Archiv für den Monat: Oktober 2017

Wochenspiegel für die 42. KW., das war Lügendetektor, WPA2, Handyverbot neu und anwaltliche Verrechnungsstelle

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So, und dann der Wochenspiegel für die 42. KW., mit:

  1. Amtsgericht setzt Lügendetektor ein,
  2. LG Rostock: Betroffener trägt keine Kosten für unnötiges messtechnisches Gutachten,
  3. Heute vor 40 Jahren,
  4. Nach dem Fahndungserfolg ist vor der Rechtsverletzung: Öffentlichkeits­fahndung nach Opfern von Straftaten,
  5. Erweiterung des Handy-Verbots am Steuer II oder: Neue Probleme beim BOS-Funk,
  6. EuGH-Urteil: Muss ein deutscher Strafbefehl übersetzt werden?,
  7. Was ist überhaupt eine Anwaltliche Verrechnungsstelle?,
  8. „Ein funktionierendes Rechtssystem ist nicht vorhanden“
  9. WPA2: Sicherheitslücke,
  10. und dann war da noch: 7 sinnvolle Dinge, die du unter der Dusche für dein Studium tun kannst.

Wenn der vorfahrtsberechtigte Linksabbieger die Kurve schneidet, oder: Welche Haftungsquote?

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner das LG Saarbrücken, Urt. v. 12.05.2017 – 13 S 137/16 – mit einer wahrscheinlich gar nicht so seltenen Konstellation. Es geht um die Haftung nach einem Verkehrsunfal in Zusammenhnag mit einem Abbiegevorgang. Die Tochter war mit dem Pkw der klagenden Mutter unterwegs. Sie will von der Straße, die sie befährt, nach links in eine andere Straße einbiegen. Verkehrszeichen gibt es an der Einmündung nicht. Es kommt im Einmündungsbereich zum Zusammenstoß mit dem Pkw der Beklagten.

Das AG hat die Klage – nach Beweisaufnahme – abgewiesen. Das LG hat weiter Beweis erhoben und danach der Klage teilweise stattgegeben. Es geht von Folgendem aus:

  • Der Unfall hat sich, was steritig war, im von § 8 StVO geschützten Bereich ereignet. Daher fällt der Beklagten eine Vorfahrtsverletzung nach § 8 Abs. 1 StVO zur Last. Damit „spricht grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für eine unfallursächliche Vorfahrtsverletzung durch den Wartepflichtigen (BGH, st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15.06.1982 – VI ZR 119/81, VersR 1982, 903 m.w.N.; vgl. auch Kammerurteile vom 28.03.2014 – 13 S 196/13, Zfs 2014, 446, vom 29.04.2016 – 13 S 3/16, Zfs 2016, 679 und vom 07.10.2016, 13 S 35/16, juris, jeweils m.w.N.). Auf einen Stillstand des Wartepflichtigen kommt es dabei grundsätzlich nicht an, wenn – wie hier der Fall – ein längerer Stillstand nicht nachgewiesen ist (Kammer, vgl. Urteil vom 07.10.2016 – 13 S 35/16, juris m.w.N.).“
  • Die Zeugin pp. – die Tochter – hat ihr Vorfahrtsrecht „nicht dadurch verloren, dass sie nach links abgebogen ist. Durch § 8 Abs. 2 Satz 4 StVO ist klargestellt, dass das Vorfahrtsrecht durch ein Abbiegen des Berechtigten nicht verloren geht. Der Vorfahrtsberechtigte darf deshalb auch beim Abbiegen auf die Beachtung dieses Vorfahrtsrechts grundsätzlich vertrauen (BGHSt 34, 127; OLG Hamm, VersR 1998, 1260; OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.05.2007 – 1 U 28/07, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.02.2012 – I-1 U 243/10, juris; OLG Koblenz, NZV 2015, 385).“
  • Aber: Auch die Tochter hat den Unfall mitverschuldet. Und zwar: Die Zeugin trifft ein Mitverschulden, weil sie die Kurve geschnitten hat (§ 1 Abs. 2 StVO).“

Und damit kommt es zu folgender Abwägung:

Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen des § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur überwiegenden Haftung der Beklagten. Der Verstoß gegen § 8 StVO wiegt bei typischen Zusammenstößen im eigentlichen Kreuzungs- und Einmündungsbereich schwer, weswegen die Verantwortung des Wartepflichtigen grundsätzlich im Vordergrund steht (vgl. nur Freymann in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27 Rn. 259). Diese Beurteilung folgt aus der besonderen Bedeutung der Vorfahrtsregelung, die dem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer die Pflicht zu erhöhter Sorgfalt auferlegt (vgl. BGH, Urteile vom 18.09.1964 – VI ZR 132/63, VersR 1964, 1195 und vom 23.06.1987 – VI ZR 296/86, VersR 1988, 79; Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteil vom 29.04.2016 – 13 S 3/16, Zfs 2016, 679). Allerdings führt dies hier nicht zur Alleinhaftung der Beklagten. Denn ein mitursächliches Schneiden der Kurve durch den Vorfahrtsberechtigten unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO führt regelmäßig zu dessen Mithaftung (vgl. BGH, Urteil vom 07.01.1966 – VI ZR 164/64, VersR 1966, 294; OLG Hamm, VersR 1998, 1260; OLG Frankfurt, NZV 1990, 472; OLG Koblenz, NZV 2015, 385). Hiervon ausgehend hält die Kammer eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Beklagten für angemessen. Dabei berücksichtigt die Kammer einerseits, dass der Einmündungsbereich gut einsehbar war und die Zeugin pp. allenfalls mit einer sehr langsamen Geschwindigkeit fuhr, so dass sich der Wartepflichtige hierauf besser einstellen konnte als bei unübersichtlichen Einmündungs- bzw. Kreuzungsbereichen (vgl. zur Haftungserschwerung bei eingeschränkten Sichtverhältnissen OLG Koblenz, NZV 2015, 385; OLG Frankfurt, NZV 1990, 472). Andererseits fällt zulasten der Zeugin pp. ins Gewicht, dass sie relativ weit links gefahren ist, wie sich aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt.“

“Ich stech Dich ab” – Reicht das für eine Kündigung wegen Morddrohung?

Es hat ein wenig gedauert, bis der Volltext des LAG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.2017 – 11 Sa 823/16 – veröffentlicht worden ist. Jetzt ist er aber da und ich kann die Entscheidung vorstellen.

Der LAG Düsseldorf-Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit 1988 als Sachbearbeiter im LKA NRW beschäftigt. Im Jahr 2012 gab es zwischen ihm und seinem Vorgesetzten im Zusammenhang mit der Personalratswahl Unstimmigkeiten. So hatte der Kläger unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung für seine freie Liste Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten angefertigt. Auf die Aufforderung seines Vorgesetzten auf Kostenerstattung reagierte der Kläger mit einer Strafanzeige wegen Nötigung. Aufgrund des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde der Kläger rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Beteiligung von Integrationsamt und Personalrat am 13.01.2015 fristlos. Es wirft ihm vor, seinen Vorgesetzten in einem Telefongespräch bedroht zu haben. Der Kläger hat diese Drohung bestritten.

Das ArbG hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Vorgesetzten mit den Worten „Ich stech dich ab“ bedroht habe. Dieser habe seinen Vorgesetzten am 19.12.2014 gegen 20.50 Uhr von einer Telefonzelle, die ca. 3,5 km von der Wohnung des Klägers entfernt liege, auf dessen dienstlichem Mobiltelefon angerufen. Diese ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten durch den Kläger führe dazu, dass dem Land NRW eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht weiter zumutbar sei, selbst wenn diese aufgrund ggfs. eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldlos erfolgt sein sollte.

Das LAG hat das gehalten. Dazu heißt es nur:

„3. Die Berufungskammer kann auch den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 2. a) aa) bb) (1) bis (3) seiner Entscheidungsgründe folgen. Die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen stellt einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB dar und ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht hat hier zutreffend die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte wiedergegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Darstellung des Arbeitsgerichts verwiesen.2

Im Übrigen: Beweiswürdigung

Ich habe da mal eine Frage: Wie rechne ich den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Bußgeldverfahren ab?

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Am letzten Freitag hatte ich gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Wie rechne ich den Antrag auf Verkürzung einer Sperrfrist ab?, Dazu hatte ein Kollege in einem Kommentar nachgefragt:

„Und wie schaut es mit einem Antrag nach § 62 OWIG auf gerichtliche Entscheidung im Vorverfahren aus, wenn die Behörde nicht vollständige Akteneinsicht gewährt? Welche Ziffer ist dann einschlägig?“

Ich stelle die Frage hier dann heute ein.

Den Kommentar habe ich übrigens nicht frei geschaltet, worüber ich den Kollegen aber informiert habe. Und ich habe ihm die Frage auch beantwortet. Das mache ich hier dann am Montag 🙂 .

LG Cottbus: Grundsätzlich Mittelgebühr im Bußgeldverfahren, oder: Richtig

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Die zweite Entscheidung des heutigen Tages stammt von der Kollegin A. Graeber aus Potsdam. Die Entscheidung ist mal wieder ein Lichtblick in der (unseligen) Diskussion über die Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. Das LG Cottbus sagt – erneut – im LG Cottbus, Beschl. v. 02.10.2017 – 22 Qs 149/17: Ausgangspunkt die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr für die Gebührenbemessung und keineswegs grundsätzlich ein geringerer Betrag. Und weiter:

„Sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder eine Ermäßigung rechtfertigen, entspricht damit die Verteidigung dem Durchschnitt oder dem so genannten „Normalfall“, steht dem Wahlverteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Gebührenrahmens zu (Mayer in Gerold/ Schmidt, RVG, 22. A., S 14, Rz.10, 54 m.w.N.). Der Ansatz, die Mittelgebühr als Ausgangspunkt für die Ermessensausübung anzunehmen, ist zum einen in der Praxis geboten, um eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis zu erzielen (vgl. Landgericht Potsdam, Rechtspfleger 2015, 23; Hartmann a.a.O. m. w. N.). Ferner wird der Wille des Gesetzgebers, die Einordnung der konkreten Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr vorzunehmen, auch aus der aus den Gesetzgebungsmotiven hervorgehenden durch den Gesetzgeber angewandten Systematik bei der Regelung der Gebühren für den Pflichtverteidiger deutlich, wie die in ihren Entscheidungen vom 26. Juli 2016 zu 22 Qs 99/16 und 22 Qs 129/16 im Einzelnen ausgeführt hat.

Unter Beobachtung dieser Maßstäbe, lässt sich — nachdem mit der Beschwerde nur noch die Mittelgebühren beansprucht werden — eine Unbilligkeit der Gebührenbestimmung nicht feststellen. Es sind insoweit hinsichtlich der einzubeziehenden Kriterien, insbesondere nach dem Umfang der Tätigkeit und der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine Umstände erkennbar, die ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen würden. Es handelte sich um einen für Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren normalen Bearbeitungsaufwand; die Sache hatte auch einen durchschnittlichen rechtlichen Schwierigkeitsgrad.“

Dieses und noch viel mehr kann man alles nachlesen und ist in einer Rechtsprechungsdatei zusammengestellt in <<Werbemodus an>>: „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage,“ gerade vor einem Monat erschienen. Zum Bestellformular geht es hier. <<Werbemodus aus>>.