Archiv für den Monat: Juli 2013

Nichts Neues, aber immerhin mal eine Entscheidung zum Fahrverbot

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Im Moment herrscht straßenverkehrsrechtliche Flaute, nicht nur im Verkehrsstrafrecht, sondern auch im OWi-Bereich. Außer der Problematik „Akteneinsicht“, gibt es keine Knaller. Deshalb ist man um so erfreuter, wenn man dann doch mal eine Entscheidung eines Obergerichts übersandt bekommt, in dem Fahrverbotsfragen eine Rolle spielen. Das war der OLG Köln, Beschl. v. 05.07.2013 – III 1 RBs 152/13, in dem es um die Anforderungen an die Begründung der Fahrverbotsentscheidung geht. Der Beschluss hat folgende Leitsätze:

1. Verhängt der Tatrichter ein Fahrverbot, muss die Begründung des tatrichterlichen Urteils erkennen lassen, dass sich der der Tatrichter mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch durch eine Erhöhung der Geldbuße zu erreichen ist.

2. Zur Beurteilung der Frage, ob ein „Härtefall“ vorliegt, der der Verhängung eines Fahrverbots nach der BKatV entgegensteht, hat das Tatgericht im Allgemeinen Ausführungen zu der Berufstätigkeit des Betroffenen zu treffen.

3. Eine Verpflichtung, nähere Feststellungen dazu zu treffen, welcher Berufstätigkeit der Betroffene nachgeht, besteht insbesondere dann, wenn der Betroffene sich mit konkretem Tatsachenvortrag auf das Vorliegen eines Härtefalls beruft und das Gericht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs damit in den Entscheidungsgründen befassen muss.

Auch Kleinvieh macht Mist = kann zur Pflichtverteidigung führen

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Das AG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen hat sich der Angeklagte mit seiner Revision gewendet und geltend gemacht, das AG habe gegen § 338 Nr. 5 StPO verstoßen, weil ihm ein Pflichtverteidiger nicht beigeordnet worden sei. Begründung:  Parallel zum anhängigen Verfahren  war bei einem anderen AG eine weitere Sache anhängig. Mit einer weiteren Anklage sei ihm eine weitere gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. .In dem Verfahren sei ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Die Strafen waren gesamtstrafenfähig.

Das OLG Naumburg hat dem Angeklagten im OLG Naumburg, Urt. v. 22.05.2013 – 2 Ss 65/13 – Recht gegeben:

„Dem Angeklagten war gemäß 140 Abs. 2 StPO wegen der „Schwere der Tat“ ein Verteidiger beizuordnen. Nach zutreffender Auffassung ist jedenfalls eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers (Meyer- Goßner, StPO, 55. Auflage, Rdnr. 2 zu § 140). Die Grenze für die Straferwartung gilt auch, wenn sie „nur“ wegen einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung erreicht wird. Die hier verhängte Strafe ist im Falle ihrer Rechtskraft mit der wegen der Tat vom Juli 2011 zu erwartenden Strafe, deren Rechtskraft vorausgesetzt, gesamtstrafenfähig. Im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht hat der Angeklagte, wie sich aus dem Beiordnungsbeschluss vom 19. Juli 2012 ergibt, bereits wegen der ihm dort zur Last gelegten Tat eine Freiheitsstrafe zur erwarten, die die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der „Schwere der Tat“ gemäß § 140 Abs. 2 StPO gebietet. Jene Strafe wird — rechtskräftige Verurteilung in beiden Verfahren vorausgesetzt — durch Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus hiesigem Verfahren noch höher. Bei der Beurteilung der Schwere der Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO ist stets zu berücksichtigen, ob gegen den Beschuldigten auch weitere Verfahren anhängig sind, hinsichtlich derer eine Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt (OLG Hamm, StV 2004, Seite 586; KK-Laufhütte, 6. Auflage, Rdnr. 21 zu § 140). Daraus folgt: Drohen dem Angeklagten in mehreren Parallelverfahren Strafen, die letztlich gesamtstrafenfähig sind und deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreicht, welche das Merkmal der „Schwere der Tat“ im Sinne des § 140 StPO begründet, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig. Anderenfalls hinge es von bloßen Zufälligkeiten, nämlich der Frage, ob die Verfahren verbunden werden oder nicht ab, ob dem Angeklagten ein Verteidiger beizuordnen ist.

Lang, lang ist es her – aber wen interessiert schon eine Gesetzesänderung aus 2007?

Unter der Überschrift Lang, lang ist´s her – aber was interessiert schon Rechtsprechung des BVerfG, oder? hatte ich im Oktober 2010 über den BGH, Beschl. v. 22.07.2010 – 3 StR 169/10 – berichtet und mich – gelinde ausgedrückt – über den Umstand gewundert, dass die Strafkammer dort (ur)alte Rechtsprechung des BVerfG nicht beachtet hatte. Wer gedacht hat – so wie ich, dass das vielleicht ein Einzelfall ist: Mitnichten, den der BGH, Beschl. v 19.06.2013 – 2 StR 118/13 – greift die Problematik, die an sich keine mehr sein dürfte, noch einmal auf und führt nochmals aus:

„Das – nachträglich durch teilweise Zurücknahme wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkte – Rechtsmittel ist begründet. Das Landgericht ist davon ausgegangen, die Vollziehung der Maßregel erscheine „nicht von vornherein aussichtslos“. Es hat sich dazu auf „§ 64 Abs. 2 StGB“ aus der früheren Gesetzesfassung berufen, die insoweit verfassungswidrig war (BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 – 2 BvL 3/90, BVerfGE 91, 1, 29 ff.) und deshalb geändert wurde. Die Anordnung der Maßregel setzt nun nach § 64 Satz 2 StGB voraus, dass die hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Täter von der Sucht zu heilen oder ihn wenigstens für eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall in den Rauschgiftkonsum zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten. Insoweit ist das Landgericht von einem fal-schen Prüfungsmaßstab ausgegangen.“

Man ist schon wirklich erstaunt: Das BVerG entscheidet dazu bereits 1994, das Gesetz wird dann 2007 geändert, indem der frühere Abs. 2 des § 64 StGB wegfällt, und keiner merkt es? Gelegentlich hilft ja mal ein Blick ins Gesetz. Und Textbausteine sollte man auch gelegentlich mal auf ihre Richtigkeit hin prüfen. Ahc so: Und bei Fischer, StGB, 60 Aufl., § 64 Rn. 18 steht es auch, und zwar mehr als dick.

Anmerkung: Wer den Beschluss der BGH auf der Homepage des BGH sucht, der wird leider keinen Erfolg haben, daher der Link auf meine HP. Der Beschluss war am 22.07.2013 auf der Homepage des BGH eingestellt, ist dort aber, als ich diesen Beitrag vorbereitet habe, nicht mehr aufzufinden. Warum? Dazu finde ich keine Erklärung.

Verteidigungslos, oder: Mit mir nicht

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„Verteidigungslos“ hatte der Verteidiger in einem beim AG Berneburg anhängigen Verfahren seinen Mandanten gestellt, nachdem den Vorsitzenden des Schöffengerichts sein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigung offenbar nicht weiter interessiert hatte. Der Verteidiger hatte im Verfahren Beiordnung beantragt, die war abgelehnt worden, wogegen er am 07.08.2012 Beschwerde eingelegt hatte. Die hatte das AG bis zum Hauptverhandlungstermin am 15.11.2012 nicht an das LG weitergeleitet. Der Verteidiger hatte dann in der Hauptverhandlung nochmals beantragt, beigeordnet zu werden, was wiederum erfolglos blieb. Und dann hat er sich gesagt: Mit mir nicht und hatte sich in den Zuschauerraum begeben.

Der OLG Naumburg, Beschl. v. 30.05.2013 – 2 Ss 79/13 – hat das nicht nur nicht beanstandet, sondern scheint sogar noch Verständnis für den Verteidiger zu haben, wenn er ausführt:

„Dagegen dringt die Rüge, die Hauptverhandlung habe teilweise in Abwesenheit eines notwendigen Verteidigers stattgefunden, durch. Bei Verfahren vor dem Schöffengericht ist, sofern sich die Zuständigkeit dieses Spruchkörpers nicht allein wegen der einem Mitangeklagten zur Last gelegten Tat(en) ergibt, stets gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen (Meyer-Goßner, Rdnr. 23 zu § 140 mit umfangreichen Nachweisen). Hier hat sich der Verteidiger, nachdem er sich in der Hauptverhandlung erneut vergeblich darum bemüht hatte, seine Bestellung zum Pflichtverteidiger zu erreichen, in den Zuschauerraum begeben und den Angeklagten damit – so das Protokoll der Hauptverhandlung – „verteidigungslos gestellt“. Damit war der Angeklagte während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung unverteidigt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft war dieses Verhalten nicht ungehörig und führt erst recht nicht zu einer Rügeverwirkung. Die von der Generalstaatsanwaltschaft zitierte Entscheidung BGH NStZ 1998, 209 ist nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall hatte der Verteidiger bereits am 26. Juni 2012 seine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragt und gegen die unterbliebene Beiordnung am 7. August 2012 Beschwerde eingelegt, ohne dass das Amtsgericht dies zum Anlass genommen hat, die Sache der zuständigen Beschwerdekammer vorzulegen. Nachdem sein erneuter Vorstoß in der Hauptverhandlung doch noch beigeordnet zu werden, erfolglos geblieben war, war es keineswegs pflichtwidrig, die Verteidigung während eines Teils der Hauptverhandlung nicht fortzuführen, weil er andernfalls dem Angeklagten die Möglichkeit genommen hätte, die in der Nichtbeiordnung eines Pflichtverteidigers liegende Rechtsverletzung im Rechtsmittelzug geltend zu machen.“

Das Vorgehen muss man natürlich mit dem Mandanten besprechen, sonst guckt der sicherlich erstaunt, wenn der Verteidiger aufsteht und geht.