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Strafzumessung I: Mildere Strafe bei Vergewaltigung?, oder: „von beiden Seiten verschuldete Beziehungstat“

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Ich habe seit längerem keine Strafzumessungsentscheidungen vorgestellt. Heute ist es dann mal wieder an der Zeit.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 21.06.2022 – 5 StR 137/22 – zur Strafzumessung in einem Vergewaltigungsfall.

Der BGH hatte gegen die Strafzumessung des LG nichts zu „erinnern“:

Soweit die Revision der Ansicht ist, bei der Strafzumessung für die besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung hätte strafmildernd berücksichtigt werden müssen, dass es sich „um eine von beiden Seiten verschuldete Beziehungstat“ gehandelt habe, erschließt sich diese Bewertung schon im Ansatz nicht. Ausweislich der Feststellungen beging der Angeklagte diese Tat, nachdem er erfahren hatte, dass die Geschädigte sich von ihm trennen wollte, und um sie für die Versendung von Nacktbildern an einen anderen Mann in früheren Zeiten zu bestrafen. Er beschloss daher, sich „sexuell an seiner ehemaligen Lebensgefährtin über einen längeren Zeitraum ‚abzureagieren‘ und diese in möglichst massiver Weise zu demütigen“, was er sodann in die Tat umsetzte. Hierin – wie die Revision es vertritt – ein Verschulden oder eine „Tatprovokation“ der Geschädigten zu sehen, ist nicht nachvollziehbar.

 

StGB I: Selbstbestimmungsrecht und Vergewaltigung, oder: Bedingtes Einverständnis mit dem Vaginalverkehr

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Der heutige Mittwoch ist dann drei StGB-Entscheidungen gewidmet,

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Urt. v. 01.03.2022 – 5 RVs 124/21. In dem Verfahren, das schon ein wenig länger andauert, geht es um einen Vergewaltigungsvorwurf.

Das AG hatte den Angeklagten zunächst am 06.05.2019 wegen Vergewaltigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil haben Verteidigung und Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 02.04.2020 hat das LG das angefochtene Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt wird. Zugleich hat es die Berufung des Angeklagten verworfen.

Auf die Revision des Angeklagten hat dann das OLG Hamm mit Beschluss vom 01.09.2020 das LG-Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Durchgang hat das LG dann das Urteil des Amtsgerichts vom 06.05.2019 auf die Berufung des Angeklagten dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt bleibt und ihn hinsichtlich der ihm durch die Anklage zur Last gelegten Vergewaltigung freigesprochen.

Hinsichtlich des Vergewaltigungsvorwurfs hat das LG festgestellt, dass der Angeklagte und die Nebenklägerin sich in den Wochen vor dem angeklagten Vorfall mehrfach, aber nie endgültig getrennt hatten. Nach einer Geburtstagsfeier bei einem Zeugen übernachteten der Angeklagte und die Geschädigte im Schlafzimmer von dessen Wohnung. Im Bett fing der Angeklagte an, sexuelle Handlungen mit der Geschädigten vorzunehmen, wobei unklar geblieben ist, wie genau er diese initiierte und wie die Geschädigte hierauf eingangs reagierte. Der Angeklagte vollzog sodann mit der Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Hierüber geriet die Nebenklägerin in Wut, da zwischen beiden abgesprochen war, dass der Angeklagte entweder mit einem Kondom den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss vollziehen dürfe oder sie oder er geeignete Mittel zur Verhinderung einer Schwangerschaft ergreifen sollten. Konkret benutzte die Geschädigte zur Verhütung entweder einen Vaginalring oder der Angeklagte zog den Penis aus der Vagina, bevor es zum Samenerguss kam.

Gegen diesen Freispruch hat dann die Nebenklägerin Revision eingelegt. Und die hatte – erneut – Erfolg:

„a)  Zu Recht beanstanden Nebenklage und Generalstaatswaltschaft, dass das Landgericht den Unrechtsgehalt der Tat nicht ausgeschöpft hat und somit seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht ausreichend nachgekommen ist. Nach den – allerdings nicht rechtsfehlerfrei (dazu unter c)) – getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den objektiven Tatbestand des sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 1 StGB) verwirklicht.

aa)  Durch § 177 Abs. 1 StGB in der seit dem 10.11.2016 geltenden Fassung wird das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung durch die sogenannte „Nein-heißt-Nein-Lösung“ umfassend, d.h. unabhängig von einem Nötigungselement geschützt (BT-Drs. 18/9097 S. 21 ff.). Wegen sexuellen Übergriffs macht sich dementsprechend unter anderem strafbar, wer an einer anderen Person gegen deren erkennbaren Willen sexuelle Handlungen vornimmt. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist dabei – wie sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/9097 S. 23) sowie der systematischen Zusammenschau mit Abs. 2 (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris; Renzikowski, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2021, § 177 StGB Rn. 50) ergibt – nicht der rechtsgeschäftliche, sondern der natürliche Wille des Opfers. Willensbedingte Mängel hindern ein tatbestandsausschließendes Einverständnis daher auch dann nicht, wenn das Einverständnis des Opfers durch Täuschung erschlichen wurde (Ziegler, in: Beck´scherOK, Stand: 01.11.2021, StGB § 177 Rn. 1, Eisele, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 177 Rn. 20). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Einverständnis ist, dass die betroffene Person die sexuelle Bedeutung der entsprechenden sexuellen Handlung kennt (Renzikowski, in: MünchKomm, a.a.O., § 177 StGB Rn. 50). Lehnt das Opfer die sexuelle Handlung hingegen ab, ist es gleichgültig aus welchen Gründen sie dies tut (Ziegler, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 177 Rn. 11).

bb) Ausgehend von den soeben dargelegten Grundsätzen wurde die hier maßgebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des Opfers anzunehmen ist, in der letzten Zeit intensiv bezüglich des heimlichen Abziehens des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs (sog. „Stealthing“) diskutiert. Die mit dieser Fragestellung befassten Obergerichte – KG Berlin (Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, juris); OLG Schleswig (Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris); Bayerisches Oberstes Landesgericht (Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) – sind der herrschenden Meinung (s. die Nachweise bei Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) gefolgt und haben einheitlich und mit überzeugender Begründung die Strafbarkeit des „Stealthing“ nach § 177 Abs. 1 StGB jedenfalls dann bejaht, wenn der Täter in den Körper des Opfers absprachewidrig ejakuliert.

cc)  Die in den vorgenannten Entscheidungen aufgestellten Maßstäbe können auch vorliegend herangezogen werden. Danach ist davon auszugehen, dass das von § 177 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung die Freiheit der Person beinhaltet, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Nach dem Schutzzweck der Norm kann der Rechtsgutinhaber daher nicht nur darüber bestimmen, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Somit kann sich das Einvernehmen des Sexualpartners konkret sehr wohl nur auf bestimmte sexuelle Handlungen – beispielsweise Geschlechtsverkehr ausschließlich unter Verwendung eines Kondoms – beziehen, während gleichzeitig anderen sexuellen Handlungen ein erkennbarer Wille entgegenstehen kann (OLG Schleswig, Urteil vom 19. März 2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 16, juris).

In der vorliegenden Fallgestaltung ist hierbei insbesondere von Bedeutung, dass dem Samenerguss in der Vagina in sexualstrafrechtlicher Hinsicht eine andere Handlungsqualität als der „bloßen“ vaginalen Penetration zukommt (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17). Dies wird allein schon im Hinblick auf den ungewollten Kontakt mit dem Sperma des Sexualpartners sowie dem damit verbundenen erhöhten Risiko einer ungewollten Schwangerschaft deutlich, auch wenn dies nicht die Motive des Opfers für die ablehnende Haltung sein müssen (Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17; juris; KG Berlin, Beschluss vom 27.07,2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris). Ebenso wie nach der vorzitierten obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwendung eines Kondoms konstitutiver Bestandteil für das Einverständnis mit der sexuellen Aktivität sein kann, kann dies genauso auch die Bedingung des Opfers sein, den vaginalen Geschlechtsverkehr vor dem Samenerguss zu beenden. Dass diese Art der Empfängnisverhütung im Vergleich zu anderen Verhütungsmethoden deutlich unsicherer ist, ändert nichts an der Beachtlichkeit des Opferwillens. Setzt sich der Sexualpartner bewusst absprachewidrig über diese vom Opfer gesetzte Grenze hinweg, stellt dies eine so erhebliche Abweichung vom konsentierten sexuellen Handlungsgeschehen dar, dass die sexuelle Handlung nicht mehr vom tatbestandsausschließenden Einverständnis gedeckt und damit regelmäßig nach § 177 Abs. 1 StGB strafbar ist.

dd)  Gemessen an den vorbeschriebenen Anforderungen hat der Angeklagte nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils in objektiver Hinsicht sexuelle Handlungen an der Nebenklägerin gegen deren erkennbaren Willen vorgenommen.

So war zwischen ihm und der Nebenklägerin verbindlich abgesprochen, dass er den Geschlechtsverkehr nur dann bis zum Samenerguss vollzieht, wenn ein Verhütungsmittel – konkret Kondom oder Vaginalring – zum Einsatz kommt. Anderenfalls sollte der Vaginalverkehr vor dem Samenerguss beendet und hierdurch das Risiko einer Schwangerschaft gesenkt werden.

Dass vorliegend die von der Nebenklägerin aufgestellte Bedingung für den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht vorlag, ist durch das Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt worden. In objektiver Hinsicht ergibt sich dies jedoch hinreichend deutlich aus den Gesamtumständen. Denn nur so ist plausibel, dass die Nebenklägerin über den Vollzug des Geschlechtsverkehrs bis zum Samenerguss in Wut geriet und in den Kleidungsstücken des Angeklagten Geld für die „Pille danach“ suchte. Zugleich folgt hieraus, dass die Nebenklägerin ihre Ablehnung gegen den Vollzug des Geschlechtsverkehrs bis zum Samenerguss auch nicht zwischenzeitlich – was angesichts des dynamischen Verlaufs des sexuellen Geschehens stets als Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist – aufgegeben hatte.

b) In subjektiver Hinsicht fehlt es hingegen – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat – an den erforderlichen Feststellungen. Weder lässt sich dem Urteil entnehmen, ob der Angeklagte vorsätzlich in Bezug auf den fehlenden Bedingungseintritt, insbesondere also in Bezug auf die fehlende Verwendung eines Vaginalrings durch die Nebenklägerin handelte, noch ob er den vorzeitigen Abbruch des Geschlechtsverkehrs vorsätzlich unterließ.

Dem Senat ist bewusst, dass es das Tatgericht voraussichtlich vor erhebliche Probleme stellen wird, die in subjektiver Hinsicht bestehenden Feststellungslücken zu schließen. Die zu erwartenden Beweisschwierigkeiten sind jedoch gerade typische Folge des Regelungsmodells des § 177 Abs. 1 StGB (Renzikowski, in: MünchKomm, a.a.O., § 177 StGB Rn. 53) und haben im Falle der Unerweislichkeit den Freispruch des Angeklagten zur Folge.“

StPO I: Körperlicher Übergriff und Bedrohung —-> Und Vergewaltigung, oder: Strafklageverbrauch

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Heute: StPO-Tag. Und den beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – 2 StR 458/20 – zum Strafklageverbrauch. Der BGH hat ein Urteil des LG Kassel aufgehoben und das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt:

„1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe seine Ehefrau am Vormittag des 21. Juni 2018 unter Mitsichführen eines Messers vergewaltigt. Dies sei nach einem körperlichen Übergriff auf sie geschehen, bei dem sie misshandelt und mittels des Messers bedroht worden war, wobei sich die Situation zwischenzeitlich beruhigt hatte und es zu einem Gespräch der Eheleute über ihre gemeinsame Zukunft gekommen war.

Wegen des vorangegangenen körperlichen Übergriffs und der Bedrohung am 21. Juni 2018 verurteilte das Amtsgericht in Kassel den Angeklagten am 10. Januar 2019 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die das Landgericht nunmehr in seine Entscheidung einbezogen hat.

2. Dem weiteren Verfahren steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen, weil durch das Urteil des Amtsgerichts Kassel Strafklageverbrauch eingetreten ist. Das Verfahren war daher gemäß § 206a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO einzustellen.

Das amtsgerichtliche Urteil betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren. Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bestimmt sich dabei nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (vgl. st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. September 2020 – 2 StR 606/19; BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 352, 362 f.). Danach stehen der erste Übergriff des Angeklagten auf seine Ehefrau am Vormittag des 21. Juni 2018 und ihre sich mit einem gewissen zeitlichen Abstand anschließende Vergewaltigung im Verhältnis der prozessualen Tatidentität.

Der Angeklagte hatte seine Ehefrau am Morgen des 21. Juni 2018 an der Wohnungstür überrascht, sie in die Wohnung gedrängt und schmerzhaft am Arm festgehalten. Nachdem sich das Geschehen ins Wohnzimmer verlagert hatte, hatte er ein Messer hervorgezogen und es auf die Zeugin mit der Drohung gerichtet, sie umzubringen. Insbesondere diese vom Amtsgericht als Bedrohung ausgeurteilte Drohung und die im hiesigen Verfahren angeklagte und abgeurteilte Vergewaltigung im Schlafzimmer, zu der sich der Angeklagte im Anschluss an den erfolglos gebliebenen Versuch einer Versöhnung mit seiner Ehefrau und deren Ablehnung eines einverständlichen Geschlechtsverkehrs entschlossen hatte, stehen in einem unmittelbaren räumlichen, zeitlichen und personellen Zusammenhang. Daran ändert im Übrigen auch der Umstand nichts, dass mit der zwischenzeitlichen Beruhigung der Situation ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen den strafrechtlich relevanten Übergriffen des Angeklagten gegeben ist. Denn Bedrohung und Vergewaltigung sind innerlich dadurch miteinander verknüpft, dass die vorangegangene Bedrohung mit dem Messer auch bei der folgenden Vergewaltigung fortwirkte. Wie das Landgericht ausdrücklich feststellte, entschied sich die Ehefrau des Angeklagten, „unter dem Eindruck der vorangegangenen Bedrohung mit dem Messer und dem Umstand, dass der Angeklagte das Küchenmesser in der Hosentasche bei sich hatte“, dem Ansinnen des Angeklagten (nach Geschlechtsverkehr) keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Insbesondere auch mit Blick darauf stellt sich das gesamte Verhalten des Angeklagten vom Eindringen in die Wohnung bis zur Vergewaltigung als ein in sich geschlossenes, zusammengehöriges Geschehen dar, dessen getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.“

StGB II: Vergewaltigung, oder: Willensunfähigkeit

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 16.02.2021 – 4 RVs 10/21 – zur Frage der Vergwaltigung – Stichwort: Willensunfähigkeit.

Das OLG geht von folgendem Sachverhalt aus:

„Nach den (zusammengefassten) Feststellungen des Landgerichts, welches von einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 177 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6 StGB ausgeht, beförderte der Angeklagte am 00.00.2017 kurz nach Mitternacht als Taxifahrer in dem von ihm geführten Taxi die damals 17-jährige, sexuell noch unerfahrene, bei ihren Eltern lebende und stark alkoholisierte Nebenklägerin von einer Feier nach Hause. Dort angekommen stellte die Nebenklägerin fest, dass sie ihre Handtasche mit dem ihr von den Eltern zur Verfügung gestellten Fahrgeld und den Haustürschlüsseln auf der Feier vergessen hatte. Der Angeklagte telefonierte sodann mit dem auf der Feier noch befindlichen Bruder der Nebenklägerin, welche zuvor die Verbindung auf ihrem Mobiltelefon hergestellt hatte. Dieser besprach mit dem Angeklagten, dass er bei den Eltern klingeln solle, um sein Geld zu bekommen. Die Nebenklägerin musste sich mehrfach übergeben. Angesichts ihres Zustandes (die Eltern hatten ihr den Genuss von „hartem“ Alkohol untersagt, den sie aber gleichwohl konsumiert hatte) wollte die Nebenklägerin nicht, dass die Eltern geweckt werden. Der Angeklagte klingelte nicht an deren Tür. Er erkannte den Zustand der Nebenklägerin, insbesondere, dass sie alkoholbedingt „motorisch sowie in ihrer Fähigkeit, einen klaren Willen zu bilden oder gar zu äußern, eingeschränkt war“ und machte sich diesen in der Folge zu nutze: Er verbrachte die Nebenklägerin auf die Rückbank seines Taxis, legte sich zu ihr, entblößte ihren Unterleib, drückte ihr linkes Bein so zur Seite, dass auf der inneren Oberschenkelseite zwei Hämatome entstanden, und führte mit der Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch.“

Das AG hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat dann das LG verworfen.Das OLG hat auf die Revision hin aufgehoben.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Die Vorschrift des § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.

  2. Eine erhebliche Einschränkung der Fähigkeit zur Bildung oder Äußerung des Willens i.S.v. § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist gegeben, wenn die Fähigkeit des Opfers, einen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern gegenüber Personen ohne eine Beeinträchtigung deutlich herabgesetzt – aber noch nicht aufgehoben – ist. Dies kann namentlich daran liegen, dass das Tatopfer zustandsbedingt die Situation nicht in ihrer Tragweite oder nicht schnell genug erfasst oder Wahrnehmungsstörungen hat. Es kann auch daran liegen, dass es wegen kurzzeitiger Bewusstlosigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen etc. in der Willensbildung oder Willensäußerung eingeschränkt ist.

  3. Die tatrichterliche Wertung, dass der Täter einen Zustand des Opfers im Sinne v. § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausgenutzt hat, setzt bzgl. des Vorliegens des Zustands eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände, auch solcher, die gegen das Vorliegen eines solchen Zustands sprechen können, voraus.

StGB III: Beihilfe zur Vergewaltigung, oder: Hilfeleistung bei Vorbereitungshandlungen

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Und als letzte Entscheidung des Tages dann noch der BGH, Beschl. v. 15.09.2020 – 5 StR 254/20. Entschieden hat der BGH über die Revision gegen ein Urteil des LG Hamburg. Das hatte einen der Angeklagten wegen Beihilfe zur Vergewaltigung verurteilt. Die Revision hatte keinen Erfolg:

„Die Feststellungen tragen hinsichtlich des Angeklagten F. den Schuldspruch wegen Beihilfe zur Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 Nr. 1, § 27 Abs. 1 StGB. Danach ergriffen beide Angeklagte die ihnen körperlich deutlich unterlegene Zeugin S. und zogen sie zu einem Lüftungsschacht der U-Bahn. Der Angeklagte F. versetzte der Zeugin, die sich wehrte und „Nein, ich will das nicht!“ rief, Schläge gegen Bauch und Kopf, um so ihre Abwehrbereitschaft herabzusetzen und dem Angeklagten T. den Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen zu ermöglichen. Im weiteren Verlauf des Geschehens hielt der Angeklagte F. die Beine der Zeugin – der er zuvor Hose und Slip ausgezogen hatte – fest, damit diese nicht treten und sich aus der Umklammerung herauswinden konnte. Als der Angeklagte F. erkannt hatte, dass der deutlich größere und kräftigere Angeklagte T. die Lage beherrschte, indem er sich auf die Zeugin lehnte und sie so auf dem Lüftungsschacht rücklings fixierte, entfernte er sich mit der sinngemäßen Bemerkung, dass T. die Zeugin töten könne, wenn er – T. – mit ihr fertig sei. T. vollzog unmittelbar darauf den ungeschützten Geschlechtsverkehr mit der Zeugin.

Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 453/00, NStZ 2001, 364 mwN). Die Hilfeleistung muss nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt bereits die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 . 1 StR 112/16, NStZ 2017, 337 mwN). Deshalb ist es vorliegend ohne Belang, dass sich der Angeklagte F. unmittelbar vor der Vergewaltigung der Zeugin S. durch den Angeklagten T. entfernte.“