Archiv für den Monat: Juni 2020

Berufung II: Berufungsverwerfung wegen Ausbleibens des Angeklagten, oder: Ärztliches Attest

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Und als zweites Posting dann zwei Entscheidungen zu § 329 Abs. 1 StPO, also Verwerfung der Berufung wegen unentschuldigen Ausbleibens des Angeklagten. In dem Zusammenhang spielt ja die Frage der ausreichenden Entschuldigung eines große Rolle, vor allem wenn es um das Ausbleiben infolge einer (plötzlichen) Erkrankung und deren Nachweis geht. Stichwort: Ärztliches Attest. Von beiden Entscheidungen gibt es aber nur die Leitsätze.

Zunächst der BayObLG, Beschl. v. 31.03.2020 – 202 StRR 29/20. Der hat folgende (amtliche Leitsätze):

1. Ärztliche Bescheinigungen und Atteste haben so lange als genügende Entschuldigung zu gelten, als nicht deren Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit feststeht; dies gilt auch dann, wenn sie dem Gericht lediglich als Kopie oder in digitaler Form per E-Mail übermittelt werden (Anschluss u.a. von BayObLG, Beschl. v. 12.02.2001 – 2 StRR 17/01 = BayObLGSt 2001, 14/16; Beschl. v. 11.05.1998 – 1 ObOWi 169/98 = BayObLGSt 1998, 79/82 = StraFo 1999, 26 = NJW 1999, 879).

2. Etwas anderes kann nur gelten, wenn feststeht, dass die ärztliche Bescheinigung als unglaubwürdig oder unbrauchbar anzusehen oder das Entschuldigungsvorbringen aus der Luft gegriffen oder sonst ganz offensichtlich als ungeeignet anzusehen ist, das Ausbleiben zu entschuldigen. Hierfür ist nicht ausreichend, dass dem Angeklagten aufgrund von unbestätigten Feststellungen einer Anklage in einem anderen Verfahren in anderem Zusammenhang und zu anderen Zeiträumen u.a. Verfälschungen ärztlicher Bescheinigungen zur Last liegen (u.a. Anschluss an und Fortführung von BayObLG, Beschl. v. 12.02.2001 – 2 StRR 17/01 = BayObLGSt 2001, 14/16).

Und dann der KG, Beschl. v. 18.11.2019 – 3 Ws 352/19  – 161 AR 250/19, ergangen in einem Wiedereinsetzungsverfahren (§ 329 Abs. 7 StPO):

1. Ein ärztliches Attest, das Art und Schwere der Erkrankung mitteilt, rechtfertigt in der Regel den Schluss, dass dem Angeklagten die Teilnahme in der Hauptverhandlung nicht zumutbar war.

2. Etwas anderes kann jedoch bei Erkrankungen gelten, deren Symptome typischerweise zeitlich eng begrenzt, häufig auch akut „von der einen auf die andere Minute“ auftreten. In so gelagerten Fällen bedarf es in der Regel des zusätzlichen Vortrags, zu welcher Uhrzeit der Angeklagte den behandelnden Arzt aufgesucht hat.

Berufung I: Berufungshauptverhandlung, oder: Urteilsverlesung ist kein Urkundsbeweis

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Heute dann ein Tag mit StPO-Entscheidungen. Alle drei haben eine Thematik, die mit der Berufung im Straverfahren zusammenhängt.

Ich starte mit dem KG, Beschl. v. 04.03.2020 – (2) 121 Ss 32/20 (10/20). Es geht um den Inbegriff der Berufungshauptverhandlung (§ 261 StPO). Das KG hat das landgerichtliche Urteil auf die Verfahrensrüge hin aufgehoben:

„2. Die Revisionen dringen bereits mit der Verfahrensrüge durch, mit der die Angeklagten beanstanden, dass das Urteil nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhe.

a) Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO ist durch den Angeklagten W. zulässig erhoben. Die Inbegriffsrüge entspricht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, wenn mit den Mitteln des Revisionsrechts ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass eine im Urteil getroffene Feststellung nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und auch sonst nicht aus zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehörenden Vorgängen gewonnen worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 17; OLG Koblenz NStZ-RR 2011, 352; KG Berlin, Beschluss vom 18. April 2012 – (4) 121 Ss 53/12 (91/12) –juris Rn. 5). Die Revision des Angeklagten W. hat unter Mitteilung der maßgeblichen Urteilsgründe und der notwendigen Aktenteile ausreichend dargelegt, dass die kleine Strafkammer die Aussage des Zeugen Pr. anhand seiner Angaben in erster Instanz gewürdigt habe, ohne diese in prozessordnungsgemäßer Weise in die Hauptverhandlung einzuführen. Dass die Revisionsbegründung der Angeklagten P. demgegenüber versäumt hat, den relevanten Wortlaut des Hauptverhandlungsprotokolls wiederzugeben (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 2016 – III-2 RBs 61/16 –, juris), ist unschädlich, weil sich die Wirkung des § 357 StPO nicht nur auf Mitangeklagte erstreckt, die keine Revision eingelegt haben, sondern auch auf solche, die mit ihrer Revision deshalb nicht durchdringen könnten, weil sie unzureichend begründet ist (vgl. Gericke in KK-StPO 8. Aufl. 2019, § 357 Rn. 12 mwN).

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu Folgendes aus:

„Als Inbegriff der Hauptverhandlung darf nach einem der wesentlichen Grundsätze des Strafverfahrens, der seine gesetzliche Ausprägung namentlich in § 261 StPO findet, nur das verwertet und zur gerichtlichen Überzeugungsbildung herangezogen werden, was zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden ist; inhaltlich dürfen nur Beweiserhebungen zur Urteilsgrundlage gemacht werden, die in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Form in das Verfahren eingeführt worden sind.

Das Landgericht hat bei der Würdigung der Frage, ob es die Angabe des Zeugen Pr., die es – im Zusammenhang mit erhobenen Urkundsbeweisen – als Grundlage der Verurteilung der Angeklagten herangezogen hat, als glaubhaft angesehen hat, maßgeblich darauf abgestellt, dass diese gegenüber seinen Angaben in erster Instanz im Wesentlichen konstant waren (UA S. 6). Diesbezüglich bemängeln die Revisionen indes zutreffend, dass die Angaben, die der Zeuge in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung getätigt hatte, zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Beweisaufnahme vor dem Landgericht waren. Entsprechend sei die Strafkammer aus Rechtsgründen gehindert gewesen, einen Vergleich der jeweiligen Aussagen des Zeugen vor Amts- bzw. Landgericht und damit eine Überprüfung von deren möglicher Konstanz anzustellen. Diesem Vorbringen kann sich die revisionsrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils nicht verschließen. Das Sitzungsprotokoll der Berufungshauptverhandlung (dort S. 2) weist zwar aus, dass gemäß dem gesetzlichen Gang der Berufungshauptverhandlung (§ 324 StPO) das erstinstanzliche Urteil – auszugsweise – verlesen worden ist. Dies ist aber – selbst wenn es sich vorliegend auch auf die Angaben des Zeugen Pr. erstreckt hätte – schon nach Auslegung des Gesetzeswortlautes des § 324 StPO (dort Inhalt des Abs. 2 im Anschluss an Abs. 1 Satz 2 der Norm) nicht Teil der Beweisaufnahme bzw. -erhebung und damit nicht als Urkundsbeweis verwertbar (vgl. KG StV 2013, 433 f., juris Rn. 8). Kommt es inhaltlich darauf an, was Angeklagte oder Zeugen vor dem erstinstanzlichen Spruchkörper ausgesagt haben, muss das Urteil (nochmals) nach § 249 StPO verlesen werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 249 Rn. 21). Dies ist jedoch, worauf die Revisionen zu Recht hinweisen, nicht erfolgt; die stattgefundene Verlesung hat sich auf die Passagen zu den Lebensläufen der Angeklagten beschränkt. Die vorgeschriebene Verknüpfung zwischen dem Inbegriff der Hauptverhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts ist damit in diesem Punkt nicht gegeben.

Dieser Rechtsfehler hat auch zur Aufhebung des Urteils zu führen, da das Beruhen des Urteils hierauf anzunehmen ist, jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Die Strafkammer hat, wie ausgeführt, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Pr., auf denen die Überzeugung des Gerichts ,insbesondere‘ begründet (UA S. 5), maßgeblich an deren Konstanz festgemacht. Die diesbezügliche Prüfung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung anzustellen, war ihr jedoch aus den genannten Gründen nicht möglich.“

Diese Ausführungen treffen zu und zwingen zur Aufhebung des gesamten Urteils.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich als Zeugenbeistand in einem PUA?

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Ich hatte am Freitag in dem RVG-Posting gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich als Zeugenbeistand in einem PUA?.

Nun, die Antwort auf diese Frage ist m.E. einfach. Ich musste den Kollegen nämlich nur auf die etwas versteckte Regelung in Vorbem. 2 Abs. 2 Satz 2 VV RVG hinweisen. Dort heißt es:

„Für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen oder Sachverständigen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss entstehen die gleichen Gebühren wie für die entsprechende Beistandsleistung in einem Strafverfahren des ersten Rechtszugs vor dem Oberlandesgericht.“

Also erfolgt die Abrechnung nach Teil 4 VV RVG, und zwar nach den Gebühren Nr. 4118 ff. RVG. Und daran lässt sich nicht herumdeutelen, also die Frage, ob ggf. „nur“ eine Einzeltätigkeit abgerechnet wird, stellt sich nicht. Denn die Verweisung ist eindeutig. Die Gebühren „in einem Strafverfahren des ersten Rechtszugs vor dem Oberlandesgericht“ sind die der Nrn. 4130 ff. RVG und nicht die aus Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG.

OWi II: Kein Absehen vom Fahrverbot bei einem Priester, oder: Das BayObLG kennt keine Gnade…

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Die zweite Entscheidung kommt dann – wie angekündigt – auch vom BayObLG. Das musste sich im BayObLG, Beschl. v. 27.04.2020 – 202 ObOWi 492/20 – mit einem amtgserichtlichen Urteil auseinandersetzen, in dem der Amtsrichter auch bei einem Priester vom Regelfahrverbot nicht wegen der mit dem Priesteramt verbundenen Sakralpflichten abgesehen hatte.

Auch das BayObLG kennt keine Gnade 🙂 und verwirft die Rechtsbeschwerde. Der betroffen hat ein geltend gemacht, dass „ein „Ausnahmefall“ vorliege. Als katholischer Pfarrer sei es ihm aufgrund der privaten wie – vom zuständigen bischöflichen Dekanat im Verfahren schriftlich bestätigt – beruflichen Situation keinesfalls ohne weiteres möglich, das Fahrverbot anzutreten. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts lägen „hier sehr wohl außergewöhnliche Umstände vor, die zu einer Anordnung des Fahrverbots nicht berechtigten“. Der Betroffene sei für 2000 Gläubige „verantwortlich und auch verpflichtet hier Krankenbesuche durchzuführen, unter Umständen Beerdigungen abzuhalten, Teilnahme an Konferenzen, Fortbildungen und die Erteilung des Religionsunterrichts an Schulen durchzuführen“. Auch könne sich der Betroffene „nicht einen Pfarrer ‚ausleihen‘, der hier dann für ihn tätig“ werde, zumal „in der heutigen Zeit der Beruf des katholischen Pfarrers […] mit Nachwuchsproblemen behaftet“ sei. Auch sonst gebe es „gerade bei der katholischen Kirche […] kein Übermaß an Mitarbeitern, die hier für den Betroffenen eintreten […] und für diesen die Fahrdienste übernehmen“ könnten.“

Dazu das BayObLG:

„2. Aus der mit der Ausübung des Amtes eines katholischen Pfarrers als geweihtem Amt oder derjenigen eines jeden (hauptamtlichen) Geistlichen einer anderen Konfession oder Glaubensrichtung typischerweise verbundenen wesentlichen Aufgaben, darunter der gegebenenfalls kirchenrechtlich exklusiven Legitimation zur (Einzel-) Sakramentsspendung (z.B. Krankensalbung), folgt nichts anderes. Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer vorgenannten Antragsschrift im Wesentlichen aus:

„An Art. 4 Abs. 1 und 2 GG musste das Amtsgericht die getroffenen Maßnahmen nicht messen. Zwar unterfällt die ungestörte Ausübung des Berufs als römisch-katholischer Pfarrer bzw. die Gewährleistung des religiösen Lebens in einer Pfarrgemeinde dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Indes wird durch die Verhängung des Fahrverbots allein in die Religionsausübungsfreiheit nicht eingegriffen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einerseits auch faktische Maßnahmen sowie […] mittelbar wirkende Maßnahmen Grundrechtseingriffe darstellen können. Damit aber der Staat nicht handlungsunfähig wird, ist andererseits nicht jede noch so entfernte mittelbare Folge staatlicher Maßnahmen als Grundrechtseingriff zu werten […]. Dies ist vorliegend auch in Ansehung des Fahrverbots anzunehmen, weil der Maßnahme jede religionsregelnde Tendenz fehlt und der Betroffene durch sie wie jeder andere Staatsbürger belastet wird und gerade nicht in seiner Funktion als Geistlicher. Sähe man dies anders, wäre die Maßnahme, weil sie der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und damit dem von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit Dritter dient, unter Berücksichtigung dessen, dass die betroffenen Grundrechte im Wege der praktischen Konkordanz zum Ausgleich zu bringen sind, jedenfalls gerechtfertigt. Dabei wäre auf der Verhältnismäßigkeitsebene ausschlaggebend, dass es für den Betroffenen nach seinen finanziellen Verhältnissen – er verfügt über ein geregeltes Einkommen und hat, wie aus dem nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wirksam in Bezug genommenen Messfoto ersichtlich, offensichtlich Zugang zu einem hochwertigen Fahrzeug […] – möglich und zumutbar erscheint, während der Zeit des Fahrverbots auf eigene Kosten einen Ersatzfahrer […] anzustellen oder einen Taxidienst in Anspruch zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Anstellung nicht binnen der Abgabefrist von vier Monaten bewerkstelligen ließe, sind nicht ersichtlich […].“

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie sich zu Eigen; ihnen ist auch in Ansehung der Gegenerklärung nichts hinzuzufügen (zur Unerheblichkeit einer gegen ein bußgeldrechtliches Fahrverbot eingewandten Kunstfreiheit aus Art. 5 GG eines u.a. als ‚Fernseh-Kommissar‘ tätigen Schauspielers vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 31.03.2005 – 2 Ss OWi 78/05 = NJW 2006, 627 = DAR 2006, 399).“

OWi I: Beschilderte Infrastruktureinrichtung/Beschränkung des Durchgangsverkehrs, oder: Abgrenzung mit Folgen

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In die 26. KW./2020 starte ich mit zwei OWi-Entscheidungen. Beide stammen vom bayObLG, beide behandeln – seit längerem mal wieder – Fragen des Fahrverbotes nach § 25 StVG.

Ich beginne mir dem BayObLG, Beschl. v. 22.01.2020 – 201 ObOWi 2752/19 – zur Abgrenzung von Verstößen gegen beschilderte Infrastruktureinrichtungen zu Verstößen gegen Beschränkungen des Durchgangsverkehrs. Liest sich sperrig und ist auch sperrig.

Es geht um folgenden Sachverhalt. Das AG hat gegen den Betroffenen wegen „vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 43 Abs. 3, 49 StVO (Missachtung des durch Zeichen 265 angeordneten Verkehrsverbotes, obwohl die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen gekennzeichnet war)“ u.a. eine Geldbuße von 500 EUR ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.

Grundlage waren folgende Feststellungen:

„Nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 17.04.2019 mit einem LKW mit Containeranhänger den G-Weg in O. vom Hafen kommend in Richtung F. Gegen 16:34 Uhr befand er sich nach der Abzweigung zur M-Straße in Richtung G. auf dem im Urteil näher bezeichneten Teilstück. Dort befinden sich drei Brücken, die in Richtung G. durchfahren werden müssen. Die zulässige Höhe ist für Fahrzeuge durch das mehrfach angebrachte Zeichen 265 auf 3,9 Meter beschränkt. Die Container auf dem Anhänger des vom Betroffenen geführten LKW-Gespannes wiesen bei der Durchfahrt unter der gegenständlichen Brücke eine Höhe von 3,98 Meter am hinteren Container und von 3,95 Meter am vorderen Container auf, was der Betroffene zumindest billigend in Kauf nahm. An der zweiten und dritten Brücke dieses Teilstückes ist jeweils erneut das Zeichen 265 mit der Beschränkung auf 3,9 Meter befestigt sowie links und rechts von diesem Zeichen zusätzlich „über beide nach G. führenden Spuren reichend die Verkehrseinrichtung Zeichen 600 im Sinne von Anlage 4 Nr. 1 zu § 43 Abs. 3 StVO angebracht“. Hinsichtlich der Beschaffenheit der Beschilderung und der Markierung hat das Amtsgericht insoweit ausdrücklich die Bilder Nrn. 13, 15 – 16 sowie 17 – 18 auf Blatt 42 bis 45 der Akten benannt und am Ende der Aufzählung wegen der weiteren Einzelheiten auf diese Lichtbilder verwiesen.“

Das BayObLG verurteilt den Betroffenen nur noch zu einer Geldbuße von 40 EUR und lässt das Fahrverbot entfallen:

„a) Der Betroffene hat demnach keine Zuwiderhandlung gegen § 49 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 2 StVO begangen. Nach den Urteilsfeststellungen i.V.m. den Lichtbildern, auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in wirksamer Weise Bezug genommen worden ist, ergibt sich, dass der Betroffene hier nicht, wie es Nummer 250a BKat verlangt, eine durch Verkehrseinrichtungen nach Anlage 4 laufender Nummer 1 – 4 zu § 43 Abs. 3 StVO gekennzeichnete Straßenfläche befahren hat. § 43 Abs. 3 Satz 2 StVO untersagt es, die durch Verkehrseinrichtungen nach Anlage 4 Nrn. 1 bis 7 gekennzeichneten Straßenflächen zu befahren. Die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, wonach das an der Unterseite des quer zur Fahrbahn des Betroffenen verlaufenden Brücke angebrachte Warnzeichen eine Absperrschranke (Zeichen 600) nach Anlage 4 zur StVO darstellt, vermag der Senat nicht zu teilen. Dies legt bereits der Wortlaut der Straßenverkehrsordnung nahe. Das Zeichen 600 ist mit dem Begriff „Absperrschranke“ Der Begriff Absperrschranke setzt voraus, dass das Verkehrszeichen die Funktion hat, einen Straßenbereich – wie durch eine Schranke – abzusperren. Diese Auslegung wird insbesondere auch gestützt durch die Ausführungen, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 12.07.2017 über das Bundeskanzleramt dem Bundesrat mit der Bitte um Zustimmung übersandt haben. Zur Begründung führt der Verordnungsgeber an, dass derzeit eine Vielzahl von Brücken auf ihre Standfestigkeit hin überprüft werde und deshalb vermehrt Geschwindigkeits- und Gewichtsbeschränkungen, teilweise auch in Verbindung mit Höhenbeschränkungen, angeordnet seien, um große und schwere LKW von den Brücken fernzuhalten (BR-Drs. 556/17, Seite 3). Der Verordnungsgeber wollte deshalb mit der Neuschaffung von Nummer 250a BKat durch eine erhebliche Anhebung der Geldbuße und die Möglichkeit der Verhängung eines Fahrverbotes sicherstellen, dass derartige Verbote beachtet werden. In diesem Zusammenhang verweist der Verordnungsgeber darauf, dass Orientierungspunkt bei der Höhe der Bebußung die Missachtung einer geschlossenen Schranke bei Bahnübergängen sei (BR-Drs. 556/17, Seite 37). Hinweise auf derartige Verbote zum Schutz von Infrastruktureinrichtungen würden mehrfach angekündigt und gleichwohl zur Vermeidung von Umwegen bewusst missachtet. Soweit die entsprechenden Beschränkungen mit weiteren Verkehrseinrichtungen begleitet werden, die zu einer Verengung der Fahrstreifen oder einer Höhenbeschränkung führen, um auch rein tatsächlich durch Schaffung derartiger körperlicher Hindernisse ein Befahren von großen und damit auch meist schweren LKW zu verhindern, komme dies einer baulichen Hürde wie einer Schranke gleich, die mechanisch bereits das Befahren der Straße kaum möglich mache (BR-Drs. 556/17 Seite 37/38). Der Verordnungsgeber wollte demnach die Nichtbeachtung oder das Überfahren von körperlichen Hindernissen durch eine deutliche Erhöhung der Geldbuße verhindern. Dies bedeutet, dass – wie vorliegend – unmittelbar an der Infrastruktureinrichtung durch Schilder angebrachte rot-weiße Markierungen keine über die durch eine niedrige Brücke ohnedies gegebene Beschränkung des Durchfahrtverkehrs darstellen. Diese Markierungen stellen damit keine Absperrschranke im Sinne von Zeichen 600 der StVO dar. Vielmehr handelt es sich bei einer solchen Markierung lediglich um ein sogenanntes Leitmal (Zeichen 627) und damit um eine Einrichtung zur Kennzeichnung von dauerhaften Hindernissen oder sonst gefährlichen Stellen. Nach den Erläuterungen zu Anlage 4 laufende Nummer 10 zur StVO kennzeichnen Leitmale in der Regel den Verkehr einschränkende Gegenstände. Ihre Ausführung richtet sich nach der senkrechten (VzKat Nr. 627-10 und Nr. 627-20), waagrechten (VzKat Nr. 627-30) oder gewölbten bzw. gebogenen Anbringung (VzKat Nr. 627-50) beispielsweise an Bauwerken, Bauteilen und Gerüsten. Auch wenn das unter Anlage 4 laufende Nummer 10 zur StVO abgebildete Leitmal gebogen ist, steht aufgrund der hierzu angegebenen Erläuterung eindeutig fest, dass ein Leitmal – wie hier – auch dann gegeben ist, wenn es waagrecht an einer quer zur Fahrbahn verlaufenden Brücke angebracht ist. Demgegenüber liegt dem Tatbestand von lfd. Nr. 250a BKat zugrunde, dass die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen gekennzeichnet ist, wobei Verkehrseinrichtungen in diesem Sinne Schranken, Leitbaken, Leitschwellen und Leitborde sind (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 01.02.2019 – 1 RBs 28/19 bei juris). Derartige Absperreinrichtungen sind hier aber nicht vorhanden.

b) Der Betroffene hat damit vorsätzlich gegen § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 39 (Zeichen 265) verstoßen und damit eine Zuwiderhandlung nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO begangen. Der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts war daher dahingehend abzuändern. § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG steht dem nicht entgegen, da Gegenstand der dem Betroffenen zur Last liegenden Ordnungswidrigkeit bereits die Missachtung der Höhenbeschränkung (Zeichen Nr. 265) war.“