beA I: Nochmals BGH zur „einfachen Signatur“, oder: Maschinenschriftliche Namenswiedergabe genügt

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Und heute im Kessel Buntes mal wieder zwei Entscheidungen zum elektronischen Dokument (beA). Beide kommen aus dem zivilrechtlichen Bereich, haben aber auch in anderen Verfahrensarten Bedeutung/Auswirkungen.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 30.11.2023 – III ZB 4/23noch einmal zum Begriff der „einfachen Signatur“.

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem der Kläger, ein pensionieruter Polizeibeamter für auf Schießständen des beklagten Landes erlittene gesundheitliche Beeinträchtigungen Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden.

Das LG hat die Klage mit am 07.04 2022 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestelltem Urteil abgewiesen. Hiergegen hat dieser am 27.04.2022 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist zunächst um einen Monat und alsdann im Einvernehmen mit dem Beklagten um eine weitere Woche bis zum 14.07.2022 verlängert worden. Die Berufungsbegründung des Klägers ist jedoch erst im Laufe des 15.07.2022 beim Berufungsgericht eingegangen. Zuvor war am selben Tag kurz nach zwei Uhr früh ein Antrag des Klägers eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Tag zu verlängern. Nachdem die Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts diesen Antrag abgelehnt hatte, hat es die vom Kläger zudem beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht bewilligt und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet dieser sich mit der Rechtsbeschwerde. Er macht im Wesentlichen geltend:

„Am Abend des 14. Juli 2022 habe sein Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründungsschriftsätze für das vorliegende sowie die beiden Parallelverfahren 9 U 44/22 und 9 U 45/22 fertiggestellt. Anschließend habe er mit dem ansonsten zuverlässig arbeitenden Kanzleidrucker „Canon …“ zunächst die beiden Schriftsätze in den Parallelverfahren ausgefertigt und diese mit Anlagen um 22.22 Uhr beziehungsweise 22.30 Uhr erfolgreich per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) an das Berufungsgericht übermittelt. Beim anschließenden Versuch der drucktechnischen Ausfertigung des Berufungsbegründungsschriftsatzes in der vorliegenden Sache gegen 22.30 Uhr habe der Kanzleidrucker einen seinem Prozessbevollmächtigten bis dahin unbekannten Fehler gemeldet und den Druckbefehl nicht ausgeführt. Der Prozessbevollmächtigte habe sich um Fehlerbehebung bemüht, was jedoch absehbar bis um 24.00 Uhr nicht zu bewerkstelligen gewesen sei. Er habe deshalb seinen „Back-up-Drucker“ (Modell „Brother …“) aktiviert, der zuverlässig arbeite, aber im Vergleich mit dem Canon-Drucker nur über eine erheblich geringere Druckgeschwindigkeit verfüge. Da zu besorgen gewesen sei, dass die drucktechnische Ausfertigung des umfangreichen Schriftsatzes samt Anlagen mit diesem Drucker vor 24.00 Uhr nicht mehr gelingen würde, habe sein Prozessbevollmächtigter einen kurzen Schriftsatz mit der Bitte um eine Fristverlängerung um einen Tag unter Verweis auf die technischen Schwierigkeiten gefertigt, welche die Ausfertigung und Übermittlung verzögert hätten. Dieser Schriftsatz habe allerdings erst um 2.04 Uhr des Folgetages per beA abgesetzt und zugestellt werden können; zuvor am 14. Juli 2022 seien drei Übermittlungsversuche – um 23.46 Uhr, 23.53 Uhr und 23.56 Uhr – aufgrund einer technischen Störung im beA-System gescheitert.

Sein Prozessbevollmächtigter habe sich sodann weiter um die Fehlerbehebung am Canon-Drucker bemüht. Nach eingehender Befassung mit dem Drucker-Handbuch und Neuinstallation des Druckertreibers sei ihm dies schließlich gelungen, so dass er am 15. Juli 2022 die Berufungsbegründung habe ausfertigen und per beA habe übermitteln und mit einem weiteren am 15. Juli 2022 per beA an das Berufungsgericht übermittelten Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe beantragen können…..“

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig angesehen, weil  die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind:

„1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt: Die Berufung des Klägers sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründungsschrift erst am 15. Juli 2022 und damit nach Ablauf der bis zum 14. Juli 2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Der Vortrag des Klägers vermöge eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht zu rechtfertigen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, am 14. Juli 2022 überhaupt nicht versucht habe, die Berufungsbegründungsschrift per beA an das Berufungsgericht zu übermitteln. Vielmehr sei am 14. Juli 2022 lediglich versucht worden, einen Fristverlängerungsantrag per beA zu übersenden, der jedoch mangels Einwilligung der Gegenseite, welche realistischerweise auch nicht mehr zu erlangen gewesen sei, nicht habe erfolgversprechend sein können. Außerdem sei nicht nachvollziehbar dargetan worden, dass für eine Übermittlung per beA ein Ausdrucken des Schriftsatzes nötig gewesen sei.

2. Das wirft keine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründenden Rechtsfragen auf. Die die Entscheidung tragenden Ausführungen des Berufungsgerichts halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es hat das Rechtsmittel des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Berufung nicht innerhalb der bis zum 14. Juli 2022 verlängerten Frist begründet. Mit Recht hat die Vorinstanz den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Frist (§ 233 Satz 1, § 236 ZPO) abgelehnt.

a) Nach § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Sie muss die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22, NJW-RR 2023, 760 Rn. 13). Dabei bedarf die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt an Eides statt oder unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH, Zwischenurteil vom 25. Juli 2023 – X ZR 51/23, GRUR 2023, 1481 Rn. 16; Beschlüsse vom 26. Januar 2023 – V ZB 11/22, MDR 2023, 862 Rn. 11; vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Leitsatz 1 und Rn. 15 und vom 13. Dezember 2017 – XII ZB 356/17, NJW-RR 2018, 445 Rn. 14). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei beziehungsweise ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2023 aaO).

b) Gemessen daran ist die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es fehlt bereits an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung, weswegen es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der vorliegenden Sache – nachdem er am 14. Juli 2022 um 22.22 Uhr und um 22.30 Uhr die Berufungsbegründungsschriftsätze in den (Parallel-)Verfahren 9 U 44/22 und 9 U 45/22 erfolgreich per beA an das Berufungsgericht hatte übermitteln können – ab 22.30 Uhr aus technischen Gründen nicht (mehr) möglich gewesen sein soll, den nach seiner Darlegung zu diesem Zeitpunkt auch schon fertiggestellten Berufungsbegründungsschriftsatz ebenfalls erfolgreich per beA an das Berufungsgericht zu versenden, und er noch nicht einmal den Versuch einer Versendung dieses Schriftsatzes unternommen hat. Denn der Umstand, dass sein Canon-Drucker ab 22.30 Uhr seinen Dienst versagte, vermag das nicht zu erklären, weil die (erfolgreiche) Übersendung eines Schriftsatzes an ein Gericht per beA eine vorherige „drucktechnische Ausfertigung“ dieses Schriftsatzes nicht voraussetzt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) in Verbindung mit § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein elektronisches Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln (siehe zu der erforderlichen Version die Zweite Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz zu § 5 ERVV, BAnz AT vom 18. Februar 2022 B2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV). Zur Herstellung eines Dokuments im PDF-Format ist es nicht notwendig, es zuvor auszudrucken und sodann einzuscannen. Vielmehr lässt sich eine PDF-Datei unmittelbar elektronisch herstellen. Der vorherige Ausdruck des Dokuments ist auch nicht notwendig, um die gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO bei Übermittlung aus dem beA erforderliche einfache Signatur anzubringen. Hierfür ist es nicht erforderlich, das Dokument handschriftlich zu signieren und einzuscannen. Vielmehr genügt für die einfache Signatur die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers am Ende des Textes (BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512 Rn. 10; BSG, NJW 2022, 1334 Rn. 9; BAGE 172, 186 Rn. 15 mwN). Das Berufungsgericht hat es daher zu Recht als „nicht nachvollziehbar dargetan“ angesehen, dass für eine Übermittlung per beA „ein Ausdrucken des Schriftsatzes überhaupt nötig gewesen wäre“.

Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und somit dem Kläger selbst (§ 85 Abs. 2 ZPO) gereicht es daher zum Verschulden, dass am 14. Juli 2022 ab 22.30 Uhr kein einziger Versuch unternommen worden ist, die – zu diesem Zeitpunkt angabegemäß bereits fertiggestellte – Berufungsbegründung per beA an das Berufungsgericht zu übermitteln; für das Vorliegen einer technischen Störung des beA zwischen 22.30 Uhr und 23.45 Uhr und damit dafür, dass eine Übermittlung des Schriftsatzes per beA in diesem Zeitraum nicht gelungen wäre, gibt es keinen Anhaltspunkt.

c) Dahinstehen kann, ob am 14. Juli 2022 ab 23.46 Uhr eine technische Störung des beA vorgelegen hat. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte die letzte Viertelstunde der am 14. Juli 2022 um 24.00 Uhr ablaufenden Berufungsbegründungsfrist – obschon er dazu berechtigt gewesen wäre (vgl. zB BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 – VI ZB 5/17, NJW-RR 2018, 958 Rn. 11; BVerfGE 69, 381, 385) – nicht für die Übermittlung der Berufungsbegründung vorgesehen. Er hat vielmehr während dieses Zeitraums lediglich versucht, einen (nicht erfolgversprechenden, dazu sogleich unter Buchstabe d) Fristverlängerungsantrag per beA an das Berufungsgericht zu schicken.

d) Den am 15. Juli 2022 um 2.04 Uhr formgerecht beim Berufungsgericht eingereichten Fristverlängerungsantrag hat die Vorsitzende des Berufungssenats mit Verfügung vom 18. Juli 2022 und der (zutreffenden) Begründung abgelehnt, dass der Antrag erst nach Ablauf der bis zum 14. Juli 2022 verlängerten Frist eingegangen sei. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setzt einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus; die Verlängerung einer bereits verfallenen Frist ist schon begrifflich nicht mehr möglich (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 – VI ZB 26/91, BGHZ 116, 377 f). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene, ihrer Ansicht nach Anlass zur Fortbildung des Rechts gebende Frage, ob das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, auch ohne Einwilligung des Beklagten die begehrte Fristverlängerung um einen Tag zu gewähren, stellt sich daher auch mit Blick auf den von ihr angezogenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. August 2019 – VII ZB 35/17, NJW 2020, 157 – nicht. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Berufungskläger grundsätzlich nicht darauf vertrauen darf, dass ihm ohne Einwilligung des Gegners eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bewilligt wird, und infolgedessen ein erfolgversprechender Antrag auf weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr rechtzeitig gestellt werden kann, wenn die Einwilligung nicht vorliegt und nach 23.00 Uhr am letzten Tag der Frist realistischerweise auch nicht mehr zu erlangen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Mai 2021 – III ZB 64/20, NJW-RR 2021, 1143 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 4. März 2004 – IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742).

Die Ablehnung der Fristverlängerung ist unanfechtbar (§ 225 Abs. 3 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883 Rn. 6). Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, der Wiedereinsetzungsantrag habe sich auf das Fristverlängerungsgesuch bezogen, ist sie dahingehend zu bescheiden, dass gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist (Senat, Beschluss vom 16. Oktober 1986 – III ZB 30/86, VersR 1987, 308).“

4 Gedanken zu „beA I: Nochmals BGH zur „einfachen Signatur“, oder: Maschinenschriftliche Namenswiedergabe genügt

  1. RA Wolfgang Nieberler

    Erstaunlich wie umfangreich die Ausführungen des BGH zu einer unzulässigen Rechtsbeschwerde auch zur Sache selbst sind. Offenbar wollte der BGH hier einiges klarstellen und das ist ihm auch gelungen.

    Noch ein Gedanke oder „Trick“: Vermutlich war die Berufungsbegründung als Word-Dokument erstellt worden. Hätte der Anwalt dieses Word-Dokument per beA eingereicht, wäre das fristwahrend gewesen, sofern er nach dem zu erwartenden Hinweis des Gerichts das — wie auch immer erstellte PDF-Dokument — unverzüglich nachreicht, § 130a Abs. 6 ZPO (siehe beA II vom 13.01.2024, https://blog.burhoff.de/2024/01/77427). Wenn das „Fallbeil“ 24.00 Uhr schon beträchtlich nahe ist, kann so ein Vorgehen einige wertvolle Minuten und damit die Einhaltung der Frist retten.

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