© Gina Sanders – Fotolia.com
Das beigefügte Bild signalisiert, es geht um Gebühren. Aber: Diese mal nicht um eine gebührenrechtliche Entscheidung im Hinblick auf Anfall und/oder Höhe der anwaltlichen Gebühren, sondern um eine allgemeine vergütungsrechtliche Problematik in Zusammenhang mit der Pflichtverteidigung. Dass auch der Pflichtverteidiger eine Honorafvereinbarung abschließen darf, ist unbestritten. Die Frage ist nur, wie gelangt man dort hin. Nun, jedenfalls nicht mit Druck. Das KG hat deswegen im KG, Beschl. v. 23.01.2012 – 4 Ws 3/12 – 141 AR 42/12 – einen Pflichtverteidiger nach § 143 StPO wegen Störung des Vertrauensverhältnisses entpflichtet. Begründung – so der Leitsatz der Entscheidung:
„Die Zurücknahme der Beiordnung wegen einer ernsthaften Störung des Vertrauensverhältnisses kommt in Betracht, wenn der Pflichtverteidiger den Angeklagten ungeachtet dessen erklärter Ablehnung wiederholt bedrängt, eine schriftliche Vereinbarung über ein Honorar abzuschließen, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigen würde, und hierbei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss dieser Vereinbarung sei seine Motivation, für den Angeklagten tätig zu werden, eingeschränkt.“
Die Mandantin hatte u.a. vorgetragen:
„Sie habe sich schon bei Gesprächen in der Untersuchungshaft von ihrem Verteidiger unter Druck gesetzt gefühlt, da dieser sie öfter darauf angesprochen habe, dass er „eine Menge Arbeit mit dem Ermittlungsverfahren“ habe und – unabhängig von seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger – „dafür natürlich auch Geld sehen“ wolle, ohne aber konkrete Summen zu nennen. Nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft habe sie sodann erfahren, dass der Verteidiger bereits kurz nach ihrer Festnahme auch ihrem (damals im Ausland befindlichen, später ebenfalls inhaftierten) Vater gegenüber erklärt habe, dass er „nicht umsonst arbeitet“ und ca. 10.000 Euro Honorar verlange. Ihre Mutter und ihr Onkel hätten den Anwalt daraufhin in dessen Kanzlei aufgesucht, wo der Rechtsanwalt diese Aussage sinngemäß wiederholt und einen Betrag von 8.000 Euro gefordert habe. Darauf habe ihr Onkel entgegnet, die Angeklagte könne keine Honorarvereinbarung unterschreiben; aber sobald man Geld übrig habe, werde man etwas überweisen, damit die Beschwerdeführerin „gut verteidigt“ werde. Nach ihrer Entlassung habe sie ihrerseits dem Rechtsanwalt mitgeteilt, dass sie – auch nur, solange sie noch nicht aus dem Polizeidienst entlassen sei und ihre Bezüge erhalte – allenfalls monatliche Raten in Höhe von ca. 300 bis 500 Euro zahlen könne. Den Vorschlag des Rechtsanwalts, das Geld von Verwandten zu besorgen, habe sie abgelehnt, da auch diese kein Geld hätten. Sie habe dem Anwalt nie zugesagt, eine schriftliche Honorarforderung über die von ihm geforderten 9.500 Euro zu unterschreiben.“
Das KG begründet den Rauswurf/die Entpflichtung mit:
„Es sind aber im Zusammenhang mit der Honorarfrage Verhaltensweisen des Verteidigers festzustellen, die auch bei einem verständigen Angeklagten Grund zu der Sorge geben können, der Rechtsanwalt sei zu einer sachgerechten Verteidigung nicht (mehr) bereit. Die Beschwerdeführerin hat unwidersprochen die wiederholten Honorarforderungen des Rechtsanwalts in beträchtlicher Höhe vorgebracht. Sie hat plausibel geltend gemacht, dass sie sich insbesondere durch die Erklärung des Anwalts, seine Motivation, einen Termin für die Angeklagte wahrzunehmen, sei gesunken, weil sie die Honorarvereinbarung nicht unterzeichnet habe, unter Druck gesetzt fühle, diese Vereinbarung doch noch zu unterzeichnen und so eine Verpflichtung einzugehen, die sie in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen würde. Damit sind konkrete Umstände dargelegt, die eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem Verteidiger und die Besorgnis der Angeklagten verständlich erscheinen lassen, objektiv nicht mehr sachgerecht – weil nicht mehr hinreichend engagiert – verteidigt zu werden, wenn und weil es zu der schriftlichen Vereinbarung über ein Honorar von 9.500 Euro nicht kommen wird. Nachvollziehbar ist auch ihre Darstellung, dass sie infolge der durch den Anwalt herbeigeführten Drucksituation Angst vor Gesprächen mit ihm hat, ihm nicht mehr ins Gesicht sehen und mit ihm deshalb auch während der Verhandlung nicht mehr vertrauensvoll sprechen könne. Tatsächlich haben die Angeklagte und der Verteidiger seit dem 29. November 2011 nicht mehr miteinander kommuniziert.
Unerheblich ist, dass die Angeklagte und ihre Familie über einen Zeitraum von mehreren Monaten infolge ihrer Sorge um eine „gute Verteidigung“ Raten auf die mündliche Forderung des Anwalts gezahlt haben. Ob die Angeklagte dem Anwalt tatsächlich in Aussicht gestellt hat, eine schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen (und so deren Wirksamkeit herbeizuführen, § 3a Abs. 1 RVG), kann dahin stehen. Maßgeblich ist, dass der Verteidiger auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung, die ihm ein die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren übersteigendes Honorar sichern soll, keinen Anspruch hat. Allerdings liegt es – auch angesichts des unwidersprochen gebliebenen Vortrags der Angeklagten betreffend die Erklärungen ihres (jeweils namentlich benannten) Freundes bzw. Onkels – nicht nahe, dass sie tatsächlich die Zahlung eines Honorars in einer vorgesehenen Höhe und den Abschluss einer entsprechenden schriftlichen Vereinbarung versprochen hat. Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, dass der Verteidiger seine erhebliche Honorarforderung noch zu einer Zeit aufrechterhalten und wiederholt hat, als bereits absehbar war, dass die Hauptverhandlung gegen die Beschwerdeführerin in kurzer Zeit durchgeführt werden würde. Legt man die in Aussicht genommene Hauptverhandlungsdauer von zwei Tagen zugrunde, übersteigt das vom Verteidiger geforderte Honorar die gesetzlichen Gebühren, die er – selbst bei einer Tätigkeit als Wahlanwalt unter Zugrundlegung der Höchstgebühr jedes Gebührentatbestandes – verdienen könnte, um ein Mehrfaches. Ein Angeklagter muss aber uneingeschränkt darauf vertrauen können, dass ein Pflichtverteidiger sein Engagement nicht danach bemisst, ob und ggf. in welcher Höhe der Angeklagte ein (zusätzliches) Honorar zahlt. Ein Verteidiger, der – subtil oder offen, wie hier, – zum Ausdruck bringt, er könne sich eine Tätigkeit als Verteidiger auf der Grundlage der gesetzlichen Gebühren wirtschaftlich nicht leisten und bedürfe der Motivation durch eine Honorarvereinbarung, beseitigt die Grundlage für ein solche Vertrauen.“