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Nicht anwaltsfreundlich, aber richtig..

ist der LG  Osnabrück, Beschl. v. 17.08.2011 – 18 Kls 20/10. Der Rechtsanwalt hatte an einem (gerichtlichen) Erörterungstermin nach § 212 StPO (eine der Vorschriften, die vor zwei Jahren zusammen mit der neuen Verständigungsregelung eingeführt worden sind) teilgenommen. Dafür hatte er eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG geltend gemacht. Das LG hat sich nicht gewährt.

Ist – wie gesagt – zwar nicht anwaltsfreundlich, aber richtig. Denn bei dem Termin handelt es sich nicht um eine Hauptverhandlung i.S. des RVG. Das LG hat auch die entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG abgelehnt. Auch das ist m.E. richtig. Kann man nichts machen, außer nach dem Gesetzgeber rufen. Der hat bei der Neuregelung diese Termine offenbar übersehen.

Zur Abrechnung der Verständigung hier mein Beitrag aus dem RVGreport 2010, 423. Natürlich kostenlos.

Es gibt keinen Deal…

darauf weist der BGH, Beschl. v.12.07.2011 –  1 StR 274/11 noch einmal ausdrücklich hin, allerdings ohne das Wort „Deal“ zu verwenden. Der BGH spricht in dem Zusammenhang immer von der „informellen Absprache“. oder informellen Verständigung – so auch die Strafkammer im HV-Protokoll. Im BGH-Beschl. heißt es:

3. Die Feststellung in den Urteilsgründen, das Urteil beruhe „auf einer in einer Vorbesprechung nach § 202a StPO informell getroffenen, verfahrensverkürzenden Verständigung“ (UA S. 9), gibt dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:

„Informelle Verständigungen“ widersprechen der Strafprozessordnung. Zwar ist es zulässig, auch schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens Erörterungen zur Vorbereitung einer Verständigung zu führen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 202a Rn. 2). Solche Gespräche können – bei gründlicher Vorbereitung auf der Basis der Anklageschrift und des gesamten Akteninhalts – im Einzelfall sinnvoll sein. Sie lösen aber weder eine Bindung des Gerichts an dabei in Aussicht gestellte Strafober- oder -untergrenzen aus, noch kann durch sie ein durch den fair-trial-Grundsatz geschützter Vertrauenstatbestand entstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 1 StR 458/10; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10; BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10). Die Annahme einer solchen Bindung ist rechtfehlerhaft und könnte u.U. sogar den Bestand eines Urteils gefährden. Die Staatsanwaltschaft, der neben dem Gericht die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens obliegt, hat hier indes kein Rechtsmittel eingelegt; eine von der Strafkammer angenommene Bindung an den Inhalt geführter Vorgespräche könnte hier die Angeklagte, die dies auch nicht mit einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 StR 528/09) geltend macht, nicht beschweren.

M.E. deutliche Hinweise des BGH, die bei Vorliegen der verfahrensmäßigen Voraussetzungen ggf. zur Aufhebung geführt hätten.

Watschen für die Strafkammer und den Verteidiger – 5. Strafsenat des BGH macht seinem Unmut Luft

Wie macht ein Strafsenat des BGH seinen Unmut gegenüber einer Strafkammer und einem Verteidiger Luft? Wer es wissen will, der lese BGH, Beschl. v. 22.06.2011 – 5 StR 226/11, in dem der 5. Strafsenat die Vorgehensweise m.E. sehr deutlich macht.

In der Sache ging es um die Verurteilung eines Angeklagten wegen schweren Raubes. Der Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren in seiner verantwortlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren geltend gemacht, er leide an Schizophrenie und benötige Medikamente. Damit stand eine Maßregel nach § 63 StGB im Raum. Zu deren Anordnung ist es aber nicht gekommen, wohl aufgrund der getroffenen Verständigung (§ 257c StPO). Der BGH hat diese Vorgehensweise der Strafkammer – der Angeklagte hatte die Aufklärungsrüge erhoben – mit m.E. harschen Worten kritisiert. Es heißt im Beschluss:

Die Aufklärungsrüge ist offensichtlich begründet. Die Strafkammer war nach der letztgenannten Vorschrift wegen der zweifelhaften Schuldfähigkeit des Angeklagten und einer im Raum stehenden Maßregel nach § 63 StGB an einer Verständigung – nicht anders als auch die Staatsanwaltschaft – gehindert. Es musste sich ihr aufgrund der eigenen, in die Anklageschrift aufgenommenen Hinweise des Angeklagten auf eine schwere psychische Erkrankung aufdrängen, ihn zur Frage der Schuldfähigkeit begutachten zu lassen. Dass das Tatbild der dem Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen auf den ersten Blick eine Einschränkung seiner Schuldfähigkeit nicht nahelegt, ändert hieran angesichts des begründeten massiven Krankheitsverdachts nichts.
Die Rüge muss angesichts der alleinigen Beweisgrundlage des Geständnisses eines möglicherweise Geisteskranken zur umfassenden Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.“

Und dem Verteidiger gibt der Senat mit auf den Weg:

Das neue Tatgericht wird zu erwägen haben, ob dem Angeklagten ein neuer Verteidiger zu bestellen ist, nachdem der bisherige sich auf die vom Gericht initiierte grob sachwidrige Verständigung eingelassen hat. Die Erwägung, dass der Verteidiger womöglich zum vermeintlich Besten seines Mandanten handeln wollte, indem er ihm einen unbefristeten Freiheitsentzug infolge einer Unterbringung nach § 63 StGB zu ersparen suchte, verbietet sich angesichts der jetzt durchgeführten Revision (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).“

Das letzte ist dann wohl: Venire contra factum proprium. „Grob sachwidrige Verständigung“ und der Rat zur Entpflichtung: Das ist schon was.

„die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“ – kein Grund zur Ablehnung

Das Urt. des BGH v. 14.04.2011 – 4 StR 571/10 behandelt den m.E. eher selteneren Fall, dass die Staatsanwaltschaft das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Und zwar in Zusammenhang mit (gescheiterten) Verständigungsgesprächen, mit deren „Ergebnis“ die StA dann wohl nicht zufrienden war.

Der BGH behandelt in der Entscheidung drei Fragen, nämlich

  1. die mögliche Befangenheit der Schöffen,
  2. die mögliche Befangenheit der Kammer wegen der Angabe einer angemessenen Strafobergrenze und
  3. die mögliche Befangenheit der Kammer, wegen des Ausspruchs „die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“.

Alle drei Fälle führen nicht zum Erfolg der Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO).

Der lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Weiterlesen

Auf den Punkt gebracht

Etwas auf den Punkt bringen, ist ja manchmal von Vorteil, aber dann doch nicht immer. Zumindest nicht unbedingt im Strafverfahren. Denn in dem dem BGH, Urt. v. 17.02.2011 – 3 StR 426/10 zugrunde liegenden Verfahren, hatte die Strafkammer die „Strafe auf den Punkt gebracht“, und zwar wohl auf den Punkt, den man gemeinsam mit den Verfahrensbeteiligten zuvor in einer Verständigung abgesprochen hatte. Der BGH nimmt das in seinem Urteil zum Anlass, noch einmal, und zwar ziemlich nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine Punktstrafe unzulässig ist.

Ob eine Punktstrafe „vereinbart“ war, ist nicht ganz klar. Der BGH geht aber davon aus, dass dann, wenn in dem protokollierten Verständigungsangebot heißt, dass eine bestimmte Gesamtstrafe bei geständiger Einlassung des Angeklagten verhängt wird, und genau diese sodann ausgeurteilt wird, es nahe liegt, dass die Strafe nicht anhand der durchgeführten Hauptverhandlung bestimmt worden ist, sondern das Gericht sich allein an die vorher gemachte Zusage hat binden wollen. Ein solches Vorgehen ist unzulässig, da das Gesetz im Rahmen der Verständigung allein die Bestimmung eines Strafrahmens vorsieht, der idealerweise mit Ober- und Untergrenze zu bestimmen sei.

Also: Eine punktgenaue Landung kann schädlich sein 🙂