Und dann noch einmal zu Weisungen für die Dauer der Führungsaufsicht, und zwar der KG, Beschl. v. 06.12.2016 – 2 Ws 248/16. Es geht um ein sog. Tätigkeitsverbot gegen einen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Verurteilten. Dem ist u.a. die Weisung erteilt worden:
aa) Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Weisung wendet, keinerlei berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen auszuüben, gilt das Folgende:
(1) Die Weisung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB. Zu der Überprüfung, ob eine Weisung im Einzelfall gesetzeswidrig ist, gehört neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat, auch in jedem Fall die Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 2 Ws 239/08 – [juris] = StraFo 2008, 408). Das folgt bereits aus § 68b Abs. 3 StGB, wonach „keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung der verurteilten Person gestellt werden“ dürfen.
Dabei ist zunächst der Zweck der Maßregel zugrunde zu legen. Die Führungsaufsicht (nach § 68f StGB) hat die Aufgabe, auch nach Haftentlassung noch gefährliche oder mindestens gefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über einen kritischen Zeitraum hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten (vgl. BVerfGE 55, 28, 29 = NStZ 1981, 21). Um die notwendige Hilfe und Kontrolle zu gewährleisten, sind regelmäßig Weisungen sinnvoll und erforderlich, die auf die von dem Verurteilten ausgehende Gefährlichkeit möglichst genau abzustimmen sind. Bei der Auswahl und Anordnung solcher Weisungen hat die Strafvollstreckungskammer einen Ermessensspielraum (vgl. zu diesen Grundsätzen insgesamt: ThürOLG, Beschluss vom 2. März 2006 – 1 Ws 66/06 – [juris]). Bei dieser Ermessensentscheidung sind unter anderem die Taten des Verurteilten, seine Entwicklung im Vollzug, seine Persönlichkeit und sein Umfeld zu berücksichtigen.
Die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Untersagung einer Tätigkeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen auszuüben, stellt für den Verurteilten ein sein durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Grundrecht auf freie Berufswahl einschränkendes (und dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegendes) Verbot dar. Das Grundrecht gewährleistet, jede erlaubte Tätigkeit zu ergreifen; das gilt unabhängig davon, ob sie einem traditionell oder rechtlich fixierten Berufsbild entspricht (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 Ws 205/07 – [juris]).
Eine weitgehende Beschränkung ist indessen grundsätzlich zulässig und hier auch im Einzelfall rechtmäßig. Der Senat hat sich der letztlich überzeugend begründeten Auffassung der Oberlandesgerichte Hamburg und Hamm angeschlossen (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 Ws 205/07 – [juris]; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 90 mit weit. Nachweisen auch zur Gegenauffassung; vgl. Senat, Beschluss vom 2. September 2015 – 2 Ws 198/15 – [juris]). Danach ist es im Rahmen der Führungsaufsicht auf der Grundlage von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB grundsätzlich möglich, auch Tätigkeitsverbote auszusprechen, die in ihrer Wirkung einem Berufsverbot gleichkommen. Dem Wortlaut des § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ist eine Beschränkung der Weisungsbefugnis auf Tätigkeitsverbote, die die Wirkung eines Berufsverbotes nicht erreichen, nicht zu entnehmen. Auch der Regelungszusammenhang und der Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine derartige einschränkende Auslegung nicht. Die Vorschrift konkurriert – jedenfalls in den hier interessierenden Fällen der nachträglichen Weisung – in Wahrheit auch nicht mit den §§ 70 ff. StGB, weil sie vor allem auf den (erfolglosen) Vollzugsverlauf bezogen ist, während die §§ 70 ff. StGB an die Tat(en) und die Persönlichkeit des Täters vor der Einwirkung des Strafvollzuges anknüpfen. Damit liegt der tatrichterlichen Gefahrenabwehrprognose (in Bezug auf § 70 StGB) und der vollstreckungsgerichtlichen (in Bezug auf § 68b StGB) praktisch nie eine völlig identische Tatsachenbasis zu Grunde (vgl. auch Peglau in: jurisPR-StrafR 11/2008 Anm. 1) und die Gefahr einer Urteilskorrektur im Vollstreckungsverfahren – wie sie von der Gegenansicht befürchtet wird (vgl. Groß, jurisPR-StrafR 1/2016 Anm. 5; Schneider in: Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 68b Rdn. 25, 26) – besteht somit regelmäßig nicht. So ist es auch hier. Im Erkenntnisverfahren hatte das verurteilende Gericht (ausweislich der Urteilsgründe) ein – wie auch immer geartetes – Berufsverbot nicht geprüft.
(2) Es bleibt im Einzelfall zu erwägen, ob eine derartige Weisung verhältnismäßig ist, wobei diese Prüfung auch zum Prüfungsumfang des Beschwerdegerichtes nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO gehört (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – III-3 Ws 279/13 – [juris]). Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrer Entscheidung die Weisung damit begründet, dass der Verurteilte ausweislich der Gründe der Urteile des Landgerichte Landshut und Berlin eine sexuelle Präferenzstörung in Bezug auf pubertierende und postpubertierende männliche Jugendliche aufweise. Zudem bestehe eine Affinität zu Kindern und Jugendlichen aus anderen Kulturkreisen….
Das Urteil des Landgerichts Landshut enthält dazu u.a. folgende Feststellungen: Der Verurteilte X habe auf einer seiner Reisen nach Haiti im März 2010 … einen … Straßenjungen kennengelernt und das Kind auf seine Kosten privat zunächst in Haiti und später in der Dominikanischen Republik untergebracht. Bereits unmittelbar nach dem Kennenlernen als auch bei zwei weiteren Aufenthalten des Verurteilten in Haiti und in der Dominikanischen Republik im Jahre 2010 sei es in vier Fällen zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf das noch nicht 14 Jahre alte Kind gekommen.
Das Urteil des Landgerichts Berlin enthält folgende Feststellungen: Während einer Reise in die Dominikanische Republik habe der Verurteilte an zwei Tagen zwischen dem 27. Januar 2011 und dem 11. Februar 2011 in einem Hotelzimmer … an zwei ihm bereits seit längerem bekannten Kindern den Oralverkehr durchgeführt. Dabei sei ihm aufgrund des knabenhaften Äußeren der beiden Geschädigten bewusst gewesen, dass sie sich noch im Kindesalter befanden.
Das Landgericht Landshut stellte weiter fest, dass der Verurteilte zusammen mit einem weiteren Täter einen Jungen (mit dessen Einverständnis) am 12. Februar 2011 nach München gebracht habe. Wie vorab mit dem Verurteilten X und dem Jungen vereinbart, sei der Mittäter bei der Grenzkontrolle als Vater des Jungen aufgetreten und habe für seinen angeblichen Sohn einen echten, aber auf falsche Personalien lautenden, brasilianischen Reisepass vorgelegt, um den Jungen nach Deutschland einzuschleusen. Dadurch habe der Mittäter, der selbst aufgrund der Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland gewesen sei, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Verurteilten X auch den Aufenthalt des Jungen in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollen, obwohl beide Mittäter wussten, dass das Kind weder im Besitz eines gültigen Reisepasses noch eines Aufenthaltstitels war. … Bereits bei der Einreise am Flughafen München seien der Beschwerdeführer und der zwischenzeitlich ebenfalls abgeurteilte Mittäter festgenommen worden.
Das Verbot jedweder Tätigkeit im Rahmen der Flüchtlingshilfe hat die Strafvollstreckungskammer damit begründet, dass eine Trennung zwischen erwachsenen Flüchtlingen und den mit ihnen familiär oder auch nur (z.B. durch die Unterbringung) sozial verbundenen Kindern, nicht möglich sei. Die Weisung solle das Abgleiten des Verurteilten in „pädosexuelle Aktivitäten“ frühzeitig verhindern helfen.
Der Beschluss weist aus, dass die Strafvollstreckungskammer, das ihr eingeräumte Ermessen nicht nur erkannt, sondern auch ausgeübt hat. Eine Korrektur dieser Entscheidung käme nur in Betracht, wenn sie die Grenzen ihres Ermessens verkannt oder im engeren Sinne unverhältnismäßig entschieden hätte.
Es kann im Hinblick auf die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung seiner Vorstrafen, die seit 1996 wiederholt Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern betrafen, jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass der Verurteilte versucht sein könnte, wenn er im Rahmen einer sozialen Tätigkeit für Familien tätig würde, vergleichbare Straftaten zu begehen. Die Weisung hält sich damit nicht nur im Rahmen des Gesetzes, sondern ist auch im Einzelfall nicht unverhältnismäßig, denn die Verhinderung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern ist ein Schutzziel, das den Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG rechtfertigt.“