Die Erpressung der Staatsanwaltschaft

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„Die Erpressung der Staatsanwaltschaft“, was soll das denn? Das wird sich sicherlich der ein oder andere (auch) gefragt haben, der die Überschrift dieses Postings gelesen hat. Ich war genau so erstaunt, als ich auf den OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2013 – 3 RVs 20/13 – gestoßen bin. In dem ziemlich komplexen Sachverhalt geht es letztlich um die rechtliche Einordnung einer Äußerung gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass Beweismittel im Fall der nicht erfolgten Zahlung eines „Kaufpreises“ nicht an die Staatsanwaltschaft herausgegeben werden. Die Frage, die sich stellt: Erpressung nach § 253 StGB, ja oder nein und wenn nein: Was ggf. sonst?

Eine Strafkammer des LG Bielefeld hatte den Angeklagten auch im Berufungsverfahren vom Vorwurf der Beihilfe zur  (versuchten) Erpressung frei gesprochen. Das OLG Hamm hat das Urteil aufgehoben und das Nichtvorliegen einer Erpressung bestätigt.

„1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allerdings aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhaltes eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung (§§ 253 Abs. 3, 22, 27 StGB) verneint. Es fehlt bereits an einer Haupttat – hier einer versuchten Erpressung durch T2 gegenüber Beamten der Staatsanwaltschaft Bielefeld -, an der der Angeklagte als Gehilfe hätte teilnehmen können.

a) Das Landgericht hat offengelassen, ob T2 – oder in dessen Auftrag der Angeklagte – gegenüber Oberstaatsanwalt C überhaupt eine (konkludente) Drohung mit einem Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB ausgesprochen hat. Auch der Senat kann diese Frage unbeantwortet lassen, merkt indes an, dass es nahe liegt, in der Aufnahme von „Kaufverhandlungen“ durch T2 und den Angeklagten zugleich die konkludente Ankündigung zu sehen, der Staatsanwaltschaft Bielefeld im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen – insbesondere mangels einer Einigung über den „Kaufpreis“ – den in Aussicht genommenen „Kaufgegenstand“ – hier also die möglicherweise als Beweismittel in Betracht kommenden Aktenordner – nicht zu übergeben (mithin vorzuenthalten), und diese Ankündigung angesichts des Interesses der Staatsanwaltschaft an einer lückenlosen Aufklärung des sogenannten „PFT-Skandals“ auch als Drohung mit einem Übel zu werten.

b) Das angedrohte Übel – die Nichtherausgabe der Aktenordner im Falle der Nichtzahlung eines „Kaufpreises“ – war indes kein „empfindliches“ Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB. „Empfindlich“ ist ein Übel nur dann, wenn der angedrohte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren (BGHSt 31, 195). Hierbei handelt es sich um eine normative Tatbestandsvoraussetzung, die entfällt, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGHSt 31, 195; NStZ 1992, 278; vgl. auch BGHSt 32, 165). Ergibt die normative Prüfung, dass von dem Bedrohten ein Standhalten in diesem Sinne erwartet werden kann, ist eine gleichwohl von dem Bedrohten faktisch empfundene Zwangswirkung für die Tatbestandsverwirklichung irrelevant.

Richtet sich die Drohung – wie hier – gegen einen Amtsträger und wird dieser auch gerade in dieser Eigenschaft bedroht, ist bei der Prüfung, ob von ihm ein Standhalten erwartet werden kann, seine Pflichtenstellung zu berücksichtigen (so entsprechend BGHSt 32, 165, für den Straftatbestand der Nötigung von Verfassungsorganen, § 105 StGB).

Im vorliegenden Fall konnte von den mit dem „Kaufangebot“ des T2 und des Angeklagten konfrontierten Vertretern der Staatsanwaltschaft erwartet werden, dass sie der Ankündigung, die Aktenordner im Falle der Nichtzahlung eines „Kaufpreises“ nicht herauszugeben, in besonnener Selbstbehauptung standhielten. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Möglichkeiten und Chancen im vorliegenden Einzelfall für die Staatsanwaltschaft bestanden, auch ohne die Zahlung eines „Kaufpreises“ in den Besitz der Aktenordner zu gelangen, oder welche konkreten Vorstellungen T2 und der Angeklagte hierzu hatten. Entscheidend sind vielmehr grundsätzliche Erwägungen.

Befinden sich Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in dem Gewahrsam einer Person, die zu ihrer Herausgabe entweder überhaupt nicht oder – wie im vorliegenden Falle – nur unter Bedingungen bereit ist, stellt die Strafprozessordnung in den §§ 94 ff StPO ein ausdifferenziertes Instrumentarium zur Verfügung, dass die Auffindung und die anschließende Sicherstellung der potentiellen Beweismittel ermöglichen soll. Dabei ermöglichen die gesetzlichen Regelungen nicht nur ein Vorgehen gegen den Beschuldigten in einem Strafverfahren, sondern auch gegen Personen, die nicht im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben (vgl. z.B. § 103 StPO). Ist im konkreten Einzelfall eine Auffindung und Sicherstellung der Beweismittel mit diesem Instrumentarium nicht möglich, ist die damit einhergehende Gefahr, dass ein Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden kann, hinzunehmen. Sie ist in einem Rechtsstaat, dessen Strafprozessrecht der Gedanke einer „Sachverhaltsaufklärung um jeden Preis“ nur fremd sein kann, systemimmanent. Damit ist auch für eine Zwangseignung der Drohung, Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen herauszugeben, und damit für eine „Erpressbarkeit“ der Beamten der Staatsanwaltschaft mit einer solchen Drohung in normativer Hinsicht kein Raum.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass – wie hier – im Einzelfall ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit an der Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhaltes bestehen kann, aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft sich in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden einem faktischen Druck ausgesetzt sehen kann. Denn zum einen ist es die Pflicht der Beamten der Staatsanwaltschaft, ihren Dienst allein nach Recht und Gesetz und unabhängig von einem etwaigen Druck der öffentlichen Meinung zu versehen. Zum anderen würde eine Staatsanwaltschaft, die sich der Forderung eines Einzelnen, ihm Geld für die Herausgabe von Beweismitteln zu zahlen, beugt, ihre eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger in die Standfestigkeit und die „Nichterpressbarkeit“ staatlicher Institutionen in einem wehrhaften demokratischen Rechtsstaat nachhaltig beeinträchtigen (vgl. hierzu auch BGHSt 32, 165). Völlig zu Recht hat daher der vom Landgericht als Zeuge vernommene Oberstaatsanwalt C die Ablehnung des „Kaufangebotes“ des T2 und des Angeklagten mit dem Argument begründet, man habe keine „Schleusen öffnen“ wollen.

In besonders gelagerten Ausnahmefällen mag zwar auch in normativer Hinsicht eine Zwangseignung der Drohung, Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen herauszugeben, möglicherweise zu bejahen sein. In Betracht kommen namentlich Fälle (allerdings wohl eher theoretischer Natur), in denen die Nichterlangung der Beweismittel nicht nur eine Erschwerung der Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhaltes, sondern zugleich auch schwerwiegende Schäden für das Gemeinwesen oder für einzelne Bürger nach sich zöge (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt 32, 165). Eine solche Fallkonstellation lag hier indes nicht vor und war auch nicht Gegenstand des Tatentschlusses des T2.

Aber kein endgültiger „Durchmarsch“ für den Angeklagten, sondern Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Hinweis: Eine Begünstigung nach § 257 StGB ist möglich.

 

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