Archiv für den Monat: Januar 2018

BTM III: Strafzumessung, oder: Die „geringe Risikominimierung für die Allgemeinheit“

Und zum Schluss der Reihe dann noch den OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2017 – 6 Rev 12/17, den mir der Kollege Tachau aus Hamburg vor einigen Tagen übersandt hat. Es geht um Strafzumessung bei BtM-Delikten. Das OLG hat aufgehoben, weil das LG von Gwerbsmäßigkeit ausgegangen war. Insoweit bitte selbst lesen. Mir geht es um eine andere Passage in dem Beschluss, und zwar:

„1. Entgegen der Auffassung der Genera/staatsanwaltschaft und der Verteidigung stellt es allerdings keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht in den Strafzumessungsgründen die Sicherstellung des von dem Ange klagten gehandelten Marihuanas in beiden abgeurteilten Fällen nicht strafmildernd berücksichtigt hat. Zwar handelt es sich bei dem Umstand der Sicherstellung wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit grundsätzlich um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der bei der Strafbemessung zu beachten und gemäß S 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO in den Urteilsgründen aufzuführen ist (BGH Beschluss vom 27. Juni 2017, Az.: 3 StR 476/16; Beschluss vom 8. Februar 2017, Az.: 3 StR 483/16 m. w. N.). Allerdings ist hier angesichts der eher geringen Menge des sichergestellten Marihuanas mit einem jeweils nur geringen Wirkstoffgehalt (in Fall 1: 1,58 Gramm in Fall 2: 33,04 Gramm; jeweils mit einem THC-Gehalt von 5 %); von einer so geringen Risikominimierung für die Allgemeinheit auszugehen, dass hier der Sicherstellung der Betäubungsmittel keine signifikante strafmildemde Wirkung mehr zukommt.“

Das kann man auch umdrehen = bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten verwenden 🙂 .

BtM II: Drogenkonsum auf einem Spielplatz, oder: Ungehörig?

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Als zweite Entscheidung aus dem BtM-/Drogenbereich der schon ältere OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2017 – 1 RBs 60/17. Der kundige Leser wird wegen des Aktenzeichens – „RBs“ ist eine Bußgeldsache – stutzen und sich fragen: OWi und BtM, geht das? Ja, das geht. Gegenstand des Beschlusses ist nämlich eine § 118 OWiG betreffende Frage – mal abgesehen von der verfahrensrechtlichen Problematik. In § 118 OWiG – ich habe auch erst nachschauen müssen – ist Vornahme einer grob ungehörigen Handlung, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, bußgeldbewehrt. Das AG hat dazu festgestellt, dass die Betroffene in der Nähe eines Kinderspielplatzes Drogen mittels einer Crack-Pfeife konsumiert habe und hat wegen eines fahrlässigen Verstoßes verurteilt. Dagegen der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem u.a. geltend gemacht worden ist, dass das AG keinen rechtlichen Hinweis erteilt habe, dass es auch wegen fahrlässiger Begehungsweise verurteilen könne/wolle. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg:

„Entgegen der mit der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Geltendmachung des unterlassenen Hinweis gemäß der §§ 46 OWiG, 265 Abs. 1 StPO nicht lediglich um eine allgemeine Rüge der Verletzung formellen Rechts, mit welcher die Betroffene im Zulassungsverfahren nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht gehört werden könnte. Vielmehr stellt sich das Unterlassen eines gebotenen rechtlichen Hinweises immer gleichzeitig auch als eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar, der in der Vorschrift des § 265 StPO eine (zusätzliche) einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat, wobei allerdings Art. 103 Abs. 1 GG eine noch darüber hinausgehende – und für die Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgebliche – Gewährleistung enthält (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 1 Ss 346/06 –, juris).

Es ist auch davon auszugehen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Verteidigung hat hierzu vorgetragen, die Betroffene hätte im Fall eines entsprechenden Hinweises – zutreffend – geltend gemacht, dass eine fahrlässige Begehungsweise im Hinblick auf die Vorschrift des § 118 OWiG nicht möglich ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 2 SsBs 68/09 –, juris). Es ist zumindest nicht fernliegend, dass das Amtsgericht nach entsprechendem Hinweis der Verteidigung und Überprüfung der Rechtslage dieser zutreffenden Auffassung gefolgt wäre.

Dementsprechend war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dortmund zurückzuverweisen.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Das Verschlechterungsverbot der §§ 46 OWiG, 358 Abs. 2 S. 1 StPO stünde einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Vornahme einer grob ungehörigen Handlung, die nach Bewertung des Senats in einem öffentlichen Drogenkonsum durchaus gesehen werden kann, nicht entgegen.

Soweit das Amtsgericht allerdings bisher die Eignung des Drogenkonsums der Betroffenen an der nicht näher beschriebenen Örtlichkeit zur Belästigung und/oder Gefährdung der Allgemeinheit vornehmlich mit der „Nähe“ zu einem Spielplatz begründet hat, dürften einerseits nähere Ausführungen zur genauen Lage der Spielplatzes und zur Einsehbarkeit des Aufenthaltsortes der Betroffenen sowie andererseits im Hinblick auf die notwendige subjektive Seite auch bezüglich einer etwaigen Kenntnis der Betroffenen von der Lage des Spielplatzes erforderlich sein.“

BtM I: Internethandel mit Drogen, oder: Kann ich den Internethändler noch anstiften?

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Heute dann mal ein BtM-Tag. Nein, nein, nicht wirklich 🙂 , sondern nur hier mit Entscheidungen. Und ich eröffne den Reigen mit dem BGH, Beschl. v. 25.10.2017 – 1 StR 146/17.

Das Verfahren war schon mal beim BGH. Der hatte mit Beschluss vom 08.09.2016  – 1 StR 232/16 – auf die Revision des Angeklagten das damalige Urteil des LG mit den Feststellungen aufgehoben, weil diese den Schuldspruch wegen täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht getragen hatten. Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht kam, hatte der Senat damals wegen Fehlens näherer Feststellungen zu Bestellvorgängen nicht beurteilen können. Nun hat das LG hat den Angeklagten u.a. wegen zweier Fälle der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, verurteilt.

Grundlage sind folgende Feststellungen:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Angeklagte am 23. Februar 2014 über das Internet 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids JWH-122 zum Preis von 346,05 € bei der Fa. S. in Shanghai (China).

Noch im selben Monat bestellte er aufgrund eines neuen Tatentschlus-ses über das Internet 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids UR-144 zum Preis von etwa 300 € von der Fa. Sa. aus Shanghai (China).

Die synthetischen Cannabinoide waren von guter Qualität. Der Reinheitsgehalt betrug mindestens 85 %. Die mit der jeweiligen Bestellung verbundenen Kaufangebote des Angeklagten nahmen die chinesischen Lieferanten an und versandten die Ware aus China an die Wohnanschrift des Angeklagten in Deutschland.

Die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG hat das Landgericht – jeweils sachverständig beraten – bei JWH-122 auf höchstens zwei Gramm, bei UR-144 auf höchstens sechs Gramm bestimmt.

Und das reicht dem BGH für die Verwerfung der Revision. Er macht in dem Zusammenhnag ganz interessante Ausführungen zur Frage der Anstiftung in den Fällen der Internetbestellung, die man in etwa wie folgt zusammenfassen kann: Anstiftung kann auch angenommen werden wenn der Haupttäter, wie hier die chinesische Firma bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt hat oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatte. Entscheidend ist, dass eben noch keine konkret-individualisierte Tat vorliegt, zu der muss der Haupttäter erst noch durch Hervorrufen des Tatentschlusses veranlasst werden. Das ist der Fall des sog. omnimodo facturus. Das bedeutet, dass – wie hier – auch derjenige, der im Internet, z.B. über einen „Online-Shop“, aus dem Ausland heraus die Lieferung von Betäubungsmitteln in das Inland anbietet, noch angestiftet werden kann. Die Internetpräsentationen eines im Ausland ansässigen Drogenhändlers sind lediglich Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots, eine sog. invitatio ad offerendum.

Von der Entscheidung wird man sicherlich noch lesen.

OLG Bamberg: Bei ES 3.0 von Bedienungsanleitung abgewichen …, oder: Hört, hört

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Und auch bei der zweiten Entscheidung stand/steht ein Messverfahren auf dem Prüfstand.Und zwar war es beim OLG Bamberg eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor vom Typ „ES 3.0“. Das OLG Bamberg – hört, hört – hat im OLG Bamberg, Beschl. v. 15.12.2017 – 2 Ss OWi 1703/171 – auf strikte Einhaltung der Bedienungsanleitung gepocht. Auch hier: Selbst lesen 🙂 .

In Kürze zu der Entscheidung: Das OLG bestätigt, dass von einem im standardisierten Messverfahren gewonnenen Messergebnis – eben auch bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Einseitensensor vom Typ „ES 3.0“ – grundsätzlich nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden kann. Eine von dieser Bedienungsanleitung relevante Abweichung liegt bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sog. Einseitensensor vom Typ „ES 3.0“ nach Auffassung des OLG aber vor, wenn die gerätespezifische Fotodokumentation der Messung allein durch eine funkgesteuerte, jedoch ungeeichte Zusatzfotoeinrichtung und nicht auch durch die nach der Bedienungsanleitung vorgesehenen eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen erfolgt.

Ergebnis: Es darf dann nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden. Das hat zur Folge, dass das AG dann, wenn es die Verurteilung auf ein solches, durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Bedienungsanleitung belastetes Messergebnis stützen will, dessen Korrektheit individuell zu überprüfen hat, was i.d.R. nicht ohne die Mitwirkung eines Sachverständigen für Messtechnik möglich ist (vgl. KG VRS 116, 446; OLG Koblenz DAR 2006, 101). Der hat sich dann auch zu höheren als den üblichen Sicherheitsabschlägen zu äußern.

Leivtec XV3 nicht standardisiert, oder: Honig saugen

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Nach den Ergebnissen vom 56. VGT dann noch zwei OWi-Entscheidungen, die schon seit einigen Tagen in meinem Blogordner hängen. Zunächst der Hinweis auf das AG Jülich, Urt. v. 08.1.2017 – 12 OWi-806 Js 2072/16-122/16, das mir vom Kollegen Jumpertz aus Jülich, der diese Entscheidung „erstritten“ hat, übersandt worden ist.  Es geht um eine mobile Messung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3. Das AG sagt: Nicht (mehr) standardisiert.

Ich will das umfangreiche Urteil hier jetzt nicht einstellen, sondern empfehel das Selbststudium. Nur kurz: Das AG begründet seine Auffassung damit, dass im Rahmen des Verfahrens zur Bauartzulassung die maßgeblichen Anforderungen (PTB-A 18.11) nicht beachtet worden seien, welche hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit von Messgeräten die Einhaltung der DIN EN 61000 voraussetzen. Es seien nämlich erforderliche EMV-Tests gar nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das AG hat den Betroffenen dann freigesprochen, da eine weitere Überprüfung der Messung nicht möglich war. Die Messdaten waren nämlich inzwischen gelöscht.

Nun, ob das mit dem Freispruch so richtig ist oder ob man nicht Rechtsprechung der OLG hätte anwenden müssen, wonach das Messergebnis in diesen Fällen anwendbar ist, aber ein größerer Sicherheitsabschlag gemacht werden müssen, lasse ich mal dahingestellt. Jedenfalls kann man aus der Entscheidung „Honig saugen“.