Archiv für den Monat: August 2022

Wochenspiegel für die 34. KW., das war beA, „Heli-Sohn“, erfülltes Anwaltsleben, Gas und Angriffe

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Und dann am letzten Augustsonntag der Wochenspiegel für doe 34. KW. mit folgenden Hinweisen:

  1. beA-Karten Fehlproduktion?

  2. VG Köln: Verteidigungsministerium muss Presse-Fragen zu Hubschrauber-Foto des Sohnes der Ministerin beantworten

  3. So finden Sie Erfüllung als Anwältin und Anwalt – unsere 10 besten Tipps

  4. Ein völlig normal verrückter Tag im Leben einer Datenschutzbeauftragten

  5. Vermieter stellt Gas ab, Amt schreitet ein

  6. Wohin geht die Cannabisgesetzgebung in Deutschland?

  7. Schuldrechtsreform 2022 – Teil II: Faire Verbraucherverträge

  8. AG München: Einwilligung zur Zusendung von Werbung per E-Mail kann formlos u.a. per E-Mail widerrufen werden ohne dass Newsletterverwaltungssystem genutzt werden muss,
  9. Beweiskraft des Tatbestands bei nachgelassenen Schriftsätzen,

  10. und aus meinem Blog: StGB I: Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, oder: Tatsächliche Feststellungen

Feststellung des Halters für Fahrtenbuchauflage, oder: Vater oder Tochter?

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In der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle – der OVG Münster, Beschl. v. 08.08.202 – 8 B 691/22 -, geht es mal wieder um die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage. „Beteiligt“ sind Vater und Tochter. Mit dem Pkw, der auf den Vater zugelassen ist, wurde ein Geschwindigkeitsverstoß begangen. Angehört wird der Vater und nicht die Tochter als wirtschaftliche Halterin.

Das OVG führt zur Fahrtenbuchauflage aus:

„1. Die Rüge der Antragstellerin, der Landkreis I. als zuständige Bußgeldbehörde habe keine der Antragstellerin zurechenbare Pflicht des Vaters zur Mitwirkung an der Aufklärung der Zuwiderhandlung begründet, stellt den angefochtenen Beschluss im Ergebnis nicht infrage.

Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt, wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht voraus, dass der Halter eine Obliegenheit zur Mitwirkung an der Aufklärung eines Verkehrsverstoßes verletzt hat. Der Fahrtenbuchauflage kommt eine präventive und keine strafende Funktion zu. Sie stellt eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 – 8 A 671/16 -, juris Rn. 28, und vom 11. November 2013 – 8 B 1129/13 -, juris Rn. 12 f., m. w. N.

Darauf, ob die Antragstellerin von der Anhörung ihres Vaters und damit von den Ermittlungen der Bußgeldbehörde wusste oder sie (sonst) ein Verschulden an der Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers trifft, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Antragstellerin eine „Pflichtverletzung“ ihres Vaters zugerechnet werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass die Feststellung des Fahrzeugführers trotz zureichender Ermittlungsbemühungen der zuständigen Behörde unmöglich war.

Letzteres ist hier der Fall. Der für die Zuwiderhandlung vom 8. Oktober 2021 verantwortliche Fahrzeugführer konnte vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht festgestellt werden. Hierfür war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, kein Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde ursächlich. Zwar ist angesichts der vorgelegten Erklärungen nicht zweifelhaft und steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit, dass die Antragstellerin bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Halterin des Tatfahrzeugs anzusehen ist,

zu den rechtlichen Maßstäben vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987 – 7 C 14.84 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Juli 2020 – 8 B 892/20 -, juris Rn. 7 f., m. w. N., und vom 7. Februar 2017 – 8 A 671/16 -, juris Rn. 16 ff., m. w. N.,

so dass diese richtige Adressatin der angeordneten Fahrtenbuchauflage ist. Gleichwohl kann der Bußgeldbehörde mangels anderweitiger Anhaltspunkte zur Haltereigenschaft nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie anstelle der Antragstellerin ausschließlich deren Vater als eingetragenen Inhaber der Zulassung zu dem Verkehrsverstoß schriftlich angehört hat. Daraus, dass die Bußgeldbehörde es unterlassen hat, die Antragstellerin als Halterin vor Eintritt der Verfolgungsverjährung zu dem mit ihrem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß anzuhören, folgt kein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit. Die Bußgeldbehörde durfte bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Ordnungswidrigkeitenverfahrens aufgrund der für sie erkennbaren Umstände davon ausgehen, mit dem Vater der Antragstellerin als eingetragenem Zulassungsinhaber den (alleinigen) Halter des Fahrzeugs angehört zu haben. Gerade die Fahrzeugzulassung ist ein gewichtiges Indiz für die Haltereigenschaft und kann bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall – insbesondere bei ungeklärten Verhältnissen – ausschlaggebende Bedeutung haben. Denn der Gesetzgeber misst den im Fahrzeugregister enthaltenen Eintragungen bei der Halterbestimmung erhebliches Gewicht bei. Insbesondere die Bestimmungen in §§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 32 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StVG legen nahe, dass der Fahrzeughalter mit demjenigen identisch ist, dem ein Kennzeichen für das Fahrzeug zugeteilt oder ausgegeben wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2017 – 8 A 671/16 -, juris Rn. 20 ff., m. w. N.

Für die Bußgeldbehörde bestand daher keine Veranlassung, den Anhörungsbogen an eine andere Person als den Zulassungsinhaber, mithin den Vater der Antragstellerin, zu senden. Bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte kann sie grundsätzlich davon ausgehen, dass die im Fahrzeugregister eingetragene Person auch tatsächlich der Halter ist, und sich auf die Anhörung dieser Person beschränken. Sie ist nicht verpflichtet, die Haltereigenschaft des Zulassungsinhabers von Amts wegen infrage zu stellen und entsprechende Aufklärungsmaßnahmen vorzunehmen. Hierzu bestand auch keine besondere Veranlassung. Aus der Stellungnahme des Vaters der Antragstellerin vom 20. November 2011, in der er lediglich bestritten hat, selbst der verantwortliche Fahrer gewesen zu sein, und ergänzend auf die schlechte Qualität des Fotos verwiesen hat, ergab sich kein Hinweis auf eine abweichende Haltereigenschaft. Der Vater der Antragstellerin hat die wahre Haltereigenschaft gegenüber der Antragsgegnerin erst im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Fahrtenbuchauflage gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Februar 2022 offengelegt, nachdem bereits die Verjährung eingetreten und somit eine Ahndung des Verkehrsverstoßes unmöglich geworden war.

Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Antragstellerin, das an ihren Vater gerichtete Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde habe keinen Hinweis auf eine „Pflicht“ zur Benennung des Halters enthalten. Die Bußgeldbehörde hatte keinen Anlass, ihn zur Benennung des Halters aufzufordern. Dem Vater der Antragstellerin musste klar sein, dass die Behörde ihn als (vermeintlichen) Halter des Tatfahrzeugs mit dem begangenen Verkehrsverstoß konfrontierte. Denn das Anhörungsschreiben enthielt im vorletzten Satz den ausdrücklichen Hinweis, dass ihm „als Halter des Kraftfahrzeuges gemäß § 31 a StVZO die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden“ könne, falls sich nicht feststellen lasse, wer das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Die zutreffenden Verhältnisse zur Haltereigenschaft hätte er daraufhin zu erkennen geben können, um der Behörde Anknüpfungspunkte für weiterführende Ermittlungsansätze zu geben. Im Übrigen musste sich dem mit der Haltertrennung hinlänglich vertrauten Vater der Antragstellerin, der die Anmeldung des Fahrzeugs seiner Tochter auf seinen Namen (wiederholt) bewusst zur Nutzung seiner kostengünstigen Zeitwagenversicherung gewählt hat, auch ohne weiteres aufdrängen, dass die Bußgeldbehörde ihn für den Fahrzeughalter hielt. Anderenfalls ist nämlich nicht zu erklären, weshalb das Anhörungsanschreiben sonst an ihn adressiert wurde. Unabhängig davon kommt der Verletzung einer „Mitwirkungspflicht“ für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, wie bereits oben dargelegt, eine rechtliche Bedeutung nur insoweit zu, als sich hiernach das Erfordernis weiterer behördlicher Ermittlungsmaßnahmen richten kann. Abs. 3 Satz 3 GKG).

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: „Das hat man mir heimlich ins Bier geschüttet.“

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Am heutigen Samstag dann der „Kessel Buntes“, und zwar mit zwei verkehrsverwaltungsrechtlichen Entscheidungen.

Hier dazu zunächst der VG Koblenz, Beschl. v. 09.08.2022 – 4 L 680/22 -, der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangen ist. Es geht mal wieder um die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer „Drogenfahrt“. Festgestellt wurden drogentypischen Ausfallerscheinungen. Der Fahrer kann sich das nicht erklären und behauptet, dass ihm heimlich Amphetamine ins Bier geschüttet worden sind. Das hat das VG ihm nicht abgenommen:

„cc) Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe das Amphetamin nicht wissentlich zu sich genommen. Zwar kann eine fahreignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem bewussten Konsum angenommen werden, zumal es bei einer unwissentlichen Aufnahme von Betäubungsmitteln an einer beachtlichen Wiederholungswahrscheinlichkeit fehlt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung geht einem positiven Drogennachweis typischerweise eine willentliche Drogenaufnahme voraus. Der von dem Antragsteller behauptete Fall einer unbewussten Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Dritte stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem in der Regel nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Angesichts der von einem Drogenkonsum im Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer ausgehenden erheblichen Gefahren sind dabei an die Plausibilität der Einlassungen des Betroffenen erhöhte Anforderungen zu stellen.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Geltendmachung einer unbewussten Rauschgiftaufnahme eine der gängigsten Einlassungen eines bei einer Verkehrs-kontrolle mit Drogen im Blut auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabers. Sie wäre ohne weiteres nur glaubhaft, wenn es sich dabei um ein „flächendeckendes“ Phänomen handelte. Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Deshalb bedarf es für die Glaubhaftmachung eines unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulier-ten Konsums harter Drogen detaillierter, in sich schlüssiger und von der ersten Einlassung an widerspruchsfreier Darlegungen, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen (vgl. OVG RP, Beschlüsse vom 24. Mai 2018 – 10 B 10367/18.OVG –, n.v., BA S. 2; und vom 25. Januar 2012 – 10 B 11430/11.OVG –, juris, Rn. 3). Es ist nämlich nach der Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel verabreichen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Die Behauptung einer unbewussten Drogeneinnahme ist daher nur glaubhaft, wenn überzeugend dargelegt werden kann, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund gehabt haben könnten, diesem heimlich Drogen beizubringen, und es ferner naheliegt, dass von dem Betroffenen selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels unbemerkt bleibt.

dd) Hier fehlt es an einem schlüssigen, in sich widerspruchsfreien Vortrag, der eine unbewusste Drogenaufnahme nahelegen könnte. Zwar hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung von Herrn C*** vom 7. Juli 2022 vorgelegt, wonach dieser am 10. Mai 2022 um 19.00 Uhr zwei Flaschen Bier an einer Tankstelle gekauft und dem Antragsteller später eine der Flaschen gegeben habe, nachdem er in diese zuvor vom Antragsteller unbemerkt Amphetamin geschüttet habe.

Zweifel an der Plausibilität dieses Vorbringens ergeben sich bereits daraus, dass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben diese Flasche Bier erst kurz nach 20.00 Uhr getrunken hat. Zuvor hatte er noch einen Pkw geführt. Es ist hingegen wenig glaubhaft, dass ein Beifahrer dem Führer eines Pkw Amphetamin verabreicht, der sodann durch das Führen des Pkw auch Leib und Leben des Beifahrers in Gefahr bringt.

Weitere Zweifel am Vorbringen des Antragstellers sind auch deshalb angebracht, weil er eine unbewusste Amphetaminaufnahme nicht bereits im Rahmen der Verkehrskontrolle geltend machte. Dies gerade deshalb, weil er aufgrund des im Rahmen dieser Verkehrskontrolle durchgeführten Drogenschnelltests positiv auf Amphetamin getestet worden war und ihm daher bewusst gewesen sein musste, dass sowohl eine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung als auch der Entzug seiner Fahrerlaubnis im Raum steht. Für den Antragsteller hätte ferner ausreichend Anlass bestanden, das vermeintliche Eingeständnis von Herrn C***, ihm ohne Wissen Amphetamin verabreicht zu haben, anschließend zeitnah und im Detail bei der Polizei geltend zu machen. Denn die straf-, ordnungswidrigkeits- und fahrerlaubnisrechtliche Problematik des ihm vorgeworfenen Konsums harter Drogen musste sich ihm aufdrängen, zumal er schon in der Vergangenheit beim Führen eines Fahrzeugs unter Amphetamineinfluss aufgefallen und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzogen worden war (vgl. Beschluss der Kammer vom 23. Juli 2020 – 4 L 594/20.KO –, n.v., BA S. 10). Er hat hingegen sowohl gegenüber den Polizeibeamten als auch im Bußgeldverfahren zunächst von weiteren Einlassungen abgesehen und erst nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Juni 2022 – also mehr als sieben Wochen nach der Verkehrskontrolle – auf die unbewusste Amphetamineinnahme hingewiesen.

Der eidesstattlichen Versicherung von Herrn C*** ist zudem kein Motiv für die Verabreichung des Amphetamins an den Antragsteller zu entnehmen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass ein Dritter ohne jegliches Motiv – auch angesichts der hohen Beschaffungskosten – einem anderen Amphetamin verabreicht. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat das von Herrn C*** behauptete unwissentliche Verabreichen von Amphetamin an den Antragsteller nach telefonischer Auskunft des Amtsgerichts D*** nicht zur Anklage gebracht. Vielmehr wird Herr C*** derzeit vor dem Amtsgericht D*** wegen des Erwerbs von Betäubungsmitteln angeklagt.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Konsum des Amphetamins für den Antragsteller – wie er vorträgt – unbemerkt geblieben ist. Bei der im Blut des Antragstellers festgestellten Amphetaminkonzentration von 53,6 ng/ml und den von der Polizei ausweislich des Berichts zur Verkehrskontrolle am 10. Mai 2022 festgestellten Ausfallerscheinungen beim Antragsteller wie stark gerötete und wässrige Augen, starkes Lidflattern und verengte Pupillen ist es nahezu ausgeschlossen, dass dieser die mit dem Konsum verbundene berauschende Wirkung nicht gemerkt haben will. Nach dem Gutachten der A*** Institut GmbH B*** vom 25. Mai 2022 sei aufgrund der im Blut aufgefundenen Amphetaminkonzentration von einer akuten Wirkung im Zeitpunkt der Blutentnahme auszugehen. Dem Antragsteller musste – gerade auch deshalb, weil er in der Vergangenheit schon mehrfach Amphetamin konsumiert hatte – bewusst gewesen sein, dass eine solche berauschende Wirkung nicht vom Konsum eines Bieres resultieren kann (vgl. auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 7 L 635/10 –, juris, Rn. 9).“

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit der Nr. 4141 VV RVG nach Verfahrensverbindung?

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Und dann noch die RVG-Frage, mal wieder aus der FB-Gruppe „Strafverteidiger“. Heute geht es um Verfahrensverbindung und die Nr. 4141 VV RVG,

“ …..mein Mandant hat sich von einer angeblichen Banken-Test-App hinters Licht führen lassen und fleißig Konten eröffnet und die Kontendaten an die angebliche Banken-Test-App weitergeleitet. So weit so doof.

Mittlerweile gibt es 10 gesonderte Ermittlungsverfahren, in denen ich mich überall bestellt und Beiordnung beantragt habe, da gleichzeitig noch ein „dickeres“ gesamtstrafenfähiges Verfahren gegen meinen Mandanten läuft. Glück muss man haben.

Wenn ich jetzt einen Einstellungsantrag in allen Verfahren gesondert stelle und begründe (was mit den vorliegenden Unterlagen gut möglich sein sollte) und die StA danach die Verfahren verbindet und alles einstellt, fällt die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nur einmal an, oder in allen Verfahren, da die Tätigkeit, die zur Einstellung führte vor Verbindung erfolgt ist?

Ist folglich das Wörtchen „wenn“ in Nr. 4141 VV RVG Abs. 1 ein zeitliches „wenn“, oder ein kausales „wenn“?

Im letzterem Fall, würde ich natürlich Gas geben

Die Frage hat Detlef Burhoff in Detlef Burhoff, RVGreport 2019, 442-446 wohl bereits diskutiert, hier habe ich aber nur die Zusammenfassung bei juris, die die Frage nicht beantwortet.“

Zusätzliche VG nach Absehen von der Einziehung?, oder: Das OLG Nürnberg kann es auch nicht

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Ich hatte vor einiger Zeit über den (falschen)  LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2022 – 12 Qs 1/22 berichtet (Und schon wieder zusätzliche Gebühr nach Einziehung, oder: Und schon wieder falsch). Zu der Entscheidung liegt inzwischen der auf die weitere Beschwerde hin ergangene OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.04.2022 –  Ws 250/22 – vor.

Hier noch einmal der Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat am 09.06.2020 Anklage wegen Steuerhinterziehung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen den Angeklagten beim AG – Schöffengericht für Wirtschaftsstrafsachen – erhoben. Darin führte sie aus: „Von der Einziehung der Taterträge wird gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen. Soweit die Verfolgung der Taten vorläufig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, wird gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen.“ Die entsprechende Verfügung der Staatsanwaltschaft datiert vom 03.06.2020. Nach Zustellung der Anklageschrift wurde mit Beschluss vom 08.07.2020 der bis dahin nicht mandatierte Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt.

Nach unveränderter Zulassung der Anklage fand am 28.10.2020 die Hauptverhandlung statt. Die die Einziehung betreffende Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 03.06.2020 wurde verlesen. In seinem Plädoyer beantragte der Beschwerdeführer u.a., gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung von Wertersatz abzusehen. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Einziehungsentscheidung traf das AG nicht, außerdem war die Einziehung nicht Gegenstand sonstiger Erklärungen.

Der Rechtsanwalt hat die Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG beantragt. Er habe seinen Mandanten ausführlich über die Möglichkeit einer Einziehung beraten. Das reiche für die Entstehung der Gebühr aus. Das sehen AG, LG und auch OLG anders:

„… Aus den zutreffenden Gründen der Vorinstanzen, insbesondere des Landgerichts Nürnberg-Fürth in dessen Beschluss vom 20.01.2022 und in der Nichtabhilfeverfügung vom 08.02.2022, denen sich der Senat anschließt, hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die beantragte Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Es liegt keine diese Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit des Verteidigers vor.

1. Voraussetzung für das Entstehen einer solchen Verfahrensgebühr ist eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehender Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme dient. Sinn der Einführung dieser Gebühr war, im Hinblick auf die Zunahme von Verfahren mit Einziehungs- oder Verfallerklärung und im Hinblick auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die die Anordnung dieser Maßnahmen für den Beschuldigten haben kann, eine Aufgabe der Regelungen in §§ 83 ff. BRAGO und eine Vereinfachung der Gebührenberechnung (BT-Drs. 15/1971, 228).

2. Die Verfahrensgebühr wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.). Mit der Gebühr nach Nr. 4142 VV hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass zu den im Strafprozess unumgänglichen Überlegungen zur Schuld- und Straffrage eine weitere, die Eigentums- und Vermögenslage des Mandanten berührende Thematik hinzugetreten ist, die in der Regel Mehrarbeit verursacht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten (Burhoff/Volpert, ebenda, m.w.N.).

Davon ist aber – ausgehend von der Gesetzesbegründung – nur auszugehen, wenn die Frage der Einziehung naheliegt, entweder weil aufgrund der Aktenlage mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen ist oder weil in der Anklage die Einziehung beantragt wurde. Hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt und besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht die Wiedereinbeziehung der Einziehung anordnen könnte, ist eine Beratung des Angeklagten über die theoretische Möglichkeit der Einziehung durch seinen Verteidiger nicht geboten, so dass die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nicht anfällt.

3. Vorliegend bestand während des gerichtlichen Verfahrens für den Beschwerdeführer keine Veranlassung für eine Beratung; diese war nicht geboten.

a) Im Hinblick auf die angeklagten Taten hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO von der Einziehung abgesehen. Soweit die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung weiterer Taten (Betrug/Solidaritätszuschlag) vorläufig nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen hat, hat sie gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen. In der Anklageschrift wurde die Einziehung von Wertersatz von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt.

b) Damit war eine Einziehung oder eine dieser vergleichbaren Maßnahme nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens. Zwar hätte das Gericht gemäß § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wiedereinbeziehung der Einziehung in jeder Lage des Verfahrens, somit auch erst im weiteren Instanzenzug, anordnen können. Dies hätte aber eine entsprechende Anordnung des Gerichts vorausgesetzt.

c) Somit bestand unter keinem Gesichtspunkt Veranlassung, den Beschuldigten über die Möglichkeit der Einziehung zu beraten. Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich bei einer nicht im Raum stehenden Einziehung ein Haftungsrisiko des Verteidigers ergeben könnte.

4. Auch der Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen seines Schlussvortrags, von der Einziehung von Wertersatz abzusehen, kann die Gebühr nicht auslösen, da er nicht veranlasst war. ….“

Dazu: Das OLG referiert zwar zutreffend, was bei „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.“ u.a. steht, es zieht daraus m.E. aber nicht die zutreffenden Schlüsse, die dem vorliegenden Sachverhalt gerecht werden. Das hängt u.a. auch damit zusammen, dass mal wieder die Frage des Entstehens der/einer Gebühr mit der Frage der Erstattung/Festsetzung einer Gebühr vermengt wird. Die Problematik kennen wir bei der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren in den Fällen der Beratung des Mandanten vor der Begründung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, wenn das anschließend zurückgenommen wird.

Im Übrigen: Die Gebühr ist hier auf jeden Fall durch die Beratung des Mandanten über die (verbliebenen) Möglichkeiten der Einziehung entstanden, unabhängig davon, dass die Einziehung nach § 435 StPO (zunächst) aus dem Verfahren ausgeschieden war, aber, worauf das OLG auch hinweist, jederzeit wieder hätte aufgenommen werden können. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bis zur Pflichtverteidigerbestellung offenbar keinen anwaltlichen Beistand hatte. Es lag also, als der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt wurde, auch eine anwaltliche Beratung nahe. Insoweit ist auf die Sicht des Angeklagten abzustellen und nicht auf die des AG, LG oder OLG, die den Beratungsbedarf im Zweifel verneinen. Dass AG, LG oder OLG – hoffentlich – insoweit keinen Beratungsbedarf haben, ändert daran nichts und hätte der Festsetzung der Gebühr nicht entgegengestanden. Alles in allem m.E. mal wieder eine Entscheidung, der man anmerkt, dass dem Verteidiger die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht „gegönnt“ wird.