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Aber Herr Kollege: Das kleine Einmaleins der Revisionsbegründung sollte man beherrschen

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Bei manchen Revisionsentscheidungen des BGH möchte man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Der BGH, Beschl. v. 23.09.2015 – 2 StR 485/14, der erst vor kurzem auf der Homepage eingestellt worden ist, fällt in diese Kategorie. Nun, nicht etwa wegen der Entscheidung und/oder Ausführungen des BGH zu Verfahrens- oder Rechtsfragen, sondern wegen der Unzulänglichkeiten der Revisionsbegründung, die der Verteidiger zu den von ihm erhobenen Verfahrensrügen abgeliefert hat. Der BGH-Beschluss spricht für sich, wenn es dort heißt:

„Die Verfahrensrügen des Angeklagten sind unzulässig. Sie genügen nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

a) Der Beschwerdeführer rügt, das Landgericht habe einen Beweisantrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zu Unrecht abgelehnt. Er hat aber weder den Beweisantrag noch den ablehnenden Beschluss des Landgerichts mitgeteilt.

b) Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Landgericht habe nicht hinreichend aufgeklärt, „ob und inwieweit nun noch eine Persönlichkeitsstörung bei der Nebenklägerin vorhanden ist,“ hat er keine bestimmte Behauptung darüber aufgestellt, welche Tatsache das Landgericht hätte aufklären können und warum es sich dazu habe gedrängt sehen müssen.“

Also, lieber Kollege Verteidiger: Wenn man schon eine Revision beim BGH einlegt und die mit der Verfahrensrüge begründet, dann sollte man aber auch das kleine 1 x 1 der Revisionsrechtsprechung beherrschen. Sonst lässt man es besser. Und um mehr als kleines 1 x 1 ist es hier auch nicht gegangen. Das war keine „Verfahrensrüge am Hochreck“, sondern es wurde nur die Ablehnung eines Beweisantrages gerügt und eine Aufklärungssrüge erhoben. Wie man die einfachen Verfahrensrüge begründet, ist nun wahrlich keine Kunst. Und wer es nicht kann oder noch nie gemacht hat, der sollte sich formieren. Ich kenne da ein ganz gutes Buch, nämlich das „Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 1 Aufl. 2013„, das man hier bestellen kann 🙂 .

Lichtbilder in der Revisionsbegründung?

© MASP - Fotolia.com

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Lichtbilder in der Revisionsbegründung? Die auf den ersten Blick überraschende Frage muss man dann ggf. mit „Ja“ und angefügt: „Auf jeden Fall“ beantworten, nachdem man den BGH, Beschl. v. 30.07.2015 – 4 StR 561/14  gelesen hat. Eine Nebenklägerrevision, bei der es aber mal nicht um die mit dem § 400 StPO zusammenhängenden Fragen ging. Erhoben war auch die Verfahrensrüge, die aber – so der BGH – nicht ausreichend begründet war:

„Die von allen drei Nebenklägern inhaltlich übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 23. Februar 2015 genannten Gründen ohne Erfolg. Zu der Rüge, das Landgericht habe § 261 StPO verletzt, weil es sich in den Urteilsgründen nicht mit dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt habe, bemerkt der Senat ergänzend: Diese Rüge ist bereits deshalb nicht zulässig erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revisionsbegründungen die in Augenschein genommenen Lichtbilder nicht enthalten. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, wird in den Urteilsgründen nicht im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Bezug genommen, so dass die Kenntnisnahme von ihrem Inhalt dem Senat nicht bereits aufgrund der Sachrüge möglich ist.“

Muss/sollte man dran denken.

Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen in der Revision

© eyetronic Fotolia.com

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Ist ein Zeuge bereits einmal vernommen und entlassen, ist es i.d.R. schwierig, seine erneute/nochmalige Vernehmung durchzusetzen. Da hilft dann nur ein entsprechend begründeter Beweisantrag, in dem dargelegt wird, zu welchen Themen der Zeuge warum – noch einmal – gehört werden soll. Aber das ist jetzt gar nicht das Thema, sondern: Die Schwierigkeiten gehen nämlich weiter, und zwar dann, wenn dieser Beweisantrag abgelehnt worden ist und das mit der Revision gerügt werden soll. Dann sind besondere Voraussetzungen in der Verfahrensrüge zu erfüllen, soll die Rüge nicht scheitern. Dazu verhält sich (noch einmal) der BGH, Beschl. v. 01.06.2015 – 4 StR 21/15:

„a) Die Verfahrensrügen, die die nochmalige Vernehmung der Zeugin J. zum Gegenstand haben, greifen – wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 14. April 2015 ausgeführt hat – nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:

Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit dieser Rügen. Wird in der Revision die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits angehörten Zeugen geltend gemacht, muss nämlich mitgeteilt werden, dass und wozu der Zeuge in der Hauptverhandlung bereits ausgesagt hat (BGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 – 5 StR 322/01; vom 21. März 2002 – 5 StR 566/01; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 StR 407/12). Denn nur dann kann geprüft werden, ob es sich nicht um einen bloßen Antrag auf Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme oder auf Feststellung ihres Inhalts handelte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2001 – 3 StR 211/01, NStZ-RR 2002, 257, 258 f. – bei Becker; vom 18. Februar 2004 – 2 StR 462/03, NStZ 2004, 630, 631; Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 338/04) und ob der An-trag als Beweisantrag zu verbescheiden war oder als Beweisanregung abgelehnt werden durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 – 4 StR 647/99, BGHSt 46, 73, 80).

Ob hierfür – auch angesichts der Besonderheiten des Falles (vgl. UA S. 35 f.) – der bloße Vortrag ausreicht, die Zeugin sei in ihrer früheren Ver-nehmung weder zu den nunmehr behaupteten Tatsachen befragt worden noch habe sie sich hierzu geäußert, kann dahinstehen. Die Rügen sind nämlich jedenfalls wegen fehlenden Beruhens (§ 337 Abs. 1 StPO) unbegründet…….“

Aber hallo: Da fehlte eine Seite –> Zack, war die Verfahrensrüge unzulässig

© stockWERK - Fotolia.com

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Revisionsrecht ist schwer und „formenstreng“. Das weiß jeder, der Revisionsrecht macht. Und das gilt vor allem bei der Verfahrensrüge, für die das „scharfe Schwert“ des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gilt. Und wie scharf das Schwert sein kann, das beweist mal wieder der BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – 4 StR 576/14.

Da hatte der Verteidiger im Revisionsverfahren offenbar ein (abgelehntes) Ablehnungsgesuch (§§ 24 ff. StPO) zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht. Der GBA hatte u.a. die Auffassung vertreten, dass unter den im Verfahren vorliegenden Umständen,  der Angeklagte auch zu der Frage hätte vortragen müssen, ob die Ablehnung verspätet war. Das sieht der BGh anders, aber:

„Wie der Generalbundesanwalt im Weiteren aber zutreffend dargelegt hat, ist die Rüge unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschwerdeführer die Seite 16 des Zurückweisungsbeschlusses vom 13. Juni 2014 nicht vorgelegt hat….“

Na, das wird im Zweifel zu einem ernsten Gespräch des Verteidigers mit seinem Büropersonal führen (müssen), allerdings nachgezählt hat der Verteidiger selbst dann wohl auch nicht (richtig) 🙂 .

Aber ganz so schlimm sollte/wird es nicht werden, denn – so der BGH:

„….die Verfahrensbeschwerde wäre darüber hinaus auch unbegründet, weil der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben ist.“

Verteidigerfehler, oder: Da muss ich mich über die Verwerfung der Revision nicht wundern/ärgern

entnommen wikimedia.org Urheber Harald Bischoff

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Urheber Harald Bischoff

Verteidiger beklagen häufig, dass ihre Revisionen beim BGH oder beim OLG keinen Erfolg haben. Vor allem Verfahrensrügen würden kaum durchdringen. Das ist sicherlich eine berechtigte Klage. Nur: Man muss an der ein oder anderen Stellen aber bitte dann auch mal Ursachenforschung betreiben und sich fragen: Warum haben eigentlich so viele Verfahrensrügen keinen Erfolg?

Da hilft dann m.E. ein Blick in die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere in die auf der Homepage des BGH veröffentlichten Urteile und Beschlüsse. Da liest/sieht man nämlich in sehr vielen Entscheidungen den Hinweis, des BGH, dass die Verfahrensrüge unzulässig ist, weil sie nicht den (strengen) Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Das ist m.E. i.d.R. der mehr als deutliche Hinweis auf einen „Verteidigerfehler“, das eben zur Begründung des geltend gemachten Verfahrensverstoßes nicht genügend vorgetragen worden ist. An der Stelle kann man sicherlich weiter darüber lamentieren, dass die Anforderungen an die Begründung der Verfahrensrüge zu hoch sind und die Latte des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO von den Revisionsgerichten zu/so hoch gelegt wird, dass man nicht mehr darüber springen kann und die Latte reißt = die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht erfüllt. Das mag richtig sein, wenn es um Besonderes oder neue Hürden geht, die von der Rechtsprechung aufgestellt werden. Nicht aber, wenn es um die Ablehnung ganz einfacher, im Grunde alltäglicher Verfahrensrügen geht.

Und da ist der BGH, Beschl. v. 07.04.2015 – 4 StR 97/15 – ein „schönes“ Beispiel. Gerügt worden ist offenbar die Ablehnung eines Beweisantrages, in dem die schriftliche Erklärung einer M.J. eine Rolle spielte. Wenn man dazu dann aber die Verfahrensrüge begründet, dann muss aber auch bitte alles, was für die Beurteilung der Ablehnung dieses Beweisantrages, also dieses Vorgangs in der Hauptverhandlung, von Bedeutung ist, zur Begründung mit vorgetragen werden. Und dazu gehört dann auch der Inhalt dieser schriftlichen Erklärung, weil sonst das Revisionsgericht nicht beurteilen kann, ob die Ablehnung zu Recht erfolgt ist oder nicht. Trägt man das nicht vor, erhält man einen kurzen, knappen Satz des Revisionsgerichts, hier des BGH, der dann lautet:

„Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. März 2015 bemerkt der Senat, dass die Verfahrensrüge bereits unzulässig ist, da die Revision die in ihrem Beweisantrag in Bezug genommene schriftliche Erklärung der M. J. nicht vorgelegt hat (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).“

Das war es dann. Gewogen und zu leicht befunden und man/der Verteidiger ist selbst verantwortlich für den Misserfolg der Verfahrensrüge. Ob sie in der Sache etwas gebracht hätte, ist eine ganz andere/weitere Frage. Jedenfalls hätte man hier zumindest schon mal die erste Hürde überspringen können.