Archiv für den Monat: August 2010

Hat das OLG Koblenz wirklich „entschieden“, dass der Stundensatz eines Strafverteidigers bis 500 € zulässig ist?

Der „Rechthaber“ postet gerade unter dem Titel „Stundensatz eines Strafverteidigers bis 500 Euro zulässig“ zum Urteil des OLG Koblenz v. 26.04.2010 – 5 U 1409/09, über das wir auch schon berichtet hatten, vgl. hier. Im Post heißt es zur Zulässigkeit der 500 €/Stunde: „So jedenfalls entschied das Oberlandesgericht Koblenz kürzlich (Az.: 5 U 1409/09), aber es kommt – natürlich – auf die Umstände des Einzelfalls an, ob nicht doch ein Fall des Wuchers vorliegt.“ Ich habe so meine Zweifel, ob das OLG Koblenz wirklich „entschieden“ hat, dass 500 € zulässig sind. In der Sache ist ein Honorar von 250 €/Stunde für angestellte Rechtsanwälte durchgegangen, die Frage, ob ggf. auch eins von 400 €/Stunde für Partner zulässig/angemessen gewesen wäre, hat das OLG offen gelassen und auch offen lassen können.

Zu den 500 € führt das OLG in Zusammenhang mit seiner Kritik an der Entscheidung des OLG Düsseldorf AGS 2010, 118 lediglich aus: „Diese Kritik teilt der erkennende Senat nicht in der Diktion, jedoch in den tragenden juristischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Stundensätze von bis zu  500 € sind je nach den Umständen des Einzelfalles nicht per se unangemessen (vgl. OLG Celle in AGS 2010, 5 ff unter Hinweis auf Mayer in Gerold u. a., RVG, 18. Aufl., § 3 a Rn. 26). Das klingt m.E. schon etwas anders und ist m.E. nicht mehr als ein obiter dictum. Das gilt ebenfalls für die in Bezug genommene Entscheidung des OLG Celle AGS 2010, 5. Auch da heißt es zu einer Honorarvereinbarung von 150 €/Stunde nur: „Diese Honorarvereinbarung ist als solche wirksam. Eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung lässt sich hinsichtlich der Höhe des vereinbarten Stundensatzes nicht erkennen. Im Gegenteil dürften Stundensätze von weniger als 150 € – nach unten – nicht mehr angemessen sein (vgl. Madert in Gerold u. a., RVG, 17. Aufl., § 4 Rn. 34). Selbst Stundensätze von bis zu 500 € sind nicht per se unangemessen (vgl. Mayer in Gerold u. a., RVG, 18. Aufl., § 3 a Rn. 26). Also auch nur ein obiter dictum mit Hinweis auf Mayer in Gerold/Schmidt. Daraus kann man m.E. aber nicht den Schluss ziehen, es sei über einen Stundensatz von 500 € als zulässig „entschieden“.

Entschieden ist m.E. aber über 250 €/Stunde. Die dürften – auch für angestellte Rechtsanwälte durchgehen (vgl. hier und hier). Alles was darüber hinaus geht, kann. muss aber nicht zulässig sein. Also weiter Vorsicht.

Schnell ist ein Mobiltelefon geklaut… und das kann günstig sein

Der BGH hat in seinem Beschl. v. 06.07.2010 – 3 StR 180/10 zu einer in der Praxis sicherlich häufiger anzutreffenden Frage Stellung genommen, nämlich dazu, wann bei „handlichen Gegenständen“, wie z.B. einem Mobiltelfon der Gewahrsam des Eigentümers gebrochen und eigener Gewahrsam begründet ist.

Der BGH sagt:

Bei handlichen und leicht zu bewegenden Gegenständen genügt hierfür ein bloßes Ergreifen und Festhalten jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seine ungehinderte Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Täters und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen könnte (BGH NStZ 2008, 624, 625 mwN). Nach diesen Maßstäben war die Wegnahme bereits vollendet, als der Angeklagte dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand nahm, denn um die ungehinderte eigene Verfügungsgewalt wiederzuerlangen hätte der Zeuge es ihm gegen dessen Widerstand entwinden müssen. Der Wille des Angeklagten, den Zugriff des Zeugen hierauf auszuschließen, ergibt sich schon daraus, dass ihm der Sachentzug als Mittel zur Durchsetzung seiner unberechtigten Geldforderung dienen sollte.“

Im entschiedenen Fall hat das dem Angeklagten geholfen, denn damit schied eine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls aus, da die Zueignungsabsicht erst gefasst wurde, nachdem bereits Gewahrsam begründet war. Damit blieb dann nur Unterschlagung und Nötigung. Das macht bei der Strafe dann sicherlich/hoffentlich einen Unterschied.

OU-Verwerfung in Sachen MdB Tauss wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften

Das LG Karlsruhe hatte den ehemaligen MdB Tauss u.a. wegen Verstoßes gegen § 184 Abs. 5 StGB verurteilt, vgl. hier. Der BGH meldet gerade in einer PM, dass die gegen das Urteil eingelegte Revision nach § 349 Abs. 2 StGB, also als offensichtlich unbegründet, verworfen worden ist. In der PM heißt es:

„Das Landgericht Karlsruhe hat den Angeklagten unter anderem wegen des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Schriften in 95 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der im Tatzeitraum Mitglied des Deutschen Bundestages war, Kontakt zu mehreren Personen aus der Kinderpornographieszene, an die er mittels seines Mobiltelefons Bild- und Videodateien mit kinder- und jugendpornograhischen Inhalten versandte und von denen er solche Dateien auch per Mobiltelefon erhielt. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung konnten zudem weitere Bild- und Videodateien sowie drei DVDs mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten, die der Angeklagte in der Innentasche eines in seinem Schrank hängenden Jacketts bzw. in der hinteren Reihe eines zweireihig bestückten Bücherregals aufbewahrt hatte, sichergestellt werden. Der Einlassung des Angeklagten, er habe die Taten in Ausübung seines Bundestagsmandats begangen, um eigene Erkenntnisse über die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet zu gewinnen, ist das Landgericht nicht gefolgt. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sein auf die allgemeine Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf einen entsprechenden Antrag des Generalbundesanwalts als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Beschluss vom 24. August 2010 – 1 StR 414/10

Wochenspiegel für die 34. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist:

  1. Über das Fahren auf der Autobahn mit Eis essenden Kindern, hier und hier.
  2. Immer wieder eine Krux: Die Belehrung über die Auskunftsverweigerung.
  3. Auch Vollmachtsfragen immer wieder beliebt, hier in Zusammenhang mit der Einspruchsrücknahme.
  4. Zum Parken auf der Überholspur.
  5. Zu Formulierungsschwierigkeiten bei Staatsanwälten hier.
  6. Zum Benutzen des Blaulichts hier.
  7. Der „Nadja-Prozess“ war auch von Interesse, und zwar hier und hier.
  8. Sehr schön die „Banden-Bande“ :-), hier und hier.
  9. Zum strafbaren Betrug bei Ping-Anrufen hier.

Bäumchen, Bäumchen wechsle dich, oder: Wer ist/wird zuständig für die Pflichtverteidigerbestellung

An den Kinderreim/das Kinderspiel: Bäumchen, Bäumchen wechsle dich, erinnert man sich, wenn man den Beschl. des OLG Rostock v. 05.08.2010 – 1 Ss 61/10 I 60/10 liest zur Frage der Zuständigkeit für die Pflichtverteidigerbestellung im Rechtsmittel/Revisionsverfahren, wenn der Wahlverteidiger seine Beiordnung erstmals mit der Rechtsmitteleinlegung und -begründung beantragt.

Das OLG sagt: Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Beiordnungsantrag bis zu dem Zeitpunkt der Abgabe einer möglichen Gegenerklärung und Weiterleitung der Akten durch die Staatsanwaltschaft liegt beim Vorsitzenden des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird. Mit Anhängigkeit der Sache beim Revisionsgericht geht die Zuständigkeit über die Entscheidung über den unerledigten Antrag auf den Vorsitzenden des Revisionsgerichts über, auch wenn noch keine Hauptverhandlung absehbar ist.

So ähnlich auch vor kurzem das KG; die Entscheidungen entsprechen auch wohl der h.M. in der Frage. Das OLG Rostock hat dann beigeordnet, allerdings birgt diese h.M. eine Gefahr. Denn die Revisionsbegründung ist, wenn die Sache beim Revisionsgericht anhängig wird, dann ja bereits erstellt, dann steht nur noch ggf. eine Hauptverhandlung an (was zumindest beim OLG selten ist). Schnell kann das Revisionsgericht dann auf die Idee kommen zu sagen, Revisionsbegründung liegt ja bereits vor, daher nicht mehr schwierig (vgl. dazu das KG). Das ist m.E. in den Fällen dann unzulässig, das Revisionsgericht muss m.E. aus der Sicht des ursprünglich befassten Gerichts urteilen. Der Verteidiger sollte seinen Antrag zudem nicht erst mit der Revisionsbegründung stellen, sondern schon mit der Rechtsmitteleinlegung. Dann bleibt für das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, mehr Zeit beizuordnen.