Und dann als zweite Entscheidung das BGH, Urt. v. 28.11.2024 – 3 StR 219/24.
Das LG hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verurteilt. Dagegen die Revisionnen des Angeklagten und der StA, die beide erfolgreich waren.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
„1. Der Angeklagte wurde Anfang 2023 von einem Bekannten angesprochen, ob er Ketamin für diesen besorgen könne. Er entschloss sich aufgrund entsprechender Kontakte, in den Niederlanden 2 kg Ketamin für 4.000 €/kg zu erwerben und dieses später für den doppelten Einkaufspreis weiterzuverkaufen. Kurz vor der Fahrt in die Niederlande hatte er sich zudem gegenüber dem Bekannten bereit erklärt, 1 kg 2C-B-Tabletten (Bromdimethoxyphenethylamin) zu beschaffen. Für den Erwerb des 2C-B hatte der Angeklagte 5.000 € Bargeld erhalten und sollte als Lohn später weitere 1.000 € bekommen.
Der gesondert Verfolgte M. hatte bei dem Angeklagten Schulden und sollte beim Erwerb und Transport unterstützend behilflich sein; als Lohn sollten seine Schulden um 1.000 € reduziert werden. Er organisierte auf Wunsch des Angeklagten den gesondert Verfolgten B. als Fahrer. Dieser erklärte sich bereit, für einen Lohn von 800 € ein zweites Fahrzeug zu führen, in dem die Substanzen transportiert werden sollten. Am Nachmittag des 2. März 2023 fuhren der Angeklagte und die gesondert Verfolgten in die Niederlande. Nach Erwerb des Ketamins und des 2C-B verstaute der gesondert Verfolgte M. die Substanzen in einem Karton in dem von dem gesondert Verfolgten B. geführten Fahrzeug. Um 23.00 Uhr traten die Beteiligten in zwei Fahrzeugen die Rückfahrt nach Deutschland an. An der letzten Ausfahrt vor der Grenze verließen sie die Autobahn.
Die Polizei unterzog die Fahrzeuge sodann in O. um 23.32 Uhr einer Kontrolle, fand in dem von dem gesondert Verfolgten B. geführten Fahrzeug 2.028 g Ketamin, 999,1 g 2C-B (5.286 Tabletten) sowie 5 g Marihuana und stellte die Substanzen sicher.“
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der BGH die Verurteilung des Angeklagten aufgehoben:
„aa) Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit die Strafkammer hinsichtlich des Ketamins eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG angenommen hat.
Die Feststellungen des Landgerichts verhalten sich nicht zu der stofflichen Form des Ketamins, so dass der Senat nicht prüfen kann, ob das Ketamin dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) unterfällt. Eine Einordnung ist erforderlich, da gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 NpSG das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz auf Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, 2, 3a und 4 Satz 1 AMG nicht anwendbar ist.
Grundsätzlich kann Ketamin dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz oder dem Arzneimittelgesetz unterfallen. So wird von der in der Anlage zum NpSG unter Nummer 6 aufgeführten Stoffgruppe der Arylcyclohexylamine auch Ketamin erfasst (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., Vor NpSG Rn. 12b; BeckOK BtMG/Bohnen, 24. Ed., NpSG § 2 Rn. 20b; BGH, Urteil vom 8. August 2024 – 3 StR 20/24, juris Rn. 21 ff.; Beschluss vom 5. Juni 2024 – 5 StR 631/23, juris Rn. 6; siehe auch BR-Drucks. 403/21 S. 27). Zudem ist Ketamin in Anlage 1 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV) aufgeführt. Bei der rechtlichen Einordnung wird unter anderem zu beachten sein, dass die Begründung der Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes mit dem Argument, dieser sei nach der Verkehrsanschauung (vgl. hierzu und zum europarechtlichen Arzneimittelbegriff insgesamt EuGH, Urteil vom 15. November 2007 – C-319/05, GRUR 2008, 271 mwN) einzelner Kreise dazu bestimmt, den seelischen Zustand in Form eines Rausches zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 StR 277/09, BGHSt 54, 243 Rn. 15; Beschluss vom 12. April 2011 – 5 StR 463/10, NStZ 2011, 583), nicht in Betracht kommt, sondern nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei einem Arzneimittel die Beeinflussung der physiologischen Funktionen in einer Zuträglichkeit für die menschliche Gesundheit liegen muss (s. EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – C 358/13 u.a., NStZ 2014, 461; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 124/13, StV 2017, 326 Rn. 9).
Vor diesem Hintergrund hat der Schuldspruch wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz keinen Bestand. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer mag erwägen, sich für die erforderliche Einordnung des Ketamins der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen.
bb) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung nach § 29a BtMG wegen des Erwerbs der 2C-B-Tabletten, da beide Tatbestände tateinheitlich verwirklicht wurden.
cc) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat überdies darauf hin, dass die (bisher) getroffenen Feststellungen auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Verabredung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 StGB) tragen………..“