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Nach Abtretung keine „Geldempfangsvollmacht“ nötig, oder: Wenn man (offenbar) nichts anderes zu tun hat.

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Heute ist hier dann der Tag der Kostenfestsetzungsbeschlüsse. Normalerweise stelle ich die ja nicht vor, aber dieser hat es in sich 🙂 . Nicht weil er falsch wäre – er ist „goldrichtig“ – sondern weil er mal wieder ein Beispiel dafür ist, mit welchen unsinnigen Fragen sich Verteidiger aber auch die Gerichte befassen müssen, wenn es um Einwände der Staatskasse gegen die Kostenfestsetzung geht. Man fragt sich wirklich manchmal, was das soll.

So auch hier. Die Kollegin Hirsch aus Hamburg, die mir den Beschluss geschickt hat, hat den Angeklagten in einem Verfahren wegen Betruges vertreten. Der Angeklagte wird frei gesprochen. Er tritt seinen Erstattungsanspruch an die Kollegin ab (§ 43 RVG). Die macht den – nun ihren – Anspruch geltend. Die Vertreterin der Staatskasse hat offenbar nichts zu tun. Sie fordert in ihrer Stellungnahme den Nachweis der Vollmacht des Angeklagten an die Verteidigerin zur Stellung des Kostenfestsetzungsantrages.

Das AG setzt im AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 25.04.2023 – 664 Ds 4/22 jug. ohne Vorlage dieser Vollmacht fest:

„Die mit Kostenfestsetzungsantrag vom 23.12.2022 geltend gemachten Gebühren sind der Art nach entstanden. Die geltend gemachten Gebühren sind unter Berücksichtigung aller Umstände nach § 14 RVG angemessen und nicht unbillig hoch. Auf die Begründung zur Gebührenbemessung der Verteidigerin wird verwiesen.

Rechtliches Gehör wurde gewährt.

Die Vertreterin der Staatskasse fordert mit Schreiben vom 22.02.2023 den Nachweis der Vollmacht des Angeklagten an die Verteidigerin zur Stellung des Kostenfestsetzungsantrages.

Bei dem an das Strafverfahren anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren handelt es sich um ein gesondertes Verfahren, für das eine Vollmacht zur Stellung des Kostenantrages, einschließlich der Geldempfangsvollmacht an den Verteidiger, der den Anspruch anmeldet, notwendig ist. In diesem Fall hat der Angeklagte jedoch seinen ihm zustehenden Kostenerstattungsantrag gegen die Staatskasse aus diesem Verfahren an seine Verteidigerin schriftlich abgetreten. Die Abtretungserklärung vom 17./19.11.2022 liegt dem Gericht vor.

Aufgrund dieser Abtretungserklärung macht die Verteidigerin die entstandenen Gebühren und Auslagen im eigenen Namen geltend. Eine gesonderte zusätzliche Vollmacht des Mandanten zur Stellung des Kostenfestsetzungsantrages bedarf es somit nicht.“

Wie gesagt: Wenn man (offenbar) nichts anderes zu tun hat.

Straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren, oder: Mittelgebühr, ja oder nein?

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Und die zweite RVG-Entscheidung kommt dann auch von einem AG, aber dieses Mal aus dem Norden. Das AG Hamburg-Harburg hat im AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 03.06.2021 – 621 OWi 128/21 – zum Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt der Gebührenbemessung in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Stellung genommen. Und zwar wie folgt:

„Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Die Bußgeldbehörde hat die seitens des Verteidigers beantragte Auslagen- und Gebührenfestsetzung bei der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG sowie der Verfahrensgebühr nach Nr.5103 VV RVG und der Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 RVG zu Unrecht gekürzt.

Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Hiernach war die Mittelgebühr festzusetzen.

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. AG München Endurteil v. 2.12.2019 — 213 C 16136/19; AG Landstuhl Beschl. v. 8.4.2020 — 2 OWi 186/20; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f; AG Trier Beschl. v. 8.12.2020 — 35a OWi 58/20). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid vom 16.12.2020 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 160,00 € festgesetzt. Diese Festsetzung zieht die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich. Weiterhin wurde ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt.“

Terminsgebühr für den „geplatzten Termin“, oder: Telefonische Terminsabstimmung ohne Ladung

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Heute ist „Gebührenfriday“. Ich stelle an ihm dann zwei AG-Entscheidungen zum Gebührenrecht vor, beide positiv, was dann ja mal erfreut.

Ich starte mit dem AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 03.04.2020 – 620 Ls 192/18 6106 Js 650/17.

Der UdG hatte zugunsten des Kollegen  Ebrahim-Nesbat aus Hamburg, der als Pflichtverteidiger in der Sache tätig war, eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG i.V.m. Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG festgesetzt. Das hatte der Bezirksrevisor mit der Erinnerung beanstandet. Die Erinnerung hatte beim AG keinen Erfolg:

„Der Bezirksrevisor beanstandet mit der Erinnerung allein die Festsetzung der Terminsgebühr (VV 4108 RVG) für den abgerechneten – nicht durchgeführten/entstandenen – Verhandlungstermin am 13.03.2019.

Die Erinnerung ist unbegründet.

Gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 3 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Rechtsanwalt erhält die Terminsgebühr demnach allerdings auch, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Dies gilt nicht, wenn er rechtzeitig von der Aufhebung oder Verlegung des Termins in Kenntnis gesetzt worden ist.

Hier erschien der Verteidiger zu einem anberaumten Termin, der nicht stattfand, ohne dass er rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt worden wäre. Denn am 23.01.2019 stimmte der Unterzeichner als Vorsitzender in hiesiger Strafsache mit dem Verteidiger telefonisch einen Hauptverhandlungstermin für den 13.03.2019 in der Zeit von 9:45 bis 12:00 Uhr ab. Damit war ein Termin im Verhältnis zum Verteidiger im Sinne von § 213 StPO anberaumt worden. Dass es zur Durchführung dieses Termins nicht kam und dazu auch nicht geladen wurde, steht dieser Anberaumung des Termins nicht entgegen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verteidiger zuvor Kenntnis davon erlangt hätte, dass am 13.03.2019 kein Hauptverhandlungstermin durchgeführt werden würde. Eine Kommunikation darüber hat zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden oder einem anderen Mitarbeiter des Gerichts nach dem – den Termin anberaumenden – Telefonat vom 23.01.2019 bis zum Erscheinen des Verteidigers am 13.03.2019 nicht stattgefunden.2

Die Entscheidung ist zutreffend. Ich frage mich bei solchen Entscheidungen dann immer, ob Bezirksrevisoren eigentlich nichts anderes zu tun haben, als solche Fragen zu problematisieren. Warum soll ein „nur“ telefonisch abgesprochener Termin kein „anberaumter Termin“ sein? Das kann man dann doch auch mal schlucken….