Archiv für den Monat: Februar 2012

Abtrennung „im Grenzbereich zu einem Ermessensfehler“ – Ergebnis: Ggf. Besorgnis der Befangenheit

Eine interessante Konstellation/Verfahrensgestaltung lag dem BGH, Beschl. v. 10.01.2012 – 3 StR 400/11, der jetzt auch auf der HP des BGH veröffentlicht ist, den mir der Verteidiger aber schon vorab zur Verfügung gestellt hatte, zugrunde. Es geht/ging um die Befangenheit der Strafkammer, die gegen drei Angeklagte wegen bandenmäßigen Handels mit BtM verhandelt. Es wird eine Verständigung getroffen, aber nur mit einem der Angeklagten. Gegen diesen geständigen wird das Verfahren abgetrennt und er wird verurteilt. Gegen die beiden anderen Angeklagten wird weiter verhandelt. Von diesen wird die Befangenheit der Kammer geltend gemacht, u.a. begründet mit der Abtrennung und dem Inhalt des Urteils gegen den anderen ehemaligen Mitangeklagten, weil in dessen Urteil zu seiner Einlassung ausgeführt war, dass seine Einlassung „als glaubhaft sowie das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend,“ anzusehen gewesen sein. Die Rüge der Befangenheit (§ 338 Nr. 3 StPO) ist beim BGH durchgegangen.

Der 3. Strafsenat hält an der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass eine Vorbefassung des Richters in anderer Sache allein nicht zur Befangenheit führe, und zwar auch nicht bei einer Abtrennung, das aber etwas anderes gilt, wenn besondere Umstände eine Voreingenommenheit erkennen lassen. Die sieht der BGH hier einmal darin, dass die Abtrennung bei einem Bandendelikt wohl an der Grenze zum Ermessensfehlgebrauch liegt und sich u.a. aus den o.a. Formulierungen ergebe, dass die Kammer sich bereits festgelegt habe. Näher nachzulesen hier im BGH, Beschl. v. 10.01.2012 – 3 StR 400/11. M.E. lesenswert, da in der Praxis sicherlich eine häufigere Konstellation.

Sonntagswitz: Mal wieder dämliche Diebe….IV

Mal wieder etwas von den „Dämlichen Dieben“…

Ein Bankräuber konnte gefasst werden, weil er wenige Tage nach seinem Überfall die gesamte Beute in der erst vor kurzem überfallenen Bankfiliale auf sein Konto einzahlen wollte.
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Auch gut:
In Dänemark sprang ein flüchtender Bankräuber in ein Taxi und nannte dem Fahrer seine Adresse.
Das vermeintliche Taxi entpuppte sich aber als Streifenwagen…
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In Wuppertal schob ein Bankräuber einen Zettel mit der Aufschrift:
„Das ist ein Überfall“ über den Bankschalter.

Der Bankbedienstete drehte den Zettel um – dieser entpuppte sich als ein Briefbogen mit Name, Adresse und Telefonnummer des Bankräubers.
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Ziemlich dumm stellten sich auch Gangster in Saarmund bei Potsdam an, als sie versuchten, den Geldautomaten einer Bank zu stehlen.
Sie setzten mit einem geklauten LKW rückwärts durch die gläserne Eingangsfront in die Bank und verbanden den Automaten mit Hilfe eines Seiles mit der Anhängerkupplung des Lastwagens. Danach fuhren sie an und entkamen mit der aus ihrer Verankerung gerissenen Beute – dem Kontoauszugsdrucker…
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(vgl. auch hier)

Wochenspiegel für die 8. KW., das war(en) das BVerfG und die Passwörter und gebügelte Hemden bei der Strafzumessung…

Wir berichten über:

  1. die Ignoranz der Macht,
  2. das BVerfG und die Passwörter, vgl. auch hier,
  3. einen Nachtrag zum Benehmen von Rechtsanwälten,
  4. das AG Tiergarten und die Helligkeit von Scheinwerfern,
  5. das Küssen einer Beifahrerin,
  6. das Nachspiel zum Beschluss der Facebook-Beschlagnahme, zum „Facebook-Fall“ auch noch hier,
  7. das BVerfG und die Volksverhetzung,
  8. den Ersatz von Mietwagenkosten bei längerer Mietdauer,
  9. die Vorfreude von Verteidigern,
  10. und dann waren da noch gebügelte Hemden bei der Strafzumessung.

Genug ist genug… Verfahrensverzögerung einmal berücksichtigt reicht

Der BGH, Beschl. v. 24.01.2012 – 1 StR 551/11 ist ein schönes Beispiel für den Umgang mit der Verfahrensverzögerung. Der 1. Strafsenat führt dazu aus:

Zutreffend ist allerdings die Einwendung der Revision, es habe eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens vorgelegen. Die „hohe Komplexität des Sachverhalts“, der „ungewöhnlich hohe Schwierigkeitsgrad“ der Tatvorwürfe, hinsichtlich derer es nicht zu einer Verurteilung kam, und die weiteren vom Landgericht genannten Besonderheiten des Verfahrensablaufs können letztlich auch bei einer Gesamtbetrachtung die vom Landgericht selbst als „ungewöhnlich lange Zeit“ (UA S. 43) bezeichnete Verfahrensdauer zwischen Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens bis zum Urteilserlass von nahezu sieben Jahren und sieben Monaten nicht mehr rechtfertigen.

Vorliegend reicht es aber zur Kompensation der mit der Verfahrensverzögerung verbundenen Belastung der Angeklagten aus, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausdrücklich festzustellen. Das Landgericht hat die Dauer des Verfahrens schon bei der Strafzumessung in besonderem Maße ausdrücklich zugunsten der Angeklagten berücksichtigt und eine angesichts des verwirklichten Unrechts äußert milde Gesamtgeldstrafe verhängt. Einer weitergehenden Kompensation bedarf es daher – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – nicht, weil eine besondere Belastung der nicht inhaftierten Angeklagten gerade durch die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2008 – 2 StR 467/07, NStZ 2009, 287; Beschluss vom 5. August 2009 – 1 StR 363/09, NStZ-RR 2009, 339; Beschluss vom 2. September 2010 – 2 StR 297/10; Beschluss vom 15. April 2009 – 3 StR 128/09, NStZ-RR 2009, 248). Den Umstand, dass die Angeklagte – zumal im Hinblick auf die schweren Tatvorwürfe, von denen sie freigesprochen worden ist – durch die lange Gesamtverfahrensdauer besonders belastet war, hat das Landgericht ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt.“

Also: Einmal berücksichtigt reicht…

Üble Nachrede bei Meldung von Gewalttätigkeiten in einer Familie unter Verschweigen der Identität des Informanten

Das AG Rosenheim, Urt. v. 03.11.2011 – 1 Cs 420 Js 18674/11 verurteilt eine Angeklagte wegen übler Nachrede bei Meldung von Gewalttätigkeiten in einer Familie unter Verschweigen der Identität des Informanten.

Eine Person mache sich wegen übler Nachrede strafbar, wenn sie die von einem Dritten erhaltene Information über Gewalttätigkeiten in einer bestimmten Familie an die Mitarbeiterin des Kindergartens weitergebe, ohne die tatsächlichen Verhältnisse der Familie selbst zu kennen und den Informanten preis zu geben. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen der Allgemeinheit an der Unversehrtheit der Kinder der Familie nicht gerechtfertigt, weil die Preisgabe der Identität des Informanten als milderes Mittel zur Verfügung stehe.