Archiv für den Monat: Mai 2015

Zusammenstoß von zwei Radfahrern – wie wird gehaftet?

FahrradfahrerDer Zusammenstoß von zwei Radfahrern war Gegenstand des OLG München, Urt. v. 27.02.2015 – 10 U 4873/13. Worum es geht, ergibt sich aus dem Leitsatz:

  1. Die Radwegbenutzungspflicht besteht auch dann, wenn der Radweg wegen seiner baulichen Gestaltung nur mit herabgesetzter, den Fahrbahn- und Witterungs- sowie Fahrzeugverhältnissen angepasster Geschwindigkeit gem. § 3 Abs. 2 StVO befahren werden kann. Eine Ausnahme von der Benutzungspflicht besteht allenfalls dann, wenn sich zahlreiche Löcher in der Fahrbahn befinden.
  2. Kommt es zu einer Kollision zweier Radfahrer, von denen einer die Fahrbahn quert und der andere einen vorhanden Radweg nicht benutzt, so ist auch bei einem Sorgfaltsverstoß des die Fahrbahn querenden Radfahrers dem den Radweg nicht benutzenden Radfahrer ein Mitverschulden von 1/4 zuzurechnen, da die Radwegbenutzungspflicht seinem Schutz dient.“

Ich habe da mal eine Frage: Zwei zusätzliche Gebühren oder: Nr. 4141 VV RVG und Nr. 5115 VV RVG?

Fotolia © AllebaziB

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Bevor nun alle in das lange Pfingstwochenende entschwinden, will ich dann doch – vielleicht hat ja der ein oder andere über Pfingsten ein wenig Zeit – schnell noch mein „Freitagsrätsel“ veröffentlichen (lassen). Dieses Mal ganz kurz. Der Kollege schrieb:

Sehr geehrter Herr Burhoff,
kurze Frage:
„..das Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mandanten habe ich gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt.
Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit erfolgte Einstellung gemäß § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz…“
4100, 4104, 4141,
5115?

Ich denke, die Lösung sollte auch ohne den heiligen Geist zu finden sein 🙂 .

Gebührenvereinbarung/Vergütungsvereinbarung? – das kann von Bedeutung sein

RVG GeldregenDas OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.01.2015 – 19 U 99/14 – ist nicht nur für Strafverteidiger, sondern für alle Rechtsanwälte von Interesse, die nicht nach den gesetzlichen Gebühren abrechnen wollen. Es behandelt nämlich die Frage der Abgrenzung der – formfreien – Gebührenvereinbarung (§ 34 RVG) von der – formgebundenen – Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG). Und: Es setzt sich mit dem Begriff des „deutlichen Absetzens“ in § 3a Abs. 1 Satz 2 RVg auseinander. Dazu folgende Leitsätze:

  1. Eine – besonderen Formvorschriften unterliegende – Vergütungsvereinbarung liegt vor, wenn zwischen Anwalt und Mandant eine höhere oder niedrigere als die gesetzlich festgelegte Vergütung vereinbart werden soll. Fehlt es an gesetzlich festgelegten Gebühren, handelt es sich bei einer Honorarregelung um eine Gebührenvereinbarung.
  2. Das Tatbestandsmerkmal des „deutlichen Absetzens“ in § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG umschreibt das Gebot einer räumlichen Trennung der Vergütungsvereinbarung von den „anderen Vereinbarungen“ in ihrer Gesamtheit. Um diesem Dualismus Rechnung zu tragen, bedarf es keiner drucktechnischen Hervorhebung. Jedoch muss die Vergütungsvereinbarung sich in ihrer Gesamtwirkung so deutlich vom übrigen Vertragstext abheben, dass sie dem Vertragspartner die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringt.

Bisher hatte es übrigens obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, was unter einem „deutlichen Absetzen“ i.S. des § 3a Abs. 1 S. 2 RVG zu verstehen ist, noch nicht gegeben. Die vom OLG gefundene Lösung ist nachvollziehbar und überzeugend. Dazu werden wir wahrscheinlich dann demnächst etwas vom BGH hören, da das OLG die Revision zugelassen hat.

Vorsicht bei Fremdgeldern – schnell und vollständig an den Mandaten

Entnommen wikimedia.org Urheber Mediatus

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Urheber Mediatus

Beim Umgang mit Fremdgeldern sollte der Rechtsanwalt höchste Vorsicht walten lassen. Wichtig ist alles, schnell/rechtzeitig und vollständig an den Mandanten auszukehren. Passiert das nicht, droht ggf. ein Verfahren wegen Untreue (§ 266 StGB). Mit den damit zusammenhängenden Fragen hat sich Anfang des Jahres der BGH, Beschl. v. 29.01.2015 – 1 StR 587/14 – befasst, der noch einmal schön zusammenfasst, worauf es ankommt und worauf man als Rechtsanwalt achten muss:

„aa) Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwalts-vertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, macht sich der Untreue in der Variante des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) strafbar (vgl. BGH, Urteile vom 16. Dezember 1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 344; und vom 27. Januar 1988 – 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschlüsse vom 25. Juli 1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; vom 30. Oktober 2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; und vom 24. Juli 2014 – 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28). Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür be-sorgt zu sein, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jeder-zeit für den Berechtigten zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1960 – 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629 mwN). Hierauf hat das Landgericht auch zutreffend abgestellt. Das verwendete Geschäftskonto des Angeklagten war häufig überzogen, so dass eingehende Fremdgelder unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem Ausgleich des Solls dienten; teilweise verwendete der Angeklagte die Gelder zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten. Beides reicht für die Annahme einer Untreue in der Form des Treuebruchs aus. Die Feststellungen belegen damit allerdings nicht nur, wie das Landgericht meint, den Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Mit der Kontokorrentbuchung der Bank oder dem Abfluss des Zahlungseingangs vom Konto ist bei dem Berechtigten bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff.).

Die Vernehmung des Mitangeklagten als Zeugen – geht das?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Die Vernehmung des Mitangeklagten als Zeugen – geht das? Nun, die Frage will man, wenn man sie liest, schnell verneinen und darauf verweisen, dass insoweit ein Beweiserhebungsverbot besteht. Allerdings wäre das ein wenig vorschnell. Denn es gibt Ausnahmen. Und zwar einmal dann, wenn das Verfahren gegen den Mitangeklagten abgetrennt ist, und im Berufungsverfahren, wenn die Berufung des (ehemaligen) Mitangeklagten bereits (gem. § 329 Abs. 1 StPO) verworfen worden ist.

Zu letzterem der OLG Bamberg, Beschl. v. 23.02.2015 – 3 OLG 8 Ss 126/14: Da war der Angeklagte vom AG wegen Diebstahls verurteilt. Zusammen mit dem Angeklagten hatte das AG die zusammen mit dem Angeklagten angeklagten beiden Mittäterinnen M. und S. wegen Diebstahls verurteilt. Die gegen das erstinstanzliche Urteil seitens des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, eingelegten Berufungen hat das LG dann als unbegründet verworfen, während es die auch von der ehemals Mitangeklagten M. eingelegte Berufung schon zuvor nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen hatte, weil die Mitangeklagte nicht zur Berufungshauptverhandlung erschienen war. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Verfahrensrüge hat der Angeklagte die Verletzung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO bei der Ablehnung eines Antrags auf Einvernahme der Mitangeklagten M. als Zeugin zur Schuldfrage beanstandet. Das OLG Bamberg sagt: Zu Recht, und zwar:

„1. Das Landgericht hätte den in der Hauptverhandlung vom 17.06.2014 gestellten Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der (früheren) Mitangeklagten als Zeugin nicht nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als unzulässig ablehnen dürfen.

a) Zwar ist die Berufungskammer zutreffend davon ausgegangen, dass ein auf Vernehmung eines Mitangeklagten als Zeuge gerichteter Beweisantrag deshalb als unzulässig im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO abzulehnen ist, weil ein Mitangeklagter nicht zugleich Zeuge sein kann. Denn der Erhebung des begehrten Zeugenbeweises steht in diesem Fall ein Beweiserhebungsverbot entgegen (BGH NStZ 2011, 168 = StraFo 2011, 90; KK/Krehl StPO 7. Aufl. § 244 Rn. 109; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 244 Rn. 49; LR/Becker StPO 26. Auf. § 244 Rn. 189, jeweils m.w.N.). Allerdings war im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungskammer über den Beweisantrag die frühere Mitangeklagte wegen des erlassenen Urteils nach § 329 Abs. 1 StPO bereits aus dem Verfahren ausgeschieden und konnte deshalb als Zeugin vernommen werden.

b) Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung und zutreffender Ansicht im Schrifttum kommt es für die Frage, ob jemand Mitangeklagter ist und deshalb als Zeuge ausscheidet, ausschließlich auf die prozessuale Gemeinsamkeit an (BGHSt 10, 8/11 f.; 10, 186/187 ff; 18, 238/240; 27, 139/141; LR/Ignor/Bertheau Vor § 48 Rn. 33 f.; KK/Senge Vor § 48 Rn. 7 ff.). Nur solange diese Klammer besteht, scheidet die Vernehmung eines Mitangeklagten als Zeuge aus (BGHSt 10, 8/11 f.; BGH NJW 1964, 1034; NStZ 1984, 464 = NJW 1985, 76 = StV 1984, 361; KK/Senge Vor § 48 Rn. 7 f.; Meyer-Goßner/Schmitt vor § 48 Rn. 21 f.; Alsberg/Dallmeyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl. Rn. 322; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl. Rn. 1005, 927 ff., jeweils m.w.N.).

c) Das Landgericht hat diese Grundsätze im Ansatz nicht verkannt. Allerdings hat es dann in rechtfehlerhafter Weise darauf abgehoben, dass die prozessuale Gemeinsamkeit noch bestehe, weil ein Beschluss über die Abtrennung des Verfahrens nicht erlassen worden sei. Durch diese zu enge, mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der im Schrifttum vertretenen Auffassung nicht in Einklang stehende Ansicht hat es sich den Blick auf eine zutreffende Einordnung der Zeugeneigenschaft verstellt. Es entspricht zwar höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die prozessuale Gemeinsamkeit durch einen Abtrennungsbeschluss aufgehoben wird. Indes hat der Bundesgerichtshof auch stets explizit betont, dass die Abtrennung des Verfahrens nur ein Beispiel sei, durch welches die prozessuale Gemeinsamkeit aufgelöst werde (vgl. BGH a.a.O.; ebenso: KK/Senge Vor § 48 Rn. 8). Es versteht sich gleichsam von selbst, dass ein Abtrennungsbeschluss zur Aufhebung der prozessualen Verbindung dann nicht erforderlich ist, wenn gegen den bisherigen Mitangeklagten ein Urteil ergangen ist. Denn durch diese Entscheidung ist der Mitangeklagte aus dem bis dahin gemeinsam geführten Verfahren ausgeschieden, sodass für einen Abtrennungsbeschluss deshalb schon gar kein Raum mehr bestünde…..“