Verkehrsrecht III: Urteil wegen Trunkenheitsfahrt, oder: Erforderliche Feststellungen und Regelvermutung

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Und als dritte Entscheidung des Tages stelle ich dann noch das OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.09.2020 – Ss 40/2020 (40/20) – vor. Ergangen in einem Verfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt.

Gegen den Angeklagten war mit Strafbefehl des AG wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 45,– € verhängt worden. Zugleich wurde die Fahrerlaubnis entzogen und bestimmt, dass dem Angeklagten für die Dauer von fünf Monaten von einer deutschen Behörde keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. In dem Strafbefehl sind hinsichtlich der Tat folgende Feststellungen getroffen:

„Sie fuhren am 15.06.2019 gegen 00:20 Uhr mit dem Pkw Opel Astra, luxemburgisches Kennzeichen pp., auf der L177 aus Richtung Orscholz kommend in Fahrtrichtung Sinz in 66706 Perl, obwohl Sie infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig waren.

Eine bei Ihnen am 15.06.2019 um 01:59 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰.

Ihre Fahruntüchtigkeit hätten Sie bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.“

Auf den auf den Rechtfolgenausspruch beschränkten Einspruch des Angeklagten hat das Amtsgericht den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,– € verurteilt und gegen ihn ein verbüßtes Fahrverbot von sechs Monaten verhängt. Zur Begründung der Verhängung lediglich eines Fahrverbots hat das AG ausgeführt: Da der Angeklagte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung seit fast acht Monaten nicht mehr am Straßenverkehr teilgenommen habe, habe das Gericht ihn nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen vermocht, so dass es mit der Verhängung eines deklaratorischen Fahrverbots sein Bewenden haben könne.

Dagegen die Sprungrevision der StA, die Erfolg hatte. Das OLG nimmt zunächst wegen der Feststellungen und der Wirksamkeit der Beschränkung der Revision der StA Stellung. Dazu die Leitsätze:

  1. Im Fall einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB ist die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht deshalb unwirksam, weil das angegriffene Urteil keine Feststellungen zu den Umständen der Alkoholaufnahme, den Beweggründen der Fahrt und deren Gegebenheiten enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Tatrichter die Tat nach Tatzeit, Tatort, Fahrzeug und den die Fahrunsicherheit ergebenden Umständen in den Feststellungen eingrenzt (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 27.04.2017 – 4 StR 547/16). Gleiches gilt in den Fällen der Beschränkung eines Einspruchs gegen einen entsprechenden Strafbefehl auf den Rechtsfolgenausspruch.
  1. Die Staatsanwaltschaft kann ihre Revision innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs dann wirksam auf das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) und der Bestimmung einer Sperrfrist (§ 69a StGB) beschränken, wenn sich aus dem tatrichterlichen Urteil ergibt, dass der Strafausspruch nicht von der Entscheidung über die Maßregel beeinflusst ist, und sie zudem keine zugleich für das Strafmaß und die Maßregelanordnung bedeutenden Tatsachen angreift.

Und dann zum Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis, insoweit hatte die Revision Erfolg:

„b) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen hat, als rechtsfehlerhaft, weil besondere Umstände, welche zur Widerlegung der Regelvermutung führen könnten, nicht festgestellt sind. Besonderheiten der Trunkenheitsfahrt selbst sind weder dem Strafbefehl noch dem angefochtenen Urteil zu entnehmen. Auch besondere Umstände außerhalb der Tat, welche im Rahmen einer Gesamtwürdigung, insbesondere der Persönlichkeit des Angeklagten, geeignet sein könnten, die Vermutung der mangelnden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen jedenfalls zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zu widerlegen, liegen nicht vor. Zwar sind derartige Umstände im Einzelfall etwa dann angenommen worden, wenn seit der Trunkenheitsfahrt eines Ersttäters ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, keine erhebliche Überschreitung des Grenzwerts von 1,1 ‰ vorlag, die Fahrerlaubnis für längere Zeit vorläufig entzogen war und der Täter erfolgreich an einem anerkannten Nachschulungskurs teilgenommen hat (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 371, 372 m. w. N.; Senatsbeschluss vom 14. November 2017 – 1 Ws 189/17 -; Schönke/Schröder/Kinzig, a. a. O., § 69 Rn. 46). An solchen Umständen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Die Überschreitung des Grenzwerts von 1,1 ‰ ist mit der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,32 ‰ nicht nur unerheblich. Dass der Angeklagte an einem Nachschulungskurs teilgenommen hätte, ist nicht festgestellt. Allein der vom Amtsgericht herangezogene Umstand, dass der Angeklagte – seinen vom Amtsgericht nicht überprüften Angaben zufolge – zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung seit fast acht Monaten kein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug mehr geführt haben soll, und ihm zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis seit fast fünf Monaten entzogen war, reicht zur Widerlegung der Regelvermutung nicht aus (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 1997, 178 f. – juris Rn. 37; KG, Urt. v. 01.11.2010 – (3) 1 Ss 317/10 (108/10), juris Rn. 3; Schönke/Schröder/Kinzig, a. a. O., § 69 Rn. 46). Vielmehr hätte es der Feststellung von über den bloßen Zeitablauf hinausgehenden Tatsachen, die belegen, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, bedurft (vgl. KG, a. a. O). Das gilt vor dem Hintergrund, dass nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen gegen den Angeklagten im luxemburgischen Strafregister „2 Straßenverkehrsdelikte aus den Jahren 2015 und 2013“ eingetragen sind, erst recht.“

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