Archiv für den Monat: Dezember 2021

Corona II: Fälschung von Corona-Antigentests, oder: Nach altem Recht nicht strafbar

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem materiellen Strafrecht, nämlich der LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2021 – 16 Qs 90/21 – zur Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Antigentests, allerdings auf der Grundlage des Rechtszustandes bis zum 23.11.2021.

Folgender Sachverhalt liegt der LG-Entscheidung zugrunde:

Der Arbeitgeber des Beschuldigten fand am 15.09.2021 am Arbeitsplatz auf dem Schreibtisch des Beschuldigten ein Stapel mit Blankoformularen für die Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests. Auf den Blankoformularen war der Beschuldigte als für den Betrieb den Test ausführende Person ausgewiesen und es befand sich darauf ein Stempel der Firma. Der Beschuldigte war hierzu aber zu keiner Zeit berechtigt gewesen.

Auf Beschluss des AG wurde dann die Wohnung des Beschuldigten am 20.9.2021 durchsucht. Dabei wurden entsprechende Blankoformulare gefunden und sichergestellt. Nach Durchführung der Durchsuchung die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte. Das LG hat einen Anfangvserdacht verneint:

„Ein Anfangsverdacht wegen Fälschen von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB bestand nicht, da hierfür Voraussetzung ist, dass durch den Täter ein Gesundheitszeugnis unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt worden ist. Hier bestand nie der Verdacht, dass der Beschuldigte Bescheinigungen unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt habe.

Aus den gleichen Gründen scheitert eine Anwendung der §§ 278, 279 StGB

Es bestand aber auch kein Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB: Bei einer Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests handelt es sich um ein Zeugnis über den Gesundheitszustand im Sinne des Tatbestands des § 277 StGB, sodass der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist. Gesundheitszeugnisse sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen körperlichen oder psychischen Gesundheitszustand oder die Krankheit eines Menschen sowie über früher durchgemachte Krankheiten und die von ihren verursachten Spuren, weiter Bescheinigungen über Aussichten, von gewissen Krankheiten befallen oder verschont zu werden (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 277 StGB Rn. 2). Hier handelte es sich bei den aufgefundenen Formularen noch nicht um Gesundheitszeugnisse. Die am 15.09.2021 bei dem Beschuldigten festgestellten Formulare waren in den Punkten hinsichtlich der Personaldaten der getesteten Person, des Testergebnisses und des Testdatums nicht ausgefüllt. Allerdings bestand der Verdacht, dass der Beschuldigte derartige Formulare zur Bescheinigung von Corona-Antigentests zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 15.09.2021 und dem 20.09.2021 auch bereits mit den oben genannten und noch nicht ausgefüllten Punkten vollständig ausgefüllt habe und damit eine Bescheinigung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Coronainfektion der in das Formular als getestet eingetragene Person erstellt habe, mithin eine Bescheinigung über den körperlichen Gesundheitszustand dieser Person verfasst habe. Nach h.M. ist aber die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen Urkundenfälschungen privilegiert (Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rdnr. 1; Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9): Die Urkundenfälschung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die Straftatbestände der §§ 277 bis 279 StGB, die die Fälschung von Gesundheitszeugnissen betreffen, sehen dagegen als Strafrahmen nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem oder zwei Jahren vor. Zudem gibt es bei den §§ 277 bis 279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit. Außerdem muss die Täuschung gegen eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft gerichtet sein. Schließlich handelt es sich bei § 277 StGB um ein vollständig zweiaktiges Delikt (Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9). Die überwiegende Auffassung in der Rechtswissenschaft schließt daraus, dass eine umfassende Sperrwirkung gegenüber dem Straftatbestand der Urkundenfälschung besteht. § 267 StGB ist danach bei der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht anwendbar – auch wenn dadurch Strafbarkeitslücken entstehen. Diese Auslegung hat auch das Landgericht Osnabrück mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 (3 Qs 38/21; juris) bestätigt: Die allgemeinen Regelungen zur Herstellung einer unechten Urkunde, zum Fälschen einer echten Urkunde sowie zur Verwendung einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 StGB fänden keine Anwendung, da die Regelungen zu den §§ 277 ff. StGB als Privilegierung mit einer deutlich niedrigeren Strafandrohung spezieller seien und daher einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen sperren würden (so auch Gaede/Krüger: Unrichtige Corona-Impf- und Testnachweise – Alte und neue Strafbarkeitslücken, NJW 2021, 2159). Für die Sperrwirkung ist es unerheblich, ob es im konkreten Fall zu einer Strafbarkeit nach § 277 StGB kommt oder nicht. Für das Eingreifen der Sperrwirkung genügt, dass lediglich das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses und nicht einer anderen Urkunde vorliegt und damit der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist; die übrigen Voraussetzungen der Norm müssen nicht vorliegen. Die Privilegierung besteht allein aufgrund des Vorliegens eines Gesundheitszeugnisses. Vor diesem Hintergrund hatte die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Beschluss vom 16. Juni 2021 die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesreform vorzulegen. In der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 20. bis 22. Oktober 2021 wurde der Bund ebenfalls um eine kurzfristige Prüfung gebeten. Inzwischen gibt es einen entsprechenden Gesetzentwurf.

Ein Anfangsverdacht nach anderen Vorschriften ist nicht ersichtlich, insbesondere ist der Beschuldigte auch nicht strafbar nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes.“

Nur zur Sicherheit: Die Lücken in den §§ 275, 277 – 279 StGB sind durch das ÄnderungsG vom 23.11.2021 (BGBL. I, 4906), das seit dem 24.11.2021 in Kraft ist, geschlossen worden. Und man sollte aich einen Blick in § 75a IfSG n.F. werden.

Im Übrigen: Warum man „Antigen-Tests“ fälscht erschließt sich (mir) nicht. Aber das ist eine ganz andere Frage.

Corona I: Unterbrechungsfristhemmung (§ 10 EGStPO), oder: Wenn sich das LG „verrechnet“

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Heute dann zum Wochenauftakt noch einmal „Corona-Entscheidungen“.

Nein, nicht zum OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.12.2021 -13 MN 477/21 – zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die sog. 2-G-Regelung im niedersächsischen Einzelhandel während der Corona-Pandemie. Ich bin zu wenig „Verfassungssrechtler“, um die Entscheidung abschließend beurteilen zu können. Ich habe aber allerdings so meine Bedenken, ob das OVG den Spielraum, den das BVerfG dem Gesetzgeber m.E. hinsichtlich der Anordnung von Corona-Maßnahmen eingeräumt hat, nicht zu sehr einschränkt und sich mit seinen Vorgaben und Einschätzungen nicht eine Rolle zuspricht, die ihm nicht zusteht. Aber das wird das OVG dann sicherlich in der Hauptsacheentscheidung alles mitteilen, wenn es denn dann noch interessiert. Das Land Niedersachen wird jedenfalls reagieren und eine FFP-2 Masken-Regelung einführen, die ab morgen in Niedersachsen gelten soll.

Nein, getreu dem Spruch: „Schuster bleibt bei deinen Leisten“ 🙂  habe ich heute zwei straf(verfahrens)rechtliche Entscheidungen, die ich vorstellen möchte. Und ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 05.10.2021 – 6 StR 394/21 – der noch einmal zu § 10 EGStPO Stellung nimmt.

Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte u.a. eine Verletzung von § 229 Abs. 1 StPO – Unterbrechung. Und er hatte Erfolg:

„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Hauptverhandlung begann am 23. November 2020 und wurde am 2. und 9. Dezember 2020 fortgesetzt. Der nächste Hauptverhandlungstermin sollte am 17. Dezember 2020 stattfinden. Am 14. Dezember 2020 ordnete der Präsident des Landgerichts Ansbach zur Verhinderung einer Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus an, dass Hauptverhandlungen bis auf weiteres nur noch in Haftsachen abgehalten werden dürften. Da sich der Angeklagte nicht in Untersuchungshaft befand, stellte das Landgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 fest, dass der Lauf der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO gemäß § 10 EGStPO gehemmt sei. Am 26. Januar 2021 verfügte der Präsident des Landgerichts Ansbach, dass die Anordnung vom 14. Dezember 2020 über den 31. Januar 2021 hinaus nicht verlängert werde. Die Hauptverhandlung wurde am 24. Februar 2021 fortgesetzt. Das Landgericht stellte mit Beschluss vom selben Tage fest, dass die Hemmung des Laufs der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO mit Wirkung ab dem 1. Februar 2021 geendet habe.

2. Der Beschwerdeführer sieht in dieser Verfahrensweise zu Recht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO . Danach hätte die Hauptverhandlung nur bis zu drei Wochen unterbrochen werden dürfen. Die Unterbrechungsfrist hatte am 10. Dezember 2020 zu laufen begonnen. Nach Ablauf von vier Tagen war sie gemäß § 10 EGStPO vom 14. Dezember 2020 bis zum 31. Januar 2021 gehemmt. Seit dem 1. Februar 2021 lief sie weiter und endete nach Ablauf der noch verbliebenen 17 Tage am 17. Februar 2021. Die Hauptverhandlung hätte mithin spätestens am Donnerstag, den 18. Februar 2021, fortgeführt werden müssen.

Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen ausgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 6 StR 114/20 Rn. 10 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.“

Sonntagswitz, am 4. Advent auch noch einmal etwas zum Advent, ist so einfach

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Und dann am 4. Adventssonntag natürlich Sonntagswitz, und zwar noch einmal Adventswitze. Das ist so schön einfach = ich muss keine Thematik suchen. 🙂

Hier sind dann:

Was wäre, wenn Weihnachten nicht vor über 2000 Jahren, sondern heute stattgefunden hätte? Dann liefe folgende Meldung über die Ticker:

„Säugling in Stall gefunden – Polizei und Jugendamt ermitteln. Schreiner aus Nazareth und unmündige Mutter vorläufig festgenommen.2


Bitte: „Alexa, spiele bitte Last Christmas“

Antwort: „Nein, auf keinen Fall.“


Fragt die eine Gans eine andere:

„Glaubst du an ein Leben nach Weihnachten?“


Nach der Firmen Weihnachtsfeier wacht Peter auf und erinnert sich an einen Streit mit dem Chef.

Seine Freundin: „Du hast zu ihm gesagt, dass er ein Depp sei und er hat dich deswegen gefeuert“

Peter: „Der kann mich mal“

Sie: „Das habe ich auch zu ihm gesagt – Du hast den Job wieder.“

Wochenspiegel für die 50 KW., das war Corona, DSGVO, Telegram, Fahrverbot und gefälschter Impfausweis

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Und am 4. Advent dann der Wochenspiegel für die 50 KW., das ist dann – wenn ich, was ich vorausssichtlich tue – am nächsten Sonntag, dem 2. Weihnachtsfeiertag, auch einen Wochenspiegel mache, der vorletzte, der im Jahr 2021 erscheint. Denn am übernächsten Sonntag ist schon 2022.

Hier gibt es dann heute die Hinweis auf folgende Beiträge:

  1. Kein nachträglicher Urlaub wegen Corona-Quarantäne,

  2. Telegram: Welche Maßnahmen kann der Staat ergreifen?

  3. OLG Düsseldorf: Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken nur mit Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO durch alle sorgeberechtigten Elternteile zulässig,
  4. Internet und E-Mail in der Haftzelle?,

  5. VG Köln: Rechtsgerichtete Äußerungen bei Facebook lassen an arbeitsrechtlicher Zuverlässigkeit einer Person zweifeln ,

  6. Datenschutz bei Microsoft: Was wird kritisiert?,

  7. OLG Düsseldorf: Widerspruch gegen Beweisverwertung ist vom Gericht zu verbescheiden,

  8. Fehlende Zuverlässigkeit: Rechtsextremer darf nicht am Flughafen Köln/Bonn arbeiten
  9. AG Wittlich: Entfall des Fahrverbots bei langer Verfahrensdauer nicht zwingend,
  10. und aus meinem Blog, was zu erwarten war: Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfausweises, oder: Strafbarkeit nach altem Recht

Verbotenes Überholen bei unklarer Verkehrslage, oder: Zurechenbarkeit bei Abbruch des Überholvorgangs

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Und im zweiten Posting – dem letzten „Kessel Buntes“ des Jahres 2021 – dann noch eine Entscheidung des KG, und zwar das KG, Urt. v. 25.11.2021 – 22 U 46/21.

Es geht um einen Verkehrsunfall in Zusammenhang mit einem Überholvorgang. Das LG hat aus den von ihm festgestellten Unfallhergang – bitte im Volltext nachlesen – ein zurechenbares Verschulden des Fahrers des Pkw der Klägerin wegen eines verbotenen Überholens bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO abgeleitet. Das KG sieht das anders.

Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten durch Überholen bei unklarer Verkehrslage mit (beabsichtigtem) anschließendem Fahrstreifenwechsel sind nicht zurechenbar, wenn der Überholvorgang rechtzeitig abgebrochen wird und das überholende Fahrzeug noch in seinem (endenden) Fahrstreifen anhält.

  2. Verkehrsteilnehmer sind gegenüber Fahrzeugen mit gelbem Blinklicht (nur) zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet und haben daher auf die besondere Gefahr, hier wegen der Überlänge, entsprechend zu achten.