Archiv für den Monat: Juli 2013

Da ist es dann – das 2. KostRMoG am 01.08.2013

Nur der Vollständigkeit halber will ich dann doch eben noch darauf hinweisen, dass mein Blick in die Kristallkugel der Fee (vgl. I had a dream – ich habe das 2. KostRMoG/RVG im BGBl. gesehen) dann doch richtig war bzw. ich mich nicht versehen hatte. Heute ist dann das 2. KostRMoG v. 23.07.2013 im BGBl. verkündet worden, und zwar BGBl I, S. 2586. Das Gesetz tritt damit am 01.08.2013 in Kraft.

Über alles Weitere, insbesondere die Übergangsregelung , demnächst dann mehr.

Überraschende sexuelle Handlung – keine Gewalt-Nötigung

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Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„Während eines gemeinsamen Urlaubsaufenthalts im Juli 2007 legte sich der damals 18-jährige Angeklagte zu dem 16-jährigen H. ins Bett und berührte ihn im Intimbereich. In der Folge drückte der Angeklagte den vor Überraschung zunächst wie gelähmt wirkenden H. an den Schultern in Richtung seines Genitalbereichs, so dass sich dessen Kopf auf das Glied des Angeklagten zubewegte. Zu einem weiteren körperlichen Kontakt kam es nicht, weil H. aus dem Bett sprang und flüchtete (Fall II.2 der Urteilsgründe).“

Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 04.06.2013 – 2 StR 3/13 darin noch keine sexuelle Nötigungshandlung § 177 StGB) gesehen:

„a) Im Fall II.2 der Urteilsgründe war der geschädigte H. von der Situation völlig überrascht und wirkte deshalb wie gelähmt. Das bloße Drücken an der Schulter des Geschädigten ist für sich genommen nicht ohne weiteres als Mittel zur Überwindung eines Widerstands des überraschten Opfers zu werten, der in der konkreten Situation einen Abwehrwillen offenkundig noch nicht gebildet hatte. Die bloße – möglicherweise überraschende – Vornahme einer sexuellen Handlung gegen den Willen eines anderen ist keine „Gewalt-Nötigung“ zur Duldung dieser Handlung (BGHSt 31, 76; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 177 Rn. 14). Zudem spricht gegen die gewaltsame Überwindung von geleistetem oder erwartetem Widerstand des Jugendlichen vor allem, dass dieser – ohne dass der Angeklagte ihn daran zu hindern versuchte – aus dem Bett sprang und das Zimmer verlassen konnte. Auch mit diesem Umstand hätte sich die Kammer auseinandersetzen müssen.“

Wer keine Arbeit hat, der macht sich welche, oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der Justiz?

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Dem ein oder anderen wird es vielleicht auch schon aufgefallen sein. In der letzten Zeit ist es in NRW m.E. mit den Aktenzeichen ein wenig durcheinander gegangen. Da gibt es bei den OLG Aktenzeichen mit und ohne römische Ziffern und man fragt sich, was ist bzw. soll das? Die Aktenordnung sieht nämlich solche Aktenzeichen nicht vor. Danach hat z.B. ein Beschwerdeverfahren beim OLG das Aktenzeichen: „1 Ws 336/13“, und nicht „III 1 Ws 336/13“. Ich habe mich, um da Klarheit zu bekommen, mal bei der Zentrale Dokumentation von Wolters Kluwer erkundigt. Die, meinte ich, müssen es wissen. Und: Sie wussten es und haben mir als Antwort ein Schreiben des Präsidenten des OLG Köln vom 16.05.2013 – 1544-1 (4A) – geschickt, aus dem ich zitiere (die Kölner mögen es mir nachsehen):

„….
Rechtsprechungsdatenbank des Landes Nordrhein-Westfalen (NRWE)

Führung von Aktenzeichen im Verfahren NRWE
Sehr geehrte Damen und Herren,
einzelne Behörden stellen den gerichtlichen Aktenzeichen intern eine römische Ziffer als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal voran. Diese Vorgehensweise wird bedingt durch die Geschäftsverteilung in den jeweiligen Spruchkörpern und deren Abbildung im IT-Fachverfahren der nordrhein-westfälischen Justiz.
In der Rechtsprechungsdatenbank NRWE veröffentlichte Entscheidungen sollen jedoch ein Aktenzeichen tragen, welches den Vorgaben der Aktenordnung NRW entspricht, um Irritationen der Öffentlichkeit sowie mehrfache Veröffentlichung auszuschließen. Die Behörden sind daher durch die VPS NRWE bereits aufgefordert worden, vor der Veröffentlichung einer Entscheidung in NRWE künftig solche zusätzlichen Unterscheidungskennzeichen zu entfernen.…“

Also: Wir reichern das Aktenzeichen für interne Zwecke mit römischen Ziffern an. Wenn die Entscheidung dann in NRWE veröffentlicht wird, werden die römischen Ziffern wieder entfernt. Ist doch ganz einfach. Wahrscheinlich gibt es dafür eine Planstelle 🙂 – bei jedem OLG aber.

Kantholz

entnommen: openclipart.org

Die Frage: minder schwerer Fall, ja oder nein? hat bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) für die Strafzumessung erhebliche Bedeutung. Zwar ist das Tatgericht in der Beurteilung der Strafzumessungserwägungen verhältnismäßig frei – „ureigene Aufgabe des Tatrichters“ – bei Rechtsfehlern kann und darf das Revisionsgericht aber eingreifen. Das musste sich jetzt eine Strafkammer des LG Detmold vom OLG Hamm sagen lassen. Das LG hatte einen minder schweren Fall angenommen, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bestanden zwischen dem Angeklagten und dem späteren Geschädigten T schon seit einiger Zeit Streitigkeiten und Spannungen, weil T ein (Liebes-)Verhältnis mit der Freundin des Bruders des Angeklagten unterhielt. Am 17. April 2012 trafen der Angeklagte und T vor dessen Wohnung, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb, in dem der Angeklagte als Lager- und Versandarbeiter tätig ist, befindet, zusammen. Der Angeklagte sprach T, der gerade aus seinem Pkw ausgestiegen war, an, und es entwickelte sich eine heftige Diskussion, in deren Verlauf der Angeklagte T aufforderte, er solle innerhalb von vier Wochen aus seiner Wohnung ausziehen, anderenfalls werde er, der Angeklagte, ihn „totschlagen“. Nachdem es in der Folge dieser verbalen Auseinandersetzung noch zu einer „Rangelei“ zwischen dem Angeklagten und T gekommen war, begab sich T zunächst in das Haus, in dem sich seine Wohnung befindet. Er ärgerte sich jedoch über das Verhalten des Angeklagten und begab sich wieder nach draußen. Dort erklärte er dem Angeklagten, dieser habe ihm, T, nichts zu sagen und könne ihn „am Arsch lecken“. Der Angeklagte nahm daraufhin einen Holzbalken (Kantholz) von einer in der Nähe stehenden Palette und schlug mit diesem Holzstück mindestens zweimal gegen das Gesicht des T. T gelang es, den ersten Schlag abzuwehren. Der zweite Schlag traf ihn indes im Bereich des linken Ohres. T konnte den Angeklagten danach packen, woraufhin beide Kontrahenten zu Boden gingen. Als Folge des – zweiten – Schlages blutete das linke Ohr des T, er erlitt zudem eine Schädelprellung mit einer hämatösen Prellmarke.

Das OLG Hamm hat das – wohl zu Recht – anders gesehen und kommt im OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2013 – 3 RVs 27/13 – zur Aufhebung, denn:

Gemessen an diesem Maßstab, begegnet die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung durch das Landgericht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bereits nach dem Gesamtbild der Tat liegt die Annahme, dass der vorliegende Fall sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so zu Gunsten des Angeklagten abhebt, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint, eher fern. Die Ausführungen des Landgerichts lassen überdies besorgen, dass die Strafkammer bei der Abwägung einseitig nur (vermeintlich) zugunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte berücksichtigt hat. In mehrfacher Hinsicht fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit gegen den Angeklagten sprechenden Aspekten. Die Erwägung der Strafkammer, die Tat habe sich aus der Situation heraus ergeben und sei darauf zurückzuführen, dass der Geschädigte T nach der ursprünglichen Auseinandersetzung noch einmal zu dem Angeklagten gegangen sei und diesen angesprochen habe, lässt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen Ausgangspunkt des gesamten Tatgeschehens ein provozierendes Verhalten des Angeklagten war und die der gefährlichen Körperverletzung unmittelbar vorausgehende Ansprache des Angeklagten durch den Geschädigten eine nachvollziehbare – wenn auch in der Wortwahl sicher teilweise unsachliche – Reaktion auf die vorangegangenen Aggressionen des Angeklagten darstellte. Von einer Tatprovokation durch den Geschädigten – hierauf will das Landgericht vermutlich hinaus – kann vor diesem Hintergrund kaum die Rede sein. Warum der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der gefährlichen Körperverletzung keinen Nötigungsvorsatz (mehr) hatte, die Körperverletzungstat also nicht zugleich – tateinheitlich – noch einen weiteren Straftatbestand erfüllte, zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles geeignet sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einer blutenden Wunde und einer Schädelprellung handelt es sich auch keineswegs nur um geringfügige Verletzungen. Die Strafkammer setzt sich auch nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass es letztlich nur den Abwehrbewegungen des Geschädigten zu verdanken sein dürfte, dass es trotz der erheblichen konkreten Gefährlichkeit der von dem Angeklagten ausgeführten Schläge nicht zu noch schlimmeren Verletzungen gekommen ist. Es ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar – wenn nicht sogar widersprüchlich -, dass das Landgericht einerseits zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles auf die nach seiner Ansicht geringfügigen Verletzungsfolgen hinweist, andererseits aber insbesondere im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB der konkreten Gefährlichkeit der Schläge ein ganz besonderes Gewicht beimisst.

Die „Gustl-Mollath-Gedächtnis-Reform“….

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Es bewegt sich etwas, nun nicht im Verfahren Gustl Mollath, darüber brütet jetzt das OLG Nürnberg (vgl. Wiederaufnahmeantrag von G. Mollath als unzulässig abgelehnt…Und nun? – auf nach Nürnberg), sondern im Unterbringungsrecht. Es gibt nämlich eine Reforminitiative des BMJ, die – das räumt das BMJ auch offen ein -sicherlich vom Fall Mollath mit initiert worden ist. Da heißt es:

„Vor dem Hintergrund der breiten öffentlichen Diskussion um die Unterbringung von Gustl Mollath in der Psychiatrie und der seit Jahren steigenden Zahl von Personen, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Eckpunkte erarbeiten lassen.

Zu dem „Reformpaket wird dann dann ausgeführt auf der Homepage des BMJ:

„..Die strafrechtlichen Vorschriften zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sollen darin reformiert werden. Kern der Überlegungen ist, durch ein engmaschiges Netz an Kontrollen dafür Sorge zu tragen, dass der massive Eingriff in die Freiheit der Betroffenen, den die Unterbringung darstellt, dort, wo er nicht zwingend angezeigt erscheint, vermieden wird.

Künftig soll eine Überprüfung der Maßnahme bereits nach vier Monaten, sodann nach weiteren acht Monaten und schließlich im Jahresrhythmus stattfinden. Dabei ist stets ein Gutachter beizuziehen. Alle zwei Jahre muss sich ein neuer Gutachter mit dem Fall befassen, um zu verhindern, dass stets derselbe Gutachter seine vorherigen Gutachten lediglich fortschreibt und sich nicht eingehend mit möglicherweise neu vorliegenden Umständen befasst. Soll die Unterbringung länger als sechs Jahre vollzogen werden, muss der Richter die Gutachten von zwei Sachverständigen einholen, um eine möglichst umfassende Entscheidungsgrundlage zu haben.

Die Anzahl der Personen, die sich nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, steigt seit Jahren an. Waren es im Jahr 1996 noch knapp 3.000, so sind es inzwischen schon 6.750 Personen – jeweils auf das alte Bundesgebiet bezogen. Allen diesen Personen gemeinsam ist, dass sie eine Straftat begangen haben, für die sie aufgrund verminderter Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt bestraft werden konnten, ein Gutachter jedoch ihre künftige Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt hat. Bislang überprüft ein Richter lediglich jährlich und ohne zwingende neue Begutachtung, ob die Voraussetzungen einer weiteren Unterbringung noch vorliegen. Erst nach fünf Jahren ist das Gutachten eines „externen“ Sachverständigen einzuholen, also ein Sachverständiger, der vorher mit dem Fall noch nicht befasst war.

Das Eckpunktepapier mit den Reformvorschlägen finden man hier: Eckpunkte: Reformüberlegungen zur Unterbringung nach § 63 StGB).

Nun ja, ein wenig Zeit, bis das mal umgesetzt ist, ist ja noch. Da steht ja erst auch noch eine Bundestagswahl ins Haus.