Und dann zum Tagesschluss noch der AG Eilenburg, Beschl. v. 13.11.2024 – 8 Ds 962 Js 41314/24 jug.
In dem Verfahren wirft die Staatsanwaltschaft dem 16-jährigen Angeschuldigten, der bei seiner Mutter lebt,vor, sich des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben. Dem Angeschuldigten wird im Einzelnen folgendes zur Last gelegt zu haben. Wegen der Einzelheiten des Vorwurfs und des Verfahrensgangs dann bitte im Volltext nachlesen. Hier geht es jetzt nur um die Ausführungen des AG zu seinen Verpflichtungen im Zwischenverfahren.
Das AG hat nämlich die Eröffnung des Hauptverfahrens iaus tatsächlichen Gründen abgelehnt, da es an einem hinreichenden Tatverdacht fehlt (§ 203 StPO). In dem Zusammenhang „schreibt es der Staatsanwaltschaft ins Stammbuch“:
„….
3. Für das Gericht besteht im vorliegenden Fall auch keine Rechtspflicht nach § 202 StPO, durch eigene umfangreiche Ermittlungen im Zwischenverfahren die Grundlagen für den hinreichenden Tatverdacht zu schaffen (vgl. bereits AG Eilenburg, Beschl. v. 26.09.2022 – 8 Ds 950 Js 50859/21 -, juris). Nach dem Wortlaut des Gesetzes („kann das Gericht zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen”) stehen diese Ermittlungen im Zwischenverfahren im Ermessen des Gerichts; hingegen muss es im Hauptverfahren gemäß § 244 Abs. 2 StPO von Amts wegen eine erschöpfende Beweisaufnahme durchführen. Bei den in § 202 StPO benannten Beweiserhebungen kann es sich zudem nur um „einzelne Beweiserhebungen” handeln, also – in diesem Stadium – um eine bloße Ergänzung oder Überprüfung eines von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits weitgehend aufgeklärten Sachverhalts. Würde die Ermittlungsanordnung des Gerichts darauf hinauslaufen, dass erhebliche Teile des Ermittlungsverfahrens nachgeholt werden müssten bzw. dadurch erst die Voraussetzungen eines hinreichenden Tatverdachtes geschaffen werden, so ist für das Verfahren nach § 202 StPO kein Raum (so LG Berlin, Beschl. v. 12.03.2003 – 534 Qs 31/03 -, NStZ 2003, 504 mit zustimmender Anmerkung Lilie, NStZ 2003, 568; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.02.2014 – 2 Ws 614/13 -, BeckRS 2016, 18956 m. w. N.).
So liegt der Fall hier. Relevante Umstände, aus denen auf die Täterschaft des Angeschuldigten M. für den Tatvorwurf vollendeter Betrug geschlossen werden kann, sind im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur nicht die Ermittlungen trotz anderslautender formularmäßiger Behauptung bei Anklageerhebung abgeschlossen; sie hat die Ermittlungen regelrecht verweigert.
Es ist aus den oben dargelegten Gründen nicht Aufgabe des Tatrichters, das sich offenkundig aufdrängende Beweisprogramm im Zwischenverfahren abzuarbeiten und damit quasi eine „Hauptverhandlung” vor der Hauptverhandlung durchzuführen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang auch an die Gefahr der Befangenheit, der sich das Gericht aussetzt, das selbst vor Zulassung der Anklage umfangreiche Ermittlungen durchführt (so bereits LG Berlin, a. a. O.). Zutreffend weist Lilie (NStZ 2003, 568) darauf hin, dass § 202 StPO nicht dazu missbraucht werden dürfe, mangelnde staatsanwaltliche Kontrolle polizeilicher Ermittlungstätigkeit im Zwischenverfahren nachzuholen, da es sonst zu einer Schieflage im Verhältnis der Aufgaben zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht käme. Der Nachweis begründeten Tatverdachts dürfe nicht auf die Eingangsgerichte abgewälzt werden. § 202 StPO müsse restriktiv angewendet werden und einen Ausnahmefall bilden.“