Als ich den ersten Blick auf den mir von einem Kollegen übersandten AG Dillenburg, Beschl. v. 09.11.2012 – 3 OWi – 2 Js 60458/11 – geworfen hatte, habe ich (noch) gedacht: Ah, mal etwas neues zur Frage der Vollstreckung mehrerer Fahrverbote. Das ist sicherlich eines der Probleme, das im Zusammenhang mit dem Fahrverbot derzeit am heftigsten umstritten ist. Bei genauerem Hinsehen, musste ich dann aber feststellen: Leider doch nichts Neues, sondern „Mainstream“.
Vollstreckt worden sind nämlich mehrere Fahrverbote, auf die nicht die Regelung des § 25 Abs. 2 a StVG – „Vier-Monats-Schonfrist“ – Anwendung gefunden hat. Die sind nach h.M. parallel zu vollstrecken. Dazu das AG:
Der Antrag ist auch ( überwiegend) begründet. Beide Fahrverbote wurden auf der Grundlage des § 25 Abs. 2 StVG im Rahmen eines Bußgeldverfahrens verhängt. Der Wortlaut des § 25 Abs. 2 StVG ist eindeutig. Danach wird das Fahrverbot mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Im Straßenverkehrsgesetz hat der Gesetzgeber mit § 25 Abs. 2 a StVO nur in besonderen Fällen ausdrücklich geregelt, dass Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen sind, soweit — und nur dann- die Voraussetzung des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG vorliegen. Eine dem § 25 Abs. 2 a StVG entsprechende Regel hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 2 StVG ausdrücklich nicht aufgenommen. Demzufolge sind mehrere Fahrverbote nach § 25 Abs. 2 StVG in der Regel nebeneinander zu vollstrecken. Es war dem Gesetzgeber bei Schaffung des § 25 Abs.2 a StVG auch bewusst, dass nach der bis dahin gütigen Gesetzeslage zwei Fahrverbote parallel zu vollstrecken waren. Noch im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 7.2.1997( Bt.DRs.13/6914) sollte eine umfassende Regelung geschaffen werden mit folgendem Wortlaut eines § 25 Abs. 5 Satz 2 StVO: „Sind gegen den Betroffenen mehrere Fahrverbote wirksam, so laufen die Verbotsfristen nacheinander, Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist aufgrund der früher angeordneten Fahrverbotes zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.“
Zur Begründung wurde im Gesetzesentwurf angeführt, dass es sowohl aus verkehrserzieherischen als auch aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend notwendig sei, Fahrverbotsfristen mehrerer Verbote nicht gleichzeitig zu berechnen, sondern nacheinander wirken und gegebenenfalls vollstrecken zu lassen. Das Fahrverbot habe die Funktion eines deutlichen Denkzettels. Es könne nicht im Interesse der Verkehrssicherheit sein, wenn ein hartnäckiger Täter die Möglichkeit habe, nach Begehen eines schwerwiegenden, in der Regel mit Fahrverbot bedrohten Verkehrsverstosses weitere Verstöße von gleichem Gewicht zu begehen, ohne das Risiko, für einen zusätzlichen Zeitraum auf den Führerschein verzichten zu müssen.
Dass letztlich nur die heutige Regelung in § 25 Abs. 2 a StVG Gesetzeskraft erlangt hat, zeigt, dass der Gesetzgeber die Parallelvollstreckung in den Ausnahmefällen, in denen eine Parallelvollstreckung durch gleichzeitige Rechtskraft gemäß § 25 Abs. 2 StVO entsteht, tolerieren wollte. Denn hierbei ist zu bedenken, dass solche Fälle in der Regel nur als seltenen Ausnahmen entstehen können, wenn durch taktisches Verhalten in beiden Verfahren ein gleichzeitiger Eintritt der Rechtskraft erreicht werden kann.
Dass dem AG diese Lösung „nicht schmeckt“, kann man seiner Entscheidung deutlich anmerken, aber – so formuliert es :
An den eindeutigen Willen des Gesetzgebers muss man sich halten, auch wenn diese Regelung nicht sinnvoll erscheint, zumindest kann man den gesetzgeberischen Willen nicht durch erweiternde Auslegung ignorieren.
Daraus kann man sicherlich schließen, dass das AG sich, wenn bei einem der Fahrverbote die „Vier-Monats-Schonfrist“ eingeräumt gewesen wäre, der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen hätte, die dann die Parallelvollstreckung ablehnt.