Archiv für den Monat: März 2016

Die stillende Polizistin, oder: „Stopp, muss mal eben stillen“?

entnommen wikimedia.org Autor Irene - original work

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Autor Irene – original work

Durch eine Nachricht bei LTO bin ich vor einiger Zeit auf den VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 02.12.2015 – VG 2 L 882/15 – aufmerksam geworden. Bei LTO gepostet unter: Pausen für stillende Polizistin – Eine Stunde am Tag muss sein... Den Beschluss habe ich beim VG angefordert und den Volltext jetzt erhalten. Ergangen ist der Beschluss in einem Eilverfahren, in dem die Polizeibeamtin mit ihrem Dienstherrn um Stillzeiten streitet. Die Polizeibeamtin hatte am 23.07.2015 die Bewilligung von Stillzeiten in Höhe von einer Stunde täglich für ihren am 07.07.2014 geborenen Sohn H. beantragt. Das Polizeipräsidium des Landes Brandenburg hatte den Antrag abgelehnt, da der Anspruch gemäß § 7 MuSchG nicht auf unbestimmte Zeit bestehe. Zwar sei eine zeitlich festgelegte Obergrenze im Gesetz nicht vorgesehen, dennoch sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber einen bezahlten Freistellungsanspruch ganz ohne zeitliche Begrenzung nicht gewollt habe, so dass davon auszugehen sei, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung der stillenden Mütter spätestens dann nicht mehr gegeben sei, wenn das Kind das erste Lebensjahr vollendet habe.

Das sieht das VG aber anders und hat daher den Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Polizeibeamtin zum Abstillen, weitere Stillzeiten, längstens bis zum 31.03.2016, zu gewähren. Denn:

„Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Gemäß § 7 Abs. 1 MuSchG ist stillenden Müttern auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit, mindestens aber zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich eine Stunde freizugeben. Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden soll auf Verlangen zweimal eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. Gemäß § 7 Abs. 2 MuSchG darf durch die Gewährung der Stillzeit kein Verdienstausfall eintreten. Die Stillzeit darf von stillenden Müttern nicht vor- oder nachgearbeitet und nicht auf die in dem Arbeitszeitgesetz oder in anderen Vorschriften festgesetzten Ruhepausen angerechnet werden.

Es ist nicht Ziel von § 7 MuSchG, stillenden Beamtinnen allgemein eine Entlastung durch Verminderung ihrer Arbeitszeit zu gewähren. Vielmehr erstrebt die Vorschrift einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem hergebrachten und in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der vollen Dienstleistungspflicht des Beamten und der damit korrelierenden Alimentationspflicht des Dienstherrn einerseits und der gleichfalls hergebrachten Fürsorgepflicht des Dienstherrn sowie dem allgemeinen Schutzanspruch jeder Mutter nach Art. 6 Abs. 4 GG andererseits (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1988 – 2 C 60.86 -, BVerwGE 79, 366). Eine Freistellung von der Arbeitsleistung zum Zweck des Stillens nach § 7 Abs. 1 MuSchG kann daher nur erfolgen, wenn eine Arbeitsleistung erbracht wird (vgl.: BVerwG, a. a. O. unter Bezugnahme auf BAG, Urteil vom 3. Juli 1985 – 5 AZR 79/84 -, juris).

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 MuSchG liegen für die begehrte Zeit bis 31. März 2016 bzw. zu dem Abstillen vor. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die Vorschrift nicht auf die Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes begrenzt. Maßgeblich ist nur, dass die Mutter stillt. Die Vorschrift enthält auch nicht den Begriff des „Säuglings“. Eine entsprechende Einschränkung der Vorschrift kann nach der Wesentlichkeitstheorie, wonach alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber selbst zu treffen sind und nicht der Verwaltung überlassen werden dürfen (vgl. BVerfGE 49, 8; 84, 212, 226), nur der Gesetzgeber treffen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bislang auf eine zeitliche Einschränkung verzichtet hat, spricht gerade dafür, dass nur maßgeblich ist, dass die Mutter noch stillt und eine entsprechende Zeit dafür beansprucht.“

Wie es praktisch geht, kann ich mir nicht vorstellen… Nimmt die Polizeibeamtin den Sohn mit zum Dienst? Klinkt sie sich ggf. bei einem Einsatz aus mit den Worten: „Stopp, muss mal eben stillen“? Oder wie sonst wird das Stillen gestaltet? Nur Innendienst?

Handeltreiben mit BtM – Täter oder Gehilfe, das ist die Frage?

entnommen wikimedia.org Autor : Evan-Amos - Own work

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Autor : Evan-Amos – Own work

Nach dem etwas kuriosen betäubungsmittelrechtlichen Sachverhalt des OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.02.2016 – 1 OLG 1 Ss 2/16 (vgl. dazu Frohes Fest, oder: Wenn die Stimmung an Hl. Abend schlecht ist, gibt es eben Cannabiskekse) ein betäubungsmittelrechtlicher Klassiker: Nämlich der BGH, Beschl. v. 01.10.2015 – 3 StR 287/15, der sich mal wieder zu der Frage verhält: Täter oder Teilnehmer eines Handeltreibens mit BtM?

Grundlage der Entscheidung sind folgendes LG-Feststellungen: Der Angeklagte hatte einem unbekannt gebliebenen Hintermann zugesagt, „sich um den Transport von etwa einem Kilogramm Haschisch von den Niederlanden nach Deutschland zu kümmern. Ihm war bewusst, dass sein Auftraggeber das eingeführte Marihuana gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Auch nahm er billigend in Kauf, dass die Menge der Betäubungsmittel mehr als ein Kilo betragen würde. Für die Kurierfahrt sollte der Angeklagte 800 € erhalten, von denen er den die Transportkosten übersteigenden Betrag als Gewinn behalten sollte. Da er allerdings das Risiko einer Grenzkontrolle nicht eingehen wollte, entschloss er sich, einen Fahrer mit der Einfuhr der Betäubungsmittel zu betrauen. Bei der Suche nach einem Gehilfen stieß der Angeklagte auf den gesondert Verfolgten K. , der sich bereiterklärte, gegen Zahlung von 500 € – 250 € im Voraus und 250 € bei Ablieferung der Drogen – den Transport durchzuführen. Er begleitete K. zu einer Autovermietung, wo sie für rund 300 €, die der Angeklagte zur Verfügung stellte, ein Fahrzeug anmieteten. Außerdem übergab er K. ein Handy, das in einer SMS die Zieladresse in den Niederlanden und eine unter „H“ gespeicherte Kontaktadresse enthielt. Nachdem K. auf diese Weise in den Niederlanden das Rauschmittel besorgt hatte, wurde er beim Grenzübertritt kontrolliert. Dabei konnten rund 3,4 kg Marihuana und 1,1 kg Haschisch mit einem Gesamtgehalt von 549 g THC sichergestellt werden.“

Das LG hat den Angeklagten auch wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dazu aber dann der BGH:

„Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Beschluss vom 7. August 2007 – 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StV 2012, 287, 288; Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel auch dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit, wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hin-ausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmit-telbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN).

Nach diesen Maßstäben wird eine täterschaftliche Begehungsweise von den Feststellungen hier nicht belegt. Das Landgericht begründet die Annahme, dass der Angeklagte als Mittäter mit Betäubungsmitteln Handel trieb, im Wesentlichen damit, dass er die Kurierfahrt mit erheblichem Tateinfluss und Eigenverantwortung initiierte und überwachte sowie ein eigenes finanzielles Interesse am Gelingen der Tat hatte. Da sich das eigenständige Handeln des Angeklagten aber auf den Transport der Betäubungsmittel beschränkte, eine Beteiligung an dem eigentlichen Umsatzgeschäft hingegen nicht festgestellt wurde, ist der Tatbeitrag des Angeklagten im Rahmen des Gesamtgeschehens trotz faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports nur als eine untergeordnete Hilfstätigkeit und deshalb als Beihilfe zu werten.“

Gebracht hat es dem Angaklagten aber nur eine Änderung des Schuldspruchs…..

Frohes Fest, oder: Wenn die Stimmung an Hl. Abend schlecht ist, gibt es eben Cannabiskekse

© manu - Fotolia.com

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Manchmal kann man nach dem Lesen einer Entscheidung nur sagen/fragen: Echt, oder wollen die mich veräppeln? Nun, das würde man von einem OLG natürlich nie annehmen. Aber diese Frage habe ich mir auch nicht wegen des OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.02.2016 – 1 OLG 1 Ss 2/16 gestellt, sondern wegen des vom AG Rockenhausen festgestellten Verhaltens des Angeklagten.

Der Sachverhalt: Der Angeklagte besucht am Heiligabend des Jahres 2014 Muttern zu einem gemeinsamen Heiligabendfest. Und da es bei Muttern offenbar immer ein wenig langweilig und die Stimmung „schlecht“ ist, hat der Angeklagte für – nach seiner Ansicht – Stimmungsuafheller gesorgt. Er hat nämlich selbst gebackene Plätzchen mitgebracht, in die er Cannabis eingearbeitet hatte. Und die legt er für jeden Gast auf der Feier offen zugänglich auf den Tisch, auf dem auch normales Weihnachtsgebäck zum Verzehr abgelegt war. Anwesend sind auch zwei Minderjährige, die im Laufe des Abends jeweils von den Keksen „konsumiert“ haben, ebenso der Bruder des Angeklagten. Bei den Keksen war der psychoaktive Wirkstoffgehalt an THC zwar von denkbar geringer Natur, jedoch so hoch, dass einer der „Konsumenten“ nach dem Konsum fast eines ganzen Kekses Schweißausbrüche erlitt, kreidebleich wurde und zu zittern begann. Ein anderer Zeuge schmeckte bei dem Verspeisen eines der Kekse Haschisch.

Das AG  hat den den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren im minderschweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im minderschweren Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Dagegen die Revision, die dann beim OLG Zweibrücken Erfolg hat, und zwar:

1. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB

„Soweit das Amtsgericht die beim Zeugen T. A. aufgetretenen körperlichen Reaktionen in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) als pathologischen Zustand in Form eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes qualifiziert, ist hiergegen zunächst rechtlich nichts zu erinnern. Der objektive Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlangt allerdings über das Vorliegen einer einfachen Gesundheitsschädigung hinaus, dass die verwendete Substanz nach der Art der Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist (BGHSt 51, 18). Erheblich ist eine solche Schädigung dann, wenn sie nach Intensität oder Dauer überdurchschnittlich ist. Die beim Zeugen T. A. festgestellte Schädigung der Gesundheit in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) weist für sich genommen eine erhebliche Beeinträchtigung nach Intensität oder Dauer noch nicht aus. Das Amtsgericht wäre daher gehalten gewesen, zusätzliche Feststellungen dazu zu treffen, ob die vom Angeklagten verwendete Menge (von circa 0,6 Gramm) Haschisch „mit einem psychoaktiven Wirkstoffgehalt an THC von denkbar geringer Natur“ mit der konkreten Gefahr einer weitergehenden erheblichen Schädigung der Gesundheit des Zeugen T. A. verbunden gewesen ist.“

2. § 223 Abs. 1 StGB

Die getroffenen Feststellungen tragen weiter nicht den Schuldspruch wegen eines vorsätzlich begangenen Körperverletzungsdelikts.

Betäubungsmittel können bei ihrem Konsumenten Wirkungen hervorrufen, die sich als Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB darstellen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie zu Rauschzuständen, körperlichem Unwohlsein – insbesondere nach Abklingen der Rauschwirkungen – oder zur Suchtbildung bzw. zu Entzugserscheinungen führen (BGH NJW 1970, 519). Wer Betäubungsmittel verabreicht, hierdurch derartige Wirkungen bzw. Erscheinungen bei dem Betroffenen erzielt und dies zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes zwingend in Kauf nimmt, verwirklicht daher den objektiven und subjektiven Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung. Jedoch muss nicht jeder Betäubungsmittelkonsum bzw. jede Betäubungsmittelgabe zu einer Gesundheitsschädigung im dargestellten Sinne führen. Insbesondere beim Konsum leichter Drogen in geringer Dosis müssen die normalen Körperfunktionen nicht derart beeinflusst werden, dass von einem – sei es auch nur vorübergehenden – pathologischen Zustand (vgl. BGHSt 43, 346, 354 m.w.N.) gesprochen werden kann. Wer bei der Verabreichung von Betäubungsmitteln nur derartige Wirkungen hervorrufen will oder billigend in Kauf nimmt, macht sich daher nicht der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig (BGHSt 49, 34).

Zum Motiv des Angeklagten hat das Amtsgericht die vom Angeklagten eingeräumten Absicht festgestellt, durch sein Verhalten die sonst immer so schlechte Stimmung auf der Weihnachtsfeier aufzuhellen, indem er mittels der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol auf die Psyche anderer einwirken wollte. Hiermit ist nicht zwingend der Vorsatz hinsichtlich der nachteiligen Beeinflussung der normalen Körperfunktion des Konsumenten verbunden. Ob der Angeklagte die nachteiligen Einwirkungen auf den Gesundheitszustand seines Bruders T. A. in Form von Schweißausbrüchen, Zittern und dem zwischenzeitlichen Verlust der Gesichtsfarbe („kreidebleich“) in seinen Vorsatz aufgenommen hatte, ist durch die Feststellungen des Amtsgerichts nicht belegt.“

3. Unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln

„Schließlich sind die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schuldspruch wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine andere Person unter 18 Jahren in einem minderschweren Fall lückenhaft.

Der § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG setzt in der Tatbestandsvariante der Abgabe an Minderjährige voraus, dass diese über die Betäubungsmittel Verfügungsgewalt erlangen, die beim bloßen Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch regelmäßig nicht vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 347). Abgabe auf Seiten des Überlassenden und Erwerb oder Besitz auf Seiten des Empfängers sind mangels Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt nicht gegeben, wenn Rauschgift nur zum Mitgenuss bzw. in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird (vgl. BGH StV 1992, 66; BayObLG NStZ 1990, 395; StV 1988, 206; OLG Nürnberg StraFo 2006, 122; OLG München NStZ 2006, 579). Bei einem solchen räumlich – zeitlichen und finalen Zusammenhang bleibt die Verfügungsmacht bei dem Übergebenden, weil dieser allein bestimmt, ob und inwieweit das Betäubungsmittel für den Genuss bereitgestellt wird oder nicht. Der Übernehmende empfängt das Betäubungsmittel nicht zur freien Verfügung, sondern zum alsbaldigen Verbrauch, gleichsam unter fortwirkender Aufsicht des Übergebenden….“

Da kann man nur sagen: Frohes Fest 🙂 .

Mal nachgedacht?, oder: Ein Blick ins RVG erleichtert die Vergütungsfestsetzung…

Schluessel ErfolgManchmal frage ich mich, was sich eigentlich Rechtspfleger/UdG so gedacht haben, als sie eine Zwischenverfügung o.Ä. gemacht haben. Mal nachgedacht oder ggf. auch mal in den Kommentar geschaut? Häufig komme ich zu dem Ergebnis, dass das wohl nicht sein kann, denn dann hätte man die Verfügung, um die es geht, nicht gemacht.

So bei einem Fall, den mir der Kollege Hauer aus Gießen berichtet hat. Der Kollege schildert folgenden Sachverhalt:

„Bei meinem Mandanten handelt es sich um einen unbegleiteten 16-jährigen Albaner, dem die Staatsanwaltschaft vorgeworfen hatte, mit weiteren Personen in einer Erstaufnahmeeinrichtung u.a. einen  Landfriedensbruch im besonders schweren Fall begangen zu haben. Aufgrund des vorgeworfenen Sachverhalts erließ das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Untersuchungshaftbefehl, der auch sofort vollstreckt wurde. Im Zuge dessen erfolgte meine Beiordnung zum Pflichtverteidiger.

Im weiteren Verfahrensverlauf erfolgten nach Akteneinsicht mehrere Gespräche zwischen der Staatsanwaltschaft, dem Ergänzungspfleger, der für das Asylantragsverfahren bestellt wurde, und mir. Außerdem wollte mein Mandant schnellstmöglich wieder in seine Heimat zurück. Der Asylantrag wurde daher zurückgenommen und er verblieb bis zu seiner endgültigen Abschiebung in Untersuchungshaft.

Im Hinblick darauf, auf den Ermittlungsstand bzw. den Verdachtsmoment und die vollzogene Untersuchungshaft hatte ich beantragt, das Ermittlungsverfahren nach § 45 Abs. 2 JGG einzustellen. Ich vertrat die Ansicht, dass die obigen Umstände ausreichend gewesen sind,  um nachhaltig erzieherisch auf meinen Mandanten einzuwirken.

Die Staatsanwaltschaft ist meiner Argumentation gefolgt und hat das Verfahren endgültig nach § 45 Abs. 2 JGG eingestellt.

Bei meinem Antrag auf Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren habe ich auch VV 4141 RVG in Ansatz gebracht. Am 17.02.2016 erhielt ich sodann den beigefügten Hinweis des Amtsgerichts mit der Bitte um eine Stellungnahme.“

In dem „beigefügten Hinweis des Amtsgerichts“ Gießen v. 17.02.2016 heißt es:

„….wird bzgl. Ihres Antrags vom 26.01.2016 mitgteilt, dass nach hiesiger Ansicht keine Gebühr nach VV Nr. 4141 VV RVG anfallen konnte, da das Verfahren noch nicht eröffnet wurde; die Sache befand sich nur im Ermilltungsverfahren.

Um Stellungnahme wird gebeten.“

Stellung hat der Kollege Hauer genommen, und zwar wie folgt:

„[..].Der Rechtsanwalt erhält eine zusätzliche Gebühr, wenn durch seine Mitwirkung, wie vorliegend bereits im Antrag nachgewiesen, eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, VV 4141 RVG. Ihm wird in den VV 4141 RVG Abs.?1 genannten Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt. Dies ist schon der Fall, wenn das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, VV 4141 RVG Abs.?1 Nr. 1. Vor diesem Hintergrund wird eine Hauptverhandlung auch dann entbehrlich, wenn bereits die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig einstellt, da sie andernfalls den Erlass eines Strafbefehls beantragen oder Anklage hätte erheben müssen (BeckOK RVG/Kotz RVG Rn. 6, beck-online). Vergütungsrechtlich nicht nur vorläufige Einstellungen aus dem Bereich des Jugendstrafverfahrens sind Sachbehandlungen nach § 47 und § 45 JGG (BeckOK RVG/Kotz RVG Rn. 23, beck-online).[..].“

Das ist in meinen Augen schon viel zu viel: M.E. hätte gereicht: „Anderer Ansicht als Sie: Das Gesetz in Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. VV RVG. Ein Blick dorthin hätte die Vergütungsfestsetzung sicher erleichert.“

Ich bin gespannt, ob die Stellungnahme des Kollegen den Rechtspfleger/UdG auf den richtigen Weg gebracht hat.

Ach so. Ich habe die Sache nichts in ein RVG-Gebührenrätsel genommen. Dazu ist sie zu einfach.

Abstinenzweisung beim Suchtkranken? – Geht nicht = unzulässig….

© macrovector - Fotolia.com

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Eine Frage, die in der Praxis immer wieder eine – für die Betroffenen – erhebliche Rolle spielt und die nicht unumstritten ist, entscheidet (noch einmal) der schon etwas ältere OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 Ws 114/15. Es ist die Frage nach der Zulässigkeit der sog. Abstinenzweisung bei einem langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Zulässig oder unzulässig, weil es sich um einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten handelt. Das OLG geht davon aus:

„a) Mit der durch das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (BGBl. I, S. 531) neu in den nach 145a StGB strafbewehrten Katalog der Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB eingefügten Möglichkeit einer „Abstinenzweisung“ gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln in vielen Fällen einen zentralen Risikofaktor für eine gelungene Resozialisierung darstellt, weshalb es „für einen rückfallfreien Verlauf“ vielfach entscheidend darauf ankomme, Tendenzen des Abgleitens in einen erheblichen Suchtmittelmissbrauch frühzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 16/1993, S. 19). Als Weisungsadressaten kommen daher vor allem im Straf- oder Maßregelvollzug erfolgreich behandelte alkohol- oder drogensüchtige Straftäter in Frage, denen die Weisung dazu dienen soll, in der Zeit nach ihrer Entlassung die erforderliche Abstinenz gegen Rückfälle abzusichern (vgl. Schneider, NStZ 2007, 441, 443; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12; OLG Hamm, Beschl. vom 10.01.2013 – 5 Ws 358/12 und 5 Ws 359/12, Rn. 39 nach juris).

b) Gegenüber einem – wie hier – langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten, der bislang nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden konnte, scheidet eine Weisung nach 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB hingegen nach vom Senat für zutreffend erachteter Auffassung aus, da sie an die Lebensführung des Verurteilten unzumutbare Anforderungen stellen würde (vgl. OLG Dresden NJW 2009, 3315, 331; OLG Celle NStZ-RR 2010, 91 f. – Rn. 6 ff. nach juris; Schneider, aaO.; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12, 12b; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO.; LKSchneider/StGB, 12. Aufl., § 68b Rn. 36; a. A.: OLG Köln NStZ.RR 2011, 62 f. – Rn. 10 ff. nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2012, 222 f. – Rn. 15 ff. nach juris; differenzierend: OLG Hamm, aaO., das auf die Umstände des Einzelfalls abstellen will; OLG München NStZ-RR 2012, 324 f. – Rn. 12 nach juris, das eine Abstinenzweisung bei Unfähigkeit zur Ab-stinenz für unzumutbar hält, Abstinenzfähigkeit aber bei einem Heroinabhängigen bejaht, der im Strafvollzug abstinent war und hierzu auch „in einer geschützten Umgebung bei lebensbegleitender Therapie“ in der Lage wäre; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.06.2014 – 3 Ss 76/14, Rn. 3 nach juris). Denn von ihm würde ein Verhalten – nämlich Suchtmittelfreiheit – verlangt, zu dem er bedingt durch seine Suchterkrankung von vornherein nicht in der Lage ist. Weder während seiner neun Tage andauernden therapeutischen Behandlung im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG im Dezember 2013 noch im anschließenden Strafvollzug ist es dem Verurteilten gelungen, drogenfrei zu leben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er, da lediglich eine erfolgreich absolvierte stationäre Drogentherapie eine realistische Chance auf eine Heilung von der langjährigen Drogensucht böte, auch nunmehr in Freiheit abermals Betäubungsmittel (insbesondere Heroin und Kokain) konsumieren. Ein nach § 145a StGB mit Strafe bedrohter Weisungsverstoß wäre daher vorprogrammiert. Entsprechend dem Zweck der Führungsaufsicht, gefährliche oder rückfallgefährdete Straftäter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von künftigen Straftaten abzuhalten (vgl. OLG Celle, aaO., Rn. 8 nach juris; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68 Rn. 3; Fischer, aaO., Vor § 68 Rn. 2; LK-Schneider, aaO., Vor § 68 Rn. 3), sollen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht dazu dienen, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten oder die insoweit bestehende Gefahr zumindest zu verringern (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68b Rn. 1; Fischer, aaO., § 68b Rn. 2). Durch eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber einem langjährig und manifest Drogenabhängigen würde dieser Zweck geradezu in sein Gegenteil verkehrt, indem bereits ein ansonsten straffreier bloßer Konsum von Drogen unter Strafe gestellt wird. Die von dem Verurteilten im Rahmen seiner Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer erklärte Überlegung, „ins Substitutionsprogramm zu gehen“, ändert hieran nichts, sondern bestätigt gerade das Fortbestehen der Suchterkrankung.

c) Die Argumente der Gegenauffassung geben dem Senat keine Veranlassung für eine hiervon abweichende Beurteilung…….“