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WE I: Elektronische Führung des Fristenkalenders, oder: Wie muss man diesen Kalender kontrollieren?

In die neue 47.KW, die hoffentlich etwas weniger dramatisch wird als die 46. KW., starte ich mit zweit Entscheidungen zur Wiedereinsetzung.

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Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 26.09.2024 – III ZB 82/23. Der stammt zwar, wie man sieht, aus dem Zivilrecht, die angesprochenen Fragen können aber auch, wenn es um die Zurechnung eines Verschulden des Rechtsanwalts geht, z.B. beim Nebenklägervertreter, auch im Strafverfahren Bedeutung haben.

Geäußert hat sich der BGK zur Kontrolle des Fristenkalenders bei einer elektronischen Kalenderführung, und zwar wie folgt:

„1. Wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, darf die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten. Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten, insbesondere auch bei der Datenverarbeitung (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2019 – III ZB 96/18, NJW 2019, 1456 Rn. 13 mwN). Es bedarf daher auch bei einer elektronischen Kalenderführung einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können (vgl. Senat aaO; BGH, Beschluss vom 2. Februar 2021 – X ZB 2/20, NJW-RR 2021, 444 Rn. 8).

2.    Danach ist die von der Rechtsbeschwerde als grundsätzlich angesehene Frage, ob eine hinreichende Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt bereits dadurch sichergestellt ist, dass eine auf dem Markt als erprobt und zuverlässig angesehene Kanzleisoftware verwendet und die Eingabe der fristrelevanten Daten in die Fristerfassungsmaske (sowie deren abschließende Bestätigung) geschultem und zuverlässigem Personal überlassen wird, das sie nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ vorzunehmen hat, zum Nachteil der Klägerin bereits geklärt. Die Rechtsbeschwerde sieht selbst, dass hierdurch der in Rede stehende Verarbeitungsfehler nicht erkannt werden kann. Ihre Auffassung, ein Rechtsanwalt dürfe die Korrektheit der Datenverarbeitung ohne weiteren Kontrollschritt voraussetzen (Rechtsbeschwerdebegründung S. 12), ist mit der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu vereinbaren. Dabei bedarf es weiterhin keiner Entscheidung, wie diese Kontrolle im Einzelnen zu erfolgen hat, insbesondere ob es eines Kontrollausdrucks in Papierform bedarf (vgl. BGH aaO Rn. 10). Denn die Klägerin hat vorgetragen, es sei überhaupt keine Kontrolle des Ergebnisses der Datenverarbeitung in Bezug auf die richtige Zuordnung zu dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen worden. Soweit sie geltend macht, eine weitergehende Kontrolle sei nicht zumutbar, ergibt sich unter anderem aus dem vorgelegten Ausdruck der „Termine zur Akte“ (Anlage BJ 6), dass der für die Fristversäumung ursächliche Datenverarbeitungsfehler – die falsche Zuordnung des Sachbearbeiters – sich nicht nur im Fristenkalender ausgewirkt hat, sondern auch in der Aufstellung der Termine in der elektronischen Akte abgebildet und daher ohne weiteres erkennbar war.

Da das Berufungsgericht diese Grundsätze zutreffend angewandt hat, bedarf es auch keiner Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.“

Wiedereinsetzung I: Rechtsmittelbegründungsfrist, oder: Eigenverantwortliche Prüfpflicht des Anwalts

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In die neue Woche starte ich dann mit zwei Entscheidungen zur Wiedereinsetzung.

Die erste stammt vom BGH. Es handelt sich bei dem BGH, Beschl. v. 31.07.2024 – XII ZB 573/23 – zwar um eine Entscheidung aus einem Zivilverfahren. Die Ausführungen des BGH zur Prüfpflicht des Rechtsanwalts betreffend den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen können aber auch im Strafverfahren von Bedeutung haben, wenn dem Mandanten, wie z.B. bei der Nebenklage, ausnahmsweise ein Verschulden seines Anwalts zugerechnet wird.

Gestritten wird in dem vom BGH entschiedenen Verfahren (noch) um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Beschwerdebegründungsfrist. Das AG hatte den Antragsgegner in einem Verfahren nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (sonstige Familiensache) verpflichtet, an die Antragstellerin, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, einen Betrag von 293.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 25.07.2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 24.08.2023 beim AG Beschwerde eingelegt und diese am 02.10.2023 begründet. Das AG hat den mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Schriftsatz am 04.10.2023 auf elektronischem Wege an das OLG weitergeleitet. Durch Beschluss vom selben Tag hat das OLG darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen, weil eine Rechtsmittelbegründung nicht innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG eingegangen sei. Dieser Hinweis ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 06.10.2023 zugegangen.

Am 11.10.2023 hat der Antragsgegner beim OLG Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin Frau E. seines Verfahrensbevollmächtigten ausgeführt, diese sei in der Kanzlei für die Fristenverwaltung zuständig. In den mehr als 20 Jahren ihrer Beschäftigung sei ihr bislang kein Fehler im Fristenkalender unterlaufen. Nach der Organisation des Büros werde zunächst eine Vorfrist von einer Woche eingetragen, wobei die Fristen sowohl in einem gesonderten Fristenkalender als auch digital in der Anwaltssoftware notiert würden. Neben der Vorfrist gebe es ferner die sogenannte Notfrist. Der Verfahrensbevollmächtigte kontrolliere regelmäßig die Einhaltung der Fristen. Sämtliche Mitarbeiter seien bei Aufnahme ihrer Tätigkeit über die Regelungen für die Fristenkontrolle und deren Bedeutung belehrt worden. Diese Belehrungen würden auch regelmäßig wiederholt, zuletzt am 04.08.2023. Der Verfahrensbevollmächtigte habe beim Diktat der Beschwerdeschrift explizit erklärt, dass die Frist für die Beschwerdebegründung einen Monat betrage und diese allerspätestens am 25.09.2023 beim OLG, hilfsweise beim Familiengericht, einzugehen habe. Er habe ferner diktiert, dass ihm die Akte zur Vorfrist am 18.9.2023 vorgelegt werden solle, damit ausreichend Zeit für die Rechtsmittelbegründung verbleibe. Tatsächlich habe Frau E. die Vorfrist aber versehentlich für den 18.10.2023 und die Notfrist für den 25.10.2023 eingetragen. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners sei dies nicht aufgefallen, da er auf die ordnungsgemäße Einhaltung und Beachtung der Fristen vertraut habe und aufgrund seiner Arbeitsbelastung eine Kontrolle nicht erfolgt sei. Erst durch den Hinweis des OLG vom 04.10.2023 habe er den Fehler bemerkt und nach seiner urlaubsbedingten Abwesenheit vom 03. bis zum 10.10.2023 den Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, die keinen Erfolg hatte.

Der BGH führt dazu umfangreich aus. Ich beschränke mich daher hier auf Leitsatz der Entscheidung, nämlich:

Werden einem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt, hat er den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen eigenverantwortlich zu prüfen.

Dazu hatte der BGH übrigens schon mal ählich im BGH, Beschl. v. 01.03.2023 – XII ZB 483/21, NJW-RR 2023, 698) – Stellung genommen.

Strafbefehl II: Angeklagter hat keinen Pflichti, oder: Wiedereinsetzung gegen versäumte Einspruchsfrist

Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern, es handelt sich um den LG Kempten, Beschl. v. 13.06.2024 – 2 Qs 80/24. Es geht um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das AG hatte den Einspruch des Abgeklagten als unzulässig, weil verspätet angesehen. Anders das LG:

„Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 16.05.2024 ist zulässig und begründet.

Der Verteidiger hatte zwar ausweislich BI. 30 d. A. bereits am 08.05.2024 Einsicht in das Vollstreckungsheft, aus diesem ergibt sich jedoch nicht der Verstoß gegen die Pflichtverteidigerbestellung nach § 408b StPO. Somit hatte der Verteidiger erst im Rahmen der Einsicht in die Ermittlungsakte am 14.05.2024 Kenntnis von diesem Umstand, sodass die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO am 16.05.2024 noch nicht abgelaufen war.

Der Antrag ist auch begründet. Die Begründung des Antrags erfordert zwar grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung sämtlicher Tatsachen, aus denen sich die nicht schuldhafte Fristversäumnis des Antragstellers ergibt. Es müssen deshalb alle zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände mitgeteilt werden, die für die Frage bedeutsam sind, wie und ggf. durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist. Zu benennen sind deshalb die Frist, der Grund der Säumnis sowie der Zeitpunkt, zu dem das Hindernis weggefallen ist. Nicht der Darlegungspflicht unterliegen jedoch Umstände, die den Akten zu entnehmen sind oder gerichtskundig sind (BVerfG NJW 1995, 2544; OLG Düsseldorf StraFo 1997, 77; Graalmann-Scheerer in Löwe/Rosenberg Rn. 14; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt Rn. 5).

Vorliegend enthält der Antrag des Verteidigers vom 16.05.2024 nicht den geforderten Sachvortrag. Jedoch ergibt sich hier der gesamte Sachverhalt aus der Akte und ist deswegen von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine andere Ansicht widerspräche dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 3 c EMRK.

2. Der Einspruch des Verteidigers vom 16.05.2024 gegen den Strafbefehl vom 06.08.2021 ist zulässig. Der Strafbefehl wurde dem Angeklagten am 10.08.2021 zugestellt und damit war die zweiwöchige Einspruchsfrist bereits abgelaufen. Jedoch wurde es bei Erlass des Strafbefehls unterlassen, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger nach § 408b StPO zu bestellen.

Weil § 408b StPO als Gegengewicht zu rechtsstaatlichen Bedenken fungiert, die gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe in einem summarischen Verfahren sprechen, überzeugt es, die Versäumung der Einspruchsfrist entsprechend § 44 S. 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn § 408b StPO verletzt wurde. (MüKoStPO/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 408b Rn. 22).“

Wiedereinsetzung II: Selbstvertretung des Anwalts, oder: Elektronische Übermittlung und Verschulden

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Im zweiten Posting geht es jetzt um den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.08.2024 – 2 W 59/22 – und in dem u.a. um die Frage, ob der sich selbst vertretende Rechtsanwalt bei Beschwerden nach GKG den Weg der elektronischen Übermittlung wählen muss und wann ggf. Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

Das OLG hat die Frage der Erforderlichkeit der elektronischen Übermittlung bejaht. Hier der Leitsatz der Entscheidung, die umfangreiche Begründung dann bitte im Volltext lesen:

Ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache als Rechtsanwalt ein Berufungsverfahren in einem WEG-Verfahren durchführt, und – nach Zurückweisung seiner Berufung durch das LG nach § 522 Abs. 2 ZPO – in einem Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts erneut in eigener Sache als Rechtsanwalt auftritt, ist zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.

Und zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die das OLG verwehrt hat, führt es aus:

„B. Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens der Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 2 S. 1 GKG zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist dem Beschwerdeführer, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht.

1. Zunächst ist das Oberlandesgericht als Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, zuständig (vgl. NK-GK/Norbert Schneider, 3. Auflage 2021, GKG § 68 Rn. 72; Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Zimmermann, 5. Auflage 2021, GKG § 68 Rn. 13), so dass der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs durch das Landgericht im angefochtenen Beschluss keine Wirkung zukommt, sondern dies dahingehend auszulegen ist, dass das Landgericht der Beschwerde auch deshalb nicht abgeholfen hat, weil – was in der Sache zutreffend ist – ein Wiedereinsetzungsgrund nicht besteht.

2. Der gesetzlich („auf Antrag“) vorgesehene Wiedereinsetzungsantrag des Klägers wurde am 26.09.2022 gestellt und beim Ausgangsgericht angebracht (vgl. hierzu NK-GK/Norbert Schneider, 3. Aufl. 2021, GKG § 68 Rn. 66, 71). Dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt wurde, kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, denn nach dem Vorbingen des Klägers war sein beA nach De- und Neuinstallation am 10.09.2022, einem Samstag, wieder betriebsbereit, so dass zu diesem Zeitpunkt das Hindernis beseitigt war, und die zwei Wochen Frist zu laufen begann und sich die Frist, da das Fristende auf einen Samstag, den 24.09.2022 fiel, bis zum 26.09.2022 verlängerte.

3. Allerdings ist der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung vom 26.09.2022 gleichwohl unzulässig. Weder wurde der Antrag als elektronisches Dokument übermittelt, noch wurden innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht.

Der Wiedereinsetzungsantrag war als elektronisches Dokument einzureichen. Auf die obigen Ausführungen zur Beschwerde, die hier entsprechend gelten, wird verwiesen. Der Kläger hat den Wiedereinsetzungsantrag lediglich per Telefax übermittelt. Ein Hinweis an den Kläger auf den Formverstoß konnte nicht mehr erfolgen, da der Antrag erst am Tag des Fristablaufs um 23:41 Uhr beim Landgericht einging (Bl. 582).

Ein Ausnahmefall, in dem eine Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig gewesen wäre, liegt nicht vor. Gemäß § 130d S. 2 ZPO ist dies nur zulässig, wenn die Übermittlung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dem liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass die zwingende Benutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht gelten kann, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Weg erreichbar ist. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichers zu suchen ist. Denn auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts soll dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen (vgl. KG, Beschluss vom 25.02.2022 – 6 U 218/21, Rn. 14, juris; BT-Drs. 17/12634, 27).

Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass sein beA am 26.09.2022 erneut nicht funktionierte, mithin eine Übermittlung aus technischen Gründen wieder nicht möglich war, ist eine Glaubhaftmachung weder bei der Ersatzeinreichung erfolgt noch unverzüglich danach (§ 130d S. 3 Hs. 1 ZPO). Die Aufforderung nach Hs. 2 bezieht sich allein auf die Nachreichung des elektronischen Dokuments.

Bei der Ersatzeinreichung des Wiedereinsetzungsantrags erfolgt keine Darlegung, dass das beA des Klägers nicht funktionierte, der Kläger hat hierzu überhaupt keine Ausführungen gemacht.

Der Kläger hat auch nicht unverzüglich danach dargelegt, dass sein beA nicht funktionierte. Unverzüglich im Sinne der in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Legaldefinition ist als „ohne schuldhaftes Zögern“ auszulegen, wobei anders als bei § 121 BGB aber keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungsfrist zu gewähren ist, sondern der Rechtsanwalt die Glaubhaftmachung abzugeben hat, sobald er Kenntnis davon erlangt, dass die Einreichung an einer technischen Störung gescheitert ist, und er zu einer geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände in der Lage ist. Hierbei ist in die Abwägung einzustellen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen und die Nachholung der Glaubhaftmachung auf diejenigen Fälle beschränkt sein soll, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. Glaubhaft zu machen ist lediglich die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, ohne dass es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung über deren Ursache bedarf; es genügt eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände, die beispielsweise mit Screenshots unterlegt werden kann, aber nicht zwingend muss (vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – V ZB 15/22, juris, Rn. 21; Anders/Gehle/Anders, 82. Auflage 2024, ZPO § 130d Rn. 9a).

Bei Anwendung dieser Voraussetzungen erfolgte die Glaubhaftmachung nicht unverzüglich. Vielmehr wurde die Frist bei weitem überschritten, indem erst mit Schriftsatz vom 22.11.2022 überhaupt eine Glaubhaftmachung erfolgte, obwohl der Kläger nach seiner Darlegung am 26.09.2022 Kenntnis hatte, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich war, und am Folgetag davon, dass das beA wieder funktionierte, so dass die Störung erneut nur vorübergehender Natur war, weil das beA wieder funktionierte.

Hinzu tritt, dass der Kläger Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, im Antrag weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Der Kläger hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag mit keinem Wort eine Störung seines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs dargelegt, sondern nur vermeintliche Störungen beim Versand des Telefaxes an das Landgericht geschildert, was unerheblich ist, weil diese Einreichungsform unzulässig war und dem Kläger als Rechtsanwalt die gesetzlichen Vorschriften über die Übersendung elektronischer Dokumente hätten bekannt sein müssen.

7. Dem Kläger war auch auf seinen Antrag aus dem per Telefax übersandten Schriftsatz vom 07.10.2022 keine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren. Auch dieser Antrag entsprach nicht der Form des § 130d S. 1 ZPO als elektronisches Dokument. Die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung nach § 130 S. 2 ZPO liegen nicht vor, nachdem der Kläger dort erneut nur Probleme einer Übermittlung per Telefax thematisiert hat.“

Wiedereinsetzung I: Rechtsanwalt verpasst Termin, oder: Verschulden bei falsch geplanter Anfahrt

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Im „Kessel Buntes“ heute dann zwei Entscheidungen zur Wiedereinsetzung. Die eine kommt vom AGH Hamm, die andere vom OLG Frankfurt am Main.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 05.09.2024 – 2 AGH 1/24. In dem Verfahren hatte eine Rechtsanwältin Berufung gegen ein Urteil des AnwG eingelegt. Die ist vom AGH Nordrhein-Westfalen durch Urteil wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung verworfen worden. Die angeschuldigte Rechtsanwältin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antrag hatte keinen Erfolg:

„Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nach § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO i.V.m. § 45 StPO liegen nicht vor. Der Antrag ist zwar fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO i.V.m. § 45 Abs. 1 StPO gestellt, er ist jedoch zumindest unbegründet.

Es kann dahinstehen, ob der per Telefax gestellte und ausschließlich mit einer anwaltlichen Versicherung zur Glaubhaftmachung eingereichte Wiedereinsetzungsantrag zulässig ist. Denn er ist in jedem Falle nicht begründet.

Ob ein Wiedereinsetzungsantrag im vorliegenden Falle rechtswirksam per Telefax eingereicht werden konnte oder ob es einer Übermittlung an den Senat per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) bedurft hätte, kann mithin dahinstehen. Eine zwingende Verpflichtung zur Einreichung per beA für die Einhaltung der Schriftform i.S. einer Wirksamkeitsvoraussetzung ergibt sich ausschließlich aus § 32d S. 2 StPO für die dort abschließend aufgezählten Anträge und Erklärungen (Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 32d Rn. 1). Ein Wiedereinsetzungsantrag wird von dieser Enumeration erkennbar nicht umfasst. Eine Verpflichtung zur Einreichung von Wiedereinsetzungsanträgen per beA bestünde im anwaltsgerichtlichen Verfahren mithin nur dann, wenn die „entsprechende“ Anwendung dieser Vorschrift nach § 116 BRAO über ihren gesetzlich abschließend formulierten Katalog hinaus Ausdehnung erforderte. Soweit § 32d S. 1 StPO bestimmt, dass Verteidiger und Rechtsanwälte u.a. schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln „sollen“, ist dies – im abgrenzenden Lichte des dortigen S. 2 – nicht zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. Köhler a.a.O., „Regelfall“). Denn auch wenn im Übrigen – getreu der Regel „soll heißt muss, wenn kann“ – grundsätzlich ein „Sollen“ im Sinne eines „Müssen“ zu verstehen ist, so könnte namentlich der prozessuale Ausnahmefall des Wiedereinsetzungsgesuches als einer Art Notmaßnahme zur Rückerlangung einer dem Anschein nach bereits verloren gegangenen Rechtsposition der gerichtlichen Fairness halber zu einer weniger formenstrengen Auslegung Veranlassung geben. Dies gilt namentlich in Ansehung des Umstandes, dass die Einlegung der Berufung selbst nach der Rechtsprechung des Senates einer Nutzung des beA nicht zwingend bedarf. Mithin liegt nicht nahe, für den bloßen Wiedereinsetzungsantrag strengere Regeln zur Anwendung zu bringen als für das den Rechtszug ursprünglich eröffnende Rechtsmittel. Auch § 32a Abs. 1 StPO spricht ersichtlich nur davon, dass elektronische Dokumente bei u.a. Gerichten nach Maßgabe der folgenden Absätze eingereicht werden „können“. Letztlich spricht also gesamthaft eher mehr dafür als dagegen, dass die erforderliche Schriftform auch durch ein Telefax gewahrt werden kann (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 45 Rn. 1 i.V.m. Einl Rn. 128).

Desgleichen kann dahinstehen, ob es im anwaltsgerichtlichen Verfahren für die nötige Glaubhaftmachung der dem Wiedereinsetzungsgesuch zugrundeliegenden Tatsachen hinreicht, sie anwaltlich als richtig zu versichern. Im Strafprozess reicht eine eigene eidesstattliche Versicherung des Angeklagten nicht als Mittel der Glaubhaftmachung aus, da sie nicht über den Wert einer eigenen (einfachen) Erklärung hinausgeht (Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 45 Rn. 8 mit Verweis auf BGH vom 12.3.2014 zu 1 StR 74/14). In diesem Verständnis müsste vorliegend also bereits von einer Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausgegangen werden. Gegen eine solche schematische Übertragung der strafprozessualen Regel auf das anwaltsgerichtliche Verfahren spricht indes, dass der beschuldigte Rechtsanwalt Organ der Rechtspflege ist. Er legt also mit einer etwaigen anwaltlichen Versicherung infolge der ihm bekannten Rechtsfolgen einer unrichtigen Versicherung regelhaft mehr in die Waagschale der Glaubwürdigkeitsabwägung als der strafprozessual Angeklagte.

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedoch bei allem jedenfalls unbegründet.

Eine Rechtsanwältin, die weiß, um 13.00 Uhr in Hamm (Westf.) zu einem Termin erscheinen zu müssen, handelt sorgfaltswidrig, wenn sie erst 75 Minuten zuvor mit dem Pkw von C. aus zu diesem Termin aufbricht. Für eine Autofahrt von 75 Kilometern zwischen Kanzlei und Gerichtsgebäude nur 75 Minuten Fahrtzeit einzuplanen, setzt für ein rechtzeitiges Erreichen des Zielortes schon rein rechnerisch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h voraus. Innerstädtisch ist diese Geschwindigkeit nicht gestattet; dortige Verzögerungen müssten also außerorts vollständig kompensiert werden, was an einem Freitagmittag – quer durch das gerichtsbekannt aktuell zusätzlich von Baustellen durchzogene Ruhrgebiet – von vornherein ausgeschlossen erscheint. Eine solche Planung der Anfahrzeit ist namentlich dann unzureichend, wenn die Rechtsanwältin – wie der Antragstellerin nach eigenem Vortrag schon bei Fahrtantritt positiv bekannt war – nicht über ein funktionsfähiges Mobiltelefon verfügt, mit dem sie eine etwaige unvorhersehbare Verzögerung an das Gericht mitteilen könnte. Zu den zumutbaren Maßnahmen für den Rechtsanwalt zählt im Übrigen auch, notfalls eine Tankstelle oder ein Rastplatz anzufahren, um das Gericht von dort aus über eine drohende verspätete Ankunft telefonisch zu unterrichten (vgl. OLG Celle, Urteil vom 24.06.2004, 11 U 57/04, NJW 2004, 2534). Eine solche potentielle Verzögerung für das Erreichen des Gerichtssaales lag zudem auch in dem Umstand, dass die bloße Anfahrt an das Gerichtsgebäude mit einem Zutritt zu dem Gerichtssaal notwendig nicht identisch ist. Für das Parken des eigenen Pkw und für den Fußweg von dem Parkplatz in den Saal hätte eine sorgfältige Planung weitere Zeiträume berücksichtigen müssen. Zu einer weiteren, mehrminütigen Verzögerungen im Eingangsgereich zum Gerichtsgebäude an einer Gerichtspforte kommt es infolge Personenprüfung für Rechtsanwälte gerichtsbekannt überdies nur dann, wenn sie ihren Anwaltsausweis nicht präsentieren können. Das Mitführen des Rechtsanwaltsausweises ist eine Sorgfaltspflicht, die auch dem hindernisfreien und mithin rechtzeitigen Zugang zu dem Gerichtssaal zu dienen bestimmt ist. Weiß ein Rechtsanwalt, dass er seinen Rechtsanwaltsausweis nicht bei sich führt, hat er dies bei seiner Anreiseplanung zeitlich einzukalkulieren. Führt er seinen Ausweis unwissentlich nicht bei sich, hat er sich vorhalten zu lassen, insoweit nicht ordnungsgerecht für den Zutritt zu Gericht vorbereitet gewesen zu sein. Das gilt namentlich dann, wenn der Rechtsanwalt nicht einmal hoffen kann, Bediensteten in der Sicherheitsschleuse von Person bekannt zu sein. Genau hiervon war im vorliegenden Fall aber für die Antragstellerin auszugehen, die nach eigenem Vortrag im Anschluß an das Betreten des Gerichtsgebäudes zunächst noch fußläufig in einen unzutreffenden Gebäudetrakt ging, bis sie den Saal schlußendlich mit knapp dreiviertelstündiger Verspätung gegenüber der Ladungszeit erreichte. Nur der Ortsunkundige verläuft sich in einem Gerichtsgebäude. Ortsunkundige sind bei Gericht aber denknotwendig nicht erwartbar von Person bekannt. Folglich schied für die Antragstellerin auch a priori aus, eine ausweislos zügige Zugangsabwicklung in das Gerichtsgebäude erhoffen zu können. Dass sie allerdings auch ihr persönlich unbekannte Justizmitarbeiter in der Sicherheitsschleuse hätte fragen können, wie sie den angezielten Saal schnellstens würde erreichen können, liegt zusätzlich auf der Hand. Nach allem kann dahinstehen, ob die Antragstellerin mithin tatsächlich bereits – wie sie versichert – um 11.45 Uhr zu ihrer Anreise aufgebrochen ist oder ob sie die später noch an das Gericht und ihren Pflichtverteidiger faxschriftlich versandten Schriftsätze in C. selbsthändig verschickt haben könnte.“

Die Ausführungen des AGH zur Zulässigkeit kann man auch in anderen Verfahren anwenden, die zur Begründetheit immer dann, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts dem Mandanten zugerechnet wird.