Archiv für den Monat: September 2010

Schreiben die Amtsgerichte voneinander ab? – hier AG Verden zur Akteneinsicht

Ein Kollege hat mir vor einigen Tagen den Beschl. des AG Verden v. 23.08.2010 – 9b OWi 764/10 zukommen lassen. Er betrifft die Akteneinsicht im OWi-Verfahren. Das AG löst die Frage wie vor einiger Zeit das AG Schwelm (vgl. hier). Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung gitb es, Akteneinsicht in die Lebensakte nicht, denn die gibt es ja agr nicht. Meine ich, alles schon mal gelesen zu haben. Und zwar wörtlich. Na ja, warum sich auch eigene Gedanken amchen?

Im Übrigen ist es m.E. eine Art  Zirkelschluss, wenn das AG meint:

Es besteht indes kein Akteinsichtsrecht in die sog. Lebensakte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine solche – wie dem Verteidiger mitgeteilt und im Übrigen gerichtsbekannt ist – nicht geführt wird. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass Lebensakten von technischen Messgeräten nach hiesiger Auffassung in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Ansicht (vgl. nur Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 60 Rn. 49) nicht zu den Akten gehören. Es besteht auch kein Bedürfnis für die Führung solcher Akten, da die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung durch die Eichordnung hinreichend gewährleistet wird.“

Die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung will der Verteidiger doch gerade prüfen :-).

 

Schweigepflicht schlägt Auskunftspflicht – Schlappe für Datenschutzbeauftragten

Was es nicht alles gibt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sich den dem Beschl. des KG v. vom 20. August 2010 – 1 Ws (B) 51/07 zugrundeleigenden Sachverhalt vergegenwärtigt. Da hatte der Betroffene, ein Rechtsanwalt, als Verteidiger in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Potsdam am 23. August 2004 zwei Briefe zum Gegen­stand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge, der mit dem Angeklagten in einem Nachbarschaftsstreit lag, an seine Hausverwaltung geschrieben hatte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit verweigerte der Betroffene unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft, wie er in den Besitz der Briefe gekommen war. Deswegen erlässt der Datenschutzbeauftragte gegen ihn einen Bußgelbescheid über 3.000 €, gegen den der Verteidiger Einspruch einlegt. Das AG spricht frei, dagegen die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, die von der GStA offenbar vertreten wird. Dann die Entscheidung des KG, das die Rechtsbeschwerde verworfen hat. Dem Beschluss sind folgende Leitsätze vorangestellt:

1. Die Bestimmungen der BRAO sind keine „bereichsspezi­fi­sche Sonderregelung“ im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG.

2. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO fällt unter § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG.

3. Der Rechtsanwalt ist wegen § 38 Abs. 3 Satz 2 BDSG im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandats­bezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Denn die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG enthält keine dem § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG entsprechende Bestimmung, nach der sich auch bei nicht-öffent­lichen Stellen die Kontrollbefugnis des Datenschutz­beauftragten auf diejenigen personenbezogenen Daten erstreckt, die der beruflichen Geheimhaltung unterliegen.

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen. Außer: Es ist traurig, dass man dafür ein Obergerichte bemühen muss.

Rechtsbetrachtung aus: „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ – I

Ich hatte ja vor einigen Tagen über das m.E. schöne Buch „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ berichtet. Sehr schön daraus die Betrachtung des Rechts:

„Betrachten wir das Recht zur besseren Orientierung einfach als Stadt.
Dementsprechend ist dann das Grundgesetz der Bahnhof, wo man ankommt.
Das Reiserecht ist das Vergnügungsviertel.
Das Strafrecht ist das Elendsviertel.
Das Kriegsrecht ist das Bankenviertel.
Und das Verwaltungsrecht ist der Friedhof…..“

Immer wieder die „kriminalistische Erfahrung“, aber „Vorermittlungen“ reichen nicht für eine erkennungsdienstliche Behandlung

In der Praxis imemr wieder von Bedeutung ist die Frage, wann eigentlich genügend Anhaltspunkte vorliegen, um gegen einen Betroffenen die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alternative StPO anzuordnen. Die Ermittlungsbehörden sehen das häufig sehr weit und kommen schnell zu der entsprechenden Anordnung. Dem hat jetzt das OVG Lünburg in seinem Beschl. v. 31.08.2010 – 11 ME 288/10 einen Riegel vorgeschoben und ausgeführt, dass auf den örtlich, zeitlich und gegenständlich nicht näher konkretisierten Verdacht eines allgemeinen (erneuten) Verstoßes gegen § 29 BtMG eine sofort vollziehbare Anordnung nach § 81b Alt. 2 StPO nicht gestützt werden kann. War aber auch wirklich nicht viel, was die Behörde als Grundlage für die Anordnung vorliegen hatte. Mehr als „Vorermittlungen“ waren es nicht. Und das reicht eben nicht, sagt das OVG.

Wertgebühr im Strafverfahren – gibt es das? Und wenn ja, welcher Gegenstandswert?

Auch im Strafverfahren gibt es ja seit dem Inkrafttreten des RVG Wertgebühren, so dass man auch hier mal nach dem Streitwert fragen muss. Das ist immer dann der Fall, wenn Einziehung, Verfall und ggf. dinglicher Arrest im Spiel sind. Dann geht es um den Anfall der Gebühr Nr. 4142 VV RVG und wie sich der für ihre Bemessung maßgebliche Gegenstandswert bemisst; die Nr. 4142 VV RVG ist übrigens eine Gebühr, die häufif schon mal übersehen wird.. Dazu jetzt das OLG München im Beschl. v. 16. 8. 2010 – 4 Ws 114/10 (K), das ebenso wie früher auch schon das OLG Hamm davon ausgeht, dass bei der Berechnung des Gegenstandswerts für das Arrestverfahren (hier: dinglicher Arrest nach § 111d StPO) von dem Betrag des zu sichernden Hauptanspruchs ein Abschlag vorzunehmen ist. I.d.R. wird – sod as OLG – der Gegenstandswert des Arrestverfahrens nur ein Drittel des Hauptanspruchs ausmachen. Immerhin können sich auch mit dem Abschlag noch „schöne Gegenstandswerte“ ergeben.