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Pauschgebühr, oder: „Übergangsgeld“ ja, Pauschale für kurzfristig ausgefallene Termine, nein

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Heute am RVG-Tag hier dann zunächst eine Entscheidung zur Pauschgebühr nach § 51 RVG. Der OLG Koblenz, Beschl. v. 19.1.2019 – 1 AR 97/19 – schon etwas älter, aber ich bin erst jetzt auf ihn gestoßen – bringt nichts wesentliche Neues, aber: Zu zwei Punkten ist der Beschluss ganz interessant. Das OLG nimmt Stellung zu einer vom Pflichtverteidiger geltend gemachten Pauschale für in dem Umfangsverfahren kurzfristig ausgefallene Termine und der gewährt ein „Übergangsgeld“.

„f) Im Hinblick auf die seitens des Antragstellers geltend gemachte Pauschale für „kurzfristig ausgefallene Termine“ ist nach der gesetzlichen Konzeption (Anlage 1 zum RVG, Vorbemerkung 4 Abs. 3) an sich keine Kompensation geboten. Dieser Regel liegt die Annahme zugrunde, dass die mit dem Ausfall eines gerichtlichen Termins gewonnene Zeit für eine anderweitige, nicht termingebundene anwaltliche Tätigkeit, wie sie in jeder Anwaltskanzlei anfällt, genutzt werden kann. Die seitens des Antragstellers insoweit zitierte Rechtsprechung des Senats, wonach dennoch eine Pauschale anfallen kann, gründet auf der Erwägung. dass die Möglichkeit anderweitiger Kanzlei-tätigkeit nur eingeschränkt gilt, wenn die Belastung durch ein einziges Verfahren einen normalen Kanzleibetrieb – wie vorliegend – nur mit Einschränkungen zulässt.

Dass aufgrund der mit dem vorliegenden Umfangsverfahren verbundenen Belastungen, welche der Antragsteller für die Jahre 2012 bis 2019 im Hinblick auf seine Auftragslage zahlenmäßig dar-gestellt hat, eine Verwendung der bei Ausfällen ersparten Terminszeit auf andere Verfahren oder allgemeine Kanzleitätigkeit nicht möglich war, kann ohne weitere Begründung indes nur dann anerkannt werden, wenn es sich tatsächlich um eine „kurzfristige“ Aufhebung handelt. Eine solche ist dann gegeben, wenn die Terminsaufhebung erst am Vortag des eigentlich bestimmten Termins erfolgt und der Verteidiger aufgrund dieser faktischen Kurzfristigkeit nicht mehr umdisponieren kann.

Wird ein Termin jedoch mit mehr Vorlauf aufgehoben, ist für die seitens des Antragstellers geschilderte Auftragslage seiner Kanzlei, wonach er im Jahr 2016 weitere 107 und im Jahr 2017 weitere 131 Verfahren betreute, durchaus von einer objektiv bestehenden Möglichkeit auszugehen, die ausfallbedingt gewonnene Arbeitszeit gewinnbringend in diese umzuleiten. Da es an weiterem Vortrag mangelt, der diese Annahme widerlegen könnte (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 29. Juni 2017, Az 8 St (K) 2/17), ist für maximal 9 der 21 seitens des Antragstellers für die Zeit vom 26. Oktober 2016 bis 3. Mai 2017 geltend gemachten Ausfalltermine eine Pauschale iHv jeweils 200,- EUR in Ansatz zu bringen.

Im Hinblick auf weitere 22 Sitzungstage, die bis zum 13. Oktober 2016 kurzfristig ausgefallen sein sollen, bezieht der Antragsteller sich allein auf den von ihm zitierten Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2016, Az 1 AR 105/16, ohne die aus seiner Sicht die Pauschale auslösenden Termins- und Aufhebungsdaten zu konkretisieren. Die eine Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren begründenden Umstände sind seitens des Antragstellers substantiiert darzutun. Insbesondere hat er die aus seiner Sicht maßgeblichen Aspekte nach Art, Umfang und Dauer im Einzelnen darzulegen, wenn sie sich nicht ohne weiteres bereits aus der Verfahrensakte erschließen. Dem Gericht obliegt es nicht, nach tatsächlichen Anhaltspunkten für den Sonderaufwand des Anwalts in den Sachakten zu suchen oder hierüber zu mutmaßen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Januar 2005 – Az. 1 AR 156/04 Str., OLG Hamm NStZ-RR 2001, 352; StraFo 2002, 414 [jeweils zu § 99 BRAGO]; s. auch Hartung, in: Hartung/ Schons/ Enders, RVG, § 51 Rdn. 48; Burhoff, RVG, 2. Aufl., § 51 Rdn. 44), so dass für diese 22 Termine keine Pauschale anzusetzen ist.

g) Dem Antragsteller ist zudem ein Übergangsgeld iHv 5.000,- EUR für den Zeitraum zwischen erstmaliger Verfahrenseinstellung am 2. Mai 2017 und dem Neubeginn der Hauptverhandlung am 15. Oktober 2018 zuzubilligen.

Insoweit sind seine Darlegungen zu der nach der ersten Verfahrenseinstellung zumindest vor-übergehend noch fortbestehenden rückgängigen Auftragslage, dem nur schleppenden Anstieg der Mandate ab Mitte 2017 und der im Ergebnis abschlägig beschiedenen Anfrage im Großverfahren pp. für den Senat gerade noch hinreichend substantiiert, um sie der vorliegenden Entscheidung zu Grunde zu legen.“

Nun ja: Das mit dem Übergangsgeld ist m.E. etwas „gewagt“, aber: Beschluss ist Beschluss.

RVG I: Pauschgebühr von 349.150 EUR, oder: Übergangsgeld von 5.000 EUR

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Heute vor dem RVG-Rätsel dann zwei ganz interessante – und auch ganz positive – RVG Entscheidungen. Die erste ist ein Beschluss des OLG Koblenz zur Pauschgebühr nach § 51 RVG, nämlich der OLG Koblenz, Beschl. v. 21.12.2106 – 1 AR 105/16. Ergangen ist er in einem Verfahren, das schon häufiger Gegenstand der Berichterstattung war, nämlich einmal wegen  Nicht Rosen, sondern Schoko-Nikoläuse gibt es beim LG Koblenz für den Staatsanwalt und dann wegen Der Schöffe mit Handy in der Hauptverhandlung, oder: Ein Schöffe weniger. Es ist das beim LG Koblenz seit längerem anhängige Verfahren gegen Mitglieder des „Aktionsbüro Mittelrhein, das ja auch schon den BGH beschäftigt hat. Ich hoffe, dass ich das jetzt richtig dargestellt habe.

Jedenfalls ist das Verfahren gegen einen der Angeklagten 2015 eingestellt worden. Dessen Verteidiger hat nun eine Pauschgebühr beantragt und vom OLG Koblenz 349.150 € zugesprochen bekommen. Bevor nun Hektik wegen dieses Betrages anfängt: Ruhig, ruhig.

Zwar kann man – und muss man vielleicht – auf den ersten Blick sicherlich die Höhe der Pauschgebühr als „bemerkenswert“ ansehen. Allerdings: Bei der Bewertung darf man nicht übersehen, welche Tätigkeiten der Pflichtverteidiger dafür im Laufe des Verfahrens hat erbringen müssen. Das relativiert den Betrag dann erheblich. Denn da sind der Umfang der Akte (45 Bände Sachakten, 26 Bände TKÜ-Ordner, 8 Sonderhefte, 52 Fallakten, 26 Personenakten mit Unterbänden, zahlreiche elektronische Datensätze, 988 Seiten Anklageschrift), der notwendige Einarbeitungsaufwand, die Dauer der seit August 2012 – für den Pflichtverteidiger bis Anfang Oktober 2015 – laufenden Hauptverhandlung, die Terminierungsdichte mit zwei bis vier – zuletzt regelmäßig drei – Verhandlungstagen pro Woche, die Dauer und Schwierigkeit der Hauptverhandlungstermine mit ursprünglich 26 Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern, der erhöhte Abstimmungsbedarf unter den Verteidigern, der Besprechungsaufwand in und außerhalb der Hauptverhandlung, die erhöhten rechtlichen Schwierigkeiten in der Bearbeitung von Staatsschutzsachen und die Höhe des mit der Verfahrensbearbeitung verbundenen Verdienstausfalles – so sieht es das OLG. Und man darf dann auch nicht übersehen, dass der Pflichtverteidiger an 302 Hauptverhandlungsterminen teilgenommen hat.

Auf der Grundlage ist die Höhe der Pauschgebühr sicherlich „bemerkenswert“, aber nicht außergewöhnlich, und ist das Bild zu diesem Beitrag sicherlich nur bedingt zutreffend 🙂 .

Zwei Punkte aus der Entscheidung sind m.E. darüber hinaus besonders hevorzuheben:

  • Das OLG hat die“heilige Kuh“ der OLG geschlachtet und ist bei der Bemesssung der Pauschgebühr über die Wahlanwaltshöchstgebühren hinaus gegangen. Die durch sie nach Auffassung der OLG i.d.R. gesetzte Grenze wird – wenn überhaupt – ja nur in Ausnahmefällen überschritten. Hier wird man aber zu Recht fragen können: Wenn nicht in diesem Fall, wann denn dann?
  • Interessant auch der zweite Punkt, den man, weil ein wenig versteckt, schnell überliest. Bei der Bemessung der Pauschgebühr führt das OLG an einer Stelle knapp aus: Deshalb hat der Senat pauschal ….ein „Übergangsgeld“ in Höhe von 5.000 festgesetzt“. Man fragt sich, was das OLG damit meint, denn nähere Ausführungen macht das OLG dazu – aus welchen Gründen auch immer – nicht. Nun, gemeint ist damit offenbar – alles andere macht keinen Sinn – ein (finanzieller) Ausgleich für den Umstand, dass der Plfichtverteidiger in dem Verfahren schon lange vor Inkrafttreten der höheren Gebührensätze durch das 2. KostRMoG am 1. 4. 2014 tätig gewesen ist, aber als Pflichtverteidiger an sich nicht in den Genuss der höheren Gebühren kommt. Denn der Pflichtverteidiger rechnet grundsätzlich nach dem Recht ab, das zum Zeitpunkt seiner Bestellung gegolten hat. Tritt im Laufe des Verfahrens eine Rechtsänderung/Gebührenerhöhung ein, hat das keinen Einfluss auf die Höhe einer Pauschgebühr, da Bemessungsgrundlage das „alte Recht“ ist (vgl. a. für den Übergang BRAGO/RVG OLG Hamm RVGreport 2005, 419; ähnlich OLG Frankfurt am Main NJW 2006, 457 = RVGreport 2006, 145; vgl. noch BVerfG RVGreport 2009, 59StRR 2009, 77). Das hier gewährte „Übergangsgeld“ ist vor dem Hintergrund dann schon bemerkenswert. Allerdings hätte man sich eine Begründung für diesen Bemessungsfaktor gewünscht. Dennoch: Damit kann man argumentieren.