Archiv für den Monat: Mai 2018

Rechtsmittel durch einfache Email?, oder Bloß nicht

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Und zum Schluss des Tages dann noch den OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2017 – 4 Ws 241/17. Der untermauert noch mal den Rat: Rechtsmittel durch Email? Das sollte man lieber lassen, denn:

„Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht in der nach § 306 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Form, d.h. zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich, eingelegt worden ist. Der Verurteilte hat – trotz erhaltener Rechtsmittelbelehrung – das Rechtsmittel nur durch einfache, nicht über eine elektronische Signatur nach § 41a StPO verfügende E-Mail, gesandt an die Poststelle des LG Bielefeld eingelegt. Dies erfüllt die o.g. Formanforderungen nicht (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 536; LG Gießen NStZ-RR 2015, 344; LG Zweibrücken, Beschl. v. 07.07.2010 – Qs 47/10 – juris).“

Das mag demnächst anders werden/sein: §§ 32a ff. StPO, aber derzeit: Finger weg.

Und das gilt übrigens auch für das Bußgeldverfahren. Denn so – der AG Kassel, Beschl. v. 06.09.2017 – 384 OWi – 9433 Js 27079/17: Ein Einspruch durch einfache E-Mail ist unwirksam.

Eindeutiger Meldeschriftsatz für Schadenregulierung eines Verkehrsunfalles, oder: Keine Verteidigervollmacht

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich ebenfalls um eine AG-Entscheidung, und zwar um den AG Tiergarten, Beschl. v. 07.03.2018 – (297 OWi) 3022 Js-OWi 1116/18 (110/18). Er kommt aus der Rubrik/dem Reservoir: Vollmacht und Verjährung. Ergangen ist er in einer Bußgeldsache, die in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gegen den Betroffenen anhängig war. In der Sache wird der Bußgeldbescheid an den Rechtsanwalt als Verteidiger des Betroffenen zugestellt. Der hatte sich bis dahin aber nur mit einem  „Meldeschriftsatz“ gemeldet, in dem es geheißen hat, „von seiner „Mandantschaft … in der Schadenregulierung des Verkehrsunfalles vom 17.07.2017 … mit der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Interessen beauftragt“ worden zu sein.“

Das AG sagt: Das reicht nicht, um als „Verteidiger“ ausgestattet mit einer Zustellungsvollmacht angesehen zu werden:

„Aus dieser eindeutigen Formulierung – die auch nicht dem bewusst missverständlichen Vorgehen von Verteidigern in den Fällen der sog. „Verjährungsfalle“ entspricht (vgl. hierzu Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 33 Rdnr. 35) – ergab sich unmissverständlich, dass eine Vertretung nur für zivilrechtliche Fragen vorliegt, nicht jedoch auch für ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Einen Grundsatz, dass ein Rechtsanwalt im Zweifel immer als Verteidiger auftritt, gibt es nicht (Göhler a.a.O. § 51 Rdnr. 44a).

Daran ändert auch nichts, dass in der hierzu mit Schriftsatz vom 15.08.2017 nachgereichten Vollmachtsurkunde formularmäßig „zur Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen …“ aufgeführt ist. In Fällen, in denen – wie hier – die Vollmachtsurkunde eine Vertretung in weiteren Bereichen ausweist als im Meldeschriftsatz angegeben, geht der Wortlaut des Meldeschriftsatzes vor. Denn für eine wirksame Vertretung genügt es nicht, dass der Mandant den Rechtsanwalt mandatiert und eine entsprechende schriftliche Vollmacht unterzeichnet, sondern die Mandatierung muss erst noch von dem Rechtsanwalt angenommen werden, um wirksam zu werden. In welchem Umfang sie angenommen wurde, ergibt sich in aller Regel aus dem Schriftsatz, mit dem sich der Rechtsanwalt erstmals zum Verfahren meldet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, Vorb. § 137 Rdnr. 4).

Erst mit dem Einspruchsschreiben vom 19.10.2017, dem eine formularmäßige „Strafprozessvollmacht“ vom 18.10.2017 beigefügt war, hat sich der Rechtsanwalt zum hiesigen Ordnungswidrigkeitverfahren als Verteidiger des Betroffenen gemeldet. Diese spätere Verfahrensentwicklung vermag jedoch nicht die unzulässigerweise an ihn erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheides nachträglich zu heilen, weil vorliegend nicht von einem Fall der sog. „Verjährungsfalle“ auszugehen ist (vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW 2008, 2727).“

Nun ja, so weit so gut…. Allerdings: Warum eigentlich noch eine Vollmacht „nachgereicht“…..?

Das AG Coesfeld und das „eingeklemmte“ Mobiltelefon, oder: Altes oder neues Recht, was denn nun?

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Nun, alle den 1. Mai gut überstanden? Hier in Münster war mal wieder die Hölle los. Nein, keine Krawalle, aber HordenGruppen junger/jüngerer Leute, die durch die Stadt ziehen und dabei die mitgeführten Ghettoblaster so laut stellen, dass jeder hören kann – ob er will oder nicht -, welche Musik man mag. Ich mag die Musik allerdings nicht. Aber wahrscheinlich werde ich dann doch alt 🙂 .

Zur Sache und damit zu Jura. Als erstes das AG Coesfeld, Urt. v. 26.02.2018 – 3b OWI-89 Js 2030/17-306/17, das mir der Kollege H. Urbanzyk aus Coesfeld – mein Imker 🙂 – hat zukommen lassen. Das Urteil lässt mich – hoffentlich nicht nur mich – ein wenig ratlos zurück. Abgesehen davon, dass der Amtsrichter wohl keine Korrektur gelesen hat – es sind eine ganze Reihe Tippfehler pp. vorhanden -, was man jedoch schnell vergisst – passiert mir hier auch immer wieder und es bleiben Tippfehler in den Postings, bleibt eine – allerdings wichtige – Frage:

Welches Recht hat das AG denn nun angewendet? Es handelt sich um einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO, also „Mobiltelefon“ im Straßenverkehr. Tatzeit war nach den Feststellungen der 19.06.2017, die Neuregelung des § 23 Abs. 1a StVO (vgl. dazu hier Elektronische Geräte/Mobiltelefon im Straßenverkehr aus ZAP Heft 8/2018, F 9 S. 987) ist aber erst am 19.10.2017 in Kraft getreten. Also hätte noch die alte Regelung angewendet werden müssen. Die hat das AG aber nicht angewendet, denn im Urteil heißt es u.a.: „Auch die hier anzuwendende neue Fassung des § 23 Abs. 1a StVO setzt nicht voraus, …„. Also neue Regelung, wofür dann auch die weiteren Ausführungen sprechen? Oder vielleicht doch nicht? Denn die vom AG ausgeurteilten Rechtsfolgen entsprechen der alten Regelung. Die sah nämlich nur eine Regelgeldbuße von 60 € vor, die das AG auch als Basis bei der Bußgeldbemessung zugrunde gelegt hat. Nach der neuen Regelung hätte es aber von 100 € ausgehen müssen. Also, Wirrwarr.

Und in der Sache: Es handelt sich um einen dieser „Klemmerfälle“, denn das AG stellt fest: „Dabei konnten [sie = die beobachtenden Polizeibeamten] den Betroffenen sehen, der mit seinem Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen weiterfuhr und dabei ein Mobiltelefon mit der linken Schulter ans linke Ohr presste und in das Mobiltelefon sprach. In der Anhaltesituation befand sich das Mobiltelefon in einer Halterung an der Windschutzscheibe. „

Jetzt lassen wir es mal dahingestellt, ob die Polizeibeamten wirklich alles das haben sehen können, was das AG feststellt. Zumindest haben es wohl nicht „die“ (drei) Polizeibeamten gesehen, denn zwei haben sich nach den Ausführungen des AG nicht konkret erinnern können. Und ob der dritte alles hat sehen können und das Mobiltelefon „wiedererkannt“ hat….. na ja. Aber ist Beweiswürdigung….

Das AG sieht die o.a. Situation als einen Fall des § 23 Abs. 1a StVO an, und zwar wohl sowohl nach altem als auch nach neuem Recht – s.o. „Wirrwarr“. Das begründet es wie folgt:

„Die Benutzung des Mobiltelefons im Sinne dieser Vorschrift durch ein Halten oder Aufnehmen ist nach Auffassung des Gerichts auch durch ein Einklemmen des Mobiltelefons zwischen Schulter und Ohr erfüllt, da auch durch diese Handhabung ebenfalls die verbotene Ablenkung des Verkehrsteilnehmers verbunden mit seiner körperlich eingeschränkten Bewegungssituation eintritt. Auch die hier anzuwendende neue Fassung des § 23 Abs. la StVO setzt nicht voraus, dass das Mobiltelefon mit der Hand aufgenommen oder gehalten wird. Es ist weiterhin nur die Rede von  „aufgenommen“ oder „gehalten“, während im Hinblick auf die nun erfassten elektronischen Geräte zahlreiche Neuerungen und Ergänzungen erfolgt sind. Aus diesem Kontext heraus zeigt sich jedoch deutlich die Intention des Gesetzgebers, der weiterhin alle Verhaltensweisen sanktionieren will, die zu einer Ablenkung des Verkehrsteilnehmers durch, elektronische Geräte führt. Bei den zugelassenen elektronischen Geräten nach § 23 Abs. la Nr. 2 a) und b) StVO fällt auf, dass diese nur erlaubt sind, wenn sie mit einer Sprachsteuerung oder Vorlesefunktion ausgestattet sind und mit dieser benutzt werden oder nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät erforderlich ist, Ein längeres Berühren eines elektronischen Gerätes oder  gar ein haltekrafterforderndes Tragen am Körper ist auch weiterhin nicht gestattet. Dies wird auch deutlich unter Berücksichtigung von § 23 Abs. la S. 3 StVO, der selbst ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät wie eine Videobrille verbietet, obwohl das Tragen dieses elektronischen Gerätes die Bewegungsfreiheit des Fahrzeugführers in körperlicher Hinsicht nicht einschränkt. Umso mehr muss deshalb ein Halten eines elektronischen Gerätes zwischen Schulter und Ohr von diesem Verbot erfasst sein, da diese verkrampfte Körperhaltung das Sichtfeld des dadurch schräg und leicht gebückt sitzenden Fahrzeugführers einengt und zugleich seine Reaktionsmöglichkeiten bei der Benutzung des Lenkrades einschränkt, da eine Schulter mitsamt des Armes dauerhaft mit Muskelkraft dafür sorgen muss, dass das Mobiltelefon an das Ohr des Fahrzeugführers gepresst wird. Auch wenn die  Rechtsprechung bisher nicht explizit auf diese Positionierung eines Mobiltelefones Bezug genommen hat, so steht diese Auslegung doch im Einklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm, welches noch zum alten Wortlaut des Tatbestandes ausgeführt hat, dass die Vorschrift nach der gesetzgeberischen Intention gewährleisten soll, ist der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobiltelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgaben frei hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.12.2012, 5 RBs 4/12). Beim Einklemmen des Mobiltelefons zwischen Schulter und Ohr hat der Fahrzeugführer gerade nicht beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgaben frei, da eine Hand lediglich kraftlos auf das Lenkrad gelegt werden kann, während die gesamte Muskelkraft der Schulter und Armpartie auf die Fixierung des Mobiltelefons verwandt werden muss und gerade nicht für die Bewältigung der Fahraufgaben verwendet werden kann.“

Nun ja, ob das in der Argumentation so richtig ist? Ich habe das zwar auch mal so vertreten, bin davon aber abgerückt. Denn m.E. braucht man diese Klimmzüge – oder besser: Klemmzüge 🙂 – auch gar nicht. Denn legt man die obergerichtliche Rechtsprechung zugrunde, wonach Benutzung – in der Vergangenheit des Mobiltelefons, jetzt: des elektronischen Geräts – nicht nur der eigentliche Nutzungsvorgang ist – hier also das Telefonieren, sondern auch alle damit zusammenhängenden Vor- und Nachbereitungsarbeiten/-handlungen, dann reicht auch das Telefonieren mit dem „eingeklemmten“ Gerät. Das wird zwar nicht (mehr) gehalten/aufgenommen, aber es hat gehalten/aufgenommen werden müssen, um zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt zu werden – Vorbereitung – und dann, um in die „Halterung an der Windschutzscheibe“ – Nachbereitung – gesteckt zu werden. Und für beides wird – neues Recht – mehr als eine „nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich“ gewesen sein. Allerdings haben wir ggf. das Problem, wann denn nun der Betroffene das Gerät eingeklemmt hat.  Vielleicht ja schon vor Anlassen des Motors? Aber das dürfte dann ein wenig (?) der Lebenserfahrung widersprechen.

Das Urteil ist übrigens rechtskräftig geworden. Nein, nicht der Kollege Urbanzyk hat es rechtskräftig werden lassen, der war nämlich nur Unterbevollmächtigter. Sondern die Kollegen, die den Betroffenen als Hauptbevollmächtigte vertreten/verteidigt haben. Allerdings: Selbst wenn das OLG Hamm im Rechtsbeschwerdeverfahren einen Rechtsfehler angenommen hätte, der, da nicht klar ist, welches Recht denn nun angewendet worden ist, m.E. vorliegt, hätte sich immer noch die Frage des Beruhens (§ 337 StPO gestellt. Und da kann man sagen – wenn man mal alle anderen Fragen außen vorlässt: Auf dem Fehler beruht das Urteil nicht, denn es sind ja nur 80 € Geldbuße – auf der Basis 60 € Regelgeldbuße – festgesetzt worden. Nach neuem Recht hätten es aber mindestens 100 € sein müssen.

Man sieht an dem Urteil übrigens sehr schön, welche Mühe/Arbeit es macht, wenn Amtsgerichte nicht sorgfältig arbeiten.

Fahrverbot III: Wirtschaftliche Härten beim Selbständigen, oder: Die Schonfrist ist ein „Genuss“….

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Und zum Abschluss weise ich dann noch einmal auf das AG Dortmund, Urt. v. 04.07.2017 – 729 OWi-265 Js 968/17 -173/17 – hin. Über das habe ich vor kurzem ja schon einmal berichtet, und zwar wegen der Fragen zum Schuldspruch (vgl. hier: Das AG Dortmund, die Geschwindigkeitsüberschreitung und die Fahrtunterbrechung). Heute dann die Rechtsfolgen, und zwar das vom AG verhängte Fahrverbot. Der Betroffene war selbstständig tätig und hatte berufliche Härten geltend gemacht. Kein Erfolg:

„Der Betroffene hat wirtschaftliche Härten geltend gemacht. Er hat geltend gemacht, dass er eine Einzelfirma habe und keinerlei Angestellte. Er arbeite im Bereich des Ladenausbaus und sei dementsprechend auch in dieser Tätigkeit am Tattage in Dortmund gewesen. Im Jahre 2013, 2014 und 2015 habe er nur Verluste gemacht. Er lebe am Existenzminimum. Ohne Führerschein könne er seine Arbeit nicht nachgehen. Er habe zu Hause lediglich einen Büroraum, in dem er seine Planungen durchführe. Er müsse ansonsten in dem Bereich Münster, Osnabrück und auch im Bereich des Ruhrgebietes tätig werden. Er könne so nicht auf seine Fahrerlaubnis  verzichten. Derzeit habe er zwei größere Objekte in Münster und Osnabrück. Für ihn sei es insoweit nicht zumutbar, auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen zu werden.

Das Gericht hatte dem Betroffenen bereits in einem ersten Hauptverhandlungstermin ausdrücklich den Hinweis erteilt, dass er zu etwaigen wirtschaftlichen und beruflichen Härten nicht nur vortragen müsse, sondern auch derartige Härten glaubhaft machen müsse. Das Gericht hat den Betroffenen im Rahmen des Fortsetzungstermins darauf nach langem Warten auf das Erscheinen des Betroffenen ausführlich befragt und auch zu etwaigen mitgebrachten Unterlagen befragt. Der Betroffene erklärte, er könne keine Unterlagen vorlegen. Er habe keine Auftragsbücher dabei. Er könne keine Buchhaltung vorlegen. Er könne auch keine Unterlagen vom Steuerberater vorlegen und auch keine Einkommensteuerbescheide. Er könne derartige Unterlagen auch nicht kurzfristig besorgen.

Dementsprechend konnte das Gericht wirtschaftliche oder berufliche Härten tatsächlich nicht feststellen. Im Übrigen konnte der Betroffene tatsächlich auch nicht glaubhaft machen, warum er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln seine Arbeitstätigkeit weiterführen könnte für die Dauer eines Monats, zumal er in den Genuss der Schonfristgewährung nach § 25 Abs. II a StVG kommt.“

Ist bei dem „viel beschossenen“ Hasen – immerhin fünf Voreintragungen – sicherlich vertretbar, einmal ist eben Schluss. Allerdings hat man so ein wenig den Eindruck, dass das AG über das Verhalten des Betroffenen verärgert war: „m Rahmen des Fortsetzungstermins darauf nach langem Warten auf das Erscheinen des Betroffenen “ und ob die „Schonfrist“ des § 25 Abs 2a StVG nun ein „Genuss“ ist, wird man diskutieren können/müssen. M.E. ist es kein „Genuss“, den das AG gewährt, sondern unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG – zwei Jahre vor der OWi kein Fahrverbot – eine vom Gesetz zwingend vorgesehene Rechtsfolge für die Vollstreckung des Fahrverbotes.

Fahrverbot II: Beharrlichkeit, oder: Wenn ein früheres Fahrverbot „gewirkt“ hat

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Die zweite Fahrverbotsentscheidung kommt vom AG Neuruppin. Das AG Neuruppin, Urt. v. 30.10.2017 – 82.1 OWi 3421 Js-OWi 2986/17 (67/17) – ist schon etwas älter. Der Kollege Lauterbach aus Solingen hat es mir aber erst vor kurzem geschickt.

In der Entscheidung geht es um einen „Außendienstler“, der schon vier mal straßenverkehrsrechtsrechtlich in Erscheinung getreten ist, und zwar:

„Am 09.10.2015 (rechtskräftig am 29.10.2015) wurde gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde Rheinpfalz in Speyer eine Geldbuße von 80,00 € verhängt wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h bei zulässigen 100 km/h am 10.08.2015.

Am 16.06.2016 (rechtskräftig am 06.07.2016) verhängte die Bußgeldbehörde der Stadt Köln gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 70,00 € wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h am 22.02.2016.

Am 26.08.2016 (rechtskräftig am 15.09.2016) verhängte die Bußgeldbehörde in Speyer erneut ein Bußgeld in Höhe von 100,00 € gegen den Betroffenen wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften am 07.06.2016. Außerdem wurde ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet.

Am 18.10.2016 (rechtskräftig am 05.11.2016) verhängte die Bußgeldbehörde der Stadt Herne gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 115,00 € wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h am 17.08.2016.“

Am 24.06.2018 kommt es dann zu der Geschwindigkeitsüberschreitung, die Gegenstand des Urteils ist. Das AG setzt – womit man an sich rechnen musste – aber kein (neues) Fahrverbot fest

„Außerdem liegt ein Regelfall für ein Fahrverbot nach 25 StVG vor, da durch die Erfüllung des Tatbestandes nach 4 Abs. 2 BKatV (eine Überschreitung der Geschwindigkeit um mindestens 26 km/h innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft einer vorhergehenden Buße wegen einer Überschreitung um mindestens 26 km/h) grundsätzlich eine beharrliche Pflichtverletzung zu vermuten ist, welche ein Fahrverbot indiziert.

Diese Vermutung lässt jedoch nicht die Pflicht zur Einzelfallprüfung entfallen.

Als beharrlich zählen Verkehrsverstöße, die zwar nicht zu den groben Verkehrsverstößen zählen, aber wiederholt begangen werden und die darauf schließen lassen, dass es dem Betroffenen an der für Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und notwendigen Einsicht in zuvor begangenes und geahndetes Unrecht fehlt (BGHSt 38,231).

Es handelt sich um eine wiederholte Geschwindigkeitsübertretung. Gegen den Betroffenen ist vor dieser Tat am 24.06.2016 wegen einer einschlägigen Tat, rechtskräftig bereits am 29.10.2015 ein Bußgeld verhängt worden.

Vor dieser Tat am 24.06.2016 hatte der Betroffene bereits am 07.06.2016 die Geschwindigkeit um 30 km/h überschritten und wurde dafür am 26.08.2016 mit Rechtskraft am 15.09.2016 (also nach der hier in Rede stehenden Tat ! ) zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.

Dieses Fahrverbot hat er in der Zeit vom 26.11.2016 – 26.12.2016 angetreten.

Die hier zu beurteilende Tat vom 24.06.2016 erfolgte also in Kenntnis nur der geahndeten Tat mit Rechtskraft vom 29.10.2015.

Alle weiteren Taten wurden erst nach dem vorliegenden Tatdatum später rechtskräftig.

Voraussetzung für die Annahme der Beharrlichkeit und die daraus folgende Anordnung eines Fahrverbots aus diesem Grunde ist die Begehung einer neuen Tat in Kenntnis von begangenem und geahndeten Unrecht (BGH a.a.O.).

Zur Überzeugung des Gerichts haben die Auswirkungen des bereits vollstreckten Fahrverbots vom 26.11 26.12.2016 bereits eine ausreichende erzieherische Wirkung auf den Betroffenen erzielt.

Der Betroffene ist seit dem verbüßten Fahrverbot nicht mehr auffällig geworden. Die Anordnung eines an sich nach dem Regelsatz der Bußgeldverordnung gebotenen weiteren Fahrverbotes (wegen einer geahndeten Tat von 2015) ist zur Überzeugung des Gerichts nicht mehr erforderlich (vgl. OLG Brandenburg 19.03.2015 -(2b) 53 Ss-OWi 62/15(38/15) -und vom 16.09.2014 -(2B) 53 SsOWi 456/14(217/14) m.w.N.“

Und: Hilfsweise prüft das AG eine „unbillige Härte“ und bejaht die wegen eines drohenden Arbeitsplatzverlustes. Ob das alles in anderen Bundesländern so rechtskräftig geworden wäre, wage ich zu bezweifeln.