Und dann heute RVG-Entscheidungen.
Ich beginne mit dem OLG München, Beschl. v. 29.04.2025 – 1 AR 392/24. Die Entscheidung äußert sich zur Pauschvergütung nach § 51 RVG. In meinen Augen etwas zum Ärgern.
Folgender Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen ihn und einen Mitangeschuldigten Anklage zum LG zur Jugendkammer als Schwurgericht wegen des Vorwurfs gemeinschaftlichen Mordes in drei tateinheitlichen Fällen erhoben.
Die Hauptverhandlung fand an insgesamt 80 Tagen statt. Der Pflichtverteidiger nahm an 79 Terminen teil, 24 davon dauerten zwischen fünf und acht Stunden, 12 über acht Stunden. Die beiden Angeklagten wurden am 06.03.2023 verurteilt. Die Verteidiger legten gegen dessen Verurteilung Revision ein. Diese wurde mit Beschluss des BGH vom 07.02.2024 verworfen.
Der Rechtsanwalt hat beantragt, ihm für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in dem Verfahren eine Pauschvergütung in Höhe von 72.916,00 EUR zu bewilligen. Zur Begründung führte er aus, dass seine Tätigkeit durch die festgesetzten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 57.671,00 EUR nicht angemessen vergütet sei, da es sich um eine besonders umfangreiche und besonders schwierige Strafsache gehandelt habe.
„Frau Bezirksrevisorin“ (sic!) hat gegen die Bewilligung einer Pauschvergütung ausgesprochen. Das OLG hat durch den Einzelrichter die Gewährung einer Pauschvergütung abgelehnt. In seinem Beschluss referiert es zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für die Pauschgebühr nach § 51 RVG und führt dann zur Sache aus:
„2. Die genannten Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Das Verfahren wies zwar einen besonderen Umfang auf. Dies folgt bereits daraus, dass die Verfahrensakten bei Anklageerhebung ca. 12.500 Seiten umfassten; hinzu kamen mehrere Beiakten sowie elektronische Datenträger. Der Aktenumfang lag damit weit über dem eines durchschnittlichen Jugendschwurgerichtsverfahrens.
b) Wie erläutert reicht ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit des Verfahrens für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG allerdings nicht aus. Hinzukommen muss, dass die gesetzlichen Gebühren dem Antragsteller unzumutbar sind. Das ist hier nicht der Fall:
(1) Die Pflichtverteidigergebühren belaufen sich – wie von der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 19.02.2025 im Einzelnen dargestellt – auf 57.438,00 EUR.
Dem Antragsteller ist darin zuzustimmen, dass ihm allein dieser Betrag wegen des besonderen Verfahrensumfangs nicht zuzumuten wäre. Bei gleicher Sachlage wie im Parallelverfahren zu dem korrespondierenden Antrag des weiteren Pflichtverteidigers Dr. pp. (1 AR 206/24) hätte der Senat dem Antragsteller deshalb eine Pauschgebühr bewilligt, bei der anstelle der Pflichtverteidigergebühren für die Positionen VV RVG 4101 (Grundgebühr: 216,00 EUR) und 4119 (Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren: 424,00 EUR) jeweils die fünffache Wahlverteidigerhöchstgebühr anzusetzen gewesen wäre (VV RVG 4101: 495 x 5 = 2.475,00 EUR; VV RVG 4119: 949 x 5 = 4.745,00 EUR). Die Pauschgebühr hätte sich damit auf insgesamt 64.018,00 EUR belaufen (für die Aufschlüsselung dieses Betrags wird auf die Darstellung auf Seite 3 der Stellungnahme der Bezirksrevisorin verwiesen, wobei der dort für die Position VV RVG 4119 angesetzte Betrag von 2.120,00 EUR auf einem offensichtlichen Rechenfehler beruht und richtigerweise 4.745,00 EUR lauten müsste).
(2) Der vorliegende Fall unterscheidet sich allerdings insofern von dem Sachverhalt im Parallelverfahren 1 AR 206/24, als der hiesige Antragsteller zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren von Seiten des Mandanten ein Pauschalhonorar für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren in Höhe von 20.000,00 EUR erhalten hat. Diese Zahlung wurde nach § 58 Abs. 3 RVG nicht auf die gesetzliche Vergütung angerechnet.
Zahlungen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt von dem Mandanten oder von Dritten für seine Tätigkeit in dem betroffenen Verfahren erhalten hat, sind bei der Prüfung, ob ihm die gesetzlichen Gebühren i. S. v. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zumutbar sind, zu berücksichtigen, soweit sie nicht nach § 58 Abs. 3 RVG auf diese angerechnet wurden (OLG Hamm, Beschluss vom 16.10.2012 – III–5 RVGs 101/12, BeckRS 2012, 24463). Ist der Rechtsanwalt unter Berücksichtigung dieses Betrags zumutbar vergütet, liegt ein auszugleichendes Sonderopfer nicht vor (Stollenwerk in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, Rn 25).
So liegt der Fall hier: Unter Berücksichtigung der dem Antragsteller zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren zugeflossenen Zahlung von Seiten des Mandanten über 20.000,00 EUR hat er (netto) insgesamt 77.438,00 EUR (bzw. nach eigener Darstellung 77.671,00 EUR) für seine Verteidigertätigkeit in diesem Verfahren erhalten. Diese ist damit auch unter Berücksichtigung des besonderen Verfahrensumfangs insgesamt zumutbar vergütet; sie liegt nur geringfügig unter den einfachen Wahlverteidigerhöchstgebühren i.H.v. 84.186,00 EUR, die regelmäßig die Höchstgrenze für eine Pauschgebühr bilden (OLG Köln, Beschluss vom 10.04.2019 – 1 RVGs 15/19).
Der von der Zessionarin in ihrem Schriftsatz vom 08.04.2025 erhobene Einwand, die Zahlung des Mandanten müsse unberücksichtigt bleiben, weil es sich um ein Honorar für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren handele, der Pauschantrag sich aber ausschließlich auf das gerichtliche Verfahren beziehe, greift nicht durch: Für die Bewertung, ob die gesetzlichen Gebühren zumutbar sind, ist eine Gesamtbetrachtung des Verhältnisses zwischen den vom Anwalt erbrachten Tätigkeiten einerseits und den gesetzlichen Gebühren sowie etwaigen zusätzlichen Zahlungen des Mandanten oder Dritter an den Anwalt andererseits vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antrag nur auf einzelne Verfahrensabschnitte bezieht. Hat der Antragsteller – wie hier – für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren ein Pauschalhonorar vom Mandanten erhalten, das die gesetzlichen Gebühren für jenen Verfahrensabschnitt um ein Vielfaches übersteigt, kann dieser Umstand bei der Zumutbarkeitsprüfung nicht deshalb ausgeblendet werden, weil ein Pauschantrag nur für die übrigen Verfahrensabschnitte gestellt wird.
Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Zessionarin auch nicht daraus, dass der Antragsteller für das Ermittlungsverfahren keine Vergütung gegenüber der Staatskasse geltend gemacht hat: Wäre dem Antragsteller für das Ermittlungsverfahren kein Honorar vom Mandanten zugeflossen und hätte er daher den Pauschantrag auch auf seine diesbezügliche Tätigkeit erstreckt (dies wäre ggf. gemäß § 51 Abs. 1 Satz 4, 48 Abs. 6 RVG möglich gewesen, obwohl seine Beiordnung erst am zweiten Hauptverhandlungstag, also nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erfolgte), wäre – entsprechend der Handhabung im Parallelverfahren 1 AR 206/24 – die im vorliegenden Fall unzumutbar niedrige Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren i. H. v. 177,00 EUR (VV RVG Nr. 4105) durch die fünffache Wahlverteidigerhöchstgebühr (5 x 362,50 EUR = 1.812,50 EUR) ersetzt worden und insgesamt eine Pauschgebühr i. H. v. 65.830,50 EUR zu bewilligen gewesen (= 1.812,50 EUR Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren + 64.018,00 EUR für die übrigen Tätigkeiten, vgl. unter (1)). Da der dem Antragsteller tatsächlich für die Verteidigung zugeflossene Betrag von 77.671,00 EUR somit über der Summe liegt, die ihm – ohne die Zahlung des Mandanten für das Vorverfahren – hypothetisch als Pauschvergütung zu bewilligen gewesen wäre, liegt kein ausgleichsbedürftiges Sonderopfer vor.
(3) Da die Bewilligung einer Pauschgebühr aus den vorstehend erläuterten Gründen schon aufgrund des dem Antragsteller zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren zugeflossenen Mandantenhonorars i.H.v. 20.000,00 EUR ausscheidet, ist nur mehr ergänzend anzumerken, dass eine Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren i. S. v. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG hier auch deshalb zu verneinen wäre, weil der Antragsteller seine Verteidigertätigkeit in diesem Verfahren zur Erzielung weiterer Einkünfte fruchtbar gemacht hat, die ohne seine Beteiligung an dem Verfahren nicht möglich gewesen wären.
(a) Der Antragsteller gestaltet allgemeinkundig gemeinsam mit einer Hörfunkmoderatorin eine Podcast-Serie unter dem Titel „Bayern3 True Crime“. In den einzelnen Folgen spricht der Antragsteller mit der Moderatorin über Kriminalfälle bzw. Gerichtsverhandlungen. Häufig handelt es sich dabei um Fälle, an denen er selbst als Verteidiger mitgewirkt hat (Quelle: wikipedia.de). In insgesamt sechs Folgen zwischen August 2021 und März 2023 ging es dabei um das vorliegende Verfahren (sog. „Dreifachmord von Starnberg“). Der Antragsteller berichtet darin ausführlich über Erkenntnisse aus dem bzw. Einblicke in das Verfahren, die nur Verfahrensbeteiligten zugänglich sind.
Darüber hinaus gestaltet der Antragsteller gemeinsam mit dem Nachrichtensprecher pp.. Live-Veranstaltungen, in denen das hiesige Verfahren im Rahmen eines zwischen beiden ausgetragenen „unterhaltsamen Wettkampfes um die Stimmen des Publikums“ (Quelle: augsburger-allgemeine.de) mit dem Antragsteller in der Rolle des Verteidigers und pp. in der Rolle der Justiz „verhandelt“ wird. Dabei werden unter anderem verpixelte Filmausschnitte und Originalaufnahmen aus der Mordnacht gezeigt (Quelle wie vorstehend).
Da der Podcast, dessen einzelne Folgen unter anderem auf der kommerziellen Streaming-Plattform spotify.com abrufbar sind, seit 2020 mehr als 50 Millionen Aufrufe generiert hat und deutschlandweit im Jahr 2023 zu den Top Ten in der Kategorie „True Crime“ gehörte (Quelle: wikipedia.de), liegt es auf der Hand, dass der Antragsteller aus seiner Mitwirkung daran in nicht unerheblichem Umfang Einkünfte bezogen hat. Dasselbe gilt für die Auftritte im Rahmen der Abendveranstaltungen mit pp, für die Eintrittskarten – wie Webseiten einschlägiger Anbieter zu entnehmen ist – aktuell zwischen 39,99 EUR und 99,99 EUR (sog. „VIP-Paket“) kosten.
(b) Einkünfte des Antragstellers aus den geschilderten Tätigkeiten sind für die Bewertung der Frage, ob ihm die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren i. S. v. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zugemutet werden können, ebenfalls zu berücksichtigen, soweit die Podcasts bzw. Live-Veranstaltungen das hiesige Verfahren zum Gegenstand haben.
Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit derartiger Einkünfte bei der Entscheidung über Pauschgebührenanträge existiert bislang nicht (was unschwer damit zu erklären sein dürfte, dass Fälle, in denen Strafverteidiger Erkenntnisse aus Verfahren, an denen sie selbst beteiligt waren, medial zu Unterhaltungszwecken kommerzialisieren, singulär sind).
Die Berücksichtigung von Einkünften aus einer derartigen kommerziellen Zweitverwertung von Pflichtverteidigungsmandaten bei der Entscheidung über Pauschgebührenanträge steht sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Sinn und Zweck von § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG im Einklang: Die Beschränkung von Pauschgebühren auf Fälle, in denen die gesetzlichen Gebühren dem Anwalt wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zuzumuten sind, soll den Ausnahmecharakter der Regelung zum Ausdruck bringen und den Anwendungsbereich auf Fälle beschränken, in denen die gegenüber den Gebühren eines Wahlverteidigers geringeren Pflichtverteidigergebühren dazu führen würden, dass der beigeordnete Anwalt durch seine Inanspruchnahme für öffentliche Zwecke ein Sonderopfer erleidet (BT-Drs 15/1971, S. 201). Ein solches Sonderopfer liegt aber nicht vor, wenn dem Pflichtverteidiger infolge seiner Beiordnung zusätzlich zu den gesetzlichen Gebühren weitere finanzielle Vorteile zugeflossen sind, die er ohne sie nicht hätte erzielen können.
Gestützt wird diese Ansicht durch den Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung im Schadenersatzrecht. Danach muss sich der Geschädigte auf seinen Schadenersatzanspruch Vorteile anrechnen lassen, die ihm in adäquat-kausalem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind, wenn dies weder ihn unbillig belastet noch den Anspruchsgegner unangemessen entlastet (vgl. Oetker in Münchener Kommentar BGB, 9. Auflage 2022, § 249, Rn 235). Zwar geht es im vorliegenden Fall nicht um einen Schadenersatzanspruch, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch. Wie erläutert ist § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG allerdings Ausdruck der Verpflichtung des Staates, zurechenbar von ihm verursachte Sonderopfer Privater auszugleichen (sog. Aufopferungsanspruch) und es ist anerkannt, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch auf Aufopferungsansprüche anwendbar sind (vgl. Schenke, Staatshaftung und Aufopferung – Der Anwendungsbereich des Aufopferungsanspruchs, NJW 1991, 1777, 1785).
Für § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt daraus, dass die gesetzlichen Gebühren dem Pflichtverteidiger zugemutet werden können, wenn sie aufgrund des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens zwar für sich genommen außer Verhältnis zu dem mit der Verteidigung verbundenen Aufwand stehen, dem Antragsteller aber aus einer kommerziellen Zweitverwertung seiner Verteidigertätigkeit – wie hier durch die Mitwirkung an Unterhaltungsformaten, die tragend auf Einblicken in das Verfahren aus der Perspektive des Verteidigers beruhen – zusätzliche Einkünfte zugeflossen sind, durch die sich die Beiordnung für ihn bei einer wirtschaftlichen Gesamtschau „bezahlt gemacht“ hat. Denn derartige Einkünfte stehen in adäquat-kausalem Zusammenhang mit der Pflichtverteidigertätigkeit und ihre Berücksichtigung bei der Prüfung der Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren begründet weder eine unangemessene Entlastung der Staatskasse noch eine unbillige Belastung des Verteidigers im Sinne der oben genannten Kriterien für einen Vorteilsausgleich: Zwar beruhen solche Einkünfte auf einer Tätigkeit außerhalb des Verfahrens und sind mit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden. Der Antragsteller wird durch ihre Berücksichtigung bei der Zumutbarkeitsprüfung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG gleichwohl deshalb nicht unbillig belastet, weil sie ohne die Pflichtverteidigertätigkeit nicht möglich gewesen wären: Die Rolle des Antragstellers sowohl bei den Podcasts als auch bei den Live-Veranstaltungen beschränkt sich nicht auf die Beantwortung allgemeiner Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Fall (die auch einem nicht an dem Verfahren beteiligten Strafrechtler möglich wäre), sondern das Alleinstellungsmerkmal, das die Popularität beider Formate begründet, besteht gerade darin, dass der Antragsteller dem Publikum aus seiner Rolle als Verteidiger Einblicke in einen „echten“, aufsehenerregenden Kriminalfall aus der Praxis gewährt, die nur unmittelbaren Verfahrensbeteiligten zugänglich sind. So geht der Antragsteller in dem Podcast etwa dezidiert auf einzelne Beweismittel ein und erläutert ausführlich, weshalb diese aus seiner Sicht nicht geeignet seien, den Tatnachweis zu erbringen. Im Rahmen der Live-Veranstaltungen werden – wie oben ausgeführt – zusätzlich verpixelte Filmausschnitte und Originalaufnahmen aus der Mordnacht gezeigt.
(c) Weitere Aufklärung zur Höhe der Einkünfte, die der Antragsteller aus den genannten Tätigkeiten erzielt hat, war nicht erforderlich, weil ihm die gesetzlichen Gebühren bereits aus dem unter Ziffer (2) erläuterten Grund zumutbar sind.“
Wie gesagt, mich ärgert der Beschluss, denn er ist in meinen Augen in mehrfacher Hinsicht falsch. Es führt allerdings zu weit, dass hier im Einzelnen darzulegen. Dazu demnächst mehr im AGS. Und will hier – aus Platzgründen – meine Einwendungen nur in Stichpunkten aufzählen.
- Falsch ist es zunächst, die Zuzahlung des Mandanten bereits bei der Frage der Zumutbarkeit heranzuziehen und mit der Zuzahlung die Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren zu verneinen. Die Frage spielt vielmehr erst bei der Festsetzung der Pauschgebühr eine Rolle. Das macht das OLG Hamm zwar auch anders. Aber auch die Entscheidung ist falsch und entspricht nicht der m.E. h.M. in der Frage. Ich hatte dazu bereits in Zusammenhang mit dem OLG Hamm-Beschluss ausgeführt. Die Auffassung des OLG passt nicht zu § 58 Abs. 3 RVG.
- Dasselbe gilt für den Einwand des Pflichtverteidigers, die 20.000 EUR seien für das Ermittlungsverfahren gezahlt worden. Dann dürfen sie nach § 58 Abs. 3 RVG auch nur insoweit berücksichtigt werden. Ein Blick ins Gesetz….. 🙂 .
- Völlig daneben liegen m.E. die Ausführungen zur „kommerziellen Zweitverwertung“. Abgesehen davon, dass das m.E. dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 RVG widerspricht: Wo will man da die Grenzen ziehen, wenn es richtig wäre? Sind durch eine gute Verteidigung gewonnene Folgemandate auch Zweitverwertung? Ist ein Aufsatz in einer Fachzeitschrift, der honoriert wird, auch Zweitverwertung (wenn ja, was mache ich dann mit den vielen Aufsätzen richterlicher Kollegen, die ja auch honoriert werden? 🙂 ). Und wie will ich die Einnahmen aus der kommerziellen Verwertung ermitteln. Muss der Pflichtverteidiger ggf. seine EST-Erklärung vorlegen.
- Fraglich ist auch, warum überhaupt die Ausführungen zur „kommerziellen Zweitverwertung“ gemacht werden? Auf die kam es vom Standpunkt des OLG doch gar nicht an, da die Pauschvergütung ja schon aus anderen Gründen abgelehnt worden ist. Will man nur eine Diskussion an einer Stelle beginnen, die überflüssig wie ein Kropf ist? Warum? Für mich „schimmert“ da irgendwie eine „Neiddiskussion“ durch. Sind es die vielen Follower des Pflichtverteidigers oder die Einnahmen. Es mag jeder für sich entscheiden, ob er eine „kommerzielle Zweitverwertung“ in der geschilderten Art und Weise betreibt, jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Justiz, das über die Gebühren zu sanktionieren.
- Und schließlich: Warum entscheidet der Einzelrichter? Bei weiterer Recherche hätte man m.E. unschwer feststellen können, dass der angeführte OLG Hamm-Beschluss im StRR 2013, 119 = RVGreport 2013, 144 jeweils mit ablehnenden Anmerkungen von mir veröffentlicht ist. Und man hätte auch feststellen können, dass es davon abweichende Rechtsprechung anderer OLG gibt (OLG Hamm, JMBl NRW 1959, 44 = Rpfleger 1959,200; OLG Karlsruhe, StraFo 2012, 290 = AGS 2013, 173; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.5.2015 – 1 AR 2/15; OLG Stuttgart, Justiz.1983, 421). Da wäre es sicherlich „angebracht“ gewesen, „die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern …. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ zu übertragen, zumal auch das OLG Hamm eine nachvollziehbare Begründung für seine Entscheidungen nicht gegeben hat.