Archiv für den Monat: August 2016

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Verfahrensgebühren im Strafbefehlsverfahren?

© AllebaziB - Fotolia

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Das Strafbefehlsverfahren spielt in der Praxis sicherlich eine größere Rolle. Das zeigt sich für mich auch darin, dass mich immer wieder Anfragen zur gebührenmäßigen Abwicklung dieser besonderen Verfahrensart erreichen. Eine davon stelle ich heute zur Diskussion:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

ich hätte da mal eine Frage zu einem eigentlich ganz einfachen Fall, der bei uns in der Kanzlei des Öfteren vorkommt, der mich aber nunmehr sehr ins Grübeln gebracht hat:

Ein Mandant kommt zur Türe rein und sagt gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen Verdacht der Straßenverkehrsgefährdung. Der Anwalt beantragt Akteneinsicht und bekommt diese von der zuständigen Staatsanwaltschaft mit einer Stellungnahmefrist übersandt. Der Anwalt schaut sich die Akte an, bespricht sie mit dem Mandanten und ruft dann innerhalb der Frist den zuständigen Staatsanwalt an, um die Angelegenheit zu besprechen. Beide legen ihre Sach- und Rechtslage dar und man einigt sich am Telefon auf einen Strafbefehl (Anzahl und Höhe der Tagessätze + Dauer des Fahrerlaubnisentzugs). Der Staatsanwalt beantragt daher beim Gericht den mit dem Anwalt besprochenen Strafbefehl zu erlassen, was vom Richter auch gemacht wird. Der Strafbefehl geht beim Anwalt ein, er überfliegt ihn kurz, um zu schauen, ob er auch wirklich so ist wie besprochen und wenn ja ist die Angelegenheit erledigt. Einspruch wird logischerweise nicht eingelegt.

Die erste Streitfrage, die sich hier auftut, ist natürlich, ob die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden ist. Ich bin der Meinung ja, also habe ich mir vorgenommen diese gegenüber der Rechtschutzversicherung des Mandanten einzuklagen. Aber dies dahingestellt. Die Frage, die sich mir beim Fertigen der Klageschrift nunmehr gestellt hat, ist eine andere:

Entsteht bei obigem Fall eine Gebühr nach Nr. 4106 VV RVG?

Im ersten Moment dachte ich mir, ja klar, da das gerichtliche Verfahren mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls bei Gericht beginnt. Als ich aber weiter darüber nachgedacht habe, bin ich ins Schwanken geraten, denn weitere Voraussetzung für den Fall der Gebühr Nr. 4106 VV RVG ist, dass der Anwalt auch eine Tätigkeit erbringt. Und genau hier stellt sich mir die Frage. Kann der Anwalt für das Überfliegen des Strafbefehls, ob dieser der mit der Staatsanwaltschaft vereinbarten Einigung entspricht, die Gebühr kassieren oder reicht diese Tätigkeit nicht aus?

Für eine kurze Stellungnahme von Ihnen hierzu wäre ich dankbar, da ich bereits verschiedene Meinung zu dieser Fallkonstellation erhalten habe.“

Pauschgebühr, oder: Es darf ein bisschen mehr sein, sagt der BGH

© SZ-Designs - Fotolia.com

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Auf der Homepage des BGH ist gestern mal wieder ein Pauschgebührenbeschlus veröffentlicht worden. Es ist der BGH, Beschl. v. 21.07.2016 – 4 StR 72/15, über den ich heute dann gleich berichten will, denn der Beschluss ist ein kleines Schmankerl. Nicht, weil der BGH den Gerold/Schmidt und meinen darin enthaltenen Teil zu § 51 RVG zitiert, was mich natürlich freut. Nein, ein Schmankerl deshalb, weil es dann jetzt eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage gibt, ob das OLG und/oder der BGH an den Pauschgebührantrag des Pflichtverteidigers und an die Höhe der von ihm beantragten Pauschgebühr gebunden ist. Nein, habe ich ja schon immer gesagt – siehe den Hinweis auf den Gerold/Schmidt und steht auch im RVG-Kommentar zu den Teil 4 und 5 VV RVG. Jetzt haben wir es aber auch vom BGH, der nur kurz und kanpp ausführt:

„Der Senat ist nicht gehindert, eine höhere Pauschvergütung als beantragt zu gewähren (OLG Hamm, Beschluss vom 11. Januar 2001 – 2 (s) Sbd 6 – 235/00, NStZ-RR 2001, 256; Thür. OLG, Beschluss vom 17. März 2008 – 1 AR (S) 3/08, Tz. 17; ebenso Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 51 Rn. 46).“

Wie gesagt, freut mich, aber: Es gibt noch ein paar andere Stellen im RVG, gerade auch bei der Pauschgebühr, da würde mich ein klärendes/richtiges Wort des BGH noch mehr freuen. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Für den Verteidiger, den der Beschluss des BGH betrifft auch schön. Allerdings: Er war zu bescheiden. Es darf ein bisschen mehr sein, sagt der BGH.

Die „dahergelaufene, durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche, geisteskranke Staatsanwältin“, oder: Was bringt es?

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Der BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 – ist ja schon in anderen Blogs gelaufen. Er ist aber – auf den ersten Blick – auch „zu schön“, den muss man einfach bringen. Es geht mal wieder um die Schmähkritik. In Berlin ist ein Verteidiger wegen Beleidigung einer Staatsanwältin verurteilt worden. Es ist ein bisschen hin und her gegangen – ganz einig war man sich nicht. Das AG hatte zunächst einen Strafbefehl erlassen, das LG hat den Verteidiger auf sein Berufung hin dann frei gesprochen, das KG hat diesen Freispruch aufgehoben. Das LG hat dann im zweiten Durchlauf den Verteidiger verurteilt. Die dagegen eingelegte Revision hat das KG verworfen. Das BVerfG hat nun ein vorletztes (?) Wort gesprochen und die verurteilenden Urteile von LG und KG aufgehoben.

Grundlage des Hin und Her und der Entscheidung aus Karlsruhe ist folgender Sachverhalt:

„1. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rechtsanwalt. Seit Dezember 2009 vertrat er als Strafverteidiger den ersten Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Spendengeldern war. Dieses Ermittlungsverfahren erregte großes Medieninteresse.

Wenn der Verteidiger den Mandanten in den Zug setzt, oder: Fahrtkosten?

© Alex White _Fotolia.com

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Der Kollege Breu hat mir gestern den LG Dresden, Beschl. v. 25.07.2016 – 6 II StVK 609/15 – übersandt mit dem Bemerken, dass sein Thematik wohl besser in mein Blog passe als in das Blog des Kollegen. Nun ja, der Beschluss behandelt eine kostenrechtliche Frage und die ist hier vielleicht wirklich ganz gut – ich sage nicht „besser“ – aufgehoben. Es geht um die Erstattung von Fahrtkosten. Der Kollege hat einen ausländischen Mandanten im Strafvollstreckungsverfahren vertreten, dort war er als Pflichtverteidiger beigeordnet (das OLG hat eine Pauschgebühr nach § 51 RVG) gewährt. Nun ging es noch um Fahrtkosten, und zwar für 1.004 nach Verfahrensabschluss gefahrene Kilometer. Das LG hat die Fahrtkosten als notwendige Auslagen i.S. des § 46 RVG, Nr. 7003 VV RVG angesehen und erstattet:

Der Verteidiger berechnet Fahrtkosten für 1004 gefahrene Kilometer (301,20 EUR) sowie ein Abwesenheitsgeld von 70,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer, wobei die Hinreise über Berlin, die Rückreise über Leipzig/Braunschweig erfolgte. Nach Darlegung des Verteidigers wäre diese Route so auch ohne den „Zusatzdienst“, den Mandanten in den richtigen Zug zu setzen, gewählt worden.

Die Staatskasse tritt der Kostenerstattung entgegen, es hätte keinerlei Veranlassung (mehr) bestanden, den Mandanten nach der verfahrensabschließenden OLG-Entscheidung vom 21.08.2015 persönlich aufzusuchen. Die Entlassung selbst wäre vom OLG und der JVA in die Wege geleitet worden.

Die Anwaltsreisekosten waren als notwendige Aufwendungen im Rahmen des Pflichtverteidigermandats zu erstatten. Es handelte sich um den einzigen abgerechneten Mandantenbesuch während des gesamten, nicht ganz einfachen Verfahrens. Zugegeben könnte argumentiert werden: wenn die Verteidigung die ganze Zeit schriftlich/fernmündlich zu bewältigen war, warum dann nach gutem Ausgang der persönliche Kontakt? Dies ist jedoch nicht der Punkt. Jedem Betroffenen ist mindestens ein persönlicher Kontakt mit dem Anwalt zuzugestehen. Dies ist im Zivilrecht anerkannt und gilt im Strafrecht umso mehr. Wenn die Ausreisebegleitung im engeren Sinne tatsächlich nicht zu den Verteidigeraufgaben gehört, so doch die Verfahrensnachbereitung, Belehrung und Besprechung der Rechtsfolgen – und im vorliegenden Fall – der Risiken des weiteren Verfahrensverlaufs. Wie dies erfolgt, muss im Ermessen des Anwalts bleiben, ob schriftlich, fernmündlich oder wie hier persönlich. Auch weil es nicht der 10. kostenintensive, sondern augenscheinlich der einzige persönliche Kontakt war, verbietet sich jede kleinliche Betrachtung und Frage nach der zwingenden Notwendigkeit der Reise. Es handelte sich um eine mögliche und nicht gänzlich sinnfreie Form des Verfahrensabschlusses, mit der der Verteidiger sein Ermessen zur Mandatsausübung nicht überschritten hat.“

Wer (vor)schnell entscheidet, der ist befangen

© fotomek - Fotolia.com

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Ein Blogleser hat mir gestern den SG Bremen, Beschl. v. 08.07.2016 – S 10 SF 48116 AB – übersandt, den ich heute dann gleich einstelle. Für die regelmäßigen Leser des Blogs: Keine Angst, ich mache jetzt nich auch noch Sozialrecht. Das kann ich nun gar nicht und da gilt dann. Schuster bleib bei deinen Leisten. Nein, ich stelle den Beschluss ein, weil er nämlich eine Frage behandelt, die sich m.E. auch im Straf- und Bußgeldverfahren stellen kann. Nämlich die nach der Besorgnis der Befangenheit des Richters, wenn dieser kein rechtliches Gehör gewährt, insbesondere wenn er vor Ablauf einer von ihm selbst gesetzten Stellungnahmefrist entscheidet. Und das war in dem dem SG Bremen, Beschl. zugrunde liegenden Verfahren der Fall. Das SG ist u.a. deshlab von der Besorgnis der Befangenheit ausgegangen:

„Im Fall des Antragstellers treten aber objektive Gründe in dem o. g. Sinne hinzu. Diese sind zum ersten darin zu sehen, dass der Antragsteller vor Erlass des Verweisungsbeschlusses der Vorsitzenden vom 30. Juni 2016 nicht angehört worden ist (statt seiner sind die Rechtsanwälte ppp. unter dem 28. Juni 2016 wegen der beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Stade angehört worden, obwohl diese sich weder als Bevollmächtigte des Antragstellers zur Gerichtsakte gemeldet hatten noch diesem — da über seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entschieden worden ist — gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Zivilprozessordnung beigeordnet worden sind). Zum zweiten hat die Vorsitzende den Inhalt der Stellungnahme des Antragsgegners vom 28. Juni 2016 und den der Stellungnahme des Antragstellers vom frühen Morgen des 30. Juni 2016, in der er mit dem Zusatz „(lesen Sie das eigentlichen“ auf den Inhalt seines Schriftsatzes „vom 17. Mai 2016″ (gemeint war erkennbar sein Fax-Schriftsatz vom 17. Juni 2016) hingewiesen hat, nicht hinreichend gewürdigt.

Zum dritten schließlich hat die Vorsitzende den Ablauf der von ihr selbst gesetzten Anhörungsfrist (vgl. dazu deren Verfügung vom 27. Juni 2016, die durch gerichtliche Schreiben vom 28. Juni 2016 an den Antragsgegner und die den Antragsteller nicht vertretenden (s. o.) Rechtsanwälte pp. umgesetzt worden ist) nicht abgewartet. Vielmehr hat sie den Verweisungsbeschluss vor Ablauf der von ihr gesetzten Anhörungsfrist (am 30. Juni 2016 um 24.00 Uhr) gefasst und dessen Zustellung an den Antragsgegner sowie die Rechtsanwälte ppp. ( ! ) verfügt (von der Geschäftsstelle jeweils per Fax am frühen Nachmittag des 30. Juni 2016 ausgeführt). Angesichts des Vorliegens dieser Umstände ist davon auszugehen, dass auch ein sich in der Situation des das Ablehnungsgesuch anbringenden Antragstellers befindender objektiver Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände von seinem Standpunkt aus berechtigten Anlass hat haben dürfen, an der Unparteilichkeit und objektiven Einstellung der Vorsitzenden zu zweifeln. Diese hat aufgrund der maßgeblichen durch sie veranlassten Umstände aus der Sicht eines objektiven Beteiligten in der Situation des Antragstellers den Eindruck erweckt, das dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegende Verfahren um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entscheiden, sondern dieses schnell – an das Sozialgericht Stade – abgeben zu wollen.“