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Wiedereinsetzungsgrund Arbeitsüberlastung?

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Nicht aus einem Straf- oder Bußgeldverfahren stammt der BGH, Beschl. v. 08.05.2013 – XII ZB 396/12 -, sondern aus einem familienrechtlichen Verbundverfahren, in dem ein Antrag einer Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt und auf Verteilung der Haushaltsgegenstände zurückgewiesen worden ist. Warum also hier ein Hinweis auf die Entscheidung, wird sich der ein oder andere Leser fragen? Kann oder macht Burhoff jetzt auch Familienrecht? Nun, ich kann beruhigen: Kann er nicht und macht er auch nicht. Der Beschluss ist aber m.E. deshalb einen Hinweis wert, weil er sich mit einer Wiedereinsetzungsproblematik befasst. die ggf. auch in Straf- und Bußgeldverfahren mal von Bedeutung werden könnte. Zwar wird in den Bereichen das Verschulden des Verteidigers dem Mandanten i.d.R. nicht zugerechnet, es gibt aber auch Verfahren, in denen zugerechnet wird, so z.B. beim Nebenkläger oder bei der Anhörungsrüge. Dann kann die vom BGH behandelte Problematik also Bedeutung erlangen.

In der vom BGH entschiedenen Sache war es zur Versäumung der Begründung der Beschwerdefrist beim OLG gekommen. Es wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die damit begründet worden ist, dass am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Urlaubsantritts des Verfahrensbevollmächtigten in dessen Kanzlei eine erheblich verstärkte Arbeitsbelastung bestanden habe. Außerdem sei ihm an diesem Vormittag telefonisch mitgeteilt worden, dass sein ehemaliger Sozius verstorben sei. Durch diese Nachricht sei der Verfahrensbevollmächtigte persönlich stark betroffen gewesen, weshalb ihm die Konzentration auf die an diesem Tage ohnehin massenhaft zu erledigenden Arbeiten schwer gefallen sei. Zudem hätten aufgrund des Todes des ehemaligen Sozius in der Kanzlei eine Reihe organisatorischer Maßnahmen besprochen und geregelt werden müssen.

Das OLG hat keine Wiedereinsetzung gewährt, der BGH hat das auf die Rechtsbeschwerde hin nicht beanstandet:

Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 XII ZB 298/11 FamRZ 2012, 621 Rn. 16 mwN).

b) Auf dieser Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist abgelehnt hat.

Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass die erhöhte Arbeitsbelastung kurz vor seinem Urlaub und die Nachricht vom plötzlichen Tod seines ehemaligen Sozius für den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine besondere Belastung dargestellt haben dürften. Gleichwohl handelte es sich nicht um eine Situation, die ihn von seiner anwaltlichen Pflicht, die Einhaltung von Rechtsmittelfristen sorgfältig zu überwachen, entbinden konnte. Insbesondere ist der erhöhte Arbeitsanfall an diesem Tag nicht plötzlich und unvorhersehbar eingetreten. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin wollte am nächsten Morgen eine mehrtägige Urlaubsreise antreten. Am letzten Arbeitstag vor einem Urlaub ist es nicht ungewöhnlich, dass ein besonders großer Arbeitsanfall besteht. Die im Rahmen der Fristenüberwachung einzuhaltende Sorgfalt eines Rechtsanwalts hätte es daher erfordert, dass der Verfahrensbevollmächtigte seine Tätigkeit an diesem Tag so organisiert, dass vor seiner Abreise die notwendigen fristwahrenden Maßnahmen getroffen werden, zumal für diesen Tag nur noch die Rechtsmittelbegründungsfrist des vorliegenden Verfahrens in der Fristenliste notiert war. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin die Fristenkontrolle in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten so organisiert ist, dass jeder Anwalt eigenverantwortlich Rechtsmittelfristen überwacht. Auch deshalb wäre der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin verpflichtet gewesen, vor dem Verlassen der Kanzlei an diesem Abend zu prüfen, ob sämtliche Fristsachen erledigt sind.

Im vorliegenden Fall hätte es zur Fristwahrung sogar ausgereicht, beim Beschwerdegericht einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist einzureichen, der mit der Arbeitsüberlastung hätte begründet werden können. Bei einem ersten Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine hohen Anforderungen an die erforderliche Darlegung der erheblichen Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung zu stellen. Der Anwalt kann vielmehr grundsätzlich erwarten, dass seinem Antrag entsprochen wird, wenn er einen der im Gesetz genannten Gründe vorträgt. Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen (BGH Beschluss vom 10. Juni 2010 V ZB 42/10 NJW-RR 2011, 285 Rn. 8 mwN).

Von dieser Verpflichtung, beim zuständigen Oberlandesgericht zumindest eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu beantragen, war der Verfahrensbevollmächtigte vorliegend auch nicht deshalb entbunden, weil er an diesem Tag von dem Tode seines ehemaligen Sozius erfahren hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht diesen Gesichtspunkt auch nicht übergangen. Es hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verfahrensbevollmächtigte trotz dieser Nachricht, die ihn sicherlich persönlich betroffen machte, in der Lage war, bis 23.00 Uhr an diesem Tag zu arbeiten und daher auch nicht soweit in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt war, dass er keinen Fristverlängerungsantrag mehr stellen konnte.“

Tja, schon ganz schön streng, obwohl man sich letztlich der Argumentation des BGH, dass ja zumindest Fristverlängerung hätte beantragt werden können, nicht verschließen kann. Danach stellt sich dann aber die Frage: Und wie ist mit Verfahren umzugehen, in denen – wie im Straf- und Bußgeldverfahren – eine Fristverlängerung nicht beantragt wird. Wäre mal interessant den BGH dazu zu hören. Würde da dann die Arbeitsüberlastung in Kombination mit dem Tod des Sozius reichen?

Fazit: Den Wiedereinsetzungsgrund Arbeitsüberlastung gibt es also wohl nicht. Darauf wird man sich zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs kaum berufen können.  Und wenn: Im Zweifel wird man so argumentieren, dass eine Revision zumindest mit der allgemeinen Sachrüge hätte begründet werden können und dann ggf. Wiedereinsetzung nur noch wegen einer potentiellen Verfahrensrüge im Raum steht/stand.

Wiedereinsetzung: Fix (an die gemeinsame Faxannahmestelle) gefaxt.

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Wiedereinsetzungsfragen interessieren mich immer, auch wenn sie von einem der Zivilsenate des BGH kommen, denn die entschiedenen Fragen können ja auch im Straf- und Bußgeldverfahren Bedeutung haben. Deshalb war/ist für mich der BGH, Beschl. v. 23.04.2013, VI ZB 27/12 – von Interesse, in dem es um die Wiedereinsetzung nach einer versäumten Berufungsbegründungsfrist ging, die das OLG Frankfurt verweigert hatte. Grundlage war folgender Sachverhalt:

„Am 4. Mai 2011 ging zwischen 23.20 Uhr und 23.30 Uhr per Telefax beim Landgericht Frankfurt am Main ein Schriftsatz ein, der eine Berufungsbegründung enthält. Im Adressfeld war keine Telefaxnummer angegeben, sondern „Per EGVP“. Der Schriftsatz war an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main adressiert und wurde diesem weitergeleitet; es lässt sich nicht erkennen, wann er dort eingegangen ist. Am 5. Mai 2011 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine Berufungsbegründung an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Oberlandesgerichts.

Nach gerichtlichem Hinweis vom 13. März 2012 auf eine mögliche Unzulässigkeit der Berufung wegen nicht fristgemäßer Einreichung der Berufungsbegründung beantragte der Beklagte am 27. März 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung am Abend des 4. Mai 2011 fertiggestellt. Entgegen der ursprünglichen Planung sei der Versand nicht über EGVP erfolgt, sondern per Telefax. Für den Versand sei die Auswahl der Telefaxnummer von einer Gerichts-Faxliste erfolgt und von Hand eingegeben worden. Die beauftragte – zuverlässige – Rechtsanwaltsfachangestellte sei bei der Auswahl in der Zeile verrutscht und habe das Telefax versehentlich an das Landgericht gesendet. Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine dies bestätigende eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten beigefügt.“

Der BGH hat Wiedereinsetzung gewährt. Er geht in zwei Schritten vor:

Schritt 1:

„Vom Ausgangspunkt des Berufungsgerichts her, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei, entspricht der Beschluss des Oberlandesgerichts allerdings der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und5678- 5 -dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu kön-nen. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. Senat vom 12. Juni 2012 – VI ZB 54/11, VersR 2012, 1411 Rn. 7 mwN).“

Schritt 2:

„…..Danach dürfen die Gerichte den Zugang zu den den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfG, NJW-RR 2008, 446 f. mwN).
……..
Gemäß der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2007 (1 BvR 1784/05, auszugsweise abgedruckt in NJW-RR 2008, 446) gehört das Telefaxgerät des Landgerichts ebenso wie das des Oberlandesgerichts aufgrund Gemeinsamer Verfügung der Leiter der Justizbehörden in Frankfurt zu einer gemeinsamen Post- und Faxannahmestelle, die als Geschäftsstelle sämtlicher angeschlossener Gerichte und Behörden in Frankfurt gilt. Dabei ist die Annahme von Telefaxschreiben so geregelt, dass die besonders bestimmten Telefaxanschlüsse der beteiligten Behörden und Gerichte zu-gleich als Anschlüsse der anderen Behörden und Gerichte gelten und die bei einem dieser Anschlüsse eingehenden Telefaxschreiben als bei der Geschäfts-stelle der jeweils angeschriebenen Behörden- oder Gerichtsstelle eingegangen anzusehen sind. Diese vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung wiedergegebene Regelung hat zur Folge, dass ein per Telefax übermittelter und – wie hier – zutreffend an das Oberlandesgericht adressierter Schriftsatz auch dann in die Verfügungsgewalt dieses Gerichts gelangt ist, wenn für die Übermittlung versehentlich die Faxnummer einer anderen in den Behörden- und Gerichtsverbund einbezogenen Stelle gewählt worden ist. Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines fristwahrenden Schriftstücks ist allein entscheidend, dass es innerhalb der Frist tatsächlich in den Verfügungsbereich des zuständigen Gerichts gebracht worden und damit dem Zugriff des Absenders nicht mehr zugänglich ist (vgl. BVerfG, aaO, juris Rn. 6, 12 f.). Danach wäre die Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht rechtzeitig eingegangen als der Telefaxschriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 4. Mai 2011 zwischen 23.20 Uhr und 23.30 Uhr per Telefax bei der Telefaxstelle des Landgerichts Frankfurt am Main eingegangen ist.

Das OLG hatte in dem angefochtenen Beschluss nicht festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Übersendung des Schriftsatzes eine von dem Beschluss des BVerfG abweichende Regelung für die Justizbehörden in Frankfurt galt. Das muss es nun nachholen.

Auf der Flucht? – Dann gibt es keine Wiedereinsetzung…

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Nach § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO wird Beschuldigten, wenn seinem Wahlverteidiger nach § 145a Abs. 1 StPO eine Entscheidung zugestellt worden ist, weil sich dessen Vollmacht bei den Akten befindet, der Beschuldigte von der Zustellung unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. Das gebietet die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts. Das Unterlassen dieser Pflicht und eine darauf beruhende Fristversäumung kann die Wiedereinsetzung (§§ 44, 45 StPO) begründen.

Frage: Was ist, wenn der Angeklagte/Beschuldigte flüchtig ist und damit dem Gericht die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich macht? Kann er sich dann, wenn er eine Frist versäumt, zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags auf einen Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO berufen? Als Antwort schießt einem da sofort ein Nein und eine Parallele zum „venire contra factum proprium“ durch den Kopf. Und so ähnlich hat auch der KG, Beschl. v. 22.02.2013 – (4) 161 Ss 38/13 (41/13) – die Problematik gelöst, wenn es dort heißt:

„Die erst am 29. August 2012 eingelegte Revision war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet ist. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 27. Juli 2012 wirksam (§ 145a Abs. 1 StPO) zugestellt worden. Das Fehlen einer Unterrichtung des Angeklagten und einer formlosen Übersendung einer Urteilsabschrift an ihn gemäß § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO böte angesichts dessen, dass er aus der Jugendstrafanstalt flüchtig und unbekannten Aufenthalts war, im Übrigen keinen Anlass für eine Wiedereinsetzung (vgl. BGH NStZ 2010, 584, 585). Denn die in § 145a Abs. 3 StPO vorgesehene Benachrichtigung des Betroffenen von der Zustellung an seinen Verteidiger ist Ausdruck der prozessualen Fürsorgepflicht, die dem Gericht gegenüber dem Angeklagten obliegt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 145a Rn. 13). Wenn ein Angeklagter dem Gericht die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich macht, kann er ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht auf die fehlende Benachrichtigung stützen (vgl. KG, Beschluss vom  26. September 2001 – 5 Ws (B) 609/01 – [juris]).“

Im Übrigen: Selbst wenn das KG anderer Auffassung gewesen wäre, wäre dem Angeklagten keine Wiedereinsetzung gewährt worden. Sein Antrag war nämlich (mal wieder) nciht ausreichend begründet/glaubhaft gemacht.

Olle Kamelle: (Nur) ab in den Urlaub – aber keine Wiedereinsetzung? Das BVerfG richtet es

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Bei manchen (Rechts)Fragen denkt man, dass die doch längst entschieden sind und es an der Stelle keine Probleme geben dürfte, zumal, wenn auch das BVerfG sich dazu schon geäußert hat. So sollte es m.E. mit der Frage sein, welche Vorkehrungen eigentlich ein Beschuldigter/Betroffener treffen muss, der sich in Urlaub begibt. Muss er sicher stellen, dass er erreichbar ist bzw. Zustellungen ihn erreichen und was ist, wenn er es nicht tut? Bekommt er Wiedereinsetzung?

Mit dieser m.E. ausgekauten Frage musste sich jetzt das BVerfG noch einmal befassen. Da war der Angeklagte drei Wochen in Urlaub, in der Zeit wird ein Strafbefehl zugestellt, die Einspruchsfrist wird urlaubsbedingt versäumt. AG und LG München verweigern die Wiedereinsetzung. Der BVerfG, Beschl. v. 18.10.2012 – 2 BvR 2776/10 – richtet es dann. Und wenn man sieht, auf welche Entscheidungen das BVerfG verweist, kann man wirklich sagen: Olle Kamelle ;-). Da heißt es:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf es dem Bürger nicht als ein die Wiedereinsetzung ausschließender Umstand zugerechnet werden, wenn er wegen einer nur vorübergehenden Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung keine besonderen Vorkehrungen wegen der möglichen Zustellung eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls getroffen hat (vgl. BVerfGE 37, 100 <102>; 40, 88 <91 f.>; 40, 182 <186>; 41, 332 <335>). Es kommt nicht darauf an, ob die urlaubsbedingte Abwesenheit – wie hier – in die „allgemeine Ferienzeit“ oder eine sonstige Jahreszeit fällt. Entscheidend ist allein, dass die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurzfristige – längstens etwa sechs Wochen – von einer sonst ständig benutzten Wohnung ist (vgl. BVerfGE 40, 182 <186>; 41, 332 <336>). Das gilt auch dann, wenn er weiß, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, oder er als Beschuldigter oder Betroffener vernommen wurde (vgl. BVerfGE 25, 158 <166>; 34, 154 <156 f.>).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Gerichte im Wiedereinsetzungsverfahren haben die Anforderungen an die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersichtlich überspannt und dem Beschwerdeführer dadurch den ersten Zugang zum Gericht verwehrt.

aa) Sie beruhen auf der Annahme einer Obliegenheit, bereits bei einer vorübergehenden urlaubsbedingten Abwesenheit von nur etwa drei Wochen besondere Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen. Dies widerspricht den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben.

bb) Der Umstand, dass der Beschwerdeführer als Beschuldigter vernommen worden war und ihm der Tatvorwurf sowie die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden, führt – entgegen der Auffassung des Landgerichts – zu keiner anderen Bewertung, zumal seit der Feststellung der Tat und der Anhörung des Betroffenen am 26. August 2009 bis zur Zustellung des Strafbefehls am 15. Juli 2010 fast ein Jahr vergangen war und daher für den Beschwerdeführer keine besondere Veranlassung bestand, die Zustellung eines Strafbefehls während der allgemeinen Urlaubszeit in Betracht zu ziehen.

Der gescheiterte Übermittlungsversuch – keine Wiedereinsetzung

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Im Straf- und Bußgeldverfahren spielt die Frage des anwaltlichen Verschuldens bei einer Fristversäumung nicht so eine ganz große Rolle, da dem Beschuldigten/Betroffenen ein Verschulden seines Verteidigers ja i.d.R. nicht zugerechnet wird. Aber eben nur „i.d.R.“, denn im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) oder bei der Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder einer Anhörungsrüge gilt etwas anderes. Da wird anwaltliches Verschulden zugerechnet. Deshalb sollte man immer auch einen Blick auf die Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH zur Wiedereinsetzung haben. Denn die setzen sich häufig mit der Frage auseinander, wann ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorliegt. So auch der BGH, Beschl. v. 5. 9. 2012, VII ZB 25/12.

In der Sache ging es um einen gescheiterten Übermittlungsversuch. Der BGH erwartet von einem Prozessbevollmächtigten, dem es trotz zahlreicher Anwählversuche nicht gelingt, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung am letzten Tag dieser Frist per Telefax an eine vom Berufungsgericht genannte Telefaxnummer zu übermitteln, dass er über den Internetauftritt des Berufungsgerichts eine etwa vorhandene weitere Telefaxnummer des Berufungsgerichts ermittelt und den Verlängerungsantrag an diese Telefaxnummer übermittelt.

Also: Ein (wenig) Internetrecherche muss schon sein.