Archiv für den Monat: August 2019

Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich als Geschädigtenvertreter im Adhäsionsverfahren?

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Meine Datei mit Fragen für das Gebührenrätsel ist inzwischen verhältnismäßig dünn geworden. Das bedeutet, dass ich zu Fragen „aufrufe“ und dass ich auf schon ältere – und einfache 🙂 – Fragen zurückgreifen (muss). Eien davon stelle ich heute zur Diskussion, und zwar:

„Sehr geehrter Herrr Kollege,

auch mit der Gefahr, dass ich mich blamiere, weil ich all Ihre Bücher habe und das irgendwo stehen müsste:

Da ich keine Nebenklage mache, bin ich etwas ahnungslos:

Was kann der Geschädigtenvertreter für eine anwaltliche Vertretung im Adhäsionsverfahren (Stellung des Antrages sowie 1 Teilnahme am Gerichtstermin) abrechnen?

Mir war nur bekannt, dass da eine 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG anfällt, aber was ist mit der Teilnahme an der Hauptverhandlung? Bekommt er noch die „Nebenklagevertretergebühren“ nach 4100 VV RVG wie ein Verteidiger dazu?“

Nach Einlegung des Rechtsmittels Beratung über Erfolgsaussicht, oder: (Rechtsmittel)Verfahrensgebühr

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Die zweite Gebührenentscheidung stammt heute vom Kollegen Schäck aus Osnabrück. Der war in einem KLs-Verfahren Pflichtverteidiger des Angeklagten. Der ist vom LG verurteilt worden. Dagegen ist Revision eingelegt worden, die dann später mit Schriftsatz des Kollegen  zurückgenommen worden ist. Der Kollege hat mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag auch eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 4131, 4130 VV RVG geltend gemacht. Deren Festsetzung hat der Kostenbeamte abgelehnt, da die Einlegung des Rechtsmittels nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG noch zur Vorinstanz gehöre und mit der Verfahrensgebühr abgegolten werde. Zur Einlegung des Rechtsmittels gehöre auch die Prüfung der Erfolgsaussichten nebst Beratungen mit dem Mandanten.

Die dagegen gerichtete Erinnerung des Kollegen hatte Erfolg. Das LG Osnabrück hat das im LG Osnabrück, Beschl. v. 03.07.2019 – 1 KLs 5/18 – zutreffend anders gesehen:

„Die Gebühr Nr. 4131 VV RVG ist – entgegen der Ansicht der Vertreterin der Staatskasse – entstanden. Während die Einlegung der Revision selbst gemäß § 19 Nr. 10 RVG für den Verteidiger, der – wie hier – in dem vorhergehenden Rechtszug bereits tätig war, nicht dem Abgeltungsbereich der Nrn. 4130, 4131 VV RVG, sondern noch dem der Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens des vorhergehenden Rechtszugs zuzurechnen ist, gehören die Rücknahme der Revision und die Prüfung der Erfolgsaussichten zum Abgeltungsbereich der Nrn. 4130, 4131 VV RVG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.10.2007 – III-2 Ws 228/07 –, Rn. 10, juris; anders möglicherweise das OLG Dresden, Beschluss vom 13.03.2014 – 2 Ws 113/14 –, Rn. 3, juris, wonach gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 10 RVG die Einlegung von Rechtsmitteln und damit zwangsläufig auch die Prüfung der Erfolgsaussicht noch zum vorangegangenen Rechtszug gehöre und mit der dort verdienten Verfahrensgebühr abgegolten sei, wenn der Rechtsanwalt den Angeklagten bereits vertreten habe bzw. diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei). Vorliegend hat der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 10.01.2019 das von ihm für den Verurteilten eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen und damit eine vom Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr der Nrn. 4130, 4131 VV RVG erfasste Tätigkeit erbracht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.2006 – 2 Ws 135/06 –, StraFo 2006, 433, 434).

Einer Vergütung des Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, dass er die Revision nicht begründet und noch vor Zustellung des schriftlichen Urteils zurückgenommen hat. Die Gebühr nach den Nrn. 4130, 4131 VV RVG entsteht nicht erst mit der Begründung der Revision, wenn sie auch nach dem Willen des Gesetzgebers „insbesondere“ für den „Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit“ im Revisionsverfahren bei der Fertigung der Rechtsmittelbegründung anfällt, mit der Folge, dass die Verfahrensgebühr ausgelöst wird, selbst wenn der Verteidiger sich darauf beschränkt, in der Revisionsschrift lediglich die Verletzung materiellen Rechts zu rügen. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeiten des Verteidigers in der Rechtsmittelinstanz, die der Rechtsmittelbegründung vorausgehen, die Gebühr noch nicht auslösen. Denn mit der Verfahrensgebühr wird ausweislich der amtlichen Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG jedes „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ abgegolten. Demnach erfasst die Gebühr der Nrn. 4130, 4131 VV RVG nicht erst die Revisionsbegründung, sondern bereits die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen die – häufig aus Zeitgründen zunächst nur zur Fristwahrung eingelegte – Revision begründet und weiter durchgeführt werden soll. Diese prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts gehört entgegen der Ansicht der Bezirksrevisorin nicht mehr zur Einlegung des Rechtsmittels. Wird die Revision nicht begründet und im Einverständnis des Mandanten zurückgenommen, fehlt es zwar an „einer anwaltlichen Kerntätigkeit im Revisionsverfahren“, ohne dass dadurch jedoch die bereits entstandene Verfahrensgebühr wieder entfiele (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20.01.2009 – 1 Ws 382/08 –, juris).

Nach Auffassung der Kammer setzt die Entstehung des Gebührenanspruchs nach Nrn. 4130, 4131 VV RVG durch die Rücknahme einer Revision auch nicht zwingend voraus, dass das schriftlich begründete tatrichterliche Urteil vorliegen muss. Zwar lösen völlig überflüssige und bedeutungslose Prozesshandlungen, die offensichtlich ohne jeden sachlichen Grund vorgenommen werden, nur um den Gebührentatbestand zu erfüllen, keinen Vergütungsanspruch aus (vgl. OLG Oldenburg, JurBüro 1991, 540, 541, für den Fall, dass der bestellte Verteidiger nach Zusendung des Urteils mit der Mitteilung, die Staatsanwaltschaft habe Revision eingelegt, bei dem Gericht der bisherigen Instanz deren Verwerfung beantragt und mit dem Angeklagten die Aussichten der Revision bespricht, wenn sodann die Staatsanwaltschaft die Revision, ohne sie begründet zu haben, zurücknimmt), das ist jedoch regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Revision von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegt worden und der Verteidiger auf die Begründung des gegnerischen Rechtsmittels angewiesen ist, um für den Angeklagten sinnvoll tätig werden zu können.
Vorliegend hat der Pflichtverteidiger in seiner Stellungnahme die von ihm entfalteten Tätigkeiten beschrieben. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Verurteilte nach Beratung durch seinen Pflichtverteidiger die Revision dann wieder zurücknimmt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Überdies konnte der Verteidiger die Erfolgsaussichten des eigenen Rechtsmittels schon anhand der mündlichen Urteilsbegründung der Kammer, die bei dieser Gelegenheit regelmäßig um eine ausführliche und nachvollziehbare Darstellung bemüht ist, einschätzen und den Verurteilten über die Zweckmäßigkeit und Folgen einer weiteren Durchführung des Revisionsverfahrens zuverlässig beraten. Hinzu kommt, dass auch die Begründung der Revision nach § 345 Abs. 1 StPO in zulässiger Weise schon bei ihrer Einlegung erfolgen kann und in diesem Fall – in der Regel bereits vor der Urteilszustellung – die Verfahrensgebühr auslöst (vgl. KG Berlin, a.a.O.).

Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die Revision ohne sachlichen Grund rechtsmissbräuchlich eingelegt worden ist, haben sich nicht ergeben. Die entstandene Gebühr ist mithin wie geschehen festzusetzen.“

Teilnahme an Haftbefehlseröffnung, oder: Falsche Argumentation des LG Leipzig

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Am „Gebührenfreitag“ stelle ich heute zunächst den LG Leipzig, Beschl. v. 13.06.2019 – 1 Qs 114/19 – vor.

Dem Beschluss liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten gegen den damals Beschuldigten wegen des Vorwurfs der räuberischen Erpressung. Insoweit erließ das AG Leipzig Haftbefehl wegen dieses Vorwurfs. Nach Ergreifung des Beschuldigten wurde der Haftbefehl am 25.01.2019 eröffnet. Insoweit erging u.a. der Beschluss, dass dem Beschuldigten Rechtsanwalt J. R. Funck für den Termin zur Haftbefehlseröffnung gem. § 141 Abs. 1 StPO der Rechtsanwalt A. Funck als Verteidiger beigeordnet wird. Im Rahmen der Haftbefehlseröffnung hat der Angeklagte von seinem Recht zum Schweigen, Gebrauch gemacht. Der Kollege A. Funck hat im Rahmen der Vergütungsfestsetzung beantragt, eine Grundgebühr gemäß 4101 VV RVG, eine Termingebühr Nr. 4103 VV RVG und eine Verfahrensgebühr Nr. 410 VV RVG festzusetzen. Das AG hat nur eine Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG festgesetzt.

Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Kollegen hatte keinen Erfolg. Das LG Leipzig ist von einer Einzeltätigkeit ausgegangen. Es negiert geflissentlich, dass es in § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO heißt: „…………..Das Gericht, bei dem eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, bestellt dem Beschuldigten einen Verteidiger, …..“, mit der Folge, dass Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anwendbar ist. Begründung

„Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Leipzig ausgeführt, dass vorliegend sowohl von der Einordnung der Tätigkeit aber auch den Möglichkeiten, die der Verteidiger in dieser Situation einem Beschuldigten/Angeklagten bieten könne, ausschließlich die Einordnung als Einzeltätigkeit gemäß Nr. 4103 VV-RVG angemessen und geboten sein kann. Unabhängig davon, dass es systemwidrig erscheinen würde, wenn der Vertreter für einen Termin einen höheren Gebührenanspruch haben würde, als der bestellte „Hauptvertreter“ (so u.a. LG Leipzig, Beschluss vom 27.06.2012, Az.: 3 Qs 31/12), vermag insbesondere die von dem Beschwerdeführer zitierte und vorgelegte Entscheidung des Landgerichts Magdeburg für die hier gegenständliche Situation nicht zu überzeugen.

Anders als in dem Fall in Magdeburg, wo sich der Verteidiger aufgrund der Bereitschaft des dortigen Angeklagten, sich einzulassen, in weitaus größerem Maße mit der Beweissituation, dem Akteninhalt und möglichen rechtlichen Konsequenzen zu befassen hatte, handelt es sich vorliegend ausschließlich um die Wahrnehmung des Termins, bei dem der Angeklagte von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch gemacht hat. Insoweit ist – worauf auch das Amtsgericht Leipzig bereits zutreffend hingewiesen hatte – weder eine größere Einarbeitung möglich gewesen, noch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage.

Der Umstand, dass es dabei auch um die Wahrnehmung der Freiheitsrechte des Angeklagten gegangen ist, vermag insoweit nicht als entscheidendes Kriterium gewertet zu werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege sowohl in den Verfahren, in denen er mehrere Gebühren erlangen kann, als auch in denen, in denen eine Abrechnung als Einzeltätigkeit erfolgt, die Rechte des Mandanten mit der gebotenen anwaltlichen Sorgfaltspflicht erledigt.“

Abgesehen davon, dass das – siehe oben – falsch ist, ist es m.E. auch noch aus einem anderen Grund unhaltbar: Denn die Zusatzbegründung des LG, der Verteidiger habe sich nicht so in die Sache einarbeiten müssen, weil der Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht habe, ist allein schon deshalb falsch, weil aus dem Ergebnis: Schweigerechtsgebrauch“ nicht auf den Umfang der Tätigkeiten des Rechtsanwalts geschlossen werden kann. Sie sind möglicherweise noch umfangreicher als bei einem Beschuldigten, der sich zur Sache einlässt. Zudem entsteht durch die Argumentation der Eindruck, dass derjenige Verteidiger, der seinem Mandanten vom Gebrauch des Schweigerechts abrät, ggf. besser honoriert wird. Das kann und darf nicht sein.

Im Übrigen ist es in meinen Augen auch „frech“, wenn die Kammer schreibt: „Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege sowohl in den Verfahren, in denen er mehrere Gebühren erlangen kann, als auch in denen, in denen eine Abrechnung als Einzeltätigkeit erfolgt, die Rechte des Mandanten mit der gebotenen anwaltlichen Sorgfaltspflicht erledigt.“ Da hätte man auch schreiben können: Vernünftig honoriert wirst du nicht, aber viel arbeiten musst du…..

Einziehung III: Selbständige Einziehung, oder: Katalogtat muss vorliegen

Und als dritte Einziehungsentscheidung stelle ich dann noch den LG Hamburg, Beschl. v. 01.08.2019 – 610 Qs 21/19 – vor, den mir der Kollege C. Diedrich aus Hamburg geschickt hat.

Das LG hat auf der Grundlage folgenden Sachverhakts entschieden:

Gegen den Mandanten des Kollegen war ein Verfahren wegen des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung anhängig. In dem Verfahren wurde die Wohnung des Betroffenen durchsucht. Dabei wurde u.a. in einer im Kleiderschrank hängenden Jacke ein Bargeldbetrag i.H.v. 5.000 EUR in kleiner Stückelung -aufgefunden und sichergestellt. Wegen dieses Bargeldfundes wurde von Amts wegen eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 261 StGB gefertigt. Die Staatsanwaltschaft hat dann beantragt, hinsichtlich des gemäß § 111b, 111c StPO sichergestellten Bargeldes i.H.v. 5.000 EUR die Beschlagnahme gemäß §§ 111b Abs. 2 i.V.m. § 105 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend sowie die Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO gerichtlich zu bestätigen.

Diesen Antrag begründete sie u.a. damit, dass „dringende Gründe dafür vor[liegen], dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, denn schon mit Blick auf die Bezugsverfahren pp. (denen u.a. der Tatvorwurf der schweren räuberischen Erpressung, nicht jedoch der Geldwäsche zugrunde lag) ist naheliegend, dass das Bargeld aus (gewerbsmäßigen) Diebstahls-,  Erpressunqs- bzw. Raubtaten des Beschuldigten herrührt.“ Darüber hinaus trug die Staatsanwaltschaft zur Begründung vor, dass sich konkrete Anhaltspunkte für eine Herkunft des Bargelds aus (nicht näher dargelegten) Straftaten böten, „weshalb der Verdacht einer Geldwäsche besteht“. Das AG bestätigte die Beschlagnahme antragsgemäß, wogegen sich seinerzeit die Beschwerde des damaligen Beschuldigten richtete, welche das LG als unbegründet verworfen hat.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Am gleichen Tage beantragte sie im selbstständigen Einziehungsverfahren gemäß §§ 435, 437 StPO i.V.m. § 76a Abs. 4 StGB die selbstständige Einziehung des bei dem Betroffenen sichergestellten Bargelds i.H.v. 5.000 EUR anzuordnen und trug im Rahmen der Begründung u.a. vor, dass „im Laufe der Ermittlungen (…) gegen den Betroffenen – insbes. wegen der Höhe des sichergestellten Geldbetrages von 5.000 EUR und der kleinen Stückelung – auch der Verdacht der gewerbsmäßigen Geldwäsche (Katalogtat des § 76a Abs. 4 Nr10 i.V.m. §§ 261 Abs. 1 und Abs. 4 StGB)“ bestanden habe. Sie führte zudem aus, es gäbe keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich bei dem sichergestellten Bargeld in Höhe von 5.000 EUR um Erlöse aus deliktischen Taten, hochwahrscheinlich Verbrechenstatbeständen gem. §§ 249253, 255 StGB handelt, die der Betroffene in seiner Jacke versteckte, um die Herkunft zu verschleiern“. Das AG hat die selbstständige Einziehung des sichergestellten Bargeldbetrages i.H.v. 5.000 EUR angeordnet. Dagegen wendet sich der Betroffene nunmehr mit der sofortigen Beschwerde.

Diese hatte beim LG Erfolg. Zur Begründung der Entscheidung passen etwa folgende Leitsätze:

Bereits der Wortlaut des § 76a Abs. 4 StGB verlangt für die Anordnung einer selbstständigen Einziehung, dass sich das Verfahren, in dem die Sicherstellung erfolgt, auf eine Katalogtat i.S.d. § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB bezieht.

Die bloße nach erfolgter Sicherstellung vorgenommene Einleitung eines neuen Verfahrens wegen des Verdachts einer Anlasstat i.S.d. § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB genügt nicht für eine selbstständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB.

Es ist m.E. zutreffend, wenn das LG dem Bestreben der Staatsanwaltschaft, die Vorschrift des § 76a Abs. 4 StGB über den Wortlaut hinaus auszudehnen, Einhalt geboten hat. Denn eine Ausdehnung der Vorschrift wäre die Folge gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag Erfolg gehabt hätte. Zudem hätte dann die bloße Behauptung „Geldwäsche“ ausgereicht für eine selbständige Einziehung.

Herausgegeben worden sind die 5.000 € allerdings nicht. Denn es kommt eine Einziehung – jedenfalls von Teilbeträgen des sichergestellten Bargeldes – im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Bezugsverfahrens – unter den Voraussetzungen der §§ 73 ff. StGB in Betracht. Ob die Umstände des vorgenannten Bezugsverfahrens eine entsprechende Einziehung ganz oder teilweise rechtfertigen, war aber vom LG im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, das sich lediglich gegen die selbständige Einziehung nach § 76a StGB richtete, nicht zu entscheide. Erst, wenn auch insoweit die Voraussetzungen einer entsprechenden (vorläufigen) Einziehung ganz oder teilweise nicht vorliegen, wäre der sichergestellte Betrag (ggf. teilweise) an den Betroffenen wieder herauszugeben. Auch insoweit liegt das LG m.E. richtig.

Auch hier kann es – wie man sieht – um eine Menge Geld gehen.

Einziehung II: Einziehung von Taterträgen, oder: Abzug von Aufwendungen?

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Die zweite „Einziehungsentscheidung“ kommt mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.03.2019 – 2 Rb 9 Ss 852/18 – aus dem Bußgeldverfahren. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Das AG hatte gegen die Betroffene, eine GmbH, die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 5.878,70 € angeordnet. Die Einziehungsbeteiligte betreibt ein Speditionsunternehmen und war mit dem Abtransport von Erdaushub von einer Großbaustelle beauftragt. Die Fahrer waren regelmäßig von der Einziehungsbeteiligten angewiesen worden, nicht überladen zu fahren. Bei insgesamt 102 Abtransportfahrten haben die für den Abtransport des Aushubs von der Baustelle eingesetzten Fahrzeuge der Einziehungsbeteiligten, so bezeichnete „40-Tonner“-Sattelzüge, das zulässige Gesamtgewicht von 40 Tonnen überschritten. Zur Bestimmung der Höhe des Einziehungsbetrages hat das AG ausgeführt, die Fahrer der Einziehungsbeteiligten hätten bei den in Rede stehenden Überladungsfahrten insgesamt 2.939,35 Tonnen Erd- und Steinaushub transportiert, sodass der Einziehungsbeteiligten auf der Grundlage eines Entgelts von vier Euro/t ein Gesamtbetrag von 11.757,40 € für die in Rede stehenden Überladungsfahrten an die Einziehungsbeteiligte ausgezahlt worden sei. Diesen Betrag hat das AG um die Hälfte reduziert.

Auf die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten hat das OLG das Urteil mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufgehoben und insoweit zurückverwiesen.  DAS OLG geht davon aus, dass für die subjektive Komponente des § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG n. F. auch der Kenntnisstand des unmittelbar Handelnden, hier: also der Fahrer eines Lastwagens, genügt. Zum Abzug von Aufwendungen nach § 29a Abs. 3 OWiG in der Fassung vom 13.04.2017 führt dazu u.a. aus

„3. Das Amtsgericht durfte zur Bestimmung des von der Einziehungsbeteiligten im Sinne von § 29a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG erlangten Etwas – unabhängig von der Frage, wie hoch die Überladung letztlich war – im Ausgangspunkt die für die durchgeführten Transporte insgesamt erhaltene Gegenleistung zugrunde legen (zu § 29a OWIG in der vor aufgrund Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 geltenden Fassung: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27.08.2015 – 2 Ss Owi 95/15 (60/15) -, juris Rn. 16; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 02.01.2014 – 2 – 43/13 (RB), 3 Ss Owi 62/13, NZWiSt 2014, 146, 147; weitere Nachweise bei BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 42.2; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.12.2014 – 2 (6) SsBs 601/14-AK 160/14 Rn. 6 ff.; zur insoweit unveränderten Bestimmung des erlangten Etwas nach Neugestaltung des § 29a Abs. 2 OWiG: Mitsch, NZWiSt 2017, 338, 343).

4. Soweit jedoch das Amtsgericht weiter ausführt, dass das im diesem Sinne von der Verfallsbeteiligte Erlangte „nach der Entscheidung des Gesetzgebers für das Bruttoprinzip ohne Abzug etwaiger Kosten vollständig abzuschöpfen“ sei, und es der Frage, ob die Einziehung des für die Überladungsfahrten erhaltenen Gesamtentgelts in voller Höhe gerechtfertigt ist oder Abschläge vorzunehmen sind, nur im Rahmen der Ermessensausübung nachgeht, greifen die Überlegungen indes zu kurz. Denn sie lassen die vom Gesetzgeber mit Einführung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung eingeführte Regelung des § 29a Abs. 3 OWiG n.F. außer acht. Insbesondere lässt sich, anders als das Amtsgericht offenbar meint, auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen gerade nicht begründen, dass etwaige im Zusammenhang mit den Überladungsfahrten angefallenen Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten dem Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG unterliegen (vgl. zur Neuregelung eingehend BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 3a f, 35a, 43 ff.).

a) Aufgrund der Neugestaltung des § 29a OWIG ist nach der Vorstellung des Reformgesetzgebers das erlangte Etwas, dessen Wert nach § 29a OWIG n.F. der Einziehung unterliegen kann, nunmehr in zwei Schritten zu ermitteln, wobei in einem ersten Schritt das Erlangte im Sinne von § 29a Abs. 1, Abs. 2 OWiG rein gegenständlich und einem zweiten Schritt der Wert bzw. Umfang des Erlangten auf der Grundlage einer wertenden Betrachtungsweise zu bestimmen ist (Gesetzesentwurf Bundesregierung, BT-Drs. 18/9525, S. 105 unter Verweis auf S. 67, S. 62).

In Ausgestaltung dieser im zweiten Schritt anzustellenden wertenden Betrachtungsweise, die der Gesetzgeber als „Konkretisierung des Bruttoprinzips“ verstanden wissen will (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 62), ist in § 29a Abs. 3 OWiG im Einzelnen geregelt, inwieweit Gegenleistungen und sonstige Aufwendungen in Abzug zu bringen sind.

§ 29a Abs. 3 OWiG sieht hierzu grundsätzlich vor, dass bei der Bestimmung des Werts des Erlangten die Aufwendungen des Täters oder des „anderen“ (gemeint ist nach dem Regelungszusammenhang derjenige Dritte, der – wie hier – aufgrund des Handelns des Täters etwas erlangt hat) in Abzug gebracht werden müssen (§ 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG). Etwas anderes gilt nur, soweit die Aufwendungen „für“ die Vorbereitung oder Begehung der Tat selbst getätigt worden sind (ausnahmsweises Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers enthält das Tatbestandsmerkmal „für“ dabei eine subjektive Komponente. Er hatte dabei ausgehend von dem für das Abschöpfungsrecht von ihm fruchtbar gemachten Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB, wonach (nur) das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein müsse, bei der Ausgestaltung des Abzugsverbots Fallgestaltungen im Auge, bei denen der Täter oder Teilnehmer (zu den Auswirkungen des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Einheitstäterbegriffs auf die Neufassung des § 29a OWiG: Beschlussempfehlung und Bericht zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/11640 S. 91) Aufwendungen willentlich und bewusst für die Vorbereitung oder Begehung einer Tat aufwendet oder einsetzt (BT-Drs. 18/9525, S. 105, 55, 67 a.E., 68; BT-Drs. 18/11640, S. 78 f., 91; hierzu auch Köhler NStZ 2017, 497 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 73d Rn. 5). Nach dem Verständnis des Gesetzgebers sind insoweit nunmehr solche Aufwendungen bei der Bestimmung des Erlangten abzuziehen, die zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Täter (oder Teilnehmer) das Verbotene des Geschäfts jedoch lediglich fahrlässig verkannt hat, so dass die Aufwendungen nicht „bewusst (vorsätzlich)“ für eine Straftat getätigt wurden (vgl. zur neuen Rechtslage nach § 29a OWiG n.F. bereits Senat, Beschluss vom 21.11.2017 – 2 Rb 4 Ss 699/17-, juris Rn. 26; BT-Drs. 18/9525, S. 67 ff., 69 oben [zur Neugestaltung des § 73d StGB, dem das Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG entlehnt ist]; BT-Drs. 18/11640, S. 78 f., 91; vgl. dazu Köhler NStZ 2017, 497 ff. [mit Fallbeispielen]).

b) Gemessen an diesen Maßstäben tragen die Feststellungen des Amtsgerichts dessen Annahme, der Abzug von Aufwendungen komme nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG von vorneherein nicht in Betracht, nicht. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen zu der im Abzugsverbot (§ 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG) durch das Tatbestandsmerkmal „für“ vorausgesetzten subjektive Komponente. Insoweit durfte das Amtsgericht nicht – wie hier geschehen – sowohl die Frage etwaiger Verantwortlichkeiten des damaligen Geschäftsführers der Einziehungsbeteiligten als auch die Frage, inwieweit die Fahrer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hatten, offenlassen.

1) Vor dem Hintergrund, dass Gegenstand der Einziehung vorliegend bei der Einziehungsbeteiligten aus den Überladungsfahrten entstandenen Vorteile waren und sie die Adressatin der Einziehungsanordnung ist, hätte es im Ausgangspunkt nahegelegen, bei der Prüfung der subjektiven Komponente des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG zunächst auf das bei der Einziehungsbeteiligten vorhandene Vorstellungsbild abzustellen. Da es sich vorliegend bei der Einziehungsbeteiligten um eine juristische Person handelte, wäre insoweit auf das Wissen der zum Zeitpunkt der Ausführung der Taten verantwortlichen Geschäftsführungsorgane abzustellen gewesen, deren Kenntnisstand sich die Einziehungsbeteiligte zurechnen lassen muss (insoweit zu Recht Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 17 Rn. 1118).

Unter diesem Gesichtspunkt wäre der Einziehungsbeteiligten eine Geltendmachung naheliegend getätigter Aufwendungen wie Benzinkosten und zur Entlohnung der Fahrer aufgewendete Geldbeträge nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG daher dann verwehrt gewesen, wenn eines der damaligen geschäftsführenden Organe „bewusst und willentlich“ in die Überladungsfahrten verstrickt war, also aus dessen Sicht gezielt oder zumindest unter billigender Inkaufnahme der Überladung in die Fahrten investiert worden war (in vergleichbarem Sinne Köhler, NStZ 2017, 497, 509, zu einer von einem gutgläubigen Werkzeug zugunsten eines „Dritten“ ausgeführten Gewässerverunreinigung). Mit Blick darauf, dass nach den bisherigen Feststellungen auch der damalige Geschäftsführer frühzeitig über das Problem der Überladungen informiert wurde, liegt ein entsprechendes Bewusstsein jedenfalls für nachfolgende Fahrten nicht fern.

2) Unabhängig von etwaigen Kenntnisständen auf der Geschäftsführungsebene hätte es ebenfalls nahegelegen, bei der Prüfung des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG der Frage nachzugehen, inwieweit jedenfalls die von der Einziehungsbeteiligten eingesetzten Fahrer als „Täter“ der Überladungsfahrten „bewusst und willentlich“ die Überladung der Fahrzeuge in Kauf genommen hatten. Denn angesichts der vom Amtsgericht an anderer Stelle getroffenen Feststellung, dass die Fahrer regelmäßig von Seiten der Einziehungsbeteiligten angewiesen wurden, nicht überladen zu fahren und sie zudem vom Wiegemeister der Firma Y beim Abladen stets auf die Überladungen hingewiesen wurden, lagen deren bewusste Verstöße gegen das Überladungsverbot durchaus nahe.

3) Den Kenntnisstand der Fahrer müsste sich die Einziehungsbeteiligte als Drittbegünstigte in Bezug auf die Abzugsfähigkeit angefallener Aufwendungen auch zurechnen lassen (so anhand von Fallbeispielen zu Recht Köhler NStZ 2017, 497, 508 f., der unter anderem den Rechtsgedanken der §§ 131, 166 BGB heranzieht; vgl. auch BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 48). Die von Hellmann insoweit vertretene Auffassung, das Abzugsverbot dürfe nur in Fällen „schuldhafter Verstrickung“ des Einziehungsadressaten selbst greifen, weswegen Hellmann eine Zurechnung schuldhaften Handelns nur auf entsprechendes Handeln von verantwortlichen Leitungspersonen, nicht aber von Mitarbeitern unterhalb der Leitungsebene oder Dritten erstrecken will (Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht aaO Rn. 1118 f.; einschränkend auch KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 29a Rn. 48; hiergegen zu Recht BeckOK OWiG/Meyberg aaO mit Nachweis zur Rechtsprechung des BVerfG) überzeugt mit Blick auf die Rechtsnatur der Einziehung, die auch nach der Reform gerade keine Strafe oder strafähnliche Sanktion beinhaltet (BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 48, 7 f.), nämlich nicht.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die strikte Anwendung des Abzugsverbots im Einzelfall gleichwohl mit besonderen Härten verbunden sein kann. Solchen Härten kann jedoch mit Blick darauf, dass die Einziehung nach § 29a OWiG (anders als im Strafrecht) dem Wortlaut in § 29a Abs. 1, Abs. 2 OWiG nach („kann“) als Opportunitätsentscheidung ausgestaltet ist und die Bußgeldbehörde bzw. der Tatrichter infolge dessen jeweils ein eigenes Ermessen dahingehend auszuüben haben, ob und in welcher Höhe die Einziehung vorzunehmen ist (BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 77 ff. m.w.N.), im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung getragen werden.“

Ich weiß, ist nicht ganz einfach :-), steckt aber ggf. eine Menge Geld für den Mandanten drin.