Archiv für den Monat: Dezember 2021

Zur Erstattung von Corona-Desinfektionskosten, oder: AG Altena, AG Heinsberg. LG Aachen, LG Hamburg: Ja

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Und heute dann zum letzten Mal in 2021 der „Kessel Buntes“, denn am nächsten Samstag ist der 1. Weihnachtsfeiertag und dann ist das Jahr auch schon vorbei.

Ich stelle hier dann zunächst vier Entscheidungen zur Erstattung von Desinfektionkosten vor, und zwar:

Alle vier Gerichte haben die Desinfektionskosten erstattet, ich erspare mir hier die Einzelheiten, sondern ordne das Selbstleseverfahren an. Das LG Hamburg hat die Revision zugelassen, vielleicht hören wir dann ja mal etwas vom BGH dazu.

Doe Volltexet zu AG Heinsberg und LG Aachen findet man übrigens nicht bei mir, sondern beim Kollegen Frese aus Heinsberg. Ich habe auf die von ihm eingestellten Entscheidungen verlinkt. Ging schneller 🙂 .

 

Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren entstehen beim Streit um die Fahrverbotsdauer?

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Und dann noch folgende Gebührenfrage:

„…..,

Ich habe eine gebührenrechtliche Frage zu folgendem Fall:

Meinem Mandanten wurde zunächst eine Trunkenheitsfahrt vorgeworfen. Aufgrund der AAK von 0,67 Promille wurde der Führerschein am 13.09.2020 beschlagnahmt.

Die Blutentnahme ergab eine BAK von 0,56 Promille.

Am 24.09.2020 sandte die Staatsanwaltschaft den Führerschein an meinen Mandanten zurück und stellte das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein. Gleichzeitig wurde der Vorgang an die Bußgeldbehörde abgegeben.

Wegen Voreintragungen erließ die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid mit einem Fahrverbot von drei Monaten.

Im weiteren Verfahren konnte ein Gerichtsbeschluss erwirkt werden, wonach gegen meinen Mandanten ein Fahrverbot von sechs Wochen verhängt wurde, wobei die zwei Wochen der Beschlagnahme des Führerscheins angerechnet wurden. Insoweit galt das Fahrverbot als vollstreckt, sodass noch vier Wochen Fahrverbot zu vollstrecken waren.

Nach Eingang des Führerscheins bei der Staatsanwaltschaft teilte diese mit, dass sie den Führerschein nach sechs Wochen an meinen Mandanten zurücksenden werde.

Meine dagegen eingelegte „Beschwerde“ unter Hinweis auf den gerichtlichen Beschluss führte zur Änderung der Entscheidung, sodass die Staatsanwaltschaft den Führerschein nach vier Wochen an meinen Mandanten zurücksandte.

Fallen für diese Beschwerde Gebühren an? Es handelt sich ja nicht um einen Fall der Strafvollstreckung. Aber greift hier vielleicht Nr. 5116 VV RVG oder eine andere Gebühr?

Für eine kurze Antwort wäre ich Ihnen dankbar.“

Keine Auslagenerstattung/hinreichender Tatverdacht, oder: Einstellung des (Bußgeld)Verfahrens

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Und als zweite Entscheidung dann noch der LG Köln, Beschl. v. 23.11.2021 – 114 Qs 91/21 – zur Auferlegung der Kosten im Fall der Einstellung des (Bußgeld)Verfahrens.

Das AH hat eingestellt und dabei davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagebn des Betroffenn aufzuerlegen:

„Das Amtsgericht hat sein Ermessen nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG rechtsfehlerfrei ausgeübt und zurecht davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers aufzuerlegen. Demnach hat das Gericht von der Auferlegung der Kosten abzusehen, wenn der Betroffene wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Maßstab hierfür ist – entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung – nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung, dass gegen den Betroffenen jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht bestand (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2010, 392 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021 § 467 Rn. 16 m.w.N.). Dies war vorliegend der Fall. Das Verfahren wurde wegen Verjährung nach § 206 a StPO eingestellt. Wie das Amtsgericht bereits im Nichtabhilfebeschluss vom 11.10.2021 ausgeführt hat, lagen das Messprotokoll, die DVD mit der Tatsequenz und die Ordnungswidrigkeitenanzeige vor, wodurch – auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Betroffenen – jedenfalls die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung bestand. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den angegriffenen Beschluss sowie den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Bezug genommen.“

Na ja, ob das mit der Rechtsprechung des BVerfG konform geht, kann man m.E. bezweifeln. M.E. passt das so nicht. Ist aber leider eine dieser häufig anzutreffenden „Hauweg“-Entscheidungen.

Vereinbarung von 5-Minuten-Zeittakt grds. zulässig, oder: Ohne Vereinbarung minutengenaue Abrechnung

entnommen wikimedia.org
Urheber Ulfbastel

Vor dem vierten Advent dann noch ein wenig Gebühren-/Kostenrecht.

Ich starte mit dem AG Waldkirch, Urt. v. 04.08.2021 – 1 C 214/20 – zur Vergütungsvereinabrung (§ 3a RVG), das in einem Klageverfahren noch einmal zur Zulässigkeit einer Zeittaktklausel in einer Vergütungsvereinbarung Stellung genommen hat. Die Klägerin war eine Anwaltssozietät mit Schwerpunkt im Verwaltungsrecht, speziell Bau- und Umweltrecht. Sie verlangt aus einem Auftragsverhältnis Anwaltshonorar von der Beklagten. Die Beklagte hatte die Klägerin im Januar 2017 mit der Beratung und Vertretung in einem Baugenehmigungsverfahren gegen die Stadt pp. beauftragt, da die Beklagte ihr teils gewerblich und teils privat genutztes Gebäude erweitern wollte. Die Parteien schlossen am 30.01.2017 eine Vergütungsvereinbarung nebst Mandatsbedingungen, die die Möglichkeit der Abrechnung der Klägerin mit einem Stundenhonorar von 250,00 EUR netto vorsah.

Nachdem die Klägerin Anfang August 2017 bereits einen Zeitaufwand von über 100 Stunden hatte und der Beklagten einen Abrechnungsvorschlag über 80 Stunden unterbreitet hatte, vereinbarten die Parteien in einer Besprechung am 15.08.2017 eine Abrechnung der bis dahin von der Klägerin an die Beklagte erbrachten Beratungsleistungen mit pauschal 17.500,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, von der bereits geleistete Abschläge in Abzug gebracht wurden. Hiermit war der Gesamtaufwand bis 15.08.2017 abgegolten. Die Beklagte zahlte die Restsumme in den zwischen den Parteien vereinbarten Raten, die danach anfallenden Beratungsleistungen der Klägerin sollten erst im Jahr 2018 gegenüber der Beklagten abgerechnet werden.

Am 19.12.2017 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass der Vorgang erst einmal ruhen solle, damit abgewartet werden könne, ob ein neuer Bauantrag der Klägerin Erfolg habe und die Klägerin im Jahr 2018 keine weitere Mitteilung der Beklagten erhielt, fragte sie den Sachstand mit Schreiben vom 07.01.2019 an und stellte, nachdem keine Antwort erfolgt war, am 12.03.2019 ihre Schlussrechnung für Beratungsleistungen vom 16.08.2017 bis 19.12.2017. Die Beklagte fügte eine Zeitaufstellung bei, aus der sich ersehen ließ, an welchem Tag welcher Zeitaufwand geleistet wurde und rechnete im 5-Minuten-Takt ab. Die Klägerin rechnete 7,5 Stunden nebst vereinbarter Telefonpauschale sowie anteiligen Porto- und Telefaxkosten ab. Die Rechnungssumme wurde bis 25.04.2019 fällig gestellt.

Die Parteien streiten um einen Betrag in Höhe von 2.274,65 EUR. Die Klägerin hatte u.a. vorgetragen, die Vergütungsvereinbarung sei wirksam, die Abrechnung in 5-Minuten-Takt sei verhältnismäßig und angemessen, auch wenn sie nicht in der Vergütungsvereinbarung vereinbart wurde. Die Beklagte meint, die zwischen den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung, die die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen verwende und die daher der AGB-Kontrolle standhalten müsse, verstoße gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB, da nicht bestimmt ist, in welchem Zeittakt abzurechnen sei. In diesem Fall müsse exakt abgerechnet werden. Der Zeitaufschrieb der Klägerin weise nicht die genauen Zeiten nach, in denen der Aufwand angefallen sei.

Das AG hat den geltend gemachten Betrag weitgehend zugesprochen. Die Beklagte sei aufgrund der mit der Klägerin geschlossenen Vergütungsvereinbarung vom 30.01.217 nebst Mandatsbedingungen verpflichtet, den überwiegenden Teil der von der Klägerin verlangten Gebühren zu bezahlen, denn die Klägerin habe die von ihr geleisteten Tätigkeiten innerhalb des Mandatsverhältnisses erbracht und bis auf die Abrechnung im 5-Minuten-Takt korrekt abgerechnet.

Das AG ist davon ausgegangen, dass eine Vergütungsvereinbarung in Form der Zeittaktklausel möglich gewesen wäre (so auch schon: LG Karlsruhe AGS 2021, 259). Aber:

In der Abrechnung der Klägerin sind dennoch Abzüge vorzunehmen, da die Klägerin im 5-Minuten-Takt abgerechnet hat, ohne dies mit der Beklagten zu vereinbaren.

In den von der Klägerin verwandten Vertragsunterlagen, nämlich der Vergütungsvereinbarung und den Mandatsbedingungen, ist kein Abrechnungstakt erwähnt.

Generell ist ein Abrechnungstakt von 5 Minuten nach Auffassung des Gerichts nicht unangemessen und könnte in einer Vergütungsvereinbarung vereinbart werden.

Ist jedoch keine Vereinbarung über eine Takt-Abrechnung geschlossen worden, so ist derjenige, der seinen zeitlichen Aufwand abrechnet, verpflichtet, minutengenau abzurechnen.

Dies ist jedenfalls bei einer Rechtsanwaltstätigkeit der Fall. Gerade bei der Rechtsanwaltstätigkeit ist es nicht ungewöhnlich, dass hintereinander z.B. Telefonate in verschiedenen Rechtssachen geführt oder verschiedene Angelegenheiten in unmittelbarer zeitlicher Nähe bearbeitet werden müssen, sodass hier eine minutengenaue Abrechnung erforderlich ist, um sicherzustellen, dass ein Mandant nur die Tätigkeit in seiner eigenen Rechtssache bezahlt.

Bei den heutigen modernen Zeiterfassungsmethoden ist es auch kein unvertretbarer Aufwand, eine minutengenaue Abrechnung zu erstellen.

Da die Klägerin nicht dargelegt hat, inwiefern sie bei den einzelnen Zeitaufschrieben wie viel Minuten aufgerundet hat, ist hier zugunsten der Beklagten jeweils die größtmögliche Aufrundung von 4 Minuten von den einzelnen Zeitabschnitten abzuziehen, sodass sich ein zeitlicher Aufwand für den Zeitraum vom 15.08. bis Ende August 2017 von 1 Minute, September 2017 von 2 Stunden 52 Minuten, Oktober 2017 2 Stunden 40 Minuten, November 2017 19 Minuten und Dezember 201712 Minuten ergeben.

Zusammengerechnet ist somit von der Klägerin ein Zeitaufwand von 6 Stunden und 4 Minuten für die Zeit vom 15.08.2017 bis 31.12.2017 zu berechnen mit dem Stundensatz von 250,00 € netto nebst den vereinbarten pauschalierten Nebenkosten, was die folgende Abrechnung ergibt:

Zeithonorar für die Leistungen von 6 Stunden 4 Minuten = 1.516,67 €,
Telefon (1,5 % vom Nettoumsatz gemäß Vergütungsverenbarung) = 22,75 €
Porto, Telefax (anteilig 09 17,10 17) =   8,34 €
Kostenrechnung insgesamt netto = 1.547,76 €
19 % Umsatzsteuer = 294,07 €
Endbetrag = 1.841,83 €“

StPO III: Originalakten weg ==> 1 1/2 Jahre Verzögerung, oder: Drei Monate Kompensation im JGG- Verfahren

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Und als dritte Entscheidung dann nochmals etwas vom BGH, und zwar zur Frage der Verfahrensverzögerung. Der BGH nimmt im BGH, Beschl. v. 27.10.2021 – 4 StR 214/21 – zur Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren Stellung, und zwar in einem JGG-Verfahren. Dazu führt er aus:

„3. Von der verhängten Jugendstrafe sind indes drei Monate für vollstreckt zu erklären, weil das Verfahren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist wegen des Verlusts der Originalakten unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK um etwa eineinhalb Jahre verzögert worden ist.

a) Das Verfahren ist dadurch in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden, dass die nach Übermittlung an die Staatsanwaltschaft am 23. Januar 2020 in Verlust geratenen Originalakten erst ab Mai 2021 teilweise rekonstruiert und die Ersatzakten dem Generalbundesanwalt am 28. Juni 2021 vorgelegt worden sind. Nachdem auf Veranlassung des Generalbundesanwalts weitere, für die Durchführung des Revisionsverfahrens notwendige Unterlagen beim Landgericht und bei der Staatsanwaltschaft beschafft worden waren, sind die am 14. September 2021 dem Generalbundesanwalt vorgelegten teilrekonstruierten Akten am 30. September 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangen. Am 12. Oktober 2021 sind die Ende September 2021 aufgefundenen Originalakten dem Bundesgerichtshof vorgelegt worden. Insgesamt hat sich nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist dadurch eine Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren ergeben, die auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Juni 2009 ‒ 3 StR 173/09, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20 mwN; Beschluss vom 12. Februar 2015 ‒ 4 StR 391/14).

b) Auch bei Verzögerungen im Jugendstrafverfahren ist eine Kompensation bei Verstößen gegen den Beschleunigungsgrundsatz jedenfalls für die ‒ hier vorliegende ‒ sowohl auf schädliche Neigungen als auch auf die Schwere der Schuld gestützte Jugendstrafe in der Weise zu gewähren, einen bestimmten Teil der Strafe für bereits vollstreckt zu erklären, wenn ein solcher über die Feststellung der Verzögerung hinausgehender Ausgleich geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 ‒ 1 StR 551/17). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kompensation nicht mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen, sondern hat nach den Umständen des Einzelfalles grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu betragen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 ‒ 4 StR 643/10, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 41 mwN).

c) Im vorliegenden Fall erscheint dem Senat eine Kompensation von drei Monaten angesichts der insgesamt eingetretenen Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren als angemessen. Diese Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst aussprechen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 ‒ 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209; Beschluss vom 3. November 2011 ‒ 2 StR 302/11, NStZ 2012, 320, 321).“