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Heute vor dem RVG-Rätsel dann zwei ganz interessante – und auch ganz positive – RVG Entscheidungen. Die erste ist ein Beschluss des OLG Koblenz zur Pauschgebühr nach § 51 RVG, nämlich der OLG Koblenz, Beschl. v. 21.12.2106 – 1 AR 105/16. Ergangen ist er in einem Verfahren, das schon häufiger Gegenstand der Berichterstattung war, nämlich einmal wegen Nicht Rosen, sondern Schoko-Nikoläuse gibt es beim LG Koblenz für den Staatsanwalt und dann wegen Der Schöffe mit Handy in der Hauptverhandlung, oder: Ein Schöffe weniger. Es ist das beim LG Koblenz seit längerem anhängige Verfahren gegen Mitglieder des „Aktionsbüro Mittelrhein, das ja auch schon den BGH beschäftigt hat. Ich hoffe, dass ich das jetzt richtig dargestellt habe.
Jedenfalls ist das Verfahren gegen einen der Angeklagten 2015 eingestellt worden. Dessen Verteidiger hat nun eine Pauschgebühr beantragt und vom OLG Koblenz 349.150 € zugesprochen bekommen. Bevor nun Hektik wegen dieses Betrages anfängt: Ruhig, ruhig.
Zwar kann man – und muss man vielleicht – auf den ersten Blick sicherlich die Höhe der Pauschgebühr als „bemerkenswert“ ansehen. Allerdings: Bei der Bewertung darf man nicht übersehen, welche Tätigkeiten der Pflichtverteidiger dafür im Laufe des Verfahrens hat erbringen müssen. Das relativiert den Betrag dann erheblich. Denn da sind der Umfang der Akte (45 Bände Sachakten, 26 Bände TKÜ-Ordner, 8 Sonderhefte, 52 Fallakten, 26 Personenakten mit Unterbänden, zahlreiche elektronische Datensätze, 988 Seiten Anklageschrift), der notwendige Einarbeitungsaufwand, die Dauer der seit August 2012 – für den Pflichtverteidiger bis Anfang Oktober 2015 – laufenden Hauptverhandlung, die Terminierungsdichte mit zwei bis vier – zuletzt regelmäßig drei – Verhandlungstagen pro Woche, die Dauer und Schwierigkeit der Hauptverhandlungstermine mit ursprünglich 26 Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern, der erhöhte Abstimmungsbedarf unter den Verteidigern, der Besprechungsaufwand in und außerhalb der Hauptverhandlung, die erhöhten rechtlichen Schwierigkeiten in der Bearbeitung von Staatsschutzsachen und die Höhe des mit der Verfahrensbearbeitung verbundenen Verdienstausfalles – so sieht es das OLG. Und man darf dann auch nicht übersehen, dass der Pflichtverteidiger an 302 Hauptverhandlungsterminen teilgenommen hat.
Auf der Grundlage ist die Höhe der Pauschgebühr sicherlich „bemerkenswert“, aber nicht außergewöhnlich, und ist das Bild zu diesem Beitrag sicherlich nur bedingt zutreffend 🙂 .
Zwei Punkte aus der Entscheidung sind m.E. darüber hinaus besonders hevorzuheben:
- Das OLG hat die“heilige Kuh“ der OLG geschlachtet und ist bei der Bemesssung der Pauschgebühr über die Wahlanwaltshöchstgebühren hinaus gegangen. Die durch sie nach Auffassung der OLG i.d.R. gesetzte Grenze wird – wenn überhaupt – ja nur in Ausnahmefällen überschritten. Hier wird man aber zu Recht fragen können: Wenn nicht in diesem Fall, wann denn dann?
- Interessant auch der zweite Punkt, den man, weil ein wenig versteckt, schnell überliest. Bei der Bemessung der Pauschgebühr führt das OLG an einer Stelle knapp aus: Deshalb hat der Senat pauschal ….ein „Übergangsgeld“ in Höhe von 5.000 festgesetzt“. Man fragt sich, was das OLG damit meint, denn nähere Ausführungen macht das OLG dazu – aus welchen Gründen auch immer – nicht. Nun, gemeint ist damit offenbar – alles andere macht keinen Sinn – ein (finanzieller) Ausgleich für den Umstand, dass der Plfichtverteidiger in dem Verfahren schon lange vor Inkrafttreten der höheren Gebührensätze durch das 2. KostRMoG am 1. 4. 2014 tätig gewesen ist, aber als Pflichtverteidiger an sich nicht in den Genuss der höheren Gebühren kommt. Denn der Pflichtverteidiger rechnet grundsätzlich nach dem Recht ab, das zum Zeitpunkt seiner Bestellung gegolten hat. Tritt im Laufe des Verfahrens eine Rechtsänderung/Gebührenerhöhung ein, hat das keinen Einfluss auf die Höhe einer Pauschgebühr, da Bemessungsgrundlage das „alte Recht“ ist (vgl. a. für den Übergang BRAGO/RVG OLG Hamm RVGreport 2005, 419; ähnlich OLG Frankfurt am Main NJW 2006, 457 = RVGreport 2006, 145; vgl. noch BVerfG RVGreport 2009, 59 = StRR 2009, 77). Das hier gewährte „Übergangsgeld“ ist vor dem Hintergrund dann schon bemerkenswert. Allerdings hätte man sich eine Begründung für diesen Bemessungsfaktor gewünscht. Dennoch: Damit kann man argumentieren.