Archiv für den Monat: August 2011

Erstverbüßerregelung – beim OLG Hamm geht es jetzt anders

Bislang war das OLG Hamm davon ausgegangen, dass bei Anwendung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB – sog. Erstverbüßerregelung – bei Vollstreckung mehrerer Strafen die einzelnen Strafen vollstreckungsrechtlich als selbstständig zu behandeln seien und die bedingte Entlassung für jede einzelne Strafe gesondert zu prüfen und nach § 454b Abs. 3 StPO gleichzeitig und einheitlich zu bescheiden sei.

Die ganz h.,M. der OLG hat das anders gesehen. Das OLG Hamm hat seine Rechtsprechung jetzt in OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2011 -III-3 Ws 164 u. 165/11 aufgegeben und sich der h.M. angeschlossen. Danach kann die Erstverbüßerregelung auch dann Anwendung finden, wenn weitere Strafen im Anschluss zu vollstrecken sind.

Dieser Auffassung ist jetzt nicht nur der entscheidende 3. Strafsenat, sondern sind auch alle anderen Strafsenate, die sich dieser Rechtsprechungsänderung anschließen wollen.

Es gibt keinen Deal…

darauf weist der BGH, Beschl. v.12.07.2011 –  1 StR 274/11 noch einmal ausdrücklich hin, allerdings ohne das Wort „Deal“ zu verwenden. Der BGH spricht in dem Zusammenhang immer von der „informellen Absprache“. oder informellen Verständigung – so auch die Strafkammer im HV-Protokoll. Im BGH-Beschl. heißt es:

3. Die Feststellung in den Urteilsgründen, das Urteil beruhe „auf einer in einer Vorbesprechung nach § 202a StPO informell getroffenen, verfahrensverkürzenden Verständigung“ (UA S. 9), gibt dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:

„Informelle Verständigungen“ widersprechen der Strafprozessordnung. Zwar ist es zulässig, auch schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens Erörterungen zur Vorbereitung einer Verständigung zu führen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 202a Rn. 2). Solche Gespräche können – bei gründlicher Vorbereitung auf der Basis der Anklageschrift und des gesamten Akteninhalts – im Einzelfall sinnvoll sein. Sie lösen aber weder eine Bindung des Gerichts an dabei in Aussicht gestellte Strafober- oder -untergrenzen aus, noch kann durch sie ein durch den fair-trial-Grundsatz geschützter Vertrauenstatbestand entstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 1 StR 458/10; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10; BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10). Die Annahme einer solchen Bindung ist rechtfehlerhaft und könnte u.U. sogar den Bestand eines Urteils gefährden. Die Staatsanwaltschaft, der neben dem Gericht die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens obliegt, hat hier indes kein Rechtsmittel eingelegt; eine von der Strafkammer angenommene Bindung an den Inhalt geführter Vorgespräche könnte hier die Angeklagte, die dies auch nicht mit einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 StR 528/09) geltend macht, nicht beschweren.

M.E. deutliche Hinweise des BGH, die bei Vorliegen der verfahrensmäßigen Voraussetzungen ggf. zur Aufhebung geführt hätten.

Sonntagswitz: Heute mal wieder Ostfriesenwitze

Ich war ein paar Tage auf Norderney, da bietet es sich an, zum Abschluss mal wieder ein paar Ostfriesenwitze zu bringen (teilweise schon älter, aber immer wieder gut): 🙂

Ein Verbrecher ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Zum Glück gibt es Fotos, die den Mann von allen vier Seiten zeigen. Das BKA schickt Kopien davon an alle Polizeidienststellen im ganzen Bundesgebiet. Schon am nächsten Tag kommt ein Telegramm aus Ostfriesland: „Fotos erhalten. Alle vier bei Fluchtversuch erschossen!“

Der Verkehrspolizist in Ostfriesland sieht eine alte Dame neben dem Zebrastreifen ueber die Straße tippeln. „Oma“, ruft der, „Sie müssen auf den Strich gehen!“ „Hab ich nicht nötig. Ich hab ja meine Rente!“

„Und wie lange waren Sie an Ihrem letzten Arbeitsplatz?“, fragt der Personalchef den ostfriesischen Bewerber. „Ich war zehn Jahre dort !“ „Immerhin eine lange Zeit. Und warum sind Sie dort weggegangen?“ „Weil man mich begnadigt hat!“

Eine junge Ostfriesin und ein junger Ostfriese sitzen in der Abenddämmerung auf einer Parkbank. Plötzlich knöpft sie ihre Bluse auf. „Übrigens „, flüstert sie“, ich bin Nymphomanin! “ Darauf er: „Ist ja interessant – ich bin Skorpion!“

Zwei ostfriesische Polizisten sehen ein falsch geparktes Auto mit einem Aufkleber mit der Aufschrift „GB“. Der eine möchte schon den Strafzettel zücken, aber der andere Polizist warnt ihn: “ Nee, lass mal, der ist von der Griminalbolizei!“

Wochenspiegel für die 32. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über bzw. aufgefallen ist uns:

  1. die Nachwirkungen des Kachelmannverfahrens, vgl. auch hier,
  2. der Betrugsvorwurf gegenüber Rechtsanwälten aus Düsseldorf, auf den wir auch noch einmal zurückkommen werden.
  3. die Halterhaftung für das Pkw-Abstellen,
  4. Gebührenkürzung im OWi-Verfahren,
  5. eine besondere Art der Strafbarkeit, das Ausschalten der Kennzeichenbeleuchtung,
  6. von Vera Brüne zu Verena Becker,
  7. die elektronische Fußfessel,
  8. Richtertypologien,
  9. die Rundfunkgebühren und auch hier,
  10. und dann war da noch die Badewanne auf der Autobahn.

OLG Nürnberg: Recht des Strafgefangenen auf Beistand im Disziplinarverfahren

Eine etwas abseits gelegene Materie, die aber für den Verurteilten/Strafgefangenen immer von Bedeutung ist, ist der Strafvollzugsbereich. Daraus der Hinweis auf OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.07.2011 -2 Ws 57/11, der folgenden Leitsatz hat:

  1. Aufgrund des strafähnlichen Charakters von Disziplinarmaßnahmen, des mit ihrer Anordnung verbundenen Eingriffs in Freiheitsrechte sowie ihrer Bedeutung für zukünftige strafvollzugs- oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen folgt unbeschadet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung im BayStVollzG für den Strafgefangenen unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip das Recht, sich bereits vor der nach Art. 113 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG gebotenen Anhörung zur sachkundigen Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte im Disziplinarverfahren auf sein Verlangen der Unterstützung eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, um effektiv auf Gang und Ergebnis des Disziplinarverfahrens Einfluss nehmen zu können (Anschluss an OLG Bamberg StV 2010, 647 und OLG Karlsruhe NStZ-RR 2002, 29).
  2. Aus diesen Gründen und aufgrund des Gebotes des fairen Verfahrens hat der Strafgefangene darüber hinaus das Recht gegenüber der Justizvollzugsanstalt, dass auf sein Verlangen seinem anwaltlichen Beistand die Teilnahme bei der Anhörung im Disziplinarverfahren gestattet wird, wenn dieser hierzu kurzfristig bereit ist. Die Durchführung des Disziplinarverfahrens darf aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung durch dieses Teilnahmerecht nicht verzögert oder vereitelt werden. Es genügt, dass die Justizvollzugsanstalt den anwaltlichen Beistand vom Anhörungstermin rechtzeitig in Kenntnis setzt und ihm im Falle seines Erscheinens die Anwesenheit gestattet.