Das KG sieht das anders. Es geht davon aus, dass der Beklagte die Folgen des Unfalls allein zu tragen habe.
„a) Es kann dahinstehen, ob der Entscheidung des 29. Zivilsenats vom 8. Juni 2015 (Az.: 29 U 1/15 – juris) zu folgen ist. Dort hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass das Befahren der Busspur ein Mitverschulden begründe, weil die Übersichtlichkeit der Verkehrslage beeinträchtigt werde, so dass der Linksabbieger, der in eine Grundstückseinfahrt abbiegen will, nicht den gesamten Schaden allein tragen müsse. Denn im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob derjenige, der sich unter Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO in den fließenden Verkehr einreihen will, sich darauf berufen kann, dass der andere Unfallbeteiligte die Fahrspur unberechtigt befahren hat.
Dies ist nach Auffassung des Senats in einem Fall, wie dem Vorliegenden zu verneinen. Etwas andere könnte nur dann gelten, wenn das Verbot für den allgemeinen Verkehr den durch Zeichen 245 ausgewiesenen Bussonderfahrstreifen zu befahren, der Unfallverhütung diente. Das ist nicht der Fall. So sollen mit der Einführung von Bussonderfahrstreifen Störungen des Linienverkehrs vermieden und soll der geordnete und zügige Betriebsablauf mit Taktfahrplänen gewährleistet werden (BR-Drucks. 428/12, S. 155). Ein Zweck, unfallverhütend eine besondere Übersichtlichkeit der Verkehrslage herbeizuführen, wie dies in der Entscheidung des 29. Zivilsenats ausgeführt wird, lässt sich daraus nicht ableiten. Der Beklagte zu 1) durfte nicht damit rechnen, dass auf dem Bussonderfahrstreifen kein Fahrzeug anzutreffen sein wird. Die – besonderen – Anforderungen des § 10 Satz 1 StVO haben ihn unabhängig davon getroffen, ob die Spur, auf die er einfahren wollte, zunächst nur für besonderen Verkehr zugelassen ist oder nicht. Aber auch der Kläger musste nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug aus der Parkreihe ohne ausreichende Versicherung über herannahenden Verkehr in die mittlere Spur einfährt. Denn insoweit war die Spur nicht für den Verkehr allgemein gesperrt, sondern lediglich für Sonderverkehr freigegeben, der aber auch unstreitig stattfand. Soweit in der Entscheidung des 29. Zivilsenats auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2007 (Az.: VI ZR 248/05 – juris) hingewiesen wird, ändert dies nichts. Der Bundesgerichthof lässt zwar offen, ob bei dem dortigen Auffahrunfall die vom Auffahrenden verletzte Vorschrift des § 4 Abs. 1 StVO vom Schutzzweck auch (unmittelbar) den unfallverursachenden, aber vom Unfall nicht betroffenen Linksabbieger erfasst, der den Vorausfahrenden zu einer Vollbremsung zwingt. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 StVO hat aber – anders als das Zeichen 245 – ersichtlich unfallverhütenden Charakter.
Dem Kläger kann auch nicht vorgehalten werden, dass er sich überhaupt am Unfallort befunden hat, wie der 29. Zivilsenat und ihm folgend das Landgericht meinen. Denn insoweit ist anerkannt, dass der notwendige Zurechnungszusammenhang nur gegeben ist, wenn neben der naturwissenschaftlichen Kausalität und der Eintritt des Schadens nach allgemeiner Lebenserfahrung absehbar ist, dass auch der Schutzzweck der verletzten Norm, diesen Schadensfall vermeiden will. Dies ist in Bezug auf das Verbot des Privatverkehrs zur Nutzung des Bussonderfahrstreifens gerade nicht der Fall.
Insoweit kommt auch ein Mitverschulden des Klägers nach den §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB an der Schadensentstehung nicht in Betracht. Den genannten Vorschriften geht die Regelung des § 17 StVG über die Haftungsabwägung vor (vgl. Scholten in JurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 17. August 2016, § 9 Rdn. 6; wohl auch Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 9 StVG Rdn. 1). Im Übrigen gilt im Rahmen der Vorschriften der Schutzzweckgedanke ebenso (vgl. BGH, Urteil vom 08. Oktober 1985 – VI ZR 114/84 –, BGHZ 96, 98-103, Rdn. 14). Die als Ausprägung des Gebots von Treu und Glauben anzusehende Berücksichtigung des Verhaltens des Geschädigten ist dabei nur dann gerechtfertigt, wenn die Schadensvermeidung durch den Geschädigten in besonderer Weise erschwert worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1971 – VI ZR 122/70 –, juris Rdn. 21). Insoweit ist allerdings richtig, dass ein verständiger und ordentlicher Verkehrsteilnehmer den Bussonderstreifen wegen des Verbots nicht befahren würde. Dies beruht aber darauf, dass die unberechtigte Nutzung bußgeldbewehrt ist. Sie beruht nicht darauf, dass die Nutzung mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden ist.
Der Senat verkennt nicht, dass die unzulässige Nutzung der Busspur und die damit zusammenhängenden Besonderheiten unfall- (mit-) verursachend wirken können. Dies ist etwa im gleichgerichteten Verkehr der Fall, wenn ein Rechtsabbieger den auf der Busspur Fahrenden übersieht. Denn diesem steht das Durchfahrtsrecht nach § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO nicht zu (vgl. 12. Zivilsenat, Beschluss vom 03. Dezember 2009 – 12 U 32/09 –, juris Rdn. 20). Ähnliches gilt, wenn ein Linksabbieger an einer Kreuzung oder Einmündung, in diese einfahren will und wegen des Staus auf der Vorfahrtsstraße sich eine Lücke bildet. Hier hat der die Busspur Befahrende damit zu rechnen, dass jemand unzureichend aufmerksam in die Busspur einfährt (vgl. 12. Zivilsenat, Beschluss vom 03. Dezember 2007 – 12 U 191/07 –, juris; 22. Zivilsenat, Hinweisbeschluss vom 10. Oktober 2017 – 22 U 55/16 -, S. 3 der UA – nicht veröffentlicht). Auch das Ausweichen auf den Bussonderstreifen, um den gestauten Verkehr durch Rechtsüberholen zu entgehen, und späterem Fahrstreifenwechsel in den gestauten Verkehr ist mit besonderen Gefahren verbunden, die aber auf dem Fahrstreifenwechsel beruhen. Gerade diese Besonderheiten rechtfertigen eine Mit- oder sogar Alleinhaftung. Anderes gilt in den Fällen, in denen ein Linksabbieger die mit einer Lichtzeichenanlage versehene Vorfahrtsstraße überqueren will, ohne auf den für ihn geltenden Räumpfeil zu warten. In diesem Fall ist wie in dem hier zu entscheidenden Fall allein die Nutzung der Busspur als Grund für eine Mithaftung unzureichend (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2007 – 12 U 191/07 –, juris Rdn. 16 mwN).“