.12.2022 zwischen 11:30 Uhr und 11:40 Uhr mit seinem Pkw Tesla Model „3 Performance“ die BAB 70 zwischen Eltmann und Bamberg in östlicher Richtung. Das Fahrzeug war mit der „Autopilot 3.0 Hardware“, der „Standard Autopilot Firmware“ und der Option „Autopilot“ ausgestattet, mit der es bestimmungsgemäß möglich ist, dass das Fahrzeug eigenständig die durch die Fahrbahn vorgegebene Spur hält, die dazu nötigen Lenkbewegungen ausführt und die eingestellte Geschwindigkeit einhält sowie diese bei erkannten Hindernissen reduziert bzw. vor solchen anhält. Um sicherzustellen, dass der Fahrzeugführer die Kontrolle über den Wagen behält, ist eine Sicherheitsfunktion eingebaut. Zum einen muss der Fahrer regelmäßig das Lenkrad etwas bewegen oder zumindest eine gewisse Kraft darauf ausüben, zum anderen überwacht eine Innenraumkamera, ob der Fahrer Kontakt zu dem Lenkrad und die Augen geöffnet hat. Diese Kontrollmechanismen wurden von dem Betroffenen dadurch umgangen, dass er sogenannte Lenkradgewichte am Lenkrad anbrachte und das Objektiv der Kamera abdeckte oder abklebte, um ein selbständiges Fahren zu ermöglichen.

In dem Streckenabschnitt ab Viereth bis zur Anschlussstelle 15 (Hallstadt) schlief der Betroffene während einer Strecke von mindestens 8 km (Fahrzeit knapp 5 Minuten) und hatte dadurch keinerlei Kontrolle über das Fahrzeug.

Deswegen hat das AG den Betroffenen wegen des vorsätzlichen Führens eines nicht vorschriftsmäßigen Fahrzeugs, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war, wobei der Betroffene fahrlässig das Fahrzeug trotz körperlicher oder geistiger Mängel geführt hat, ohne in geeigneter Weise Vorsorge getroffen zu haben, dass andere nicht gefährdet werden, zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt. Das BayObLG hat das anders gesehen. Allerdings hat es nur die Rechtsgrundlage für die Verurteilung des Betroffenen „ausgetauscht“ und die Rechtsbeschwerde dann verworfen:

„Ein Verstoß gegen die in §§ 1a, 1b StVG geregelten Pflichten des Fahrzeugführers und Fahrzeuganforderungen bei Nutzung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen liegt – entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft – nicht vor, weil diese Vorschriften hier nicht anwendbar sind. Es gelten vielmehr die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

aa) Die durch das 8. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 16.06.2017 (BGBl. 2017 I 1648) eingeführten §§ 1a-c StVG regeln die Nutzung und den zulässigen Betrieb hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen. Der Gesetzgeber hat dabei an die Klassifikation angeknüpft, die von dem durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzten „Runden Tisch automatisiertes Fahren“ zugrundegelegt worden ist (BT-Drs. 18/11300 S. 12 a.E.).

Danach sind folgende Stufen des automatisierten Fahrens zu unterscheiden:

Stufe 1: Fahrassistenzsysteme: Hierbei wird in gewissen Grenzen entweder die Längs- oder die Querführung des Fahrzeugs übernommen, wobei der Fahrer das System dauerhaft überwachen und zum Eingreifen bereit sein muss. Beispiele für solche Assistenzsysteme sind die adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung und der Parkassistent.

Stufe 2: Beim teilautomatisierten Fahren übernimmt das System sowohl die Längs- als auch die Querführung des Fahrzeugs für einen gewissen Zeitraum oder in spezifischen Situationen. Der Fahrer muss das System jedoch nach wie vor dauerhaft überwachen und jederzeit zur vollständigen Übernahme der Fahraufgabe in der Lage sein. Ein Beispiel hierfür ist der Stauassistent.

Stufe 3: Wesentliches Unterscheidungsmerkmal hochautomatisierter Fahrfunktionen im Vergleich zu den vorangegangenen Automatisierungsstufen ist, dass das Fahrzeug die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum oder in spezifischen Situationen übernimmt und der Fahrer das System nicht mehr dauerhaft überwachen muss. Er muss dabei jedoch immer in der Lage sein, die Fahraufgabe nach Aufforderung mit einer angemessenen Zeitreserve wieder vollständig und sicher zu übernehmen.

Stufe 4: Bei vollautomatisierten Fahrfunktionen übernimmt das System die Fahrzeugführung in einem definierten Anwendungsfall vollständig und bewältigt alle damit verbundenen Situationen automatisch.

Stufe 5: Beim autonomen (fahrerlosen) Fahren als höchste Automatisierungsstufe übernimmt das System das Fahrzeug vollständig vom Start bis zum Ziel. Alle im Fahrzeug befindlichen Personen sind in diesem Fall Passagiere (vgl. zum vorgenannten: „Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren“, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2015; Roshan, NJW-Spezial 2021, 137; Lange, NZV 2017, 345, 346; BeckOK/Will StVR [Stand: 15.04.2024] StVG § 1a vor Rn. 1).

Gegenstand der Bestimmungen der §§ 1a ff. StVG ist nicht der Betrieb eines Kraftfahrzeugs, das mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen ausgestattet ist, im öffentlichen Straßenverkehr an sich, sondern nur der Betrieb mittels dieser technischen Funktionen sowie die Pflichten des Fahrzeugführers bei der Verwendung hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen (BT-Drs. 18/11300 S. 20).

bb) Der vom Betroffenen zum Tatzeitpunkt gefahrene Pkw Tesla Model „3 Performance“ ist indes zu einer vollständigen Übergabe der Fahrzeugsteuerung auf die verbauten Assistenzsysteme nicht bestimmt und dazu auch nicht ausgelegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die angebrachten Kontrolleinrichtungen das Abwenden des Fahrers vom Verkehrsgeschehen gerade verhindern sollen. Der vollständigen Verlagerung der Fahrzeugführung auf die Assistenzsysteme wird herstellerseits durch taktile und optische Kontrollen entgegengewirkt.

Das vom Betroffenen geführte Fahrzeug ist somit der Kategorie des „teilautomatisierten Fahrens“ (Stufe 2) zuzuordnen. Nicht entscheidend kann dabei sein, dass das Fahrzeug durch vom Hersteller nicht gewollte Manipulationen auf eine höhere Automatisierungsstufe angehoben wird. Denn die Zuordnung zu einem bestimmten Automatisierungsgrad und damit die Anwendung der §§ 1a ff. StVG ist allgemein und einheitlich zu treffen. Die Entscheidung kann nicht durch das nicht normgemäße Verhalten im Einzelfall, das von den Sicherheitseinrichtungen im Fahrzeug gerade verhindert werden soll, abhängig gemacht werden.

Gehört das vom Betroffenen gefahrene Kraftfahrzeug der Stufe 2 an, fällt sein Betrieb nicht unter die §§ 1a und 1b StVG. Systeme dieser Stufe zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Fahrzeugführer nicht von der Fahrzeugführung abwenden darf und jederzeit selbst eingreifen können muss (vgl. BeckOK/Will a.a.O.; Hentschel/König/Dauer/König Straßenverkehrsrecht 47. Aufl. § 1a StVG Rn. 10).
cc) § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO verpflichtet den Führer eines Kraftfahrzeugs dazu, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Fahrzeug in einem vorschriftsmäßigen und verkehrssicheren Zustand befindet (vgl. OLG Saarbrücken DAR 2021, 566). Dies umfasst die Bau- und Betriebsvorschriften der §§ 32 bis 67 StVZO ebenso wie die Generalklausel des § 30 StVZO. Die Beschaffenheit von Fahrzeugen kann auch vorschriftswidrig sein, wenn Mängel vorhanden sind, die die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigen oder andere Verkehrsteilnehmer belästigen. Vorschriftswidrig ist zudem eine Steigerung der normalen Gefahr des Fahrzeugs. Der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder Belästigung anderer ist nicht erforderlich. Es genügt, dass eine solche wahrscheinlicher wird (OLG Bamberg DAR 2011, 212; NK-GVR/Krenberger 3. Aufl. § 23 StVO Rn. 6 m.w.N.). Grundsätzlich hat der Kraftfahrer alle an seinem Fahrzeug gegen eine mögliche Verkehrsgefahr vorgesehenen Sicherungseinrichtungen zu gebrauchen, auch wenn er deren Notwendigkeit nicht durchschaut (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß StVR 28. Aufl. § 23 StVO Rn. 13).

Durch das Anbringen der Lenkradgewichte und das Abkleben der Innenraumkamera hat der Betroffene den bestehenden Sicherheitsmechanismus gerade in der Absicht außer Kraft gesetzt, sich von der eigenen Verkehrsüberwachung abwenden und einschlafen zu können. Die von seinem Fahrzeug ausgehende normale Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wurde dadurch beträchtlich erhöht. Selbst wenn durch die verbauten Assistenzsysteme eine Spurhaltung sowie eine Abstandskontrolle und Geschwindigkeitsreduktion möglich waren, konnten diese Einrichtungen allein ohne entsprechende Fahrzeugführung durch den Betroffenen möglichen Gefahrenmomenten, etwa durch Ereignisse oder sich entwickelnde Gefahrensituationen seitlich des Fahrzeugs oder außerhalb der Reichweite der Systeme nicht mit der erforderlichen Wirksamkeit begegnen, zumal der Betroffene eine Strecke von mindestens 8 km bzw. eine Fahrzeit von knapp 5 Minuten schlafend zurücklegte.

c) Ohne Rechtsfehler ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass sich der Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach § 2 Abs. 1, § 75 Abs. 1 Nr. 1 FeV schuldig gemacht hat.

Übermüdung gehört zu den körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen im Sinne der Vorschrift (Hentschel/König/Dauer/Dauer § 2 FeV Rn. 2; BeckOK/Gail § 2 FeV Rn. 7; MüKo/Hahn/Kalus StVR § 2 FeV Rn. 8).

Aufgrund der vom Betroffenen eingenommenen Position und der Dauer des Schlafs sowie der Auffälligkeiten im Rahmen der anschließenden polizeilichen Kontrolle ist es als ausgeschlossen anzusehen, dass sich die Gefahr des Einschlafens nicht durch deutlich wahrnehmende Ermüdungserscheinungen angekündigt hat, denen bei der Anwendung eines Mindestmaßes an Sorgfalt hätte Rechnung getragen werden können und müssen (OLG Düsseldorf NZV 2001, 81, 82).“

StGB I: Eine Karikatur mit Hakenkreuz auf Twitter, oder: Kunstfreiheit oder Meinungsäußerung

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Und dann heute wieder drei Entscheidungen aus der Kiste: „Materielles Recht“, also StGB.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 29.11.2023 – 202 StRR 88/23. Der äußert sich mal wieder/noch einmal zur Strafbarkeit nach § 86a StGB wegen Verwendens einer ein Hakenkreuz enthaltenden Karikatur auf Twitter.

Das AG hat den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig gesprochen, aber von der Verhängung einer Strafe abgesehen. Auf die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, hat das LG das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Die Berufung des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Seine Revision hatte keinen Erfolg.

Das LG hatte folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Am 23.06.2022 entdeckte der Angeklagte, der Mitglied der AfD ist, auf seinem Twitter-Account einen Beitrag eines anderen Twitter-Nutzers mit einem Bild. Diesen „Tweet“ mit dem Bild teilte der Angeklagte auf seinem Twitter-Account mit seinerzeit ca. 13.000 „Followern“. Das Bild zeigt die realistische Zeichnung des Körpers einer Frau, die ein blaues Kleid mit EU-Flagge auf dem Bauch trägt. Das Kleid wird nach oben geweht, so dass das rote Innenfutter mit einem Hakenkreuz in einem weißen Kreis auf Höhe des Oberschenkels deutlich erkennbar ist. Über dem Bild ist der Kommentar „Bin mal auf den shitstorm gespannt…“ zu lesen.2

Wie gesagt, auch das BayObLG ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 86a StGB vorliegt. Hier die Leitsätze zu der recht umfangreiche begründeten Entscheidung:

    1. Das „Teilen“ einer Abbildung mit einem Hakenkreuz, das dem Angeklagten von einem Dritten auf seinem Twitter-Account eingestellt wurde, mit seinen ca. 13.000 „Followern“ stellt ein öffentliches Verwenden des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation dar.
    2. Eine auf Grund des Schutzzwecks des § 86a Abs. 1 StGB erforderliche Einschränkung des Tatbestands ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich auf Anhieb aus der Abbildung in eindeutiger und offenkundiger Weise die Gegnerschaft des Angeklagten zur NS-Ideologie ergibt.
    3. Eine Verhaltensweise dient der staatsbürgerlichen Aufklärung im Sinne des § 86 Abs. 4 i.V.m. § 86a Abs. 3 StGB, wenn es um die Vermittlung von Wissen zur Anregung der politischen Willensbildung geht.
    4. Ein Ausschluss der Strafbarkeit wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen aufgrund der Kunstfreiheit (§ 86 Abs. 4 i.V.m. § 86a Abs. 3 StGB) kommt nur dann in Betracht, wenn das Handeln des Angeklagten dem Werkbereich oder dem Wirkbereich künstlerischen Schaffens unterfällt, was dann nicht der Fall ist, wenn er weder Hersteller des Werks ist noch von diesem mit der Verbreitung betraut wurde.
    5. Die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG wird durch § 86a StGB als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt. Der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass durch die teleologische Reduktion des Straftatbestands Fälle, in denen die Gegnerschaft des Handelnden zu der verfassungswidrigen Organisation zweifelsfrei und auf Anhieb ersichtlich wird, von der Strafbarkeit ausgenommen werden.

OWi I: Verwenden einer sog. Handy-Blitzer-App, oder: App auf dem Handy des Beifahrers

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Heute stelle ich dann mal wieder einige OWi-Entscheidungen vor.

Ich starte mit dem „Blitzer-App-Beschluss“ des OLG Karlsruhe, also dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.02.2023 – 2 ORbs 35 Ss 9/23.

Das AG hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Mit-Sich-Führens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen – also Verstoß gegen § 23 Abs. 1c StVO – verurteilt. Nach den Feststellungen des AG fuhr der Betroffene im Stadtgebiet von A. einen PKW mit teilweise deutlich überhöhter Geschwindigkeit und unterließ mehrfach den gebotenen Einsatz des Fahrtrichtungsanzeigers. Dabei wusste er, dass auf dem in der Mittelkonsole abgelegten Mobiltelefon seiner Beifahrerin die App „Blitzer.de“ geöffnet war. Die Überzeugung zur vom Betroffenen bestrittenen subjektiven Tatseite hat das Amtsgericht auf eine Bekundung des den Betroffenen kontrollierenden Polizeibeamten gestützt, wonach der Betroffene nach dem Anhalten bewusst das Mobiltelefon zur Seite geschoben habe, und dies außerdem in Beziehung zu dem vorherigen Fahrverhalten des Betroffenen gesetzt.

Das OLG geht von eienm Verstoß gegen § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO aus:

„2. Die getroffenen Feststellungen tragen allerdings nicht eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1c Satz 1 und 2 StVO.

In der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist dazu zutreffend ausgeführt:

„Bei dem vom Betroffenen verwendeten Geräte, einem Smartphone, auf dem die App „Blitzer.de“ aktiviert war (UA Seite 3, AS 141), handelt es sich jedoch nicht um ein Gerät, dass dazu bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen. Es handelt sich vielmehr um ein Gerät, dass neben anderen Nutzungszwecken auch zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen verwendet werden kann. Daher unterfällt das Smartphone mit der aktivierten App „Blitzer.de“ nicht § 23 Abs. 1c Satz 1-2 StVO, sondern § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. [2021], § 23 StVO Rn. 36). Diese Differenzierung, die erst mit der Änderung von § 23 Abs. 1c StVO durch die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 (BGBl. I S. 814) entstand, lag dem „alten“ § 23 Abs. 1b StVO noch nicht zugrunde, weshalb die bisherigen Entscheidungen zu § 23 Abs. 1b StVO a. F. diese Differenzierung noch nicht treffen (vgl. OLG Celle NJW 2015, 3733; OLG Rostock BeckRS 2017, 103960).“

3. Der Senat schließt sich jedoch der von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vorgenommenen Bewertung an, dass das im angefochtenen Urteil festgestellte Verhalten einen (vorsätzlichen) Verstoß gegen § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO belegt.

a) Ein solcher Verstoß setzt entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung nicht voraus, dass die Funktion zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen vom Fahrzeugführer selbst aktiviert worden ist.

aa) Die Einführung des § 23 Abs. 1 c Satz 3 StVO wurde durch eine Initiative der Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur, für Wirtschaft und Energie und für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit angestoßen, die ursprünglich nur vorsah, die Regelung in § 23 Abs. 1c Satz 1 StVO dahin zu ergänzen, dass das verwendete technische Gerät zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmt ist oder – so der Ergänzungsvorschlag – „verwendet werden kann“. Damit sollte klargestellt werden, dass von der Regelung auch Navigationsgeräte oder Mobiltelefone mit sogenannten Blitzer-Apps erfasst sind (BR-Drs. 591/19 S. 5 und 79 f.).

Die dann beschlossene Änderung durch Einführung des § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO wurde damit begründet, dass mit dem ursprünglichen Vorschlag auch Geräte erfasst gewesen wären, auf denen die entsprechenden Funktionen deaktiviert sind. Der Bundesrat hat in der Begründung zu diesem Änderungsvorschlag abschließend ausgeführt: „Es wird daher vorgeschlagen, das vorgesehene Verbot auf die Nutzung [Hervorhebung durch den Senat] der entsprechenden Gerätefunktionen (zum Beispiel entsprechende Smartphone-Applikationen) zu begrenzen“ [BR-Drs. 591/19 (Beschluss) S. 6].

bb) Unter Berücksichtigung dieser Entstehungsgeschichte steht deshalb außer Zweifel, dass die Tathandlung des „Verwendens“ in § 23 Abs. 1 c Satz 3 StVO kein eigenes aktives Tätigwerden des Fahrzeugführers im Umgang mit dem technischen Gerät bzw. der darin enthaltenen verbotenen Funktion voraussetzt, sondern vielmehr jedes Handeln genügt, mit dem dieser sich die verbotene Funktion zunutze macht. Erfasst wird deshalb auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten Funktion (ebenso König a.a.O., § 23 StVO Rn. 36; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., § 23 StVO Rn. 22h), wie sie sich aus den vorliegend getroffenen Feststellungen ergibt.

b) §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 1 StPO stehen einer Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Betroffene sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.“

Wenn die Haushaltshilfe mit der Visa-Card des toten Dienstherrn shoppen geht

entnommen openclipart.org

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Wenn die Haushaltshilfe mit der Visa-Card des toten Dienstherrn shoppen geht, dann stellt sich die Frage: Untreue (§ 266 StGB) ja oder nein? Die Frage haben das AG und LG Siegen bejaht, das OLG Hamm dann aber auf die Revision der Haushaltshilfe verneint und diese frei gesprochen. Grundlage war folgender Sachverhalt: Der am 21.01.2013 verstorbene – vermögenden – Dienstherr NT der Haushaltshilfe „überließ“/ „schenkte“ der Angeklagten, die für ihn als Haushaltshilfe tätig war, wohl gegen Ende September 2012 eine Kreditkarte (Visa-Karte) „zur freien Nutzung, also für eigene Zwecke“. Das Verfügungslimit der Kreditkarte lag bei 5.000 € monatlich. Die Karte hatte eine Gültigkeit bis Ende Januar 2013. Die Kreditkartenumsätze wurden letztlich von einem Kontokorrentkonto des NT abgebucht. In der Folgezeit tätigte die Angeklagte zahlreiche Umsätze mit der Kreditkarte. Auch nach dem Tod des NT tätigte die Angeklagte vom 25.01.2013 bis zum 01.02.2013 insgesamt 22 Umsätze im Umfang von insgesamt 4.686,07 € . Diese sind Gegenstand des Urteils. Mindestens die letzten beiden Umsätze tätigte sie mit der bis Januar 2017 gültigen Folgekarte.

Das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 12.03.2015 – 1 RVs 15/15: Keine Untreue, denn:

„Im angefochtenen Urteil wird verkannt, dass die Angeklagte eine (für beide Tatbestandsalternativen des § 266 Abs. 1 StGB erforderliche – vgl. insoweit BGHSt 24, 386; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 266a Rdn. 6a m.w.N.; krit.: Schünemann in: LK-StGB, 12. Aufl., § 266 Rdn. 18 ff.) Vermögensbetreuungspflicht weder gegenüber dem Verstorbenen noch gegenüber dessen Erben traf. Eine Untreue i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB liegt damit nicht vor.

Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (BGHSt 24, 386 f.). Vermögensinteressen richten sich auf das Gewinnen, Erhalten und Vermehren wirtschaftlicher Werte (Schünemann, a.a.O., § 266 Rdn. 71).

Diese Pflicht muss eine besondere Pflicht sein, die über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter hinausgeht. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbstständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (BGH NJW 2011, 88, 91; BGH NStZ 2013, 40). Ein bloßer Bezug zu fremden Vermögensinteressen reicht nicht aus (BGH NStZ 2013, 40]).

Die Angeklagte traf hier eine solche Verpflichtung nicht. Die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Der Verfügungsrahmen der Kreditkarte war auf 5.000 Euro pro Monat begrenzt, eine Verwendung über diesen Betrag hinaus der Angeklagten mithin gar nicht möglich. Ein Spielraum verblieb ihr insoweit nicht. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat. Der Fall liegt hier anders, als z.B. der Sachverhalt, der der Entscheidung OLG Hamm NStZ-RR 2004, 111 zu Grunde lag. Dort hatte der Geschädigte der seinerzeitigen Angeklagten, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebte, Kontovollmacht erteilt, damit sie Geldbeträge zur angemessenen Lebensführung von seinem Konto abheben konnte. Diesen Rahmen hatte sie dann überschritten. Vorliegend ist es aber so, dass die Angeklagte keinen Spielraum hatte, über den Betrag des Kreditkartenlimits hinaus, der allein ihr zu Gute kommen sollte, Verfügungen zu Lasten des Verstorbenen zu treffen. Da, wie das Landgericht ausführt, der „rüstige“ Verstorbene keinen Anlass hatte, sich über die Frage seines Ablebens und dessen Folgen für die Nutzung der Kreditkarte Gedanken zu machen und diese bei Übergabe der Karte an die Angeklagte zu erörtern, kann auch nicht angenommen, werden, er habe der Angeklagten für den Fall seines Ablebens eine Vermögensbetreuungspflicht zu Gunsten seiner Erben im Falle seines Versterbens auferlegen wollen.

Es ist auch kein Umstand erkennbar, der eine Vermögensbetreuungspflicht mit dem Ableben des Verstorbenen begründen könnte. Irgendwie geartete Vereinbarungen mit den Erben hat es nicht gegeben. Auch aus dem Gesetz (etwa §§ 2018 ff. BGB) lässt sich eine Pflicht in dem oben genannten Sinne nicht ableiten (sondern eben nur die gesetzlich geregelten Einzelansprüche). Sie ergeben zwar einen Bezug zu den Vermögensinteressen der Erben. Ein solcher bloßer Bezug zu fremden Vermögensinteressen reicht aber nicht (s.o.).

Da die Angeklagte insgesamt keine Vermögensbetreuungspflicht traf, spielt es auch keine Rolle, ob sie die Verfügungen mit der Karte, deren Gültigkeit am 31.01.2013 endete, oder mit der Folgekarte getroffen hat.“

Und: Auch Betrug und Unterschlagung (§§ 246, 263 StGB) sowie § 266b StGB scheiden aus. Damit Freispruch aus rechtlichen Gründen. Ein Sieg auf ganzer Linie. Über die privaten/persönlichen Hintergründe des Sachverhalts kann man nur mutmaßen….also lassen wir es…