Archiv für den Monat: Februar 2012

Strafzumessung – ist es denn wirklich so schwer…? Immer wieder dieselben Fehler.

Ein Kollege aus Augsburg hat mir OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 5St RR (I) 64/11 übersandt, in dem das OLG München die Rechtsfolgenentscheidung einer amtsgerichtlichen Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG aufgehoben. Also: mal wieder Strafzumessungsfehler.

Wenn man den Beschluss des OLG in dem Teil liest, kann man m.E. nun wirklich nur denken: Ist es den  so schwer…? Das OLG führt aus:

„3. Der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben. Er ist lückenhaft und verstößt gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“.

a) Das Tatgericht hat bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung ge-treten ist. Sonst spräche nichts für ihn (UA S. 3). Es hat dabei außer Acht gelas-sen, dass die Menge und der Wirkstoffgehalt des besessenen Rauschgifts für die zu verhängende Rechtsfolge bestimmend sind. Die Rechtsprechung verlangt des-halb in den Urteilsgründen neben Ausführungen zum Wirkstoff auch Feststellun-gen zur Menge des besessenen Rauschgifts (BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18). Kann der Wirkstoffgehalt des Rauschgifts nicht anhand hinreichend feststell-barer Tatumstände ermittelt werden, ist von dem für den Angeklagten günstigsten Mischungsverhältnis auszugehen (Bundesgerichtshof NStZ 1985, 221, 222, OLG München, Beschluss vom 23. Februar 2006 – 4 St RR 24/06 – st. Rspr.). Hinsicht-lich der Gewichtsmenge des besessenen Rauschgifts hat der Zeuge C. bekundet, dass es sich um eine „geringe“ Menge gehandelt habe (UA S. 3).

b) Der Angeklagte hat zur Sache keine Angaben gemacht (UA S. 3). Nach den Feststellungen des Tatgerichts hat der Angeklagte „gemauert“, ein Unrechtsbe-wusstsein sei nicht vorhanden gewesen (UA S. 3). Das Amtsgericht hat bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass der Angeklagte ein Geständnis nicht abgelegt hat (UA S. 3). Zu Lasten des Angeklagten hat es herangezogen, dass er keinerlei Drogentests zulasse, sich weiterhin im Milieu befinde, Dealer und Abnehmer schütze und wo er nur könne, „mauere“. Er solle ganz klar sehen, dass ein solches Verhalten nicht geduldet werde (UA S. 4).

Diese Ausführungen lassen befürchten, dass das Amtsgericht grundlegende Prin-zipien der Strafzumessung außer Acht gelassen hat. Ein schweigender Angeklag-ter kann weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen. Sein Schweigen darf nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden (Fischer, StGB 58. Aufl. § 46 Rdn. 50 lit. b mwN). Das Strafverfahren kennt weder einen Geständniszwang, noch eine Pflicht des Angeklagten, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Andernfalls wäre der Angeklagte gezwungen, seine Verteidigungsposition aufzugeben (BGH NStZ 1985, 545).

Fahrverbot – nichts Neues aus Hamm, leider

Zwei etwa gleichlautende Beschlüsse des OLG Hamm befassen sich – seit längerem mal wieder – mit dem Absehen vom Fahrverbot.

In OLG Hamm,Beschl. v. 21. 12. 2011 – III-3 RBs 326/11 geht es um einen Krankenhausoberarzt, in OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2011 – III-3 RBs 337/11 um den Verkaufsleiter eine Supermarktkette. In beiden Fällen hatte das AG vom Fahrverbot wegen der beruflichen Schwierigkeiten der Betroffenen abgesehen. Dem OLG haben die Begründungen der AG nicht gereicht. Es verweist – mal wieder – auf die möglich Kombination von „Ausgleichsmaßnahmen“, wie z.B. die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen, die Heranziehung eines Angestellten als Fahrer, die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen müsse notfalls ein Kredit aufgenommen werden. Also die im Grunde genommen typische Reaktion des OLG in diesen Fällen.

Offen bleibt die Frage: Warum eigentlich nicht Absehen vom Fahrverbot gegen eine massiv erhöhte Geldbuße?

Blitzmarathon – in NRW also aufgepasst

Die Tagespresse berichtet heute über ein für den kommenden Freitag (10.02.2012) geplantes „Blitzmarathon in NRW (vgl. z.B. hier). Geplant ist eine landesweite Dauerblitzaktion gegen „Raser“. Dazu ist geplant:

Die Polizei wird die gesamte Palette ihrer polizeilichen Maßnahmen nutzen. Sie wird

  •  blau-silberne und zivile Radarfahrzeuge einsetzen,
  • Geschwindigkeitskontrollen mit und ohne Anhalten durchführen,
  • Radaranlagen, Laserpistolen und die Videomess-Fahrzeuge nutzen,
  • an Unfallbrennpunkten und an erkannten Raserstrecken präsent sein,
  • auch bei dieser landesweiten Aktion die geplanten Messstellen bekannt geben.“

Also: Vorsicht!

Scherbenhaufen beim BGH?

„Scherbenhaufen beim BGH“, so ist das Editorial für den StV 3/2012 überschrieben. Es stammt aus der Feder von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Schünemann, LMU München, und behandelt das Dilemma, das sich aus den sich widersprechenden Beschlüssen des 2. und 4. Senats des BGH zu der Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Stelle des Vorsitzenden im 2. Strafsenat. ergeben hat (vgl. dazu auch hier und hier). Der Strafverteidiger hat auf seiner Homepage vorab das diesem Thema gewidmete Editorial aus Heft 03/2012 veröffentlicht.

Vgl. auch noch der Beitrag zum Rapport beim Präsidium hier.

Werbung mit dem Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“

Das OLG Rostock, Urt. v. 09.09.2011 – 1 Ss 31/11 I 47/11 befasst sich mit einem Werbeaufsteller, der zur Werbung für einen „Werwolfshop“ das Truppenkennzeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ enthielt. Der Geschäftsführer des Shops ist deshalb wegen Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation gem. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt worden.

Das OLG Rostock hat die dagegen gerichtete Revision verworfen. Begründung: Die zweite SS-Panzer-Division „Das Reich“ falle als Teil- bzw. Unterorganisation der SS unter die Vorschrift im StGB über das Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation, sodass sich das Verwenden ihres Kennzeichens als strafbar erweise. Entscheidend sei, dass die 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ der SS bzw. Waffen-SS als ehemaliger nationalsozialistischen Organisation zuzurechnen sei und das von ihr benutzte grafische Erkennungsmerkmal diese Zugehörigkeit auch nach außen dokumentiere. Es sei daher geeignet, in- und ausländischen Beobachtern den Eindruck zu vermitteln, in der Bundesrepublik würde die Wiederbelebung entsprechender Organisationen angestrebt. Dies soll nach dem Schutzzweck der Norm jedoch gerade vermieden werden.