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Die Hüter der Staatskasse haben (mal wieder) zugeschlagen…

Mich erreichte vor einigen Tagen die Mail eines Kollegen, der sich über die Abrechnungspraxis in seinem LG-Sprengel bitter beklagte, wenn es um die Erstattung der Wahlanwaltsgebühren nach einem Freispruch ging. Ich wollte an sich dazu sofort bloggen, habe dann aber doch lieber ein wenig gewartet, um erst mal meine Verärgerung über die Beispiele abklingen zulassen. Jetzt geht es, aber das vorweg: Manches ist schon abenteuerlich, was dem Kollegen da zugemutet wird; man kann es auch anders nennen, was ich mir hier aber verkneifen will.

Hier dann die Beispiele.

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Erst Verzicht auf Pflichtverteidigergebühren, dann gibt es Wahlanwaltsgebühren

ich bin erst jetzt auf die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main v. 30.03.2010 – 2 Ws 42/10 – gestoßen. Das OLG hat da ausgeführt, das kein Anspruch auf volle Festsetzung von Wahlverteidigergebühren ohne Verzicht des Anwalts auf die Pflichtverteidigergebühren bestehe. Ein ehemals Angeklagter habe keinen Anspruch auf Festsetzung der vollen Wahlverteidigergebühren, wenn sein Anwalt nicht auf die Pflichtverteidigergebühren verzichtet hat und er diese dem Anwalt noch nicht ersetzt hat. Er kann dann nur die Festsetzung der Differenz zwischen den Pflichtverteidigergebühren und den Wahlverteidigergebühren beantragen. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, dass die Staatskasse doppelt belastet würde. Dieser Gefahr kann der Antragsteller begegnen, wenn er die Rechnung des Anwalts bezahlt und unter Vorlage der Rechnung die Festsetzung der vollen Gebühren verlangt.

Die Entscheidung ist Ausfluss/Reaktion auf den Beschl. des BVerfG v. 04. Mai 2005 – 1 BvR 2251/08 -, in dem das BVerfG zum Verhältnis von Pflichtverteidigervergütung – insoweit eigener Anspruch des Pflichtverteidigers – und dem Auslagenerstattungsansspruch des frei gesprochenen Angeklagten Stellung genommen hat und eine mögliche Doppelbelastung der Staatskasse nicht ausgeschlossen hat. Die müsse jedoch – so das BVerfG – nicht hingenommen werden. Vielmehr könn sich die Staatskasse etwa dadurch schützen, dass sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigervergütung auffordert; falls ein solcher Verzicht  nicht erklärt wird, lasse sich eine Doppelbelastung dadurch vermeiden, dass Kosten nur in der Höhe festgesetzt werden, als diese das Pflichtverteidigerhonorar übersteigen würde.

Also: Das, was so dramatisch aussieht, ist bereits vorab verfassungsrechtlich abgesegnet.

Pauschgebührantrag: Schreiben, begründen, schreiben, begründen, schreiben…

Entscheidungen zur Pauschgebühr nach § 51 RVG sind nach Inkrafttreten des RVG selten geworden, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass der Gesetzgeber gerade im Strafverfahren durch die Änderung der Gebührenstruktur zu einer Erhöhung der anwaltlichen Gebühren kommen wollte (und teilweise ja auch gekommen ist). Wenn dann mal wieder eine Entscheidung zu § 51 RVG veröffentlicht wird, ist sie doppelt interessant. So also der Beschl. des OLG Rostock v. 23.07.2010 – I Ws 384/09.  Die Leitsätze lauten:

  1. Eine Erhöhung der Vergütung des Pflichtverteidigers auf den Höchstbetrag der Wahlverteidigergebühren im Rahmen der Gewährung einer Pauschgebühr kommt nur in außergewöhnlichen Strafverfahren und eine Überschreitung der Wahlverteidiger-Höchstgebühr allenfalls in extrem umfangreichen und schwierigen Verfahren in Betracht.
  2. Die Antragsbegründung des Verteidigers stellt im Pauschgebührenverfahren zwar eine wesentliche, aber nicht die einzige Prüfungsgrundlage für die Gewährung einer Pauschgebühr dar. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, den Verteidiger in Form eines Zwischenbescheids oder sonst auf eventuelle Unzulänglichkeiten seines Vortrags hinzuweisen und ihm – ggf. sogar mehrfach – Gelegenheit zu geben, seinen Antrag sukzessiv nachzubessern, um doch noch die Zuerkennung einer Pauschvergütung in der von ihm gewünschten Höhe zu ermöglichen.

Es ist hier m.E. nicht der Raum, sich mit allen Einzelheiten der Entscheidung zu befassen, daher zu Ls. 1 nur so viel: Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. M.E. folgt schon aus § 42 RVG etwas anderes, da der die Überschreitung der Wahlanwaltsgebühr ausdrücklich vorsieht, diese dann allerdings begrenzt. Falsch ist m.E. auch der Hinweis, dass es nicht auf „Kostendeckung“ ankommt, aber die Frage ist ein gebührenrechtlicher Dauerbrenner, den die OLGs teilweise anders sehen.

Hinweisen will ich aber auf den Ls. 2: Er hat zur Folge, dass der Pflichtverteidiger alles, aber auch wirklich alles zur Antragsbegründung vortragen muss. Denn letztlich kommt es auf seinen Antrag an und die darin vom Verteidiger dargestellten Tätigkeiten für den Mandanten, von denen sich viele nicht aus der Akte ergeben werden. Also: Begründen, begründen, begründen… Das habe ich übrigens schon immer gesagt/geraten und war während meiner Tätigkeit beim OLG häufig erstaunt, wie dürftig manche Anträge begründet waren.

LG Chemnitz: Wenn schon, denn schon, oder: Wie wäre es denn mal mit einer Begründung

Da ist mal wieder eine gebührenrechtliche Entscheidung, die ärgerlich macht.

Der RA beantragt nach Freispruch im OWi-Verfahren die Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren. Er geht von den Mittelgebühren aus, die um etwa 18 % überschritten werden. Das AG setzt die Mittelgebühren fest, dagegen Rechtsmittel. Das LG Chemnitz entscheidet im Beschluss vom 22.10.2009, 2 Qs 82/09 und verwirft die sofortige Beschwerde. Es hält die Mittelgebühren für angemessen. So weit, so gut (über die Frage kann man trefflich streiten). Aber: Was ist denn nun mit der 20%-Grenze? Da hilft sich das LG mit einem Hinweis auf OLG Düsseldorf NStZ 1998, 465; und Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 14 RVG, Rn.12. Danach ist auch bei nur geringerer, unter der sog. 20 %-Grenze liegender Überschreitung der Bestimmung der Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren diese nicht bindend, wenn sie mit sachfremden Erwägungen ohne Ermessensausübung erfolgte in der Meinung, in diese Bestimmung unter der 20 %-Grenze könne nicht eingegriffen werden. Nur: Für diese Annahme bleibt das LG m.E. eine Begründung schuldig. Denn es führt nur aus: „Vorliegend war die Festsetzung von deutlich (bis zu 18,6 %) über der Mittelgebühr, aber knapp unter der 20 %-Grenze liegenden Beträgen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des unterdurchschnittlich einfach gelagerten Falls trotz der Auswirkungen des Fahrverbots erheblich überhöht, so dass die Gebührenbestimmung nicht bindend ist.“ Das passt auf jeden Fall und führt zur Abschaffung der 20%-Grenze.