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Verweisung vom LG an das Schwurgericht, oder: Aufenthalt in stationärer Wohneinrichtung

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt dann auch aus dem Osten. Und sie ist ebenso falsch wie die vorhin vorgestellte des LG Halle.

Bei dieser zweiten Entscheidung handelt es sich um den OLG Dresden, Beschl. v. 05.11.2019 – 2 Ws 445/19. Der behandelt zwei „Problembereiche“, und zwar einmal die Frage des Haftzuschlags in den Fällen, in denen sich der Beschuldigte (freiwillig) in einer geschlossenen stationären Wohneinrichtung aufhält, und dann die Frage in einem Sonderfall nach den Schwurgerichtsgebühren. Beides löst das OLG m.E. falsch:

„1. Ein Zuschlag für die vor dem Erlass des Unterbringungsbefehls und der Festnahme des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag am 26. Oktober 2018 entstandenen Verfahrensgebühren gemäß Nr. 4101 VV RVG kommt nicht in Betracht, weil sich der Angeklagte bis dahin nicht (unfreiwillig) „nicht auf freiem Fuß“ i.S.d. Vorbemerkung 4 Abs. 4 VV RVG befand, sondern freiwillig in einer geschlossenen stationären Wohneinrichtung aufhielt (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 07.09.2007, I Ws 584/07; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Dezember 2007, 1 Ws 790/07, jeweils juris).

2. Im Gegensatz zur Auffassung des Verteidigers kann er auch nicht deswegen Gebühren für eine Verhandlung vor dem Schwurgericht nach Nrn. 4119-4121 VV RVG verlangen, weil die Strafkammer ab ihrem rechtlichen Hinweis nach Vernehmung des Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung vom 26. Oktober 2018, dass für die Tat vom 13. Oktober 2017 auch eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Betracht komme, „von Rechts wegen“ als Schwurgerichtskammer verhandelt habe. Vielmehr ist die an sich unzuständige Strafkammer deswegen, weil der Angeklagte – wie hier – bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung den Einwand der funktionellen Unzuständigkeit des Gerichts nicht nach § 6a Abs. 2 StPO erhoben hat, von Rechts wegen (funktionell) zuständig geworden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 376/08 -Rn. 12, juris). Gegen den Angeklagten wurde mithin vor der (großen) Strafkammer und nicht vor dem Schwurgericht verhandelt. Nur an diesen – formalen – Umstand knüpfen die Gebührentatbestände der Nrn. 4119-4121 VV RVG an. Ob die Sache inhaltlich schwieriger war als durchschnittliche Verhandlungen vor einer großen Strafkammer, ist für die Gebührenfestsetzung unerheblich.“

M.E. in beiden Punkten nicht zutreffend.