Haft III: Wenn die Angeklagte in der HV ausbleibt, oder: Kein Haftbefehl, wenn Erscheinen demnächst sicher

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas aus der landgerichtlichen Spruchpraxis, nämlich den LG Oldenburg, Beschl. v. 22.11.2024 – 4 Qs 332/24. Thematik: Sicherungshaftbefehl nach § 230 StPO.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, mit zwei Anklageschriften zur Last, insgesamt sieben Betrugstaten begangen zu haben, wobei er in sechs Fällen gewerbsmäßig und in fünf Fällen mit dem weiteren Angeklagten G. gemeinschaftlich gehandelt habe. Durch die eine Anklage wird zudem dem Angeklagten P.B. und der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer der Taten eine Beihilfe zur Last gelegt.

Das AG hat unter dem 15.04.2024 einen Termin zur Hauptverhandlung mit allen vier Angeklagten auf den 19.09.2024, 10:00 Uhr, anberaumt sowie Fortsetzungstermine auf den 10.10.2024, 09:00 Uhr, den 17.10.2024, 09:00 Uhr, den 07.11.2024, 09:00 Uhr, und den 28.11.2024, 09:00 Uhr, festgelegt. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Ladung der Beschwerdeführerin zur Hauptverhandlung und zu den Fortsetzungsterminen unter der Zustellanschrift pp., dem Angeklagten C.D., der ebenfalls unter dieser Anschrift gemeldet ist, am 19.04.2024 persönlich übergeben worden.

Zum Hauptverhandlungstermin am 19.09.2024 erschien die Beschwerdeführerin pünktlich. Nicht erschienen war indes der Mitangeklagte P.B., gegen den, nach einem erfolglosen polizeilichen Vorführversuch, im Termin ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergangen ist. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung am 19.09.2024 ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den bereits anberaumten Termin am 10.10.2024 bestimmt worden.

Aufgrund einer Mitteilung des Bewährungshelfers des Angeklagten C.D. und unter Weiterleitung von Unterlagen, die ihm der Angeklagte C.D. überreicht habe, erhielt das AG am 08.10.2024 davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann auf den 10.10.2024 um 15:00 Uhr und den 16.10.2024 um 11:00 Uhr in einer Nachlasssache – in Serbien – zu zwei Terminen geladen worden seien. Bestandteil der übermittelten Dokumente war u. a. eine Abschrift der in serbischer Sprache verfassten undatierten Ladung im Original sowie eine Übersetzung hiervon in die deutsche Sprache vom 26.09.2024. Aus der übersetzten Ladung ergibt sich neben den Terminsstunden die Mitteilung an die beiden Adressaten, dass deren persönliche Anwesenheit zu den Terminen zwingend erforderlich sei und die vorzulegenden Ausweisdokumente nicht durch eine bevollmächtigte Person, sondern nur durch Erben oder gesetzliche Vertreter eingereicht werden können. Eines der Dokumente war darüber hinaus mit der Behauptung versehen, dass die Beschwerdeführerin und der Mitangeklagte C.D die weiteren Termine „selbstverständlich“ wahrnehmen würden.

Zum Fortsetzungstermin am 10.10.2024 um 09.00 Uhr erschien die Beschwerdeführerin nicht. Der anwesende Verteidiger des C.D. teilte für den Angeklagten C.D. u. a. mit, dass dieser sich in Serbien befinde, um die Nachlassangelegenheit wahrzunehmen, weil die Gefahr bestünde, dass der Erbanspruch verfallen könnte. Die Höhe des möglichen Anspruchs sei dem Verteidiger aber nicht bekannt. Der Angeklagte C.D. werde nicht kommen. Die Verteidigerin der Beschwerdeführerin schloss sich diesen Ausführungen an und erklärte für die Beschwerdeführerin das Gleiche.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG daraufhin um 09:32 Uhr gegen die Beschwerdeführerin noch im Termin vom 10.10.2024 einen auf § 230 Absatz 2 StPO gestützten Haftbefehl erlassen. Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Haftbefehl ist in materieller Hinsicht zu beanstanden. Dabei kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen, weil die Anordnung von Haft gemäß § 230 Abs. 2 StPO jedenfalls nicht erforderlich war und damit unverhältnismäßig ist. Im Einzelnen:

….

b) Nach Ansicht der Kammer lagen aber im Zeitpunkt seiner Anordnung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Cloppenburg am 10.10.2024 die materiellen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht vor. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin für ihr Ausbleiben im Termin vom 10.10.2024 hinreichend entschuldigt war. Denn die Anordnung von Haft war jedenfalls nicht erforderlich und ist damit unverhältnismäßig.

aa) Gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist und soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

bb) Die Beschwerdeführerin war zu dem auf den 10.10.2024 anberaumten Hauptverhandlungstermin durch Zustellung im Wege der Übergabe der Ladung an einen in der Wohnung der betreffenden Person befindlichen erwachsenen Familienangehörigen (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), ordnungsgemäß geladen worden. Ladungen dieser Art wird im normalen Geschäftsgang ein Hinweis auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im Sinne des § 216 Abs. 1 StPO beigefügt. Anhaltspunkte dafür, dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen sein könnte, liegen nicht vor, insbesondere wurde Entsprechendes auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus auf die Folgen ihres unentschuldigten Ausbleibens sowohl durch einen Hinweis der Vorsitzenden am Schluss des Hauptverhandlungstermins vom 19.09.2024 und darüber hinaus durch Schreiben vom 08.10.2024 weitere Male hingewiesen worden ist, schadet nicht, ist aber ohne Belang. Die Beschwerdeführerin ist im Termin vom 10.10.2024 auch ausgeblieben, da sie zur festgesetzten Terminsstunde sowie nach Ablauf einer hinreichenden Wartefrist nicht im Sitzungssaal anwesend war.

cc) Es kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen.

Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass zur Entschuldigung eines Angeklagten jeder Umstand dient, der ihn – wie beispielsweise Krankheit oder Gefangenschaft – am Erscheinen vor Gericht gegen seinen Willen hindert oder bei Abwägen aller Gesichtspunkte ergibt, dass dem Angeklagten aus seinem Fernbleiben billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Angeklagte – wie hier – sein Ausbleiben mitteilt und insoweit um Entschuldigung oder Verständnis bittet, sondern allein darauf, ob er entschuldigt ist, also ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens unter Abwägung aller Umstände des Falles billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann oder nicht (BVerfG, NJW 2007, 2318; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 230 StPO, Rn. 16 m. w. N.).

Das Gericht entscheidet hierüber im Freibeweis, wobei aber nur solche Beweise heranzuziehen sind, die sofort zur Verfügung stehen. Genügend entschuldigt ist das Ausbleiben zwar nur, wenn es glaubhaft erscheint, dass den Angeklagten kein Verschulden trifft (siehe insgesamt Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 21 m. w. N.). Allerdings ist bei der Auslegung zugunsten des Angeklagten eine weite Auslegung geboten (BGHSt 17, 391 [397]). Maßgebend ist, ob dem Angeklagten nach den Umständen des Falles wegen des Ausbleibens billigerweise ein Vorwurf zu machen ist oder nicht (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 23 m. w. N.). Eine insoweit durch die Rechtsprechung angenommene Fallgruppe kann generell die Regelung beruflicher oder privater Angelegenheiten sein, jedenfalls dann, wenn sie unaufschiebbar und von solcher Bedeutung sind, dass dem Angeklagten das Erscheinen billigerweise nicht zugemutet werden kann, sodass die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung ausnahmsweise zurücktreten muss (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 28 m. z. N. aus d. Rspr.). Hierunter können auch drohende wirtschaftliche Verluste fallen (OLG Düsseldorf, NJW 1960, 1921). Eine derartige Konstellation könnte ggf. auch der Verlust der Erbschaft darstellen.

dd) Der Erlass eines Haftbefehls war im Zeitpunkt seiner Anordnung aber unverhältnismäßig.

(1) In das hohe Rechtsgut der persönlichen Freiheit darf der Staat nur dann und nur insoweit eingreifen, als dies unerlässlich ist, um die künftige Teilnahme eines Angeklagten an einem Hauptverhandlungstermin mit Sicherheit zu erreichen. Ist nach den bekannt gewordenen Umständen zu erwarten, dass der Angeklagte zum neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen wird, etwa, weil der für sein Ausbleiben angeführte Grund sich nur auf den gegenwärtigen Termin bezog, so ist es meist nicht erforderlich, und damit auch nicht zulässig, präventiv die Teilnahme an dem künftigen Termin durch Zwangsmittel sicherzustellen. Gleiches gilt, wenn das Erscheinen des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit durch ein milderes Mittel erreichbar ist (BVerfGE 32, 87; OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2020 – 2 Ws 72/20, Rn. 20).

Der Grundsatz, dass das mildeste Mittel anzuwenden ist, gilt auch für die Auswahl der in § 230 Abs. 2 StPO nebeneinander angedrohten Zwangsmittel. Dem an erster Stelle genannten Vorführungsbefehl gebührt als dem weniger einschneidenden Eingriff in die persönliche Freiheit stets der Vorrang vor dem Haftbefehl (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318). Letzterer darf nur angeordnet werden, wenn das mildere Mittel entweder bereits erfolglos ausgeschöpft ist oder nach Würdigung aller Umstände der Zweck der Norm, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, andernfalls nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit erreichbar wäre. So liegt es etwa, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte sich einer Vorführung durch Fernbleiben von seiner Wohnung entziehen würde (siehe hierzu insgesamt OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2022 – 2 Ws 72/20, Rn. 21 m. w. N.).

(2) Diesen hohen Verhältnismäßigkeitsanforderungen hielt der Haftbefehl im Zeitpunkt seines Erlasses nicht stand.

Das mildere Mittel der Vorführungsanordnung war zwar für den Termin vom 10.10.2024 von vorne herein aussichtslos und damit gescheitert, weil sich die Beschwerdeführerin nach der Vorankündigung und den Angaben der Verteidigerin nicht an ihrer Wohnanschrift befand und eine Vorführung damit von vorne herein aussichtslos und fehlgeschlagen war. Dass dies für den Termin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, aber ebenfalls der Fall sein würde, ist nicht ersichtlich.

Nach den bekannt gewordenen Umständen war bei Erlass des Haftbefehls nach Ansicht der Kammer vielmehr sogar hinreichend sicher zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin zu dem künftigen Hauptverhandlungstermin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, sogar von selbst erschienen wäre. Denn sie war schon zu dem ersten Verhandlungstermin – im Gegensatz zu dem Mitangeklagten Bruns – pünktlich erschienen. Nur aufgrund dessen Ausbleibens konnte am 19.09.2024 nicht in der Sache verhandelt werden. Auch hat die an einer festen Wohnanschrift gemeldete Beschwerdeführerin bereits schriftlich ihre Absicht bekundet, zu den weiteren Verhandlungs-terminen „selbstverständlich“ zu erscheinen. Dafür, dass sie insoweit nicht Wort halten würde, ergeben sich für die Kammer vor dem Hintergrund ihres Erscheinens im ersten Hauptverhandlungstermin keine Anhaltspunkte, zumal sie ihre Abwesenheit – unabhängig davon, ob man dies als Entschuldigungsgrund gelten lassen wollte oder nicht – vorab angekündigt und hierfür einen jedenfalls nachvollziehbaren – zeitlich befristeten – Grund genannt hat, der ihre Anwesenheit in Serbien lediglich am 10.10.2024 und am 16.10.2024 erfordert habe.

Aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit hätte das Amtsgericht auf ihre künftige Zuverlässigkeit im Umgang mit justiziellen Verpflichtungen schließen müssen, sodass der Erlass eines Haftbefehls zur Erreichung des verfassungslegitimen Zwecks der Anwesenheit der Beschwerdeführerin während weiterer Hauptverhandlungstermine zwar geeignet, aber nicht erforderlich gewesen ist. Da der Erlass des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht erforderlich war, ist er unverhältnismäßig und der Beschluss materiell unrechtmäßig.“

News: Schafft die Ampel noch erhöhte RVG-Gebühren?, oder: Auf einmal ist Druck auf dem Kessel

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Manchmal kommt es dann unerwartet. So heute auch mal wieder etwas. Denn ich hatte nun wahrlich nicht mehr damit gerechnet, dass diese (Rumpf)Regierung noch die Änderung der anwaltlichen Gebühren auf die Reihe bekommt. Geplant war ja ein KostRÄndG 2025. Dazu gab es aber bislang nicht mehr als einen Referentenentswurf, der seit Mitte Juni 2024 auf der Homepage des BMJ „herumdümpelte“. Es tat sich nichts. Und ich war davon ausgegangen, dass sich in der Sache in dieser Legislaturperiode auch nichts mehr tun würde.

Das sieht nun anders aus. Denn gerade erhalte ich einen Newsletter, dessen Inhalt mich dann doch ein wenig überrascht. Ich zitiere:

Höhere Gebühren für Rechtsanwälte, Gerichtssachverständige und Verfahrensbeistände – Bundeskabinett beschließt Formulierungshilfe

Die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren sollen erhöht werden. Damit soll den gestiegenen Personal- und Sachkosten von Rechtsanwaltskanzleien Rechnung getragen werden. Die Rechtsanwaltsgebühren sind seit Anfang 2021 nicht erhöht worden. Auch die Honorarsätze für Sachverständige und Sprachmittler, die von einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft herangezogen werden, sollen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Gleiches gilt für die Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren und die Vergütung von Verfahrensbeiständen in familiengerichtlichen Verfahren. Diese sollen ebenfalls angepasst werden. Dies sieht eine vom Bundesminister der Justiz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf vor, die das Bundeskabinett heute beschlossen hat.

Pressemitteilung
11. Dezember 2024
Bundesjustizminister Dr. Volker Wissing erklärt:

„Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte leisten einen wesentlichen Beitrag für den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht. Um ihre wichtige Tätigkeit ausüben zu können, müssen sie angemessen vergütet werden. Die geltenden Gebührensätze stellen dies nicht mehr sicher. Sie müssen an die Preisentwicklung der letzten Jahre angepasst werden. Mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wollen wir die wirtschaftliche Grundlage für die Anwaltschaft sichern – und damit zugleich den Rechtsstaat stärken. Auch qualifizierte Sachverständige, Sprachmittler und Gerichtsvollzieher sowie durchsetzungsstarke Verfahrensbeistände in familiengerichtlichen Verfahren sind essenziell für eine leistungsfähige Justiz. Und auch sie sind auf eine faire und ausgewogene Vergütung angewiesen. Unser Gesetzentwurf sieht deshalb auch insoweit Anpassungen vor. Es liegt im Interesse unseres Rechtsstaats und der Rechtspflege in Deutschland, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Bundestagswahl verabschiedet wird.“

Die Formulierungshilfe eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, des Justizkostenrechts sowie des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (sogenanntes Kostenrechtsänderungsgesetz 2025) sieht im Einzelnen folgende Regelungen vor:

  • Bei der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung wird eine Kombination aus strukturellen Verbesserungen sowie einer linearen Erhöhung der Gebühren vorgeschlagen. Dabei sollen die Betragsrahmen- sowie die Festgebühren um 9 Prozent und die Wertgebühren um 6 Prozent steigen. Damit wird den gestiegenen Kosten für den Kanzleibetrieb Rechnung getragen.
  • Zudem sollen die Vergütungs- und Entschädigungssätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Sachverständige und Sprachmittler, die von einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft herangezogen werden, um 9 Prozent erhöht werden.
  • Zum Ausgleich der gestiegenen Kosten der Justiz sollen auch die Gerichtsgebühren nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) sowie dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) um 9 Prozent bei den Fest-, Mindest- und Höchstgebühren sowie um 6 Prozent bei den Wertgebühren angehoben werden. Gleiches gilt für die Gebühren nach der Gebührentabelle A des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG). Auch die Gerichtsvollziehergebühren sollen um 9 Prozent steigen.
  • Die Entschädigungstatbestände für die Telekommunikations-überwachung sollen an die geänderten technischen Rahmen-bedingungen und die Entschädigungssätze an die veränderten Personal- und Sachkosten angepasst werden.
  • Auch die im Jahre 2009 im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeführte Pauschalvergütung für Verfahrens-beistände soll angehoben werden. Mit der Vergütungserhöhung soll die Stellung des Verfahrensbeistands gestärkt werden. Gleichzeitig wird eine Geschwisterpauschale eingeführt. Diese soll Synergieeffekten Rechnung tragen, wenn der Verfahrensbeistand für mehrere Kinder in demselben Haushalt bestellt wird. Zugleich wird eine Regelung für die Erstattung von Auslagen bei der Hinzuziehung von Dolmetschern geschaffen.
  • Die Formulierungshilfe wird nun den Koalitionsfraktionen für die Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes aus der Mitte des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt.
  • Die Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf ist hierabrufbar.“

Den Inhalt der Formulierungshilfe kennt man. Das ist, wenn ich es richtig sehe, der Referentenentwurf zum KostRÄndG 2025.

Und wie geht es nun weiter? Wir haben noch in 2024 eine Sitzungswoche im Bundestag, und zwar vom 16.12- – 20.12.2024, die letzte Bundesratssitzung ist am 20.12.2024. Offenbar will man das Gesetz bis dahin noch „durch haben“. Jedenfalls scheint jetzt – endlich – Druck auf dem Kessel zu sein. Ich bin gespannt, wie es weitergeht und ob wir tatsächlich noch ein KostRÄndG bekommen.

Inkrafttreten wäre dann Anfang 2025. Zwar nicht mehr der 01.01., aber ggf. der 01.02. oder 01.03. Denn das das Gesetz soll weitegehend am ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten.

Edit: Natürlich sind nach der Mitteilung die Wellen hoch geschlagen über diese Wendung. Und es wird natürlich auch gemutmaßt, was denn nun wann kommt. Ich stelle hier mal die Nachrichten aus beck-aktuell ein, wonach die Änderungen keineswegs sicher sind. Das ist sicherlich richtig, aber: Wenn es nicht kommt, kann ich die Sinnhaftigkeit dieser „Formulierungshilfe“ nicht nachvollziehen. Was soll das denn? Es ist sicherlich keine Ruhmesblatt für die Restampel – für die anderen Parteien aber auch nicht.

Haft II: Wiederinsvollzugsetzung nach Verurteilung, oder: Gibt es „neue“ Haftumstände/-gründe?

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Die zweite Entscheidung des Tages stammt vom OLG Dresden. Das hat im OLG Dresden, Beschl. v. 09.12.2024 – 1 Ws 248/24 -zur in Vollzugsetzung eines Haftbefehls Stellung genommen. Grund: Die erfolgte Verurteilung des Angeklagten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.

Erlassen worden war der Haftbefehl vom AG am 03.05.2024, das ihn dann am 31.05.2024 nach Festnahme des Angeklagten am Vortag außer Vollzug gesetzt hat. Den ihm erteilten Auflagen ist der Angeklagte in der Folge weitgehend pünktlich nachgekommen. Nach Anklageerhebung am 05.06.2024 hat das LG verbunden mit der Eröffnung des Hauptverfahrens den Haftbefehl aufrechterhalten und außer Vollzug belassen. Im Anschluss an die zwischen dem 02.09.2024 und dem 06.11.2024 an sechs Tagen durchgeführte Hauptverhandlung und Verkündung des Urteils am 06.11.2024 hat das LG den bestehenden Haftbefehl zunächst in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Angeklagte ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 19.11.2024 hat das LG einen an die Verurteilung angepassten Haftbefehl erlassen und diesen dem Angeklagten verkündet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten. Er rügt die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr und die fehlenden Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des Haftbefehls.

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG hat den Haftbefehl wieder außer Vollzug gesetzt:

„2. Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs, 4 Nr. 3 StPO) nicht vor.

a) Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, aufgrund des Gewichts der grundrechtlich geschützten Verfahrensgarantie des § 116 Abs. 4 StPO nur unter den einschränkenden Voraussetzungen dieser Norm möglich. § 116 Abs. 4 StPO kommt auch dann zur Anwendung, wenn ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufgehoben wird und in der Folge ein neuer Haftbefehl erlassen und in Vollzug gesetzt wird. Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO (Erforderlichkeit der Verhaftung wegen neu hinzugetretener Tatsachen) sind strenge Maßstäbe anzusetzen. Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich auf die Haftgründe beziehen. Beziehen sich solche Umstände auf die Straferwartung, rechtfertigen sie die Wiederinvollzugsetzung dann, wenn sie zu einer Straferwartung führen, die von der Prognose des Haftrichters zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung erheblich zum Nachteil des Beschuldigten abweicht und sie nach einer Abwägung und Beurteilung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass sich die Fluchtgefahr durch die Abweichung ganz wesentlich erhöht hat. Stand dem Beschuldigten aber die Möglichkeit einer für ihn nachteiligen Änderung der Prognose während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen und kam er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nach, setzt sich insoweit der vom Beschuldigten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2020, Az.: 2 BvR 1787/20).

b) Gemessen an diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des angefochtenen Haftbefehls nicht vor. Gegenstand des Haftbefehls vorn 03. Mai 202r war der Vorwurf der Vergewaltigung in fünf Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in vier Einzelfällen und der der Körperverletzung in 20 Fällen. Ausgehend von dem Strafrahmen des § 177 Abs. 6 StGB musste sich der Angeklagte demzufolge auf Grundlage der Beratung seines Verteidigers einer Verurteilung und der Verhängung einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe ausgesetzt sehen. Die Erwartung hat sich in dem Urteil der Strafkammer vom 6. November 2024 auch nach Verringerung der Tatvorwürfe verwirklicht. Allein der Umstand, dass der Angeklagte gleichwohl, wie von seinem Verteidiger beantragt, einen Freispruch erstrebt hat, kann vor diesem Hintergrund einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Januar 2024, Az.: 2 Ws 12/24).

c) Der Haftbefehl war daher unter Erteilung geeigneter Auflagen (§ 116 Abs. 2 StPO) außer Vollzug zu setzen.“

Nichts Neues, sondern ein bekanntes Problem, zu dem festzuhalten ist, dass die OLG an der Stelle mit der Bejahung „neuer“ Haftgründe auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG recht streng sind.

Haft I: Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen, oder: Kranker Vorsitzender, SV-Gutachten, Terminierung

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Bei mir im Blogordner hängen drei Haftentscheidungen, also reicht es heute für einen „Hafttag“.

Den beginne ich mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 03.12.2024 – 1 Ws 17/24 H. Ergangen ist der Beschluss im besonderen Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO, also „Sechs-Monats-Haftprüfung“. Der liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Angeklagte befindet sich nach vorläufiger Festnahme am 23.052024 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Ihm wird unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Heroin und Kokain) in 219 Fällen und eine Beleidigung vorgeworfen. 216 der insgesamt 220 Tatvorwürfe haben ein identisches Tatgeschehen zum Gegenstand.

Der seinerzeit noch Beschuldigte hatte gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt, die keinen Erfolg hatte. Im Anschluss hieran verfügte die Dezernentin bei der Staatsanwaltschaft am 20.06.2024 die „Fortsetzung der Ermittlungen“ durch die zuständige Kriminalpolizeistelle, ohne deren Art und Umfang zu konkretisieren. Auf ihre Sachstandsanfrage vom 08.072024 teilte ihr der sachbearbeitende Beamte mit, „dass die Ermittlungen abgeschlossen sind“. Lediglich ein Wirkstoffgutachten stehe noch aus. Hierbei handelt es sich vermutlich um ein Gutachten vom 22.07.2024. Am 17.07.2024 erstellte die Kriminalpolizeistelle ihren letzten Schlussvermerk. Die angekündigte Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft erfolgte sodann am 07.082024 auf dem Postweg und ohne Haftvermerk. Am 19.082024 erhob die Staatsanwaltschaft  schließlich Anklage zur Strafkammer, welche am 22.08.2024 die Zustellung und Übersetzung der Anklageschrift veranlasste. Am 16.09.2024 ging das seitens der Staatsanwaltschaft mit Anklageerhebung bei einer  Sachverständigen telefonisch unter Übersendung eines elektronischen Aktendoppels in Auftrag gegebene Gutachten zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB ein.

Zwischenzeitlich war der Kammervorsitzende seit dem 12.09.2024 bis zum 17.11.2024 dienstunfähig erkrankt. Die stellvertretende Kammervorsitzende hat mit Verfügung vom 25.10.2024 die Terminverfügbarkeiten des Verteidigers und der Sachverständigen abgefragt und von diesen am 04. bzw. 01.11.2024 Rückmeldungen erhalten, aus denen sich aus Sicht der Kammer ergab, dass eine beschleunigte Durchführung der Hauptverhandlungen aufgrund unzureichender Verfügbarkeiten nicht möglich sein würde. Darüber kam es zu einer fortgesetzten Korrespondenz zwischen der stellvertretenden Kammervorsitzenden und dem Verteidiger.

Am 08.11.2024 erging sodann die Eröffnungsentscheidung der Kammer. Zugleich verfügte die stellvertretende Kammervorsitzende die Ladung zur Hauptverhandlung mit Beginn am 21.11.2024 um 16 Uhr, also vier Tage vor Ablauf der nach § 43 Abs. 2 StPO zu berechnenden Sechs-Monats-Frist. Die Ladungsverfügung wurde am 11.11.2024 ausgeführt; die Zustellung an den Verteidiger erfolgte am 13.11.2024.

Aufgrund der Nichteinhaltung der Ladungsfrist nach § 217 Abs. 1 StPO beantragte der Verteidiger für den Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 21.11.2024 die Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß § 217 Abs. 2 StPO und teilte auf Frage des Vorsitzenden mit, dass auch für den Beginn der Hauptverhandlung am 28.11.2024 (dem eigentlich nächsten Fortsetzungstermin) seitens des Angeklagten nicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet werde. Die Hauptverhandlung wurde sodann mit Beschluss der Kammer in der begonnenen Hauptverhandlung ausgesetzt. Von einer Terminierung auf den 28.11.2024 sah der Vorsitzende ab, da umstritten sei, ob die Ladungsfrist nach § 217 Abs. 1 StPO auch nach Aussetzung der Hauptverhandlung gelte. Dies sei nach seiner Auffassung jedenfalls dann anzunehmen, wenn – wie vorliegend – die Ladungsfrist bezüglich der ausgesetzten Hauptverhandlung nicht gewahrt gewesen sei.

Die Strafkammer hat die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich und verhältnismäßig gehalten und hat die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.

Der Verteidiger hatte gegenüber der Kammer in der Korrespondenz im Hinblick auf die problematische Terminierung zunächst ausgeführt, die mögliche Terminierung trage „dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen hinreichend Rechnung“. In seiner an den Senat gerichteten Stellungnahme vom 28.11.2024 hate er nunmehr eine umfassende Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes gerügt.

Das OLG hat den Haftbefehl des AG aufgehoben und die Entlassung des Angeklagten aus der U-Haft angeordnet. Das OLG hat den m.E. schleppenden Verfahrensgang mit deutlichen Worten gerügt. Wegen der Einzelheiten bitte selbst lesen. Ich veröffentliche hier nur die Leitsätze (des OLG), und zwar:

1. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt während des gesamten Ermittlungsverfahrens. Es ist daher uneingeschränkt mit Beginn des Vollzuges der Untersuchungshaft zu beachten und nicht etwa – solange die Sechs-Monats-Frist (gerade noch) eingehalten werden kann – bis zur besonderen Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO mit geringeren Anforderungen.

2. Eine mit Haftsachen befassten Großen Strafkammer muss – anders als bei einer unvorhergesehenen und kurzen Erkrankung – dafür Sorge tragen, dass bei einem längerfristigen Ausfall eines Kammermitgliedes gleich aus welchem Grund eine angemessene Verfahrensförderung und ggf. auch die Durchführung einer Hauptverhandlung mit einer Vertretung gewährleistet ist. Ein unabsehbares Zuwarten stellt schon für sich eine Verletzung des Beschleunigungsgebots dar.

3. Es ist seitens der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Eingang von Gutachten abgewartet wird, um bei Anklageerhebung sämtliche Beweismittel anführen zu können. Verzögert sich dies aber, ist dieser Verzögerung zum einen dadurch zu begegnen, dass die Gutachtenerstellung maximal priorisiert wird und zum anderen der Abschluss der Ermittlungen soweit vorangebracht wird, dass bei Eingang der restlichen Ermittlungsergebnisse diese zeitnah eingearbeitet werden können.

4. Dass es gerade im Hinblick auf die Auslastung von Verteidigern und Sachverständigen zu Konstellationen kommt, die dem Beschleunigungsgebot bei der Terminierung zuwiderlaufen, ist ein Problem, welches in Haftsachen geradezu typischerweise besteht. Es ist daher von einem mit Haftsachen befassten Spruchkörper zu erwarten, dass dem durch frühzeitige Planung und Terminabstimmung wirksam begegnet wird.

5. Bei der Annahme der Verhinderung eines Verteidigers ist ein Maßstab zugrunde zu legen, der sich an der Vorrangigkeit von Haftsachen orientiert. In einer Haftsache kommt deshalb grundsätzlich lediglich eine Verhinderung durch andere bereits bestimmte Hauptverhandlungstermine in Haftsachen in Betracht, die von dem Verteidiger grundsätzlich auch zu belegen ist. Eine Beiordnung hat zu unterbleiben oder ist zu beenden, wenn ein Verteidiger nicht gewährleisten kann, das ihm übertragene Mandat auch tatsächlich wahrzunehmen.

Revision III: Sammlung „quer durch den Garten“, oder: u.a. Nebenkläger, Beschwer, JGG-Verfahren, Kosten,

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Und dann geht es im dritten Posting zu Revisionsentscheidungen „quer durch den Garten“ mit Entscheidungen zur Nebenklägerrevision und zum Revisionsverfahren. Ich stelle folgende Entscheidungen vor:

Gemäß § 400 Abs. 1 StPO ist ein Nebenkläger nicht befugt, das Urteil mit dem Ziel anzufechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Deshalb bedarf seine Revision eines genauen Antrags oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedeliktes verfolgt.

Sind die Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision eines Nebenklägers erfolglos geblieben, hat der Nebenkläger nach. § 473 Abs. 1 StPO nicht nur die Revisionsgebühr, sondern auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn diese allein erfolglos Revision eingelegt hätten, nicht hingegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführerin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Ein Angeklagter kann ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht allein deswegen anfechten, weil gegen ihn neben der Strafe keine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden ist. Das gilt auch, wenn nach Aufhebung und Zurückverweisung allein noch über die Frage zu entscheiden war, ob die Maßregel anzuordnen sei.

Die Revisionshauptverhandlung ist gemäß § 337 StPO auf die rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils beschränkt. Daher ist,  selbst wenn nach den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift eine Ergänzung des Schuldspruchs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in Betracht kommen sollte, eine Vorführung des Angeklagten nicht angezeigt. Das gilt auch, wenn der Angeklagte mit einem erneut in Rede stehenden Tatvorwurf, mit dem er aber bereits durch die Anklageschrift konfrontiert war, konfrontiert werden soll.

1. Ein Urteil, das ausschließlich ein Zuchtmittel gegen den Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist.

2. Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen Angriffsziele einer Revision zu verhindern, folgt aus der Pflicht des § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird.

3. Beschränkt sich die Revision darauf, die Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen sowie die Zurückverweisung zu beantragen und allgemein die Verletzung sachlichen Rechts ohne weitere Begründung zu rügen, lässt sich der Antrags- und Rechtfertigungsschrift in der Regel nicht eindeutig entnehmen, dass ein nach § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zulässiges Ziel verfolgt wird. Die Vorschrift von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG kann nicht dadurch umgangen werden, dass das Urteil zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird.

1. Enthält das Revisionsurteil keine Entscheidung über einen Teil der zum Nachteil der Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft, handelt es sich nicht um ein Nichturteil, jedoch bleibt der nicht beschiedene Teil der Revision beim Revisionsgericht anhängig.

2. Eine Berichtigung oder Ergänzung des verkündeten Revisionsurteils analog § 319 ZPO kommt in der Regel nicht in Betracht, wenn nur der entfernteste Verdacht einer nachträglichen Korrektur des wirklich Gewollten besteht.

3. Der noch nicht beschiedene Revisionsangriff kann nur aufgrund neuer Hauptverhandlung durch ergänzendes Urteil erledigt werden. Das vorausgegangene Revisionsurteil bleibt hiervon unberührt.