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Und die zweite „Einziehungsentscheidung“ kommt dann ebenfalls vom BGH. Es ist der für BGHST vorgesehene BGH, Beschl. v. 10.04.2018 – 5 StR 611/17 – zur Frage der Wirksamkeit der Zustimmung zu einer außergerichtlichen Einziehung, in der Praxis ja gar nicht so selten. Die Frage stellte sich ebenfalls in einen BtM-Verfahren. Der Angeklagte ist wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. In der Hauptverhandlung hatte er auf die Rückgabe sichergestellter Betäubungsmittel und von 5.230 € Verkaufserlös verzichtet. Im Hinblick darauf sieht das LG davon ab, eine Einziehungsentscheidung auf der Grundlage der §§ 73 ff. StGBG zu treffen. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft. Die hat der BGH verworfen:
„bb) Für die dem neuen Recht unterliegende Einziehung der Taterlöse gilt Folgendes:
(1) Soweit die Beschwerdeführerin ihre Ansicht darauf stützt, nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 StGB („ordnet an“) sei die Einziehung zwingend, zeigt sie kein tragfähiges Argument auf. Zwar räumt die Norm dem Gericht kein Ermessen ein. Insofern gilt aber nichts anderes als bei ihrer Vorgängervorschrift (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF). Bewusst gestrichen hat der Gesetzgeber freilich die Härtevorschrift (§ 73c StGB aF), die es unter bestimmten Voraussetzungen gestattete, eine Verfallsanordnung ganz oder teilweise zu unterlassen. Eine der in dieser – den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (siehe hierzu [3]) konkretisierenden Regelung – vorgesehenen Konstellationen ist jedoch in § 421 StPO eingestellt worden. Diese Vorschrift sieht im Übrigen – wie zuvor § 430 Abs. 1 StPO aF – weitere prozessuale Möglichkeiten vor, von einer Einziehung abzusehen.
(2) Maßgebliche Bedeutung für die Auslegung kommt vorliegend dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu. Danach schränkt die „Neufassung der Vorschrift … die Möglichkeit der ‚formlosen Einziehung‘ des Erlangten nicht ein“ (BT-Drucks. 18/9525, S. 61 unter Bezugnahme auf die Analyse der tatgerichtlichen Praxis der sogenannten außergerichtlichen Einziehung bei Rönnau, Die Vermögensabschöpfung in der Praxis 2. Aufl. Rn. 422 ff.). Ferner hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen sowie Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten (vgl. etwa BT-Drucks. 18/9525, S. 2, 48, 54 f. und 59). Dem würde es zuwiderlaufen, den Tatgerichten die Pflicht aufzuerlegen, durch im Urteil zu begründende Entscheidung auch Gegenstände einzuziehen, auf deren Rückgabe der Angeklagte wirksam verzichtet hat.
(3) Hinzu kommt, dass eine derartige Anordnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen würde. Dieser verlangt, dass jede staatliche Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss (vgl. BVerfG, NJW 1985, 121, 122 ff.; LR-StPO/Kühne, 27. Aufl., Einl. Abschn. I Rn. 96 f.). Hat aber ein Angeklagter – wie hier – wirksam den aus seinem früheren Besitz erwachsenden Herausgabeanspruch bezüglich des durch Drogengeschäfte erlangten Geldes aufgegeben, so ginge dessen Einziehung ins Leere und wäre mithin ungeeignet, ihr Ziel zu erreichen. Denn da der Angeklagte nach § 134 BGB am Kauferlös kein Eigentum erwerben konnte (hierzu Köhler NStZ 2017, 497, 500), könnte ihm mehr als das Besitzrecht auch nach § 73 StGB nicht entzogen werden. Einer dennoch vorgenommenen Einziehungsanordnung käme ihm gegenüber nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1993, 452; BayObLG, NStZ-RR 1997, 51).
Im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist es etwa bei Entscheidungen nach § 55 Abs. 2 StGB in vergleichbarer Weise anerkannt, dass es des Aufrechterhaltens einer der dort genannten Rechtsfolgen nicht bedarf, sofern diese bereits mit der Rechtskraft des einbezogenen Judikats wirksam geworden ist. Dies wird beispielsweise für die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB; siehe nur BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 351/09, NStZ-RR 2010, 58, und vom 18. November 2015 – 4 StR 442/15) und für Einziehungsanordnungen angenommen (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 – 3 StR 123/05; Urteil vom 20. Juli 2016 – 2 StR 18/16, NStZ-RR 2016, 368, 369; jeweils zu den §§ 74 ff. StGB aF). Ein Fall der einen Eingriff in das Eigentum eines Dritten gestattenden Sicherungseinziehung (§ 74b StGB) wird in Bezug auf die Drogenerlöse kaum je vorliegen.
(4) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Revisionsführerin, ohne formale Einziehungsentscheidung käme es zu keinem staatlichen Eigentumserwerb (§ 75 StGB). Dies trifft in dieser Allgemeinheit im Blick auf die Erwerbsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht nicht zu (vgl. insbesondere § 948 BGB). Zudem ist der Einwand bei einer Konstellation wie der vorliegenden ohne praktische Bedeutung. Fälle, in denen sich ein Betäubungsmittelerwerber an die Strafverfolgungsbehörden wendet, um von diesen das seinem „Dealer“ als Kaufpreis hingegebene Geld ausgezahlt zu bekommen, sind dem Senat nicht bekannt geworden. Einem derartigen Ansinnen bräuchte selbst dann nicht entsprochen zu werden, wenn das Geld im Eigentum des Betreffenden stünde. Vielmehr wäre gegen ihn – sofern nicht sogar ein Anfangsverdacht des Handeltreibens besteht – ein Ermittlungsverfahren wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) einzuleiten. In diesem Verfahren könnte das zum Kauf verwendete Geld nach § 74 Abs. 1 und 3 Satz 1 StGB mit der Folge des Eigentumsübergangs auf den Staat eingezogen werden.
(5) Schließlich würde das von der Beschwerdeführerin erstrebte Gesetzesverständnis einem Angeklagten die Möglichkeit nehmen, sich – durch eine entsprechende Verzichtserklärung glaubhaft dokumentiert – von seiner Tat zu distanzieren und das Tatgericht so unter dem Gesichtspunkt gezeigter Reue zu einer milderen Strafe zu bewegen (zu diesem Strafmilderungsgrund BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152; BayObLG, NStZ-RR 1997, 51; Brauch, NStZ 2013, 503, 504). Demgemäß hat das Landgericht dem Angeklagten auch im vorliegenden Verfahren den freiwillig erklärten Verzicht im Rahmen der Strafzumessung zugute gehalten.“
Aber:
„b) Von der seitens der Beschwerdeführerin vermissten Prüfung, ob der Angeklagte aus seinen Betäubungsmittelgeschäften mehr als 5.230 Euro erzielt hat, war das Landgericht freilich nicht schon infolge des insoweit erklärten Verzichts entbunden. Die diesbezügliche – revisionsgerichtlicher Überprüfung nur eingeschränkt zugängliche (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 413/14) – Beweiswürdigung zu den erzielten Verkaufserlösen weist jedoch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf; sie ist insbesondere nicht lückenhaft…..“
Man kann also als Verteidiger nicht sicher sein, dass die Zustimmung vor weiteren Nachforschungen und einer wertmäßig höheren Einziehung als der, der man zugestimmt hat, schützt.