Archiv für den Monat: Juni 2021

Wochenspiegel für die 23. KW., das war Corona, AGB, Beweisvideo und nächtliche Fortentwicklung der StPO

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Heute läuft die 23. KW. ab, die dann u.a. die Fortentwicklung der StPO zum Gegenstand hatte. Dazu dann folgende Hinweise:

  1. Maskenpflicht am Arbeitsplatz – ohne Ausnahme möglich!,

  2. Digitaler Impfpass: Schlagen wir einen gefährlichen Weg ein?

  3. Porsche droht Rückruf Tausender Fahrzeuge,

  4. Polizei „vergisst“, Beweisvideo zu sichern,

  5. AG Rottweil zur unvollständigen Akteneinsicht: Reduzierte Geldbuße, wenn Betroffener auf Aussetzung der Hauptverhandlung verzichtet,

  6. Prüfungsamt muss Klausuren kostenlos kopieren,

  7. Volltext BGH liegt vor: Unzulässige Klausel in Banken-AGB die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB oder Sonderbedingungen der Bank fingiert,
  8. OLG Koblenz: Kein Gegendarstellungsanspruch gegen Blogbetreiber ,

  9. Nachts, wenn alles schläft,

  10. und dann aus meinem Blog – ebenfalls das Theme StPO 2021: Die “Fortentwicklung der StPO” im Bundestag, oder: Nachts um 00.20 Uhr in Berlin

Was fällt auf? Nur noch wenig Corona. Die zurückgehenden Inzidenzen machen sich also auch bei den Blogs bemerkbar. Hoffen wir, dass es anhält.

Falscher Faxnummer aufgrund einer Kanzleisoftware in der Berufungsschrift, oder: Anwaltsverschulden?

folgenden Text dazu nutzen:
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

In der zweiten Entscheidung des Tage, dem BGH, Beschl. v. 30.03.2021 – VIII ZB 37/19 – geht es mal wieder um Anwaltsverschulden, also: Wiedereinsetzungsproblematik.

Entscheiden musste der BGH die Frage der Wiedereinsetzung gegen eine verspätete Berufung gegen ein Urteil des LG Köln. Das Urteil war am 10.12.2018 zugestellt. Gegen das Urteil hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.01. 2019 am selben Tag Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift war an das OLG Köln gerichtet, jedoch mit der Telefaxnummer des Landgerichts Köln versehen. Dieses leitete die Berufungsschrift an das OLG Köln weiter, wo sie am 11.01.2019 einging. Zur Begründung ihres (rechtzeitig gestellten) Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen:

„In der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten werde seit dem Jahr 2016 das Kanzlei-Management-System „K. “ verwendet. Dabei würden die Stammdaten der Gerichte unmittelbar durch Zugriff auf eine vom Systemanbieter zur Verfügung gestellte Datenbank generiert. Bei der Erstellung eines Schriftstücks füge das System automatisch – nachdem das betreffende Gericht durch Anklicken ausgewählt worden sei – im Adressfeld unter anderem dessen Telefaxnummer ein.

Zur Einhaltung von Fristen bestünden in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten bereits vor und auch nach Einführung des Systems „K. “ Anweisungen, die der hier tätig gewordenen Kanzleiangestellten P. , die die Berufungsschrift per Telefax versandt habe, bekannt gewesen seien. Werde ein Schriftsatz per Telefax versandt, sei zuvor zu prüfen, ob der korrekte Adressat eingesetzt worden sei, ebenso die zutreffende Anschrift sowie die richtige Telefaxnummer des Empfängers. Dies habe anhand einer verlässlichen Quelle zu geschehen. Handele es sich um einen bestehenden Vorgang, sei ein Abgleich mit den Daten im jüngsten Schreiben des Adressaten, etwa des Gerichts, in der Akte vorzunehmen. Bei einem neuen Vorgang sei ein Datenabgleich mit der Internetseite des Gerichts erforderlich. Nach der Versendung des Telefaxes sei ein Abgleich zwischen der auf dem Sendeprotokoll ausgewiesenen Faxnummer mit derjenigen auf dem versandten Schriftstück vorzunehmen.

Am Morgen des 10. Januar 2019 habe die – als zuverlässig, sorgfältig und vertrauenswürdig bekannte – Kanzleiangestellte P. , die mehr als zehn Jahre Assistentin der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei, ohne dass es in dieser Zeit einen Vorfall gegeben habe, der zu einer Fristversäumnis geführt habe, die Berufungsschrift vorbereitet. Zur Veränderung des Außenauftritts der Kanzlei, unter anderem durch Verwendung eines neuen Logos und eines neuen Schriftbilds habe der Geschäftsführer der Kanzlei, Rechtsanwalt B. , zur Jahreswende 2018/2019 Formatvorlagen für Schriftsätze angepasst. Darüber seien alle Kanzleimitglieder per E-Mail vom 3. Januar 2019 unterrichtet worden. Eine Formatvorlage für eine Berufungsschrift habe am Morgen des 10. Januar 2019 noch nicht zur Verfügung gestanden. Auf Anfrage der Prozessbevollmächtigten der Beklagten und der Kanzleiangestellten P. habe Rechtsanwalt B. dazu die Auskunft erteilt, es sei entweder die Formatvorlage „Klage“ oder die Formatvorlage „Schriftsatz“ zu verwenden, weil deren Layout schon angepasst worden sei.

Frau P. habe nunmehr als Überschrift des Schriftsatzes „Berufung“ anstelle von „Klage“ eingetragen. Nach Eingabe des gesuchten Gerichts sei das Oberlandesgericht Köln als Empfänger der Berufungsschrift auf dem Bildschirm erschienen. Das System habe dessen Adresse eingefügt sowie die Zeile: „Vorab per Fax: +49 221 477-3333“. Diese Stammdaten seien in der vom Systemanbieter zur Verfügung gestellten Datenbank enthalten gewesen. Nach dem Ausdruck der Berufungsschrift habe die Prozessbevollmächtigte der Beklagten diese unterzeichnet, ohne zu bemerken, dass die Telefaxnummer des Landgerichts Köln, nicht aber diejenige des Oberlandesgerichts Köln angegeben gewesen sei. Frau P. habe den Schriftsatz sodann gefaxt, ohne zuvor die Angaben, insbesondere die Telefaxnummer, nochmals anhand der Internetseite des Oberlandesgerichts auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Nach dem Telefaxversand habe Frau P. die Faxnummer auf dem Schriftsatz mit derjenigen auf dem Faxprotokoll abgeglichen und festgestellt, dass diese identisch seien.

Das Einsetzen einer falschen Telefaxnummer durch das System „K. “ sei zuvor noch nie vorgekommen. Nachdem sich dies hier – durch ein Telefonat mit der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts – herausgestellt habe, sei der Vorgang testweise wiederholt worden. Erneut sei trotz Angabe des Oberlandesgerichts Köln die Telefaxnummer des Landgerichts Köln automatisch der Datenbank entnommen worden. Sodann sei als Empfangsgericht das Oberlandesgericht Hamburg angegeben worden; wiederum habe das System automatisch die Telefaxnummer des dortigen Landgerichts eingesetzt.

Rechtsanwalt B. habe sodann herausgefunden, dass in der verwendeten und hinterlegten Vorlage anstelle der korrekten Variable für die Telefaxnummer des Oberlandesgerichts eine Variable hinterlegt gewesen sei, die mit einem falschen Datenbankfeld verknüpft gewesen sei, nämlich mit der Telefaxnummer des Landgerichts. Wie und wann die fehlerbehaftete Variable Eingang in das System gefunden habe, sei derzeit nicht erklärbar. Anlässlich der Überarbeitungen zum Jahreswechsel 2018/2019 sei eine inhaltliche Anpassung der für den Adressblock verwendeten Variablen jedenfalls nicht erforderlich gewesen; die hinterlegten Daten seien bei der Änderung der Formatvorlagen unberührt geblieben. Diese hätten nur das Layout und den Aufbau der Word-Dokumente betroffen.“

Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen die Rechtsbeschwerde zum BGH, die Erfolg hatte.

Hier der Leitsatz der BGH-Entscheidung, und zwar:

Ein Rechtsanwalt ist hinsichtlich der fristwahrenden Übermittlung von Schriftsätzen gehalten, durch geeignete organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch entsprechende allgemeine Anweisungen an das Büropersonal, sicherzustellen, dass Fehlerquellen im größtmöglichen Umfang ausgeschlossen sind und gewährleistet ist, dass – anhand einer nochmaligen Überprüfung der Faxnummer des angeschriebenen Gerichts entweder vor der Versendung oder mit dem Sendebericht anhand einer zuverlässigen Quelle – bei der Adressierung die zutreffende Faxnummer verwendet wird.

Im Übrigen meint der BGH, dass die generelle Büroanweisung, wonach die Telefaxnummer des Gerichts – unabhängig von der Kanzleisoftware – anhand einer zuverlässigen Quelle außerhalb der Datenbank des Kanzlei-Management-Systems zu überprüfen ist, den gebotenen Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht (noch) genügt.

Nochmals VW-Abgasskandal, oder: Zulässigkeit der Schätzung der Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs

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Und dann der „Kessel Buntes“ am Samstag. In dem steckte als erste Entscheidung das BGH, Urt. v. 23.03.2021 – VI ZR 3/20. Eine Entscheidung/ein Verfahren, das noch mit dem VW-Abgasskandal zu tun hat. Der BGH nimmt in dem Urteil zur Zulässigkeit der Schätzung der Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs im Zusammenhang mit der Berechnung der gezogenen Nutzungsvorteile Stellung.

Die Klägerin hat VW auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch genommen. Die Klägerin hatte am 19.06.2015 von einem Autohaus einen gebrauchten, von VW hegestellten PKW VW Sharan zu einem Preis von brutto 23.500 €, netto 19.747,90 € erworben. Das Fahrzeug war mit einer unzulässigen Abgasabschalteinrichtung ausgestattet.

Die Klägerin hat die Zahlung von 23.500 € (Bruttokaufpreis) nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das LG hat zur Zahlung von 15.396,56 € nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosen verurteilt und festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der diese weitere 8.103,44 € sowie Deliktszinsen verlangt hat, hat das OLG zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Hauptausspruch des landgerichtlichen Urteils dahingehend abgeändert, dass es die Beklagte zur Zahlung von 14.803,28 € nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt hat. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg:

„Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte der Klägerin auf Schadensersatz aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin könne die Rückzahlung des Nettokaufpreises verlangen, müsse sich aber nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung den Wert der von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km errechne sich unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Übergabe absolvierten Laufleistung des Fahrzeugs (77.149 km) und der aktuellen Laufleistung (132.948 km) ein Nutzungsvorteil in Höhe von 4.944,62 €, woraus sich der zugesprochene Betrag von 14.803,28 € ergebe. Der Feststellung des Annahmeverzugs stehe nicht entgegen, dass die Klägerin zu viel gefordert habe, indem sie sich Nutzungsvorteile nicht habe anrechnen lassen. Das in dem Klageantrag liegende wörtliche Angebot sei so zu verstehen, dass die Klägerin ihre Leistung erbringe, wenn der Gegner die tatsächlich geschuldete Gegenleistung anbiete. Der in der klägerischen Berufung geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus § 849 BGB bestehe dagegen nicht, weil die Klägerin für das als Kaufpreis aufgewandte Geld die Nutzungsmöglichkeit über das Fahrzeug erhalten habe.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Der der Klägerin aus § 826 BGB zustehende Schadensersatzanspruch (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 13 ff.) beläuft sich vorliegend auf den von der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin aufgewendeten Nettokaufpreis abzüglich der von ihr gezogenen Nutzungsvorteile (Senatsurteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 64 ff.; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 11). Der Einwand der Klägerin, die gezogenen Vorteile beliefen sich auf einen geringeren Betrag, weil nicht von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km, sondern von einer solchen von 350.000 km auszugehen sei, so dass ihr in der Hauptsache weitere 906,10 € zustünden, bleibt ohne Erfolg.

a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 79 mwN).

b) Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.

Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist das Berufungsgericht von folgender Berechnungsformel ausgegangen:

Nutzungsvorteil = Nettokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb)—————————————————————–erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt

Diese Berechnungsmethode ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 12 f.), ebenso wenig der Umstand, dass das Berufungsgericht dabei die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf 300.000 km geschätzt hat. Denn bei der Schadensschätzung steht ihm gemäß § 287 ZPO ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (Senatsurteil vom 17. September 2019 – VI ZR 396/18, NJW 2020, 236 Rn. 13). Insbesondere ist die auf einer Prognose beruhende Schätzung der Gesamtfahrleistung durch das Berufungsgericht, die um rund 14 Prozent von der Schätzung der Klägerin abweicht, entgegen der Ansicht der Revision nicht unzulässig, weil sie mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257, juris Rn. 55; vom 26. November 1986 – VIII ZR 260/85, NJW 1987, 909, 910, juris Rn. 10; Beschluss vom 13. November 2013 – IV ZR 224/13, VersR 2014, 104 Rn. 5). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang auch die Behauptung der Revision, das Berufungsgericht habe „keinerlei Begründung“ für die von ihm angenommene Gesamtlaufleistung gegeben. Denn es hat auf die Entscheidung des OLG Koblenz in BeckRS 2019, 11148 Rn. 88 verwiesen, das für den hier betroffenen Fahrzeugtyp VW Sharan im Hinblick auf Qualität, Haltbarkeit und Nutzungsbestimmung als Großraum-Van ebenfalls die Gesamtlaufleistung auf 300.000 km geschätzt hat. Die Klägerin selbst hat ihre Schätzung in der von der Revision in Bezug genommenen Berufungsbegründung lediglich darauf gestützt, dass das Fahrzeug „sehr robust“ sei. Einer ausführlicheren Begründung des Berufungsgerichts für seine Schätzung bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Der Umstand, dass andere Oberlandesgerichte bei Ausübung ihres tatrichterlichen Ermessens in den von der Revisionsbegründung zitierten Entscheidungen, die allerdings andere Fahrzeugtypen betrafen, von einer höheren Gesamtlaufleistung ausgegangen sind, ist nicht geeignet, die Schätzung des Berufungsgerichts revisionsrechtlich in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht war nach alledem, anders als die Revision meint, nicht gehalten, auf eine Schätzung zu verzichten und zur Frage der zu prognostizierenden Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein Sachverständigengutachten einzuholen.“

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit der Vergütung im Adhäsionsverfahren?

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So, und dann noch die Gebührenfrage, und zwar:

„……

Es geht um die Vergütung im Adhäsionsverfahren.

Ich habe einen Adhäsionsantrag in einem Strafverfahren für zwei Geschädigte gestellt. Der Antrag richtete sich gegen zwei Angeklagte, welche gesamtschuldnerisch zu haften hätten. Unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung wurde das Verfahren gegen eine der Angeklagten abgetrennt. Die Hauptverhandlung hat gegen diese noch nicht begonnen.

Nunmehr stellen sich mir einige Fragen:

1. Wirkt der Adhäsionsantrag in dem abgetrennten Verfahren fort?

2. Entsteht die Gebühr nach Nr. 4143 RVG für mich als Vertreter der Antragsteller erneut? Dafür spräche, dass es sich um ein neues Verfahren handelt. Jedoch wirkt es mir nicht billig, hier die vollen Kosten erneut entstehen zu lassen, da die Abtrennung in Prinzip vom Zufall abhing.

3. Gibt es noch eine Möglichkeit den Antrag im abgetrennten Verfahren kostengünstig, also ohne Auslösung der Gebühren des Verteidigers bzgl. der Adhäsion zurückzunehmen? Ich denke, dass die Vergütung nach Nr. 4143 RVG von der Information des Verteidigers abhängt. Dies könnte durch Zustellung des Antrags im Ausgangsverfahren, welcher dort rechtshängig wurde, bereits geschehen sein.“

Straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren, oder: Mittelgebühr, ja oder nein?

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Und die zweite RVG-Entscheidung kommt dann auch von einem AG, aber dieses Mal aus dem Norden. Das AG Hamburg-Harburg hat im AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 03.06.2021 – 621 OWi 128/21 – zum Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt der Gebührenbemessung in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Stellung genommen. Und zwar wie folgt:

„Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat die seitens des Verteidigers beantragte Auslagen- und Gebührenfestsetzung bei der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG sowie der Verfahrensgebühr nach Nr.5103 VV RVG und der Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 RVG zu Unrecht gekürzt.

Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hiernach war die Mittelgebühr festzusetzen.

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. AG München Endurteil v. 2.12.2019 — 213 C 16136/19; AG Landstuhl Beschl. v. 8.4.2020 — 2 OWi 186/20; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid vom 16.12.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 160,00 € festgesetzt. Diese Festsetzung zieht die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich. Weiterhin wurde ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt.“