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StPO III: Rechtlicher Hinweis bei der Einziehung?, oder: Fragen wir doch mal den Großen Senat für Strafsachen

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Und als letzte Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 14.04.2020 – 5 StR 20/19. Der ist schon etwas älter, ist mir bisher immer durchgerutscht. Jetzt wird es aber Zeit, denn sonst hat der Große Senat für Strafsachen eher entschieden, als ich hier den Vorlagebeschluss des 5. Strafsenats vorgestellt habe.

Der 5. Strafsenat hat nämlich die Frage nach der Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO in den Fällen, in denen sich die Tatsachen für eine Wertersatzeinziehung bereits aus der Anklageschrift ergibt, dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt. Und zwar wie folgt:

Dem Großen Senat für Strafsachen wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Ist der Angeklagte nach § 265 Abs. 1 oder nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auf die obligatorische Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) hinzuweisen, wenn die ihr zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen bereits in der Anklageschrift enthalten sind?

Über die Frage habe ich ja auch schon berichte – Einziehung III: Einziehung nicht in der Anklage, oder: Rechtlicher Hinweis erforderlich?

Und es gibt dazu u.a. folgende vorhergehende Entscheidungen:

Einziehung I: Einziehung des Wertes von Taterträgen, oder: Urteilsgründe

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Ich setze die Berichterstattung dann heute fort mit Entscheidungen zur Einziehung (§§ 73 ff. StGB).  Die Fragen spielen ja in der Rechtsprechung seit der Änderung des Rechts der Vermögensabschöpfung eine nicht unerhebliche Rolle. Gefühlt mindestens jede zweite Entscheidung des BGH macht dazu ja auch Ausführungen.

Ich starte hier dann mit dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 07.05.20201 Ss 23/20, den mir der Kollege Rahmlow aus Duisburg geschickt hat.

Das AG hat den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen schuldig gesprochen und deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Daneben ordnete das AG die Einziehung des Wertes der Taterträge in Höhe von 2.351,14 € an. Der Angeklagte hat nur gegen die Anordnung der Einziehung des Wertes der Taterträge Sprungrevision eingelegt. Die hatte beim OLG Erfolg:

„Die wirksam (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17, Rn. 39 f., zitiert nach juris; OLG Braunschweig, 1 Ss 37/20, unveröffentlicht) auf die Einziehungsanordnung beschränkte Sprungrevision hat – zumindest vorläufig – Erfolg. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes der Taterträge kann keinen Bestand haben. Die diesbezügliche Entscheidung des Amtsgerichts leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 28. April 2020 ausgeführt:

„Das Gericht hat in den Urteilsgründen die Überlegungen darzulegen, die ihm die Überzeugung verschafft haben, dass der für die Anwendung des sachlichen Rechts (hier §§ 73 ff. StGB) zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft (Kuckein in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 36; Anm.: d. Senates: nunmehr: Kuckein/Bartel in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 267 Rn. 35). Daran fehlt es. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft die Einziehung des Wertes des Taterlangten gemäß § 73c StGB angeordnet, ohne näher darzulegen, warum eine Einziehung des originär Taterlangten gemäß § 73 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gekommen sei. Gemäß § 73 c S. 1 StGB wird die Einziehung eines Geldbetrages, der dem Wert des Erlangten entspricht nur angeordnet, wenn die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist. Die Einziehung des Wertes des Taterlangten gemäß § 73c S. 1 StGB ist gegenüber der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB subsidiär. Das Amtsgericht hat seine Einziehungsentscheidung im Ergebnis damit begründet, dass offen bleiben könne, ob die betrügerische erlangten Gegenstände noch bei dem Angeklagten vorhanden seien, da sich gerade hieraus der Betrugsschaden ergebe. Dabei verkennt das Gericht aber, dass es bei der Frage einer Einziehungsanordnung nach den §§ 73 ff. StGB nicht auf den verursachten Schaden ankommt, sondern darauf, was der Täter durch oder für die Tat erlangt hat. Dass eine Einziehung gemäß § 73c S. 1 StGB gegenüber der „Originaleinziehung“ nach § 73 Abs. 1 StGB subsidiär ist und insofern Feststellungen zu dem Verbleib bzw. der Beschaffenheit des Taterlangten zu treffen sind, ergibt sich zudem aus der Regelung in § 73 c S. 2 StGB, wonach die Wertersatzeinziehung neben der Einziehung nach den §§ 73, 73 a, 73b StGB anzuordnen ist, wenn der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Entscheidung hinter dem Wert des Erlangten im Zeitpunkt des Erlangens zurückbleibt (Fischer, StGB, 67. Aufl., § 73 c Rn. 8 m.w.N.). Eine Einziehung des Wertes des Erlangten kann der nur angeordnet werden, wenn das originär Erlangte nicht mehr vorhanden ist oder im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlangung im Wert gemindert ist. Demzufolge hätte das Tatgericht Feststellungen dazu treffen müssen, inwieweit eine Einziehung der tatsächlich erlangten Gegenstände ausgeschlossen gewesen sei, beispielsweise, da der Angeklagte diese bereits vernichtet oder an Dritte weitergegeben habe. Entsprechende Feststellungen sind rechtsfehlerhaft unterblieben. Sofern sich darüber hinaus die betrügerisch erlangten Gegenstände noch im Besitz des Angeklagten befinden sollten – wozu das Tatgericht ebenfalls keine Feststellungen getroffen hat – wären zudem Feststellungen zu deren Beschaffenheit und eines etwaigen Wertverlustes zu treffen gewesen. Es hätte daher einer eingehenden und nachvollziehbaren Darlegung bedurft, warum das Gericht von einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB abgesehen und stattdessen die Wertersatzeinziehung angeordnet hat Die Feststellungen des angefochtenen Urteils schweigen zu diesem Thema jedoch gänzlich und genügen daher den oben dargelegten Anforderungen nicht.“

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen tritt der Senat bei.“

Einziehung II: Einziehung von Taterträgen, oder: Abzug von Aufwendungen?

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Die zweite „Einziehungsentscheidung“ kommt mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.03.2019 – 2 Rb 9 Ss 852/18 – aus dem Bußgeldverfahren. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Das AG hatte gegen die Betroffene, eine GmbH, die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 5.878,70 € angeordnet. Die Einziehungsbeteiligte betreibt ein Speditionsunternehmen und war mit dem Abtransport von Erdaushub von einer Großbaustelle beauftragt. Die Fahrer waren regelmäßig von der Einziehungsbeteiligten angewiesen worden, nicht überladen zu fahren. Bei insgesamt 102 Abtransportfahrten haben die für den Abtransport des Aushubs von der Baustelle eingesetzten Fahrzeuge der Einziehungsbeteiligten, so bezeichnete „40-Tonner“-Sattelzüge, das zulässige Gesamtgewicht von 40 Tonnen überschritten. Zur Bestimmung der Höhe des Einziehungsbetrages hat das AG ausgeführt, die Fahrer der Einziehungsbeteiligten hätten bei den in Rede stehenden Überladungsfahrten insgesamt 2.939,35 Tonnen Erd- und Steinaushub transportiert, sodass der Einziehungsbeteiligten auf der Grundlage eines Entgelts von vier Euro/t ein Gesamtbetrag von 11.757,40 € für die in Rede stehenden Überladungsfahrten an die Einziehungsbeteiligte ausgezahlt worden sei. Diesen Betrag hat das AG um die Hälfte reduziert.

Auf die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten hat das OLG das Urteil mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufgehoben und insoweit zurückverwiesen.  DAS OLG geht davon aus, dass für die subjektive Komponente des § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG n. F. auch der Kenntnisstand des unmittelbar Handelnden, hier: also der Fahrer eines Lastwagens, genügt. Zum Abzug von Aufwendungen nach § 29a Abs. 3 OWiG in der Fassung vom 13.04.2017 führt dazu u.a. aus

„3. Das Amtsgericht durfte zur Bestimmung des von der Einziehungsbeteiligten im Sinne von § 29a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG erlangten Etwas – unabhängig von der Frage, wie hoch die Überladung letztlich war – im Ausgangspunkt die für die durchgeführten Transporte insgesamt erhaltene Gegenleistung zugrunde legen (zu § 29a OWIG in der vor aufgrund Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 geltenden Fassung: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27.08.2015 – 2 Ss Owi 95/15 (60/15) -, juris Rn. 16; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 02.01.2014 – 2 – 43/13 (RB), 3 Ss Owi 62/13, NZWiSt 2014, 146, 147; weitere Nachweise bei BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 42.2; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23.12.2014 – 2 (6) SsBs 601/14-AK 160/14 Rn. 6 ff.; zur insoweit unveränderten Bestimmung des erlangten Etwas nach Neugestaltung des § 29a Abs. 2 OWiG: Mitsch, NZWiSt 2017, 338, 343).

4. Soweit jedoch das Amtsgericht weiter ausführt, dass das im diesem Sinne von der Verfallsbeteiligte Erlangte „nach der Entscheidung des Gesetzgebers für das Bruttoprinzip ohne Abzug etwaiger Kosten vollständig abzuschöpfen“ sei, und es der Frage, ob die Einziehung des für die Überladungsfahrten erhaltenen Gesamtentgelts in voller Höhe gerechtfertigt ist oder Abschläge vorzunehmen sind, nur im Rahmen der Ermessensausübung nachgeht, greifen die Überlegungen indes zu kurz. Denn sie lassen die vom Gesetzgeber mit Einführung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung eingeführte Regelung des § 29a Abs. 3 OWiG n.F. außer acht. Insbesondere lässt sich, anders als das Amtsgericht offenbar meint, auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen gerade nicht begründen, dass etwaige im Zusammenhang mit den Überladungsfahrten angefallenen Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten dem Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG unterliegen (vgl. zur Neuregelung eingehend BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 3a f, 35a, 43 ff.).

a) Aufgrund der Neugestaltung des § 29a OWIG ist nach der Vorstellung des Reformgesetzgebers das erlangte Etwas, dessen Wert nach § 29a OWIG n.F. der Einziehung unterliegen kann, nunmehr in zwei Schritten zu ermitteln, wobei in einem ersten Schritt das Erlangte im Sinne von § 29a Abs. 1, Abs. 2 OWiG rein gegenständlich und einem zweiten Schritt der Wert bzw. Umfang des Erlangten auf der Grundlage einer wertenden Betrachtungsweise zu bestimmen ist (Gesetzesentwurf Bundesregierung, BT-Drs. 18/9525, S. 105 unter Verweis auf S. 67, S. 62).

In Ausgestaltung dieser im zweiten Schritt anzustellenden wertenden Betrachtungsweise, die der Gesetzgeber als „Konkretisierung des Bruttoprinzips“ verstanden wissen will (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 62), ist in § 29a Abs. 3 OWiG im Einzelnen geregelt, inwieweit Gegenleistungen und sonstige Aufwendungen in Abzug zu bringen sind.

§ 29a Abs. 3 OWiG sieht hierzu grundsätzlich vor, dass bei der Bestimmung des Werts des Erlangten die Aufwendungen des Täters oder des „anderen“ (gemeint ist nach dem Regelungszusammenhang derjenige Dritte, der – wie hier – aufgrund des Handelns des Täters etwas erlangt hat) in Abzug gebracht werden müssen (§ 29a Abs. 3 Satz 1 OWiG). Etwas anderes gilt nur, soweit die Aufwendungen „für“ die Vorbereitung oder Begehung der Tat selbst getätigt worden sind (ausnahmsweises Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers enthält das Tatbestandsmerkmal „für“ dabei eine subjektive Komponente. Er hatte dabei ausgehend von dem für das Abschöpfungsrecht von ihm fruchtbar gemachten Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB, wonach (nur) das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein müsse, bei der Ausgestaltung des Abzugsverbots Fallgestaltungen im Auge, bei denen der Täter oder Teilnehmer (zu den Auswirkungen des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Einheitstäterbegriffs auf die Neufassung des § 29a OWiG: Beschlussempfehlung und Bericht zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/11640 S. 91) Aufwendungen willentlich und bewusst für die Vorbereitung oder Begehung einer Tat aufwendet oder einsetzt (BT-Drs. 18/9525, S. 105, 55, 67 a.E., 68; BT-Drs. 18/11640, S. 78 f., 91; hierzu auch Köhler NStZ 2017, 497 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 73d Rn. 5). Nach dem Verständnis des Gesetzgebers sind insoweit nunmehr solche Aufwendungen bei der Bestimmung des Erlangten abzuziehen, die zwar für ein verbotenes Geschäft angefallen sind, bei denen der Täter (oder Teilnehmer) das Verbotene des Geschäfts jedoch lediglich fahrlässig verkannt hat, so dass die Aufwendungen nicht „bewusst (vorsätzlich)“ für eine Straftat getätigt wurden (vgl. zur neuen Rechtslage nach § 29a OWiG n.F. bereits Senat, Beschluss vom 21.11.2017 – 2 Rb 4 Ss 699/17-, juris Rn. 26; BT-Drs. 18/9525, S. 67 ff., 69 oben [zur Neugestaltung des § 73d StGB, dem das Abzugsverbot nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG entlehnt ist]; BT-Drs. 18/11640, S. 78 f., 91; vgl. dazu Köhler NStZ 2017, 497 ff. [mit Fallbeispielen]).

b) Gemessen an diesen Maßstäben tragen die Feststellungen des Amtsgerichts dessen Annahme, der Abzug von Aufwendungen komme nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG von vorneherein nicht in Betracht, nicht. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen zu der im Abzugsverbot (§ 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG) durch das Tatbestandsmerkmal „für“ vorausgesetzten subjektive Komponente. Insoweit durfte das Amtsgericht nicht – wie hier geschehen – sowohl die Frage etwaiger Verantwortlichkeiten des damaligen Geschäftsführers der Einziehungsbeteiligten als auch die Frage, inwieweit die Fahrer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hatten, offenlassen.

1) Vor dem Hintergrund, dass Gegenstand der Einziehung vorliegend bei der Einziehungsbeteiligten aus den Überladungsfahrten entstandenen Vorteile waren und sie die Adressatin der Einziehungsanordnung ist, hätte es im Ausgangspunkt nahegelegen, bei der Prüfung der subjektiven Komponente des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG zunächst auf das bei der Einziehungsbeteiligten vorhandene Vorstellungsbild abzustellen. Da es sich vorliegend bei der Einziehungsbeteiligten um eine juristische Person handelte, wäre insoweit auf das Wissen der zum Zeitpunkt der Ausführung der Taten verantwortlichen Geschäftsführungsorgane abzustellen gewesen, deren Kenntnisstand sich die Einziehungsbeteiligte zurechnen lassen muss (insoweit zu Recht Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 17 Rn. 1118).

Unter diesem Gesichtspunkt wäre der Einziehungsbeteiligten eine Geltendmachung naheliegend getätigter Aufwendungen wie Benzinkosten und zur Entlohnung der Fahrer aufgewendete Geldbeträge nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG daher dann verwehrt gewesen, wenn eines der damaligen geschäftsführenden Organe „bewusst und willentlich“ in die Überladungsfahrten verstrickt war, also aus dessen Sicht gezielt oder zumindest unter billigender Inkaufnahme der Überladung in die Fahrten investiert worden war (in vergleichbarem Sinne Köhler, NStZ 2017, 497, 509, zu einer von einem gutgläubigen Werkzeug zugunsten eines „Dritten“ ausgeführten Gewässerverunreinigung). Mit Blick darauf, dass nach den bisherigen Feststellungen auch der damalige Geschäftsführer frühzeitig über das Problem der Überladungen informiert wurde, liegt ein entsprechendes Bewusstsein jedenfalls für nachfolgende Fahrten nicht fern.

2) Unabhängig von etwaigen Kenntnisständen auf der Geschäftsführungsebene hätte es ebenfalls nahegelegen, bei der Prüfung des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG der Frage nachzugehen, inwieweit jedenfalls die von der Einziehungsbeteiligten eingesetzten Fahrer als „Täter“ der Überladungsfahrten „bewusst und willentlich“ die Überladung der Fahrzeuge in Kauf genommen hatten. Denn angesichts der vom Amtsgericht an anderer Stelle getroffenen Feststellung, dass die Fahrer regelmäßig von Seiten der Einziehungsbeteiligten angewiesen wurden, nicht überladen zu fahren und sie zudem vom Wiegemeister der Firma Y beim Abladen stets auf die Überladungen hingewiesen wurden, lagen deren bewusste Verstöße gegen das Überladungsverbot durchaus nahe.

3) Den Kenntnisstand der Fahrer müsste sich die Einziehungsbeteiligte als Drittbegünstigte in Bezug auf die Abzugsfähigkeit angefallener Aufwendungen auch zurechnen lassen (so anhand von Fallbeispielen zu Recht Köhler NStZ 2017, 497, 508 f., der unter anderem den Rechtsgedanken der §§ 131, 166 BGB heranzieht; vgl. auch BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 48). Die von Hellmann insoweit vertretene Auffassung, das Abzugsverbot dürfe nur in Fällen „schuldhafter Verstrickung“ des Einziehungsadressaten selbst greifen, weswegen Hellmann eine Zurechnung schuldhaften Handelns nur auf entsprechendes Handeln von verantwortlichen Leitungspersonen, nicht aber von Mitarbeitern unterhalb der Leitungsebene oder Dritten erstrecken will (Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht aaO Rn. 1118 f.; einschränkend auch KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 29a Rn. 48; hiergegen zu Recht BeckOK OWiG/Meyberg aaO mit Nachweis zur Rechtsprechung des BVerfG) überzeugt mit Blick auf die Rechtsnatur der Einziehung, die auch nach der Reform gerade keine Strafe oder strafähnliche Sanktion beinhaltet (BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 48, 7 f.), nämlich nicht.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die strikte Anwendung des Abzugsverbots im Einzelfall gleichwohl mit besonderen Härten verbunden sein kann. Solchen Härten kann jedoch mit Blick darauf, dass die Einziehung nach § 29a OWiG (anders als im Strafrecht) dem Wortlaut in § 29a Abs. 1, Abs. 2 OWiG nach („kann“) als Opportunitätsentscheidung ausgestaltet ist und die Bußgeldbehörde bzw. der Tatrichter infolge dessen jeweils ein eigenes Ermessen dahingehend auszuüben haben, ob und in welcher Höhe die Einziehung vorzunehmen ist (BeckOK OWiG/Meyberg aaO OWiG § 29a Rn. 77 ff. m.w.N.), im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung getragen werden.“

Ich weiß, ist nicht ganz einfach :-), steckt aber ggf. eine Menge Geld für den Mandanten drin.

Einziehung, oder: Wenn die Voraussetzungen vorliegen, muss eingezogen werden

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In der 34. KW., dann zunächst zwei Entscheidungen zur Vermögensabschöpfung. Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 15.05.2018 – 1 StR 651/17, über den ich wegen der  Aussagen des BGH zu § 257 StPO bereits berichtet habe (vgl. Befragung des Angeklagten, oder: Der kluge Verteidiger baut vor und beanstandet…). Hier dann jetzt die Problematik zu den §§ 73 ff. StGB.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges verurteilt. Die Einziehung von Taterträgen oder deren Wertersatz ist durch das LG abgelehnt worden. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die beim BGH Erfolg hatte:

„II. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB) rechtsfehlerhaft abgelehnt. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung der Wertersatzeinziehung selbst in der Höhe des Wertes der festgestellten Beuteschäden (Bargeld) abzusehen, obwohl beide Angeklagten nach den Feststellungen die ursprüngliche Beute in Gestalt von Bargeld und Wertgegenständen i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt (zu den Voraussetzungen etwa BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 85 mwN; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 73 Rn. 26 mwN; siehe auch BT-Drucks. 18/9525 S. 62) hatten, findet im einfachen Gesetzesrecht keine Stütze und ist verfassungsrechtlich nicht veranlasst.

1. Liegen die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB) oder – wie hier – der Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen (§ 73c Abs. 1 StGB) vor, hat die Anordnung der entsprechenden Vermögensabschöpfung zu erfolgen (siehe nur Köhler NStZ 2017, 497, 498). Soweit nicht prozessual gemäß § 421 StPO verfahren worden ist, unterbleibt die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder seines Wertersatzes aus materiell-rechtlichen Gründen im Erkenntnisverfahren lediglich dann, wenn der (zivilrechtliche) Anspruch des Geschädigten bis zu dessen Abschluss erloschen ist (§ 73e Abs. 1 StGB) oder in den Fällen eines gutgläubigen Drittbegünstigten (§ 73b StGB) dessen Bereicherung weggefallen ist (§ 73e Abs. 2 StGB; dazu BT-Drucks. 18/9525 S. 69; näher Köhler/Burkhard NStZ 2017, 665, 674). Diese zum Ausschluss der Anordnung der Wertersatzeinziehung führenden Konstellationen sind auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gerade nicht gegeben.

2. Das Unterbleiben der Anordnung der Wertersatzeinziehung konnte das Landgericht weder auf eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung von § 459g Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 StPO stützen, ohne dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Vorschrift ankommt.

a) § 459g StPO normiert ausschließlich die Vollstreckung von Nebenfolgen und damit gemäß § 459g Abs. 2 StPO auch diejenige der Wertersatzeinziehung. Im Erkenntnisverfahren gilt sie nicht.

b) Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung sind offensichtlich nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat eine bewusste Entscheidung dafür getroffen, abweichend vom früheren Recht, Härten, die im Einzelfall mit der Wertersatzeinziehung verbunden sein können, nicht bereits im Erkenntnisverfahren (§ 73c StGB aF), sondern erst im Rahmen der Vollstreckung zu berücksichtigen (vgl. Köhler NStZ 2017, 497, 500). Damit fehlt es von vornherein an einer planwidrigen Regelungslücke. Sowohl der Wegfall der Bereicherung als auch die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung werden durch § 459g StPO erfasst.

3. Verfassungsrechtlich ist eine Berücksichtigung des Wegfalls der Bereicherung oder einer sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation weder geboten noch in methodisch zulässiger Weise begründbar.

Die Anwendung des seit 1. Juli 2017 geltenden Rechts der Vermögensabschöpfung auf Sachverhalte, bei denen die die Einziehung auslösende Straftat bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung begangen worden ist (Art. 316h Satz 1 EGStGB), steht mit Verfassungsrecht in Einklang.

a) Ein Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte strafrechtliche Rückwirkungsverbot ist damit nicht verbunden (BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 3 StR 577/17). Weder die Einziehung von Taterträgen noch die hier fragliche Wertersatzeinziehung sind Strafen oder weisen strafähnlichen Charakter auf (oben Rn. 40; BT-Drucks. 18/11640 S. 84; zum früheren Recht BVerfG aaO, BVerfGE 110, 1, 14 ff.).

b) Das allgemeine, im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde Rückwirkungsverbot ist ebenfalls nicht beeinträchtigt, weil kein schutzwürdiges Vertrauen auf strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen erfassende gesetzliche Regelungen besteht (BT-Drucks. 18/11640 S. 84).

Im Übrigen berücksichtigt das neue Recht bereits auf der Ebene der Anordnungsvoraussetzungen – insoweit teilweise abweichend von der früheren Regelung – Aufwendungen des Tatbeteiligten zu dessen Gunsten bei der Bestimmung der Höhe der abzuschöpfenden Wertersatzeinziehung und zieht den Wegfall der Bereicherung sowie die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung angeordneter Einziehungen als Gründe dafür heran, dass aufgrund gerichtlicher Entscheidung die Vollstreckung unterbleibt (§ 459g Abs. 5 StPO). …..“