Archiv für den Monat: Februar 2023

beA: Verstoß gegen die “aktive Nutzungspflicht”, oder: Kranker Rechtsanwalt ist keine “technische Störung”

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Und wir starten dann in die 9. KW., und zwar mit zwei Beiträgen zum „beruflichen Umfeld“ des Rechtsanwalts. Eine der vorgstellten Entscheidungen kommt vom BGH, die andere ist ein amtsgerichtliches Urteil.

Ich beginne mit der BGH-Entscheidung. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 25.01.2023 – IV ZB 7/22. Es geht in der Entscheidung noch einmal um das beA, und twar um die Frage des technischen Grundes i.S. des § 130d Satz 2 ZPO.

Nach dem Sachverhalt hatte das LG Berlin eine Klage des Klägers abgewiesen. Das Urteil des LG ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.10.2021 zugestellt worden. Nach rechtzeitiger Berufungseinlegung ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.01.2022 verlängert worden. An diesem Tag ist die Berufungsbegründung per Telefax und im Original beim Berufungsgericht eingereicht worden.

Das Berufungsgericht hat den Kläger mit Verfügung vom 07.01.2022 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei, weil die Berufungsbegründung nicht in der seit dem 01.01.2022 vorgeschriebenen Form des § 130d ZPO eingegangen sei. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 07.01.2022 vorgetragen, dass er am 04.01.2022 gehindert gewesen sei, die Berufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Er sei am 01.01.2022 im Urlaub in Österreich erkrankt. Um eine Coronainfektion auszuschließen, habe er am 02.01.2022 Antigen-Schnelltests durchgeführt, die wiederholt kein eindeutiges Ergebnis gezeigt hätten. Deshalb habe er am 03.01.2022 an seinem Wohnort    einen PCR-Test durchführen lassen, dessen negatives Ergebnis ihm erst am 06.01.2022 vorgelegen habe. Die Berufungsbegründung habe er am 03. und 04.01.2022 zu Hause in    gefertigt, ausgedruckt und unterschrieben. Eine elektronische Übermittlung sei ihm von dort nicht möglich gewesen, da die beA-Hardware und -Software an seinem Arbeitsplatz im Büro  installiert seien. Er habe, da ihm auch ein Faxgerät zu Hause nicht zur Verfügung gestanden habe, die Berufungsbegründung am Nachmittag des 04.01.2022 von einem Boten in sein Büro bringen lassen, in dem er mit einer Steuerberatungs-GmbH in Bürogemeinschaft zusammenarbeite. Über den Faxanschluss der GmbH sei die Berufungsbegründung dann an das Berufungsgericht versandt worden.

Der BGH hat entschieden, dass die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten, wie andere in der Person liegende Gründe, kein technischer Grund nach § 130d Satz 2 ZPO ist, der eine Ersatzeinreichung statt einer elektronischen Übermittlung rechtfertigt. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Die zugrunde liegende Entscheidung des KG war der der KG, Beschl. v. 25.02.2022 – 6 U 218/21 (dazu hier: beA II: Verstoß gegen die “aktive Nutzungspflicht”, oder: Kranker Rechtsanwalt als “technische Störung”?)

Sonntagswitz: Heute mit Frühlingswitzen ein Lockruf?

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Und dann der Sonntagswitz. Heute mal mit Frühlingswitzen. Wenn man so nach draußen schaut, vielleicht noch ein wenig früh, aber vielleicht kann man den Frühling so ja locken 🙂 .

Da sind dann:

Der Winter Speck ist jetzt weg.

Jetzt hab ich Frühlings Rollen.


Zwei Eskimos sehen gespannt auf das Thermometer.

Sagt der eine: „Es ist -34 Grad.“

Sagt der andere: „Alter, ist dir klar was das heißt?? Es wird langsam Frühling!“


immer wieder schön.

Woran erkennt man, dass es Frühling wird?

Der Nachbar bringt die Schneeschaufel zurück und leiht den Rasenmäher aus.


Frühling. Sonnenschein.

2 Gänseblümchen schauen sich an.

Endlich kommt ein Windstoss und bewegt eines zum andern.

„Ich liebe dich!“.

Dann schauen sie sich wieder lange an.

Endlich wieder etwas Wind.

„Ich dich auch“.

Wieder langes Warten. Endlich ein Windhauch. „Wollen wir eine Biene rufen?“

Wochenspiegel für die 8. KW., das war Google, FB, Rechtsradikales bei WhatsAPP, Gebührenerstattung

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Und dann am Sonntag der Wochenspiegel, und zwar für die ablaufende 8. KW. mit folgenden Hinweisen auf Beiträge aus anderen Blogs:

  1. VG Magdeburg: Ausschluss vom Polizeidienst nach rechtsradikalem WhatsApp-Chat rechtmäßig

  2. Unerlaubte E-Mail-Werbung trotz Einwilligung?!

  3. Google-Löschungsanfragen – so werden Sie schlechte Bewertungen los!

  4. Grunderwerbsteuer: einmal nicht aufgepasst, zweimal gezahlt

  5. Bundesdatenschutzbeauftragter untersagt Betrieb der Facebook-Fanpage der Bundesregierung

  6. Verschollene Lieferung: Wer haftet bei falscher Adressangabe?

  7. LG Ellwangen: Keine Schadensersatzpflicht für Facebook wegen Daten-Scraping

  8. Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Das erlaubt der Datenschutz

  9. Kleiner Waffenschein und Alkohol,

  10. und aus meinem Blog – sehr selten – „das Lösungsposting“: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Muss ich ggf. dem Mandanten Gebühren erstatten?

Passieren eines im Einsatz befindlichen Müllfahrzeugs, oder: Welche Geschwindigkeit/welcher Abstand?

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Celle. Es handelt sich um das OLG Celle, Urt. v. 15.02.2023 – 4 U 111/22 – betreffend eine Verkehrsunfall aus März 2021. Bei dem wurde eines der Pflegedienstfahrzeuge der Klägering beschädigt. Und zwar war eine Mitarbeiterin der Klägerin an einem Müllfahrzeug des Beklagten zu 2) vorbeigefahren, das mit laufendem Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage auf der Straße stand. Dabei kam es zur Kollision mit einem Müllcontainer, den der Beklagte zu 1) hinter dem Müllfahrzeug quer über die Straße schob.

Auch hier verweise ich wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur die Leitsätze des Urteils ein, und zwar:

    1. Beim Vorbeifahren an Müllfahrzeugen im Einsatz muss nicht stets oder in der Regel Schrittgeschwindigkeit oder ein Sicherheitsabstand von 2 m eingehalten werden (a.A. z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Juli 2018 – 1 U 117/17, juris); maßgeblich sind vielmehr die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, u.a. die örtlichen Gegebenheiten und etwaige Wahrnehmungen des Fahrzeugführers. Die Reduzierung der Geschwindigkeit auf 13 km/h kann ausreichend sein.
    2. Die Privilegierung des § 35 Abs. 6 StVO begründet keine Befreiung vom allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO. Ein Müllwerker, der auf der Fahrbahn einen großen, schweren Müllrollcontainer hinter dem Müllfahrzeug hervorschiebt, ohne auf den Verkehr zu achten, verstößt gegen § 1 Abs. 2 StVO.

Auf der Grundlage ist das OLG zu einer Haftung der Beklagten von 75 : 25 zu Lasten des Beklagten zu 2) ausgegangen.

Das Überholverbot an unübersichtlichen Stellen, oder: Verbot dient auch dem Schutz des Überholten

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Im samstäglichen „Kessel Buntes“ gibt es heute dann mal wieder zwei zivilverkehrsrechtliche Entscheidungen. Beide betreffen die Haftung nach Verkehrsunfällen.

Ich beginne mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.12.2022 – 4 U 136/21 – mit folgendem Sachverhalt:

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes und die Feststellung der umfänglichen Einstandspflicht für die ihm entstandenen und noch entstehenden Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich am 31.08.2019 in Nonnweiler-Primstal ereignete. Der Kläger befuhr mit seinem Rennrad in einer Gruppe von insgesamt 5 Radfahrern die Hauptstraße in Richtung Wadern. Die Teilnehmer der Gruppe fuhren zum Unfallzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h und untereinander dicht auf; der Kläger war der vorletzte Fahrer des Pulks. Dahinter fuhr der Beklagte zu 1 in gleicher Fahrtrichtung mit dem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeug VW Golf, amtliches Kennzeichen MZG, an dem ein Anhänger angebracht war. Der Beklagte zu 1 versuchte, die Radfahrerkolonne zu überholen. Wegen eines entgegenkommenden Fahrzeugs, welches einen Pferdeanhänger zog, brach er den Überholvorgang jedoch wieder ab. Hierbei kamen der Kläger sowie zwei weitere seiner Mitfahrer – der vor ihm fahrende Zeuge F. und der hinter ihm fahrende Zeuge R. – zu Fall.

Der Kläger zog sich bei dem Sturz eine Schultereckgelenkssprengung Typ Rockwood IV an der rechten Schulter, eine Beckenprellung rechts sowie Schürfwunden am linken Unterschenkel zu. Er wurde am 03.09.2019 an der Schulter operiert und vom 03.09.2019 bis 05.09.2019 stationär behandelt Die Schulter wurde im Anschluss mit einem Schulterabduktionskissen versorgt, das der Kläger für 6 Wochen tragen musste. Er war für eine Dauer von 3 Wochen arbeitsunfähig und durfte vom 31.08.2019 bis 31.10.2019 kein Kfz führen. Für einen Zeitraum von 4 Wochen litt er unter erheblichen Schmerzen und infolge der Abduktionsschiene unter körperlichen Einschränkungen.

Die Ausführungen des OLG sind etwas länger. Ich beschränke mich hier auf die Leitsätze:

    1. Das Verbot, an unübersichtlicher Stelle zu überholen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StVO), dient nicht nur dem Schutz des Gegenverkehrs, sondern auch des zu überholenden Verkehrsteilnehmers, der ebenfalls durch ein gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO verstoßendes Überholen gefährdet werden kann.
    2. Zur Haftungsabwägung bei einem (berührungslosen) Verkehrsunfall zwischen einem im Pulk fahrenden Radfahrer und einem Pkw, der die Radfahrergruppe an unübersichtlicher Stelle überholt.

Im Übrigen verweise ich auf den verlinkten Volltext. Das OLG ist in seinem Urteil von einer Haftungverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Beklagten ausgegangen.