Archiv für den Monat: Dezember 2015

Das zulässige Verbot der Internetnutzung als Bewährungsauflage….

© Maksim Kabakou Fotolia.com

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Auch mit Strafvollstreckung zu tun hat der OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Ws 507 u. 508/15. Der Verurteilte ist wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften zu mehreren Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Die StVK hat die Vollstreckung der Strafreste in beiden Sachen nach Verbüßung von Zwei-Dritteln der erkannten Strafen zur Bewährung ausgesetzt. In dem Beschluss hat es dem Verurteilten (u.a.) folgende Weisung erteilt: „5. Dem Verurteilten wird darüber hinaus untersagt, einen Internetanschluss zu betreiben oder in sonstiger Weise vorzuhalten und zu nutzen.“ Die Weisung hat der Verurteilte angegriffen. Er hat dazu angeführt, dass er für eine angestrebte Umschulung bei der E Akademie das Internet benötige. Ferner sei eine Arbeitsplatzsuche ohne Internet kaum möglich und die Kommunikation mit Ämtern und die Wohnungssuche sei wesentlich erschwert. Die Umschulungsmaßnahme erfordert eine Internetnutzung „vor Ort“, während Hausaufgaben nicht aufgegeben werden. Die Bewährungshelferin des Verurteilten hat sich  dafür ausgesprochen, dem Verurteilten eine Internetnutzung in den Räumlichkeiten der E Akademie zu gestatten. Diese Gestattung hat die StVK dann ausgesprochen.

Inzwischen hat er erneut die Aufhebung der Weisung beantragt. Den Antrag hat die StVK zurückgewiesen. Das OLG hat das bestätigt:

„….Die Weisung selbst ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Sie untersagt den Betrieb jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten selbst, bzw. das sonstige Vorhalten und die Nutzung eines jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten. Durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer wurde hiervon die Nutzung eines Internetanschlusses (also nicht der eigene Betrieb oder das sonstige Vorhalten) zum Zwecke der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme ausgenommen.

Einer Zustimmung des Verurteilten zu der vorliegenden Weisung bedurfte es nicht (vgl. § 56c Abs. 3 StGB).

Die Weisung stellt keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten (§ 56c Abs. 1 S. 2 StGB). Sie verstößt nicht gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, auf das sich der Verurteilte mit seinen Hinweisen auf die Gepflogenheiten der heutigen Kommunikation, insbesondere bzgl. der Erschwernisse bei dem Inhalt von Informationen im Rahmen der Arbeits- und Wohnungssuche, offenbar berufen will. Zwar ist der Schutzbereich der Informationsfreiheit betroffen, da die Informationsfreiheit der Internetnutzer die Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet als einer allgemein zugänglichen Quelle erfasst (BVerfG NJW 2012, 3423; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – 27 K 7499/13 – [juris]). Das Internet ist technisch geeignet und dazu bestimmt, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. zu dieser allgemeinen Voraussetzung: BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52).

Das Grundrecht ist aber nicht vorbehaltslos gewährleistet. Eine Weisung nach § 56c Abs. 1 StGB unterfällt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG; danach finden die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“. § 56c Abs. 1 StGB ist ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG. Ein allgemeines Gesetz liegt vor, wenn es sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet (BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52). Die gesetzliche Grundlage für die Erteilung von Weisungen im Rahmen der Bewährung richtet sich nicht gegen die Abgabe oder den Erhalt bestimmter Meinungen, ist also „allgemein“ (vgl. auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.09.2010 – 3 Ws 839/10 – [juris]). ….“

Anhörung: Der (Pflicht)Verteidiger muss dabei sein, oder: Wenn das Anwesenheitsrecht zur Farce wird

© fotomek - Fotolia.com

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Machen wir heute noch einmal einen „Strafvollstreckungstag“, also Entscheidungen, die aus dem Vollstreckungsverfahren stammen. Zunächst zwei Beschlüsse, die sich mit der nicht erfolgten Teilnahme des Verteidigers an der Anhörung des Verurteilten im Verfahren über die Reststrafenaussetzung (§§ 57 ff. StGB; 454, 463 StPO) befassen. In beiden Fällen haben die OLG (mal wieder) das Recht auf eine faires Verfahren für den Verurteilten betonen müssen.

Das ist zunächst der OLG Nürnberg, Beschl. v. 02.12.2015 – 1 Ws 546/15. Da ist es ein wenig (zu) schnell gegangen bei der StVK. Anberaumung des Anhörungstermins am 14.10.2015 auf den 16.10.2015. Ladung des Verteidigers nicht per Fax, sondern auf normalem Weg, allerdings zunächst Eingang als Irrläufer bei einer anderen Anwaltskanzlei. Der Anhörungstermin findet dennoch statt, Strafaussetzung wird abgelehnt. Das OLG Nürnberg meint: So nicht. Denn:

„1. Der auf dem Rechtsstaatsprinzip basierende Grundsatz des fairen Verfahrens gibt dem Verurteilten das Recht, zu, seiner mündlichen Anhörung im Verfahren über die Aussetzung eines Strafrestes einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen. Das Recht auf ein faires Verfahren gibt dem Verurteilten jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf einen Rechtsbeistand, sondern gewährleistet dies lediglich in den Grenzen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägung zwischen den Verfahrensrechten des Verurteilten einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Verfahrens andererseits. So gehört es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Gerichts, den Verteidiger von dem Termin zur mündlichen Anhörung zu benachrichtigen, sondern es obliegt dem Verurteilten, selbst dafür Sorge zu treffen, dass sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt. Erfolgt die Anhörung jedoch kurzfristig, so hat das Gericht den Verteidiger zu benachrichtigen, da anders der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht durchsetzbar ist (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ 2011, 478, 479 m.w.N.).

2. Dies zu Grunde gelegt ist im vorliegenden Fall die unterbliebene Hinzuziehung des Verteidigers zum Termin zur mündlichen Anhörung als schwerwiegender Verfahrensfehler zu werten, der die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses notwendig macht. Zwischen der Terminsverfügung vom 14.10.2015 und dem Anhörungstermin vom 16.10.2015 um. 8.30 Uhr lag nur ein Tag. Nachdem die Terminsnachricht nicht per Fax erfolgte und überdies als Irrläufer am 15.10.2015 zunächst eine verfahrensfremde Anwaltskanzlei erreichte, erhielt der Verteidiger erst Nachricht vom Anhörungstermin, als dieser bereits stattgefunden hatte.“

Und der zweite Beschluss ist der OLG Hamm, Beschl. v. 16.06.2015 – 4 Ws 200/15. Da hatte die Anhörung über die Aussetzung einer Maßregel ohne den erkrankten Pflichtverteidiger statt gefunden. Hat dem OLG nicht gefallen:

„…. Jedoch gebietet es der im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Verteidiger in entsprechender Anwendung der §§ 163, 168 c StPO auch bei der mündlichen Anhörung im Vollstreckungsverfahren die Teilnahme zu gestatten (zu vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.01.2006 – 2 Ws 23/06 -).

Dieses Recht hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vorliegend verletzt. Angesichts der plötzlichen Erkrankung des Pflichtverteidigers hätte, was auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine neue Anhörung anberaumt werden müssen. Davon war die Strafvollstreckungskammer auch nicht deswegen entbunden, weil die Untergebrachte bei der Anhörung geäußert hat, sie sei damit einverstanden, dass diese ohne ihren Pflichtverteidiger stattfinde. Denn die Rechtsprechung misst einem ausdrücklichen Verzicht eines Verurteilten nur insoweit rechtliche Bedeutung bei, als er selbst auf eine Anhörung verzichtet. Einem Verurteilten, der an der zu treffenden Entscheidung kein Interesse zeigt, wird die mündliche Anhörung nicht aufgedrängt (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr wird das Anwesenheitsrecht des Pflichtverteidigers durch Erklärungen, wie sie die Untergebrachte hier abgegeben hat, nicht berührt. Der Pflichtverteidiger ist Beistand, nicht Vertreter des Untergebrachten. Seine Aufgabe verlangt von ihm, das Verfahren in eigener Verantwortung und unabhängig von dem Untergebrachten zu dessen Schutz mitzugestalten (zu vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die dem Pflichtverteidiger gebotene Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme genügte ebenfalls nicht zur sachgerechten Wahrnehmung des Rechts der Untergebrachten. Vielmehr stellt dies eine Verkürzung ihrer Rechte dar. Denn nur die mündliche Anhörung bietet die ausreichende Gewähr für eine sachgerechte Stellungnahme durch den Verteidiger, insbesondere vor dem Hintergrund, insoweit die Sache mit dem Gericht und den weiteren Beteiligten – hier insbesondere den Betreuern und Bezugstherapeuten der Untergebrachten – zu erörtern.“

In beiden Fällen: Bitte noch einmal…. Und man fragt sich, warum man eigentlich einen Termin innerhalb von zwei Tagen anberaumt und dann, wenn der Verteidiger nicht da ist, auch durchzieht. Da wird das Anwesenheitsrecht des Verteidigers zur Farce. Dasselbe gilt letztlich, wenn ich den Anhörungstermin durchführe, obwohl der von der Kammer selbst beigeordnete Rechtsanwalt wegen Erkrankung nicht erschienen ist.

Sonntagswitz: Dann heute am 4. Advent noch einmal zu Weihnachten, mit Blondinen…..

© Matthias Enter - Fotolia.com

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Am 4. Adventssonntag gibt es dann noch einmal Weihnachtswitze, bevor dann in der kommenden Woche wieder das „normale Programm“ läuft. Hier also dann:

„Weihnachtsmann: „Wer mir ein kurzes Gedicht aufsagt, bekommt ein kleines Geschenk und wer mir ein langes Gedicht aufsagt, bekommt ein großes Geschenk“.
Kommt der erste: „HIGHHUBADIDAA“.
Weihnachtsmann:“… und wer mich verarscht, kriegt gar nichts!“


Fragt der kleine Junge, dessen Schwester sich an Weihnachten verloben will seinen Vater: „Was ist denn eigentlich eine Verlobung?“
Der Papa erklärt: „Eine Verlobung ist, wenn dir der Weihnachtsmann ein Fahrrad schenkt, du aber erst zu Ostern damit fahren darfst.“
Der kleine Junge: „Aber ein wenig klingeln wird man ja schon vorher dürfen.“


Er hat ihr ein Handy zu Weihnachten geschenkt und versucht nun, sie beim Einkaufen zu erreichen.
Es klappt.
„Heinz“, ruft sie erstaunt ins Handy, „woher weißt du, dass ich gerade  im Supermarkt bin ?“


Eine Blondine will zu Weihnachten eine Gans zubereiten.
Nach einer gewissen Zeit ruft der Ehemann seiner blonden Frau zu: „Schatz, wie weit bist du mit der Weihnachtsgans?“
Ruft sie aus der Küche zurück: „Mit dem Rupfen bin ich fertig, jetzt muß ich sie nur noch schlachten.“


Eine Blondine zur anderen: „Mein Mann will mir zu Weihnachten ein Schwein schenken.“
 „Das sieht ihm ähnlich.“
„Wieso? Hast du es denn schon gesehen?

Wochenspiegel für die 51. KW., das war NSU, Mollath, der Notfallkoffer, ein verlorenes Paket und Anonymität im Netz

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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Nun haben wir die 51. Woche des Jahres 2015 hinter uns liegen, Weihnachten und der Jahreswechsel stehen vor der Tür. „Heißa, drei mal werden wir noch wach….“, so heißt es bei den Kindern – und vielleicht auch bei dem ein oder anderen Erwachsenen, der sich auf ein paar ruhige Feiertage freut. Vorher gibt es aber erst noch einen Wochenspiegel, in dem wir berichten über:

  1. das NSU-Verfahren in München, mit: Was heißt Glaubwürdigkeit? Der NSU als Schimäre, oder: Schweigen im Strafverfahren – Der NSU Prozess als mahnendes Beispiel, oder auch mein eigener Beitrag: Stille Nacht, heilige Nacht, nicht für B. Zschäpe, oder: Ein paar weitere Gedanken zum NSU-Verfahren….
  2. Mollath am BGH,
  3. Wir wissen mit wem du gesprochen hast – Vorratsdatenspeicherung wieder in Kraft, oder: Ab heute wieder Vorratsdatenspeicherung in Deutschland,
  4. zum Download: Notfallkoffer Strafverteidigung – Haftgrund Fluchtgefahr bei hoher Straferwartung,
  5. dazu passt: Der Anfangs-, hinreichende und dringende Tatverdacht,
  6. Rechtsanwalt fotografiert Gegenanwalt vor Gerichtssaal – Mandant nutzt Foto zum Mobbing auf Facebook,
  7. LG Kemp­ten: Sofor­ti­ges Auf­fah­ren auf den lin­ken Fahr­strei­fen der Auto­bahn führt bei Unfall zur Alleinhaftung,
  8. Rettungsassistent: Patientendiebstahl führt zur Entlassung,
  9. und passend zur Jahreszeit: Paket verloren: wer haftet wann – was tun?,
  10. und dann war da noch die Frage: Warum sollen sich Nutzer anonym im Internet bewegen (dürfen)?

E-Scooter: In Kiel muss der Bus mich mitnehmen….

entnommen wikimedia.org - gemeinfrei

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Am heutigen Samstag will ich dann – entgegen den sonstige Gepflogenheiten – mal drei Entscheidungen bringen. Immerhin stehen ja in der nächsten Woche vier arbeitsfrei Tage an. Da kann man dann vorher mal etwas mehr tun.

Im letzten Posting weise ich dann hin auf das OLG Schleswig, Urt. v. 11.12.2015 – 1 U 64/15. Es behandelt eine Problematik, zu der ich hier auch schon zweimal gepostet hatte, nämlich die Frage der Mitnahme/Beförderung von Escootern in Bussen des ÖPNV (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 23.01.2015 – 7 L 31/15 und dazu E-Scooter versus ÖPNV – muss der Bus mich mitnehmen? und der OVG Münster, Beschl. v. 15.06.2015 – 13 B 159/15 und dazu E-Scooter versus ÖPNV – der Bus muss ihn nicht mitnehmen). Das OLG Schleswig hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Kieler Verkehrsgesellschaft unterschiedslos alle E-Scooter von der Beförderung in den Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs ausschließen darf. Eingeleitet worden war das einstweilige Verfügungsverfahren vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V., nachdem die KVG im Februar 2015 angekündigt hatte, entgegen ihrer bisherigen Praxis künftig keine E-Scooter mehr in Bussen mitzunehmen.

Das OLG Schleswig sieht das als unzulässig an. Die KVG dürfe nicht unterschiedslos alle E-Scooter von der Beförderung in den Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs ausschließen. Sie benachteilige damit in unzulässiger Weise Menschen mit Behinderung. Es werde damit gegen § 19 AGG verstoßen. Ein sachlicher Grund für das pauschale Verbot liege – so das OLG – nicht vor, insbesondere rechtfertigten die von der KVG vorgetragenen Sicherheitsbedenken nicht den Beförderungsausschluss von allen E-Scootern. E-Scooter würden zum großen Teil durch Körperbehinderte genutzt. Der Begriff der Behinderung in § 19 AGG erfasse auch eine eingeschränkte Gehfähigkeit, die zur Nutzung eines E-Scooters zwinge, ohne dass es auf einen anerkannten Grad der Behinderung ankommt. Es gebe kein gesetzliches Verbot des Transports von E-Scootern in Bussen.

Zwar kann nahc Auffassung des OLG eine Ungleichbehandlung dann gerechtfertigt sein, wenn sie zur Vermeidung von Gefahren oder Verhütung von Schäden dient. Das hatte die KVG aber nicht glaubhaft gemacht.

Alles nachzulesen im Volltext des OLG Schleswig, Urt. v. 11.12.2015 – 1 U 64/15, das mir der Kollege Lars Rieck zur Verfügung gestellt hat. Ihm und dem Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. herzlichen Dank.