Archiv für den Monat: Dezember 2020

OWi I: Wenn beim Rotlichtverstoß Angaben des Polizeibeamten nicht reichen, oder: Augenblicksversagen

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Heute und morgen dann noch „normale Berichterstattung“, bevor dann Weihnachtsruhe eintritt. Ein sicherlich anderes Weihnachten als in den vergangenen Jahren, aber: Ruhe dann eben doch.

Ich stelle dann heute hier noch einmal OWi-Entscheidungen vor, und zwar zunächst den BayObLG, Beschl. v. 04.08.2020 – 201 ObOWi 927/20, der sich mit einem Rotlichtverstoß befasst. Das BayObLG hat die Verurteilung des Betroffenen, bei dem das AG von einem Fahrverbot abgesehen hatte, auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin, aufgehoben. Begründung:

Zunächst: Die Urteilsgründe waren anch Auffassung des BayObLG lückenhaft:

„2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht hinreichend gerecht. Der Beweis-würdigung fehlt hinsichtlich der festgestellten Rotlichtdauer von „über“ 1 Sekunde eine tragfä-hige Grundlage. Das Amtsgericht trifft im Rahmen der Beweiswürdigung u.a. folgende Fest-stellungen:

„Auf Grund der Aussage von POMin L., die der Betroffenen folgte und sie unmittelbar danach anhielt – steht zum ein fest, dass der Pkw zum Tatzeitpunkt von der Betroffenen geführt wurde und zum anderen, dass die von ihr überfahrene Rotphase länger als 1 Sekunde andauerte. Insoweit gab die Zeugin glaubwürdig an, sicher zu sein, dass die von der Betroffenen passierte Ampel schon deutlich länger als 1 Sekunde rot zeigt. Die Betroffene, die den Rotlichtverstoß nicht in Abrede stellen wollte […]“

Das Amtsgericht hat sich zur Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes somit allein auf die Bekundungen der Polizeibeamtin und die Angabe der Betroffenen, sie wolle den Verstoß nicht in Abrede stellen, gestützt. Zwar können für den Beweis eines – auch eines qualifizierten – Rotlichtverstoßes grundsätzlich auch Schätzungen von Zeugen, insbesondere von Polizei-beamten, herangezogen werden. Hier ist aber nicht erkennbar, ob die Aussage der Beamtin das Ergebnis richtig ermittelter objektiver Anknüpfungstatsachen und deren richtiger Verknüp-fung aufgrund verkehrsanalytischer Erfahrungssätze ist, oder ob es sich lediglich um eine freie Schätzung handelt. Zur Feststellung von Zeitintervallen im Sekundenbereich sind freie Schät-zungen aufgrund gefühlsmäßiger Erfassung generell ungeeignet, da erfahrungsgemäß hierbei ein erhebliches Fehlerrisiko besteht (BayObLGSt 2002, 100, 101). Tatsächliche Anhaltspunkte, die die Richtigkeit der Schätzung überprüfen ließen, etwa die Geschwindigkeit der Betroffenen und ihr Abstand von der Haltelinie beim Umschalten auf Rotlicht, werden im Urteil nicht mitge-teilt. Es wird auch nicht mitgeteilt, ob es sich um eine gezielte Rotlichtüberwachung, bei der die Wahrnehmung der hierbei tätigen Polizeibeamten entsprechend geschärft ist (vgl. OLG Hamm NZV 2010, 44f.), oder aber lediglich um eine zufällige Rotlichtüberwachung, bei der die wahr-nehmenden Polizeibeamten in der Regel weniger aufmerksam sind, gehandelt hat. Feststel-lungen, mit welcher Methode die Zeugin den Rotlichtverstoß gemessen hat, fehlen im Urteil.

Die Feststellung, die Betroffene habe den Rotlichtverstoß nicht in Abrede stellen wollen, belegt den qualifizierten Rotlichtverstoß ebenfalls nicht tragfähig, denn daraus ergibt sich zum einen nicht, dass die Dauer des Rotlichts eingeräumt wurde, und zum anderen führt das Amtsgericht auch nichts dazu aus, ob die Betroffene überhaupt Angaben zur konkreten Dauer machen konnte.“

Und:

„2. Die Feststellungen im angefochtenen Urteil sind auch hinsichtlich des Rechtsfolgenaus-spruchs lückenhaft. Die Feststellungen des Amtsgerichts hinsichtlich eines sog. Augenblicks-versagens zeigen durchgreifende Rechtsfehler auf.

Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 07.07.2020 wie folgt aus: „Das angegriffene Urteil enthält keine konkreten Feststellungen zur genauen Dauer der Rotlichtphase beim Überfahren der Haltelinie bzw. Einfahrt in den Kreuzungsbereich durch die Betroffene, dem Fahrverhalten der Betroffenen bei Annäherung und Erreichen der Lichtzei-chenanlage, der Beobachtungsposition der den Rotlichtverstoß feststellenden Polizeibeamten, der Methode zur Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes und sonstigen Umständen zur Tatsituation, beispielsweise Verkehrsdichte, vorausfahrenden sowie nachfolgenden Fahr-zeugen oder Haltemöglichkeiten für den Fall einer Fahrzeugpanne, die Rückschlüsse darauf ermöglichen, ob das von der Betroffenen geltend gemachte Ereignis des plötzlichen Aufleuch-tens einer Warnleuchte geeignet war, […] ein Augenblicksversagen anzunehmen, das ein Ab-sehen vom Regelfall des Fahrverbots zu begründen vermag. Das Ereignis des plötzlichen Auf-leuchtens von Warnleuchten müsste einem unübersichtlichen, besonders schwierigen, überra-schenden oder verwirrenden Verkehrsgeschehen gleichstehen. Dies erfordert zumindest Fest-stellungen dazu, welche konkreten Warnleuchten aufleuchteten, ob und ggf. welche sonstigen Auffälligkeiten am Fahrzeug der Betroffenen plötzlich auftraten, in welcher zeitlichen Phase der Annäherung an die Ampelanlage dies erfolgte und wie sich das sonstige Verkehrsgeschehen darstellte. Zudem erscheinen die Urteilsgründe insofern widersprüchlich, als das Tatgericht einerseits zwar von einer Verunsicherung der Betroffenen ausgeht, andererseits aber zugleich annimmt, dass bei einer blinkenden Kontrollleuchte nicht sofort ein schwerwiegender Defekt zu erwarten sei, sondern die Weiterfahrt problemlos möglich sei. Dadurch ist aber die angenom-mene Verunsicherung der Betroffenen nicht nachvollziehbar begründet, zumal Fehlfunktionen des Fahrzeugs nicht festgestellt sind. Bei vorliegenden Defekten erscheint demgegenüber ein Anhalten aus Sorge um Schäden am Fahrzeug die naheliegende Reaktion im Gegensatz zu einer Weiterfahrt. Damit setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander.“

Der Senat tritt diesen Ausführungen bei. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Tatge-richt keine eigenen, die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigenden Feststellungen getrof-fen, sondern im Wesentlichen die Ausführungen der Betroffenen übernommen hat.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist es mit der Nr. 4142 VV RVG im “Nachverfahren”?

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Die letzte Frage 2020 lautete: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist es mit der Nr. 4142 VV RVG im “Nachverfahren”?.

Und hier dann die Antwort an den Kollegen:

„Moin,

ich habe mal ein wenig hin und her überlegt.

M.E. dürfte der Rechtspfleger Recht haben. Die Nr. 4142 VV RVG entsteht im Rechtszug jeweils nur einmal (s. Anm. 3). Etwas anderes gilt, wenn es sich bei dem „Nachverfahren“ um eine eigene Angelegenheit handelt. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich m.E. um die endgültige Erledigung des abgetrennten Teils betreffend Einziehung. Ich würde das ähnlich sehen wie im JGG bei § 27 JGG (vgl. dazu RVG-Kommentar, Teil A Rn 158). Also keine weitere Gebühr Nr. 4142 VV RVG.

Ggf. aber noch eine TG, wenn das LG mündlich verhandeln sollte. Und: Auf den Gegenstandswert achten. Der könnte sich erhöht haben, was zu berücksichtigen wäre. Aber das wird Sie als Pflichtverteidiger kaum tangieren. § 49 RVG lässt grüßen.2

Und hier dann auch noch einmal in 2020 der Hinweis auf die Neuerscheinung unseres RVG-Kommentars in der 6. Auflage. Die wird Ende Januar/Anfang Februar 2021 kommen – wenn alles glatt läuft. Zur (Vor)Bestellung geht es hier.

Corona II: Terminsverlegung wegen Corona?, oder: Nicht bei einem überzeugenden Hygienekonzept

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Die zweite Entscheidung des Tages hat auch etwas mit Hauptverhandlungen zu tun. Im OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.11.2020 – 4 Ws 265/20 – geht es aber nicht um Unterbrechung einer bereits begonnenen Hauptverhandlung, sondern um die Frage der Terminsverlegung, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Gegen den Angeklagten und neun Mitangeklagte ist beim LG Tübingen  seit Januar 2014 ein Strafverfahren wegen Verdachts des 160-fachen banden- und gewerbsmäßigen Betrug zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg anhängig. Mit Beschluss vom 09.02.2018 hat die Strafkammer das Verfahren zur Klärung sozialrechtlicher Fragen analog § 262 Abs. 2 StPO ausgesetzt. Mit Beschluss vom 30.09.2020 ordnete die Kammer die Wiederaufnahme des Verfahrens an und die Vorsitzende bestimmte 14 Hauptverhandlungstermine ab 23.11.2020 bis 09.02.2021. In der Folge beantragte der Angeklagte u. a., das Verfahren wegen der mit der Corona-Pandemie verbundenen Gesundheitsgefahren auszusetzen und die anberaumten Termine aufzuheben.

Das hat die Vorsitzende abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat dann beim OLG keinen Erfolg. Das sagt: Zulässig, aber unbegründet:

„2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Zwar macht der Angeklagte einen Ermessensfehlgebrauch geltend, seine Rüge greift indes nicht durch. Die Ablehnung der Vorsitzenden, die Termine der anberaumten Hauptverhandlung aufzuheben, ist nicht zu beanstanden. Sie hat bei ihrer Entscheidung das staatliche Interesse an einer reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens, um dem staatlichen Strafanspruch Geltung zu verschaffen, und die Interessen des Angeklagten und der weiteren Prozessbeteiligten, namentlich das Gesundheitsrisiko, in angemessener Weise gegeneinander abgewogen.

a) Die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen sowie die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren Beschuldigter erfordern grundsätzlich die Durchsetzung des staatlichen Strafausspruchs. Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionsfähige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst regelmäßig auch die Pflicht, die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen (vgl. BVerfGE 51, 324 < 343 f.›). Ist angesichts des Gesundheitszustandes eines Angeklagten ernsthaft zu befürchten, dass er bei Teilnahme an einer Hauptverhandlung sein Leben gefährden oder schwerwiegende Gesundheitsschäden erleiden würde, entsteht zwischen der Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Grundrecht eines Angeklagten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein Spannungsverhältnis, das nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch Abwägung der widerstreitenden Interessen zu lösen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 2020 – 2 BvQ 87/20 Rn. 50 mwN; Beschluss vom 19. Mai 2020 – 2 BvR 483/20, Rn. 7). In die erforderliche Abwägung sind vor allem Art, Umfang und mutmaßliche Dauer des Strafverfahrens, Art und Intensität der zu befürchtenden Schäden sowie die Möglichkeiten, diesen entgegenzuwirken, einzubeziehen (vgl. BVerfG 51,324 <345>).

Zwar sollten öffentliche Hauptverhandlungen derzeit nach Möglichkeit vermieden bzw. eingeschränkt werden, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Zur Aufrechterhaltung der Strafrechtspflege ist es jedoch dringend erforderlich, gerade in bereits lang andauernden Verfahren die Hauptverhandlung durchzuführen. Die Möglichkeit, dass ein Angeklagter den Belastungen einer Hauptverhandlung nicht gewachsen ist, lässt sich letztlich niemals völlig ausschließen. Solche Risiken sind innerhalb gewisser Grenzen unvermeidbar und müssen im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege hingenommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 1724/09, Rn., 10; Beschluss vom 13. Juni 2017 2 BvR 1313/17, Rn. 10).

b) Die sachverständig beratene Kammer hat im Rahmen ihres Hygienekonzeptes geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um das Ansteckungsrisiko zumindest erheblich zu mindern. So wurde der Sitzungsort aus den Räumen des Landgerichts in den ca. 211 m2 großen Uhlandsaal der Museumsgesellschaft Tübingen verlegt, an den, getrennt durch zu öffnende, deckenhohe und breite Flügeltüren, der ca. 221 m2 große Silchersaal angrenzt. Während die Verfahrensbeteiligten im Uhlandssaal sitzen, hält sich die Öffentlichkeit im Silchersaal auf, wobei der Abstand zu den Verfahrensbeteiligten über fünf Meter beträgt. Insgesamt umfasst die Fläche des Sitzungssaals somit ca. 432 m2 (mit angrenzender Bühne sogar 465 m2). Auf dieser Fläche ist es möglich, dass alle Verfahrensbeteiligten einen Abstand von mindestens eineinhalb Metern voneinander einhalten. Zusätzlich wurden zwischen den Beteiligten Plexiglasscheiben angebracht, die das Infektionsrisiko weiter senken. Außerdem wurden regelmäßige Lüftungspausen durch Öffnen der Fensterfronten mit jeweils fünf großen Fenstern unter Inanspruchnahme eines Co2-Messgeräts als Absicherung angeordnet. In diesen regelmäßigen Lüftungspausen Ist es den Verteidigern auch möglich, sich mit ihren Mandanten unter Einhaltung des Mindestabstandes zu besprechen. Des Weiteren wurde für alle Verfahrensbeteiligte sowie die Zuhörer das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung verpflichtend angeordnet, wobei zu Beginn der Sitzung eine entsprechende FFP2/KN95-Maske zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich stehen Spender mit Desinfektionsmittel bereit und die Tische der Verfahrensbeteiligten werden vor jedem Sitzungstag desinfiziert. Außerdem besteht eine feste Sitzordnung. Personen mit Erkältungssymptomen sowie solchen mit Kontakt zu einer coronainfizierten Person ist der Zutritt in die Säle verwehrt.

Dieses Hygienekonzept wurde mit dem Leiter des Referats „Hygiene und Infektionsschutz“ des Landesgesundheitsamtes pp. abgesprochen und vor Ort begutachtet. Der Sachverständige hatte unter Einbeziehung der Eckdaten des Verfahrens (Anzahl, Alter und Vorerkrankung der Beteiligten) keine Bedenken gegen die Durchführung der Hauptverhandlung unter Einhaltung der genannten Hygienemaßnahmen. Dass es sich bei ihm um einen promovierten Biologen und keinen Arzt handelt, ändert angesichts der Überschneidung der Fachgebiete an seiner Qualifikation nichts.

Im Übrigen behält sich die Kammer vor, bei einem wesentlichen Anstieg der Infektionslage die Rahmenbedingungen des Verfahrens zu überprüfen und gegebenenfalls z. B. durch Aufspaltung in parallel zu führende Hauptverhandlungen das Infektionsrisiko weiter zu verringern.

c) Soweit der Angeklagte Vorbehalte gegen dieses Hygienekonzept geltend macht, zielt er auf den Ausschluss eines jeglichen Risikos gesundheitlicher Beeinträchtigung ab, der jedoch auch verfassungsrechtlich nicht geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 2 BvR 1724/09, Rn. 10). Denn die Verfassung gebietet keinen vollkommenen Schutz vor jeglicher mit einem Strafverfahren verbundenen Gesundheitsgefahr, zumal ein gewisses Infektionsrisiko mit dem neuen Corona-Virus derzeit für die gesamte Bevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 2 BvR 483/20, Rn. 9).

Das Landgericht wird seiner Pflicht, zwischen dem Risiko einer Infektion mit möglicherweise gefährlichem Verlauf und dem Interesse des Staates an einer effektiven Strafverfolgung sorgfältig abzuwägen gerecht, indem es zur Minimierung der Ansteckungsgefahr diese Vielzahl geeigneter Maßnahmen getroffen hat. Es berücksichtigt nicht nur die dem Angeklagten seit langem zur Last gelegten Tatvorwürfe, die dem öffentlichen Interesse an der Fortführung des Strafverfahrens angesichts des erheblichen Zeitablaufs seit der Anklageerhebung besonderes Gewicht verleihen, sondern alle anderen wesentlichen Umstände des Einzelfalls, Insbesondere den Schutz der Gesundheit des Angeklagten und der übrigen Verfahrensbeteiligten.

In einer Zusammenschau dieser Umstände erweist sich die Ablehnung der Terminaufhebung daher als nicht rechtsfehlerhaft.“

Corona I: Hemmung der Unterbrechungsfristen, oder: So geht der BGH mit § 10 EGStPO um

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In die 52. KW/2020 starte ich dann wieder mit Corona-Entscheidungen. Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, dass uns die damit zusammenhängenden Fragen auch am Ende des Jahres noch so im Griff haben – und auch weiterhin haben werde.

Als erste Entscheidung habe ich hier den BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – 4 StR 431/20. Den habe ich bei Juris geklaut, bis gestern stand er noch nicht auf der Homepage des BGH. An sich ungewöhnlich.

Die Entscheidung verhält sich zu der im Hinblick auf die Corona-Pandemie eingeführten Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 EGStPO, also Hemmung der Unterbrechungsfrist des § 229 StPO. Der BGH führt dazu aus:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Rüge des Verstoßes gegen § 229 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 10 EGStPO ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Am Ende des Hauptverhandlungstages vom 13. März 2020 bestimmte der Vorsitzende als Fortsetzungstermin den 31. März 2020. Tatsächlich wurde die Hauptverhandlung jedoch erst am 30. April 2020 fortgesetzt. An diesem Tag verkündete das Landgericht nach Anhörung der Prozessbeteiligten einen Beschluss, in dem festgestellt wurde, dass der Lauf der Unterbrechungsfrist vom 28. März 2020 bis zum 29. April 2020 gehemmt war. Zur Begründung berief sich das Landgericht auf § 10 EGStPO und führte aus, dass der Vorsitzende am 28. März 2020 von der Schöffin erfahren habe, dass sich ihr Ehemann am 14. April 2020 einem unaufschiebbaren operativen Eingriff am Herzen unterziehen müsse. Aus ärztlicher Sicht sei eine Ansteckung mit dem Coronavirus sowohl vor als auch nach der Operation bis zur Mitte der 18. Kalenderwoche unbedingt zu vermeiden, weshalb die Schöffin und ihr Ehemann fast jeglichen Außenkontakt innerhalb des fraglichen Zeitraums gemieden hätten.

Die Revision sieht einen Rechtsfehler zum einen darin, dass die Hemmung der Frist nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 229 Abs. 1 StPO beschlossen wurde. Zum anderen hätten die Voraussetzungen des § 10 EGStPO nicht vorgelegen, da nicht die Schöffin selbst, sondern ein Angehöriger betroffen sei und zudem durch Schutzmaßnahmen während der Hauptverhandlung jegliche Gefahr der Ansteckung hätte vermieden werden können.

2. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.

a) Dass das Gericht den Beginn der Hemmung nicht innerhalb der dreiwöchigen Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO festgestellt hat, stellt keinen Rechtsverstoß dar. Die Hemmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO tritt kraft Gesetzes ein. Der Feststellungsbeschluss hat nur insofern konstitutive Bedeutung, als er den Beginn und das Ende der Hemmung unanfechtbar feststellt (vgl. zu § 229 Abs. 3 StPO: BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 234/92, NStZ 1992, 550; Beschluss vom 18. Februar 2016 – 1 StR 590/15, NStZ-RR 2016, 178).

b) Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht einen Hemmungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 EGStPO angenommen hat. Nach dieser Vorschrift ist der Lauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen gehemmt, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden kann, längstens jedoch für zwei Monate. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 EGStPO stellt das Gericht Beginn und Ende der Hemmung durch unanfechtbaren Beschluss fest.

Aufgrund dieser Unanfechtbarkeit kommt mit Blick auf § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht; sie ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. zur Parallelvorschrift des § 229 Abs. 3 Satz 2 StPO: BGH, Beschluss vom 20. April 2016 – 5 StR 71/16). Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO für eine Hemmung überhaupt nicht vorgelegen haben, sind nicht ersichtlich.

aa) Die weitgehende Kontaktvermeidung des Ehemannes der Schöffin aufgrund einer ärztlichen Empfehlung stellte eine Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus dar. Die Schutzmaßnahme musste nicht gerichtlich oder gesundheitsbehördlich angeordnet oder empfohlen worden sein. § 10 EGStPO enthält insoweit keine Einschränkung. Es genügt, wenn sie nachvollziehbar der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus dienen soll. Dies ist aufgrund der ärztlichen Empfehlung der Fall. Maßnahmen, die eine weitere Durchführung der Hauptverhandlung verhindern, sind auch solche, die dem Schutz von Personen dienen, die zur Risikogruppe gehören, wie beispielsweise ältere Personen, Personen mit Grunderkrankung oder einem unterdrückten Immunsystem (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 32 f.).

bb) Dass die Schöffin nur mittelbar durch die Schutzmaßnahme betroffen war, ist unerheblich. Ein Hindernis für die Durchführung der Hauptverhandlung liegt auch vor, wenn es nur mittelbar auf Schutzmaßnahmen beruht (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 33).

cc) Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht keine anderen Maßnahmen als die Unterbrechung der Hauptverhandlung zum Schutz des Ehemannes der Schöffin getroffen hat. Die Annahme des Landgerichts, dass die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden konnte, ist jedenfalls nicht willkürlich.“

Sonntagswitz: Zur Sonnenwende, dann Winter-/Sommerwitze

Es ist soweit. Es ist/war Wintersonnenwende, dIe Tage werden also wieder länger. Es dauert noch zwar noch ein wenig, bis man es merkt, aber: Es geht aufwärts – zumindest mit dem Licht 🙂 . Und daher heute am 4. Advent nich noch einmal Adventswitze, sondern Winter-Sommerwitze.

Häschen zum Schneemann: „Möhre her oder ich föhn dich!“


Eine Schnecke kriecht im Winter einen Kirschbaum hoch. Kommt ein Vogel vorbei und fragt: „Was machst Du denn da?“

Die Schnecke: „Ich will Kirschen essen.“

„Aber da hängt doch nichts dran!“ sagt da der Vogel.

„Wenn ich oben bin, schon,“ antwortet die Schnecke.


Kommt der Ehemann nach Hause: „Frau, wir haben im Lotto gewonnen! Pack die Koffer!“

Darauf seine Frau: „Sommer- oder Winterkleidung“?

Darauf er: „Ist mir scheißegal, Hauptsache du bist in 10 Minuten verschwunden!“


Und – ein wenig böse:

Ein Rabbi und ein katholischer Pfarrer gehen zusammen an einem heißen Sommertag spazieren. An einem Weiher bleiben sie stehen und der Rabbi meint: „Komm wir gehen eine Runde schwimmen!“

„Aber ich habe keine Badehose dabei“, entgegnet im der Pfarrer.

„Ich auch nicht“, sagt der Rabbi, „wir gehen einfach nackt hinein.“

Nach kurzem Zögern stimmt der Pfarrer zu und beide stürzen sich in das kühle Nass.

Als sie gerade wieder zusammen aus dem Wasser steigen, biegt plötzlich eine Wandertruppe aus der Gemeinde um die Ecke. Der Rabbi bedeckt mit seinen Händen sofort sein Gesicht, der Pfarrer seine Genitalien.

Als die Wandertruppe vorbei ist, fragt der Pfarrer den Rabbi verwundert: „Wieso haben sie Ihr Gesicht verdeckt?“

Der Rabbi: „Also meine Gemeinde erkennt mich am Gesicht.“


Aber einen Nikolaus/Weihnachtsmann gibt es noch mal als Bild. In dem Sinne: Allen noch einen schönen 4. Advent.