Archiv für den Monat: Dezember 2017

Ich habe da mal eine Frage: Ein oder zwei Verfahrensgebühren im Rahmen der Strafvollstreckung?

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Ich habe länger überlegt, ob ich heute – am letzten Arbeitstag vor Weihnachten – auch noch einmal ein Gebührenrätsel einstelle. Ich habe mich dann dazu entschlossen, vielleicht hat ja doch der ein oder andere Kollege ein wenig Zeit sich mit der Lösung der nachfolgenden Frage zu befassen. Sie stammt aus der Facebook-Gruppe der Fachanwälte für Strafrecht und ist dort während meines Urlaubs gestellt worden. Und natürlich auch – von „hoher See“ aus beantwortet worden. Also bitte diejenigen, die die Lösung kennen: Zurückhalten.

Die Frage lautete:

„Kurze gebührenrechtliche Frage: Beschluss des LG vom 07.04.2017 mit Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht. Ich lege Beschwerde dagegen ein und beantrage AE, Begründung soll nach AE erfolgen. Ich bekomme AE, darin ganz am Ende schon Beschluss des LG „Der Beschwerde des Verurteilten wird nicht abgeholfen“.

OLG teilt mir dann mit, bis wann man Begründung der Beschwerde entgegen sieht, innerhalb der Frist erfolgt meine Begründung. Antwort vom OLG: „Nachdem LG die Entscheidung, der Beschwerde nicht abzuhelfen, getroffen hat, ohne die angekündigte Beschwerdebegründung abzuwarten, und im Hinblick auf die beschränkte Prüfungskompetenz des Senats gibt die nunmehr vorliegende Beschwerdebegründung Veranlassung, die Akten an die Strafvollstreckungskammer zurückzugeben, damit unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens über die Abhilfe entschieden werden kann.“

Darauf ergeht ein neuer Beschluss des LG vom 26.06.2017: „Auf die Beschwerde hin wird er Beschluss des LG vom 07.04.2017 wie folgt abgeändert“. Es folgen Konkretisierungen der Weisungen.

Ich lege erneut Beschwerde ein und begründe diese direkt. Beschluss des OLG vom 09.08.2017 hebt den Beschluss des LG vom 26.06.2017 auf, notwendige Auslagen Staatskasse.

Erhalte ich nun ein oder zwei Verfahrensgebühren? LG und Beschwerde? Bezirksrevisor meint eine.“

Lösung gibt es dann aber nicht am Montag, da ist nämlich 1. Weihnachtstag 🙂 .

Mehrere Wahlverteidiger, oder: Kostenerstattung nach Freispruch

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Bei der zweiten Gebührenentscheidung handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 29.05.2017 – 1 Ws 25/17. In ihm geht es – noch einmal – um die in der Praxis auch immer bedeutsame Frage der Kostenerstattung nach Freispruch bzw. die Frage der Erstattungsfähigkeit der Wahlverteidigergebühren bei mehreren Rechtsanwälten. Der frei gesprochen Angeklagte hat die Wahlanwaltsgebühren für zwei (Plficht)Verteidiger geltend gemacht. Warum zwei Verteidiger? Nun, der der erste Verteidiger hatte seine Anwaltszulassugn zurückgegeben, daraufhin hat der Angeklagte einen anderen Verteidiger beauftragt. M.E. eine eindeutige Konstellation. Anders aber das LG, das jedoch vom OLG zur Ordnung gerufen wird. Der Leitsatz des Beschlusses:

„Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte eines Beteiligten sind insoweit als notwendige Auslagen gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO anzusehen, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person eines Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Sind diese Voraussetzungen bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers erfüllt, besteht grundsätzlich keine Veranlassung, bei den als notwendige Auslagen des Angeklagten erstattungsfähigen Wahlverteidigergebühren des zweiten Pflichtverteidigers neben den an diesen ausgekehrten Pflichtverteidigergebühren gemäß § 52 Abs. 1 S. 2 RVG auch die an den zunächst bestellten Pflichtverteidiger ausgekehrten Gebühren in Abzug zu bringen.“

Und weiter:

„Gemessen an diesen Grundsätzen war der Verteidigerwechsel vorliegend angesichts der Aufgabe der Anwaltszulassung durch den zunächst bestellten Pflichtverteidiger notwendig. Insofern kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 16.02.2017 Bezug genommen werden, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (vgl. auch Volpert in: Burhoff (Hg.), a.a.O., § 54 Rdn. 11 f., m.w.N.).“

Schön, wenn man das liest und wenn man die Bezugnahmen auf das eigene RVG-Werk sieht 🙂 . Da kommt vorweihnachtliche Freude auf.

Erstreckungsantrag/-entscheidung immer erforderlich, oder: Trostpflaster

Heute also der letzte vorweihnachtliche Arbeitstag – ich vermute mal, dass in vielen Kanzleien heute dann doch nicht mehr so intensiv wie an anderen Tagen gearbeitet wird. Aber vielleicht hat ja doch der ein oder andere Kollege (noch) Zeit, sich die heutigen gebührenrechtlichen Postings anzuschauen.

Ich berichte zunächst über den OLG Hamburg, Beschl. v. 20.11.2017 – 2 Ws 179/17 -, auf den ich bei meinen „Nachurlaubsaufräumarbeiten“. Er behandelt dann noch einmal das (leidige) Thema der Erstreckung im Gebührenrecht (§ 48 Abs. 6 RVG). Er passt ganz gut zu dem während meines Urlaubs vorgestellten OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.10.2017 – 1 Ws 196/17 – (vgl. dazu Erstreckung, Erstreckung, Erstreckung, oder: Immer einen Antrag stellen). Es geht in der OLG Hamburg-Entscheidung nämlich auch wieder um die Frage der Erforderlichkeit des Erstreckungsantrags bzw. darum, ob es darauf ankommt, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der in einem der verbundenen Verfahren vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung angeordnet wird. Das OLG Hamburg sagt dazu – ebenfalls: Nein darauf komme es nicht an. § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG ist in allen Fällen ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge von Verbindung und Beiordnung anwendbar. Ist m.E. nicht richtig, aber es nutzt nichts, darum zu diskutieren, sondern man muss die Konsequenzen aus dieser (falschen ) Auffassung ziehen und eben immer einen Erstreckungsantrag stellen, wenn Erstreckung in Betracht kommt. Dann gehen keine Gebühren verloren.

Allerdings enthält der OLG Hamburg-Beschluss ein kleines Trostpflaster, wenn das OLG von einer im Festsetzungsverfahren erfolgten konkludenten Antragstellung ausgeht:

„c) Da der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 unter Auflistung der einzelnen hinzuverbundenen Verfahren und Darlegung und Beleg seiner jeweiligen früheren Tätigkeiten in diesen Verfahren beantragt hat, ihm neben der Vergütung für das führende Verfahren auch Gebühren und Auslagen für sämtliche der Beiordnung vorausgehenden Tätigkeiten in den jeweils hinzuverbundenen Verfahren aus der Staatskasse zu erstatten, hat er damit – zumindest konkludent (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, § 48 RVG Rn. 209 m.w.N.) – einen Antrag auf Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG gestellt, welchen das Amtsgericht bisher nicht beschieden hat.“

Aber darauf sollte man sich nicht verlassen. Und dann mit dem Posting-Bild noch ein bisschen vorweihnachtliche Werbung 🙂 .

BGH in U-Haftsachen, oder: Kein Rechtsmittel beim Vollzug der U-Haft

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Und als letzte der vorbereiteten Entscheidungen – morgen dann wieder Aktuelle(re)s – der BGH, Beschl. v. 18.10.2017 – StB 24/17. Der BGH mal zu Haftfragen, so häufig ist das nicht. Und zwar geht es um die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH. Die hat der 3. Strafsenat verneint:

 

„Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Vollzug der Untersuchungshaft geregelt und dabei Beschränkungsmaßnahmen nach § 119 Abs. 1 StPO und § 148 Abs. 2 StPO ge-troffen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde; insbe-sondere beanstandet er die Anordnungen, den Schriftwechsel mit dem Vertei-diger gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1, § 148a StPO zu überwachen (Ziff. 3 Buchst. e) und für dessen Besuche eine Trennscheibe zur Verhinderung der Übergabe von Schreiben und Gegenständen vorzusehen (Ziff. 1 Buchst. f).

Das Rechtsmittel ist nicht zulässig.

Gemäß § 304 Abs. 5 StPO ist die Beschwerde gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs nur zulässig, wenn diese die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 StPO bezeichneten Maßnahmen betreffen. Unter „Verfügungen“ in diesem Sinne sind auch solche im Vorverfahren getroffenen Entscheidungen zu verstehen, die als Beschluss ergehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 1979 – StB 26/79 u.a., BGHSt 29, 13).

Die „Verhaftung“ betrifft die Entscheidung des Ermittlungsrichters indes nur, wenn damit unmittelbar entschieden wird, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist, nicht aber schon dann, wenn lediglich Beschränkungen des Beschuldigten während der Untersuchungshaft vorgenommen werden und damit die Art und Weise des Vollzugs geregelt wird. Das gilt für die haftgrundbezogenen Beschränkungen im Sinne des § 119 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 – StB 19/11, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Verhaftung 5) ebenso wie für die gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1, 3 StPO (s. § 119 Abs. 4 Satz 1 StPO) angeordneten Beschränkungen wegen des dringenden Verdachts einer Tat nach §§ 129a, 129b Abs. 1 StGB (vgl. KK-Laufhütte/Willnow, StPO, 7. Aufl., § 148 Rn. 19; LR/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 148 Rn. 49; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 148 Rn. 25; SK-StPO/Wohlers, 5. Aufl., § 148 Rn. 53). So liegt der Fall hier, so dass die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 5 StPO unzulässig ist.“

Und ab morgen darf man dann auch wieder kommentieren 🙂

Beschränkung der Kommunikation Verteidiger/Beschuldigter, oder: Rechtsmittel

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Heute gibt es dann mal nur zwei Beiträge. Nach 3 1/2 Wochen Urlaub muss ich erst mal wieder richtig in den Arbeitsmodus kommen und aufarbeiten. Im Übrigen ist wahrscheinlich bri den meisten Kollegen eh nicht mehr viel los.

Also dann zum Tagesbeginn eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.11.2017 – 4 BGs 156/17. Er ist in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen gem. § 8 Abs. 1 VStGB sowie des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB ergangen. Der Beschuldigte befindet sich seit (??; der BGH-Beschluss hat an der Stelle eine Lücke) aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts B. vom selben Tag in U-Haft. Für die Vollstreckung eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BBGH v. 15.09.2017 ist Überhaft vorgemerkt. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH v. 18.09.2017 wurden Anordnungen gemäß § 119 Abs. 1 StPO und § 148 Abs. 2 StPO getroffen, die auch für den Vollzug der Untersuchungshaft in dem Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft B. Geltung haben. Dagegen hat der Verteidiger des Beschuldigten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellt, nachdem der 3. Strafsenat des BGH die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH vom 18.09.2017 als unzulässig verworfen hatte.

Der BGH sieht den Antrag als zulässig an.

1. Der Antrag ist vollumfänglich zulässig.

Dem Beschuldigten steht in analoger Anwendung des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO ein Antragsrecht auch hinsichtlich der nach § 148 Abs. 2 StPO getroffenen Anordnungen zu.

Zwar umfasst § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO nach seinem Wortlaut lediglich Entscheidungen und Maßnahmen nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO.
Sinn des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO ist es jedoch, dem Beschuldigten im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG umfassenden Rechtsschutz gegen gerichtliche Anordnungen zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft zu gewähren. Die Norm räumt dem Beschuldigten daher das Recht ein, in den Fällen gerichtliche Entscheidung zur Überprüfung der haftbeschrän-kenden Anordnungen nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO zu beantragen, in denen der Beschwerdeweg nach § 304 StPO nicht eröffnet ist (vgl. MünchKomm-StPO/Böhm/Werner, § 119 Rn. 76). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2012 – StB 19/11, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Verhaftung 5; vom 18. Oktober 2017 – StB 24/17, zitiert nach juris, dort Rn. 4) für haftgrundbezogene Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO der Fall, sofern diese vom Oberlandesgericht oder Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs getroffen wurden. Denn der Begriff der „Verhaftung“ im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO umfasst nur Entscheidungen des Ermittlungsrichters, welche unmittelbar darüber befinden, ob der Beschul-digte in Haft zu nehmen oder zu halten ist. Durch Haftbeschränkungsanordnungen wird indes nur die Art und Weise des Vollzuges geregelt (vgl. BGH, aaO).

Der Beschuldigte soll durch die Rechtsschutzmöglichkeit des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO in diesen Fällen nicht auf eine von Amts wegen zu veranlassende Aufhebung der Beschränkung angewiesen sein, sondern diese selbst initiieren können (MünchKomm-StPO/Böhm/Werner, § 119 Rn. 80).

Beschränkungen in der Kommunikation mit dem Verteidiger eines wegen des dringenden Verdachts einer Tat nach §§ 129a, 129b StGB inhaftierten Beschuldigten werden wegen der Zuständigkeitsregelung des § 120 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 169 Abs. 1 StPO ausschließlich durch das Oberlandesgericht oder den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordnet und unterliegen daher im Hinblick auf § 304 Abs. 5 StPO in keinem Fall dem Beschwerderecht nach § 304 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – StB 24/17 –, zitiert nach juris, dort Rn. 4).

Da diese Maßnahmen – wie dargelegt – nicht dem direkten Anwen-dungsbereich des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO unterfallen, besteht eine Rechtsschutzlücke (vgl. MünchKomm-StPO/Thomas/Kämpfer, § 148 Rn. 30).

Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO, mit denen das Recht des Be-schuldigten auf freien Verkehr mit seinem Verteidiger beschränkt wird, greifen indes zumindest mit gleicher, meist jedoch mit höherer Intensität als Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO in den Rechtskreis des Beschuldigten ein, sodass eine vergleichbare prozessuale Interessenlage besteht. Dass der Gesetzgeber den Beschuldigten in diesen Fällen bewusst rechtsschutzlos stellen wollte, ist nicht ersichtlich.

Eine am Normzweck des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO orientierte Rechtsanwendung gebietet daher eine analoge Anwendung des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO auf Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO.“

Sicherlich ein Sonderproblem, aber ganz interessant die Frage.